LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
Drucksache 17/2759
05.06.2018
Gesetzentwurf der Fraktion der AfD
Gesetz zur Verbesserung der Transparenz und Staatsferne der Landesanstalt für Medien (LfM) Nordrhein-Westfalen und des Westdeutschen Rundfunks Köln (WDR)A Problem
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 25. März 2014 (1 BvF 1/11 und 1 BvF 4/11, „ZDF - Urteil“) festgestellt, dass die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der öffent- lich - rechtlichen Rundfunkanstalten gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG am Gebot der Vielfaltsiche- rung auszurichten ist.
Der Gesetzgeber dürfe zwar festlegen, dass neben M itgliedern, die von gesellschaftlichen Gruppen entsandt werden, auch „staatliche oder staatsnahe Mitglieder“ den Aufsichtsgremien angehören, deren Einfluss sei jedoch „konsequent zu begrenzen“ (Grundsatz der „Staats- ferne“).
So dürfe höchstens ein Drittel der Mitglieder eines solchen Gremiums „staatlich oder staats- nah“ sein und der Einfluss der Exekutive auf die Auswahl der staatsfernen Mitglieder dürfe nicht bestimmend sein. Der Grundsatz der Staatsferne gilt nach herrschender Auffassung auch für die Lan desmedi- enanstalten, die mit der Aufsicht über den privaten Rundfunk betraut sind. Grundlage für dieses Urteil waren die Zustände im ZDF - Fernsehrat, wo sich zwei sogenannte „Freundeskreise“ etabliert hatten: Analog zu Fraktionen in einem Parlament trafen s ich diese informellen Vereinigungen jeweils vor den Sitzungen des Fernsehrats und legten ihr Abstim- mungsverhalten fest.
Von den beiden „Freundeskreisen“, denen fast alle Mitglieder des Fernsehrats angehörten, war jeweils einer SPD - und einer unionsnah. Ob die vom Bundesverfassungsgericht in diesem Urteil festgelegten Schranken ausreichen, um eine Staatsferne tatsächlich sicherzustellen, ist mehr als fraglich. Es ist überhaupt fraglich, wie ein Gremium staatsfern sein kann, wenn ein Landesparlament bzw. R egierungsstellen festlegen, welche Verbände Vertreter entsenden dürfen.
Tatsächlich ist allgemein bekannt, dass die politischen Parteien in Deutschland gewisse Ver- bände als ihren jeweiligen „verlängerten Arm“ betrachten und somit zumindest mittelbar die Wi llensbildung in den jeweiligen Gremien weit mehr beeinflussen, als das Urteil des Bundes- verfassungsgerichts es erlaubt.
Die Vertreter der alten Parteien in Deutschland machen aus diesem Umstand auch gar keinen Hehl. Beispielhaft hierfür sei der Debattenbe itrag des CDU - Abgeordneten Professor Dr. Thomas Sternberg zu einer Novelle des WDR - Gesetzes durch die damalige rot - grüne Lan- desregierung zitiert (Plenarprotokoll des Landtags NRW vom 27. Januar 2016)
„Mit Staatsnähe ist wohl vor allen Dingen die politisc he Einflussnahme auf die Aufsichts- gremien des WDR gemeint. Aber Einfluss, meine Damen und Herren, kann man nicht allein über die von den Landtagsfraktionen Gewählten nehmen. Einfluss kann man auch über die politische Ausrichtung der Verbandsvertreter nehme n.
Wir erleben hier ein Stück Medienpolitik als Macht - und Personalpolitik.
(Beifall von der CDU) [...]
Es geht ja schließlich darum, den Rundfunkrat irgendwie politisch auf die Linie zu krie- gen. [...] Aber die freien Berufe, Anwälte, Architekten, Ingenieure, Apotheker mit immerhin 274.000 Betrieben und 730.500 Beschäftigten in unserem Land müssen sich künftig ei- nen Sitz teilen. Das haben sie davon, wenn sie zumindest bisher einen CDU - nahen Ver- treter im Rundfunkrat hatten. Das ist die Strafe dafür. Künftig nur noch einen halben Sitz.“
Eine ausschließlich auf öffentlichen Quellen beruhende Betrachtung der Mitglieder des WDR - Rundfunkrats und der Medienkommission ergibt einen ähnlich eindeutigen Eindruck:
Ein Gut- teil, beim WDR sogar fast die Hälfte, is t klar einer politischen Partei zuzuordnen. Sehr viele Mitglieder sind ehemalige Parteifunktionäre, Parlamentarier oder sogar ehemalige Angehörige der Exekutive. Nach den gegenwärtigen Transparenzregeln muss hiervon nichts veröffentlicht werden.
Beim WDR - Rundfunkrat ergibt sich derzeit folgendes Bild: Von den 60 Mitgliedern werden 13 direkt von den Fraktionen im Landtag entsandt. Von den übrigen Mitgliedern sind mindestens folgende klar einer Partei zuzuordnen:
1. Die Vertreterin des Verbands der Bildenden Künstler gehört den Grünen an.
2. Der Vertreter des Beamtenbundes ist CDU - Funktionär.
3. Der Vertreter des DGB ist SPD - Mitglied.
4. Der Vertreter des Mieterbunds ist SPD - Mitglied.
5. Der Vertreter der nach § 12 Landschaftsgesetz NRW anerkannten Vereine hat ebenfalls e in SPD - Parteibuch.
6. Der Vertreter der Europa - Union ist Mitglied und früherer Funktionär der FDP
7. Die Vertreterin des Humanistischen Verbandes war früher stellvertretende Vorsitzende der SPD - Bundestagsfraktion und ist aktuell Vorsitzende des Kuratoriums der SPD - nahen Friedrich - Ebert - Stiftung.
8. Die Vertreterin der Familienverbände ist CDU - Mitglied und Funktionärin bei der Frauen - Union NRW.
9. Der Vertreter des Landesintegrationsrats ist SPD - Funktionär und ehemaliger Landtags- kandidat.
10. Der Vertreter des Landesjagdve rbands ist früherer Funktionär und Mitglied der CDU.
11. Die Vertreterin der Landesseniorenvertretung ist frühere Funktionärin und Mitglied der CDU.
12. Die Vertreterin des Landessportbunds ist CDU - Mitglied und saß zweimal für die CDU im Landtag.
13. Der Vertreter des VdK ist SPD - Funktionär und ehemaliger Landtagsabgeordneter.
14. Der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände ist CDU - Mitglied und war für die CDU - Landtagsfraktion tätig.
15. Der Vertreter der freien Berufe, Familienunternehmer und Wirtschaftsjunioren ist FDP - Funktionär.
16. Der Vertreter der Landwirtschaftsverbände ist ehemaliger Landtagsabgeordneter für die CDU.
17. Ein zusätzlich zu den Mitgliedern des WDR - Rundfunkrats entsandter Vertreter des Per- sonalrats mit beratender Stimme ist Mitglied und Funktionär der Gr ünen.
Bei der Medienkommission ergibt sich derzeit folgendes Bild:
Von den 41 ordentlichen Mitgliedern werden acht direkt durch die im Landtag vertretenen Par-
teien entsandt. Von den übrigen sind mindestens folgende klar einer Partei zuzuordnen:
1. Der Vert reter des Journalistenverbands ist SPD - Mitglied.
2. Der Vertreter der Arbeitgeberverbände und des Handwerks ist CDU - Funktionär.
3. Die Vertreterin des Kinderschutzbundes ist Mitglied der SPD und war bei einer SPD - Rats- fraktion beschäftigt.
4. Der Vertreter der Lande sseniorenvertretung war zwanzig Jahre Mitglied des Landtags für die SPD.
5. Der Vertreter des Landessportbundes ist Mitglied und Kommunalmandatsträger bei der CDU.
6. Die Vertreterin des Landesbehindertenrats sitzt für die SPD in einem Kommunalparla- ment.
7. Die Ver treterin des Landesintegrationsrats kandidierte kommunal auf einer SPD - nahen Liste.
8. Der Vertreter der Alevitischen Gemeinde ist Mitglied und war Funktionär bei der SPD.
9. Der Vertreter des Beamtenbunds war Funktionär und Kommunalmandatsträger bei der Union.
10. Der Vertreter der Europa - Union ist SPD - Funktionär und kandidierte für diese bei der letz- ten Europawahl.
In Anbetracht der zentralen Stellung, die die politischen Parteien in unserem Staatswesen ein- nehmen, können die hier aufgeführten Vertreter nur in den wenigsten Fällen als wirklich staats- fern angesehen werden. Die herrschenden Parteien sichern sich also ei nen Einfluss auf die Gremien des WDRs und der Landesanstalt für Medien, der weit über das im ZDF - Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorgegebene Höchstmaß hinausgeht.
B Lösung
Es ist ein grundlegender Konstruktionsfehler des öffentlich - rechtlichen Rundfunks und der Me- dien aufsicht, dass die Zusammensetzung der jeweiligen Aufsichtsgremien maßgeblich durch die jeweiligen Parlamentsmehrheiten bestimmt wird. Im Falle des WDR und der Medienkommission NRW hat die Begrenzung der direkt vom Land- tag entsan dten Mitglieder kaum Einfluss auf die Staatsferne des Gremiums. Die Parteien um- gehen die Beschränkung einfach, indem sie über die ihnen wohlgesonnene Verbände eigene Mitglieder und Funktionäre entsenden. Eine umfassende Lösung des Problems ist innerhalb d er Grenzen des bisherigen Aufsichts- systems nicht möglich. Weitergehende Offenlegungspflichten werden aber zumindest für mehr Transparenz sorgen und damit öffentlichen Druck generieren. Politiker müssen dann zukünftig erklären, warum sich so viele ihrer Par teifreunde in den jeweiligen Gremien befinden.
C Alternativen
Keine
D Kosten
Keine
Gesetzesentwurf
[…]
Weiterlesen/Download des Originaldokuments (pdf, ~320 kb):
https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMD17/2759|00000|00000Alternativ hier im Anhang