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GERICHTSTERMIN: Verhandlung, BayVGH München, Di, 20.02.2018, 10:30h

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ope23:
Vielen Dank für das extrem ausführliche Protokoll. Mich wundert es, dass sich die Richter so ins Detail vertieft haben - auch wenn sie dann durch partielle Ignoranz (vgl. die Fußnoten) auffallen.

Eine Anmerkung zum Wohngeld:

--- Zitat ---außerdem gebe es keine Einkommenshöchstgrenze für den Wohngeldbescheid,

--- Ende Zitat ---
Von einem Richter erwarte ich, dass er weiß, worum es beim Wohngeld geht und dass er sich denken kann, dass sehr hohe Einkommen zu keinem Wohngeld führen könnten. (Wahrscheinlich denkt er an seinen fiktiven Neffen, der als Häuslebauer ebenfalls "Wohngeld" bekommt - aber das ist eine ganz andere Baustelle, und dieses Geld heißt dann "Lastenzuschuss" und soll die Hauskreditbelastung mindern.)

Sehr wohl gibt es  nämlich Einkommenshöchstgrenzen beim Wohngeld! Eine WWW-Schnellsuche ergibt, dass ein Single in München(!) gerade mal knapp 1600 Euro monatlich und brutto verdienen darf, um überhaupt Wohngeld zu bekommen.

In den Tiefen des WWW kursiert der Spruch, dass Richter meinen, "man habe Geld zu haben". Solche Richter können sich nicht vorstellen, wie man in Deutschland kein Geld haben kann, und die drei hier scheinen auch von diesem Kaliber zu sein.

Ja, es geht: kein Geld zu haben. Man braucht dafür noch nicht mal obdachlos zu sein. Es genügt, schulpflichtige Kinder allein zu erziehen und Aufstocker zu sein.

cecil:
Danke für den Einblick in die Verhandlung und das ausführliche Protokoll !

Es stellt sich auch die Frage, ob in Verfahren über Beitragsbefreiungen aus sozialen Gründen nicht eigentlich die Sozialgerichtsbarkeit zuständig wäre. Da hat man nämlich die notwendige Kenntnis über Sozialleistungsbezug und das  jeweilige Bewilligungsverfahren ... sowie das notwendige Fingerspitzengefühl.  ;)

Mork vom Ork:

--- Zitat ---Landesanwaltschaft Bayern: [...]Härtefälle seien in der Regel so definiert, dass bei einem atypischen Fall etwas übersehen werde. Davon könne hier jedoch nicht ausgegangen werden, da schon zu Gebührenzeiten bekannt gewesen sei, dass es Fälle gebe, die im Befreