Sächsischer LandtagDrs 6/16605, 01.02..2019
Antrag der Fraktion DIE LINKE.
Thema: Verfassungsrechtlichen Rundfunkauftrag umsetzen – Verhandlungen zur Novellierung des MDR -Staatsvertrages als Chance für eine längst überfällige Reform des Mitteldeutschen Rundfunks nutzen!Der Landtag möge beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert,
I.
den Landtag über den bisherigen Stand, die Gegenstände und Zielsetzungen von ihr geführter Verhandlungen und Gespräche mit den Regierungen des Landes Sachsen- Anhalt und des Freistaates Thüringen als den vertragsschließenden Ländern für eine grundlegende Novellierung des MDR -Staatsvertrags ausführlich zu unterrichten sowie den Landtag rechtzeitig in die weiteren V erhandlungen einzubeziehen und hierbei mit dem Landtag das Einvernehmen zu den von ihr verfolgten , grundlegenden Verhandlungszielen herzustellen.
II.
die nachfolgend aufgeführten Schwerpunkte für eine längst überfällige, grundlegende Reform des Mitteldeu tschen Rundfunk s im Zuge der weiteren Verhandlungen zur Novellierung des MDR -Staatsvertrags für den Freist aat Sachsen einzufordern und zu berücksichtigen:
1. die Präzisierung des Programmauftrags des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) für ein den verfassungsrechtlichen Anforderungen, Aufgaben und Funktionen des öffentlich -rechtlichen Rundfunks entsprechendes i nhaltlich und programmlich breites und vielfältiges Rundfunkangebot;
2. die Erweiterung des derzeitigen Programmauftrags des MDR um eine umfangreichere lokale und regionale Berichterstattung;
3. die Aufhebung der Festschreibung der Anz ahl der Hörfunkprogramme im MDR - Staatsvertrag;
4. die Reduzierung der Frist zur Beantwortung von Programmbeschwerden von zwei Monaten auf einen Monat;
5. die Gewährleistung der Öffentlichkeit der Sitzungen des Rundfunkrats;
6. die Übernahme der Regelungen aus dem ZDF -Staatsvertrag zur Ge ährleistung der Staatsferne der Gremien des Rundfunkrats;
7. die Begrenzung der Amtsdauer der Mitglieder im Rundfunkrat sowie im Verwaltungsrat auf maximal drei Amtsperioden;
8. die Offenlegung der Vergütungen von freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie E xpertinnen und Experten ab einem Betrag von mehr als 200.000 Euro im Jahr;
9. die Gewährleistung der geschlechterparitätischen Zusammensetzung des Rundfunkrats und des Verwaltungsrats;
10. die Erweiterung der Mitglieder im Rundfunkrat um V ertreterinnen und Vertreter : • der Sorbinnen und Sorben, • von Migrant *innen- und Flüchtlingsorganisationen, • der Studierendenschaften, • der Vereine und Verbände von Menschen mit Behinderung • der Vereine und Verbände aus dem Bereich der Gleichstellung von Menschen und Lebensweisen, • der Seniorinnen und Senioren, • aus dem Bereich von Kunst, Kultur und Film , • der Verbraucherinnen und Verbraucher;
11. die deutliche Absenkung der Grenzen für die Gremienbeteiligung des Rundfunkrats bei der Übernahme von Verpflicht ungen von derzeit 5 Millionen Euro auf künftig 2 Millionen Euro;
12. die Sicherstellung der Wahl der Intendantin oder des Intendanten in alleiniger Verantwortung des Rundfunkrats;
13. den Ausschluss der weiteren Reduzierung der Zahl von journalistisch tätigen fes ten sowie fest -freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MDR;
14. die Ansiedlung neu zu gründender Tochterunternehmen des MDR auf dem Gebiet des Freistaates Thüringen zur Gewährleistung einer nachhaltigen und ausgewogenen Verteilung zwischen den vertragsschließenden Ländern;
15. die Einführung einer staatsvertraglichen Garantie für wirtschaftlich- finanziell ausgewogene Vertragsbedingungen und für eine faire Verteilung der Verwertungsrechte gegenüber Unternehmen, Urheberinnen und Urhebern sowie Leistungsschutzber echtigten bei der Vergabe von Aufträgen mit medialen Inhalten durch den MDR;
16. die Gewährleistung der Geltung und der entsprechenden Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes für alle beim MDR beschäftigten Personen, einschließlich der in einem arbeit nehmerähnlichen Verhältnis beschäftigten Personen;
17. die Ermöglichung der Einrichtung eines der Praxis beim Westdeutschen Rundfunk entsprechenden Redakteursrats durch ein Redakteursstatut beim MDR;
18. die Gewährleistung der Geltung und der entsprechenden Anwend ung des Bundesgleichstellungsgesetzes bei der Sicherstellung der Gleichstellung und Chancengleichheit von Frauen und Männern beim MDR.
Begründung:
Mit seinem Urteil zum seinerzeitigen ZDF -Staatsvertrag vom 25. März 2014 1 stellte das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich wesentliche Grundsätze zur Gewährleistung einer verfassungskonformen Zusammensetzung der Gremien des ZDF unter den Gesichtspunkten der Staatsferne, des Vielfaltsgebots, der Aktualität sowie der Gleic hstellung auf. Darüber hinaus wurden mit dem „ZDF -Urteil“ weitere Anforderungen formuliert, mit denen die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Gremienmitglieder sichergestellt sowie deren Status und Rechtsstellung näher ausgestaltet werden sollte.
Diese mit dem „ZDF -Urteil“ durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten neuen Grundsätze gelten seither ausnahmslos für alle öffentlich- rechtlichen Rundfunk - anstalten und bedürfen daher einer entsprechenden normativen Umsetzung in den jeweiligen Rundfunkstaatsverträgen und den dazu zu verabschiedenden Ratifizierungsgesetzen.
Ungeachtet dessen, dass inzwischen Rundfunkstaatsverträge anderer Bundesländer und auch der ZDF -Staatsvertrag zur Stärkung des öffentlich- rechtlichen Rundfunks sowie zur Sicherung der Angebotsvielfalt im Rundfunk an die Vorgaben des oben näher bezeichneten Bundesverfassungsgerichtsurteils angepasst worden sind, hält die Staatsregierung eine dementsprechende, zudem verfassungsrechtlich gebotene Novellierung des MDR -Staatsvertrags in der laufenden 6. Wahlperiode nicht für erforderlich.
An dieser Auffassung vermochte bislang ganz offensichtlich auch die aus Anlass und im Ergebnis des „2. Arbeitstreffens der Medienausschüsse der Landtage von Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen“ bereit s am 21. August 2017 von den Vertreterinnen und Vertreter n der Medienausschüsse an die Landesregierungen der MDR -Länder gerichtete, gemeinsame öffentliche Erklärung nichts zu ändern.
Mit dieser gemeinsamen Erklärung wurden die Landesregierungen aufgefordert, den Landtagen bis zum Ende des 1. Quartals 2018 einen konkreten Entwurf zur Novellierung des MDR -Staatsvertrags mit der zentralen Zielsetzung vorzulegen, den MDR -Staatsvertrag noch im Jahre 2018 verfassungsrechtlich und medienpolitisch für die Zukunft fit zu machen.
Angesichts der hiernach bis heute beim Mitteldeutschen Rundfunk nicht umgesetzten verfassungsrechtlichen Vorgaben aus dem „ZDF -Urteil“ steht nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE der Landtag – nicht zuletzt auch in Achtung der öffentlichen Erklärung der Mitglieder seines „Medienausschusses“ vom 21. August 2017 (!) – in der unmittelbaren politischen Verantwortung, von der Staatsregierung die Aufnahme bzw. die Führung von Verhandlungen mit den Landesregierungen Sachsen- Anhalts und Thüringens zur Novellierung des MDR -Staatsvertrags für eine längst überfällige verfassungs - und rundfunkrechtliche Reform des Mitteldeutschen Rundfunks einzufordern, mit der insbesondere die im Antragspunkt II. genannten Schwerpunkte im Staatsvertrag umgesetzt und vereinbart werden sollen.
Darüber hinaus soll die Staatsregierung den Landtag über den ggf. bereits erreichten Stand der Verhandlungen, die Verhandlungsgegenstände und Verhandlungsziele für eine grundlegende Novellierung des MDR -Staatsvertrags ausführlich unterrichten. Zudem ist es nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE geboten, dass die Staatsregierung den Landtag rechtzeitig in die weiteren Verhandlungen einbezieht und hierbei rechtzeitig das Einvernehmen mit dem Landtag zu den von ihr verfolgten grundlegenden Verhandlungszielen herstellt.
1. vgl. BVerfG, Urteil vom 25. März 2014 – 1 BvF 1/11 - Rn. (1- 135), „ ZDF -Urteil “, BVerfGE 136, 9 – 68; ( https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/03/fs20140325_1bv f000111.html ).
Download des Originaldokuments (pdf, ~170 kb)
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_art=Drs&dok_nr=16605&leg_per=6Alternativ-Download im Anhang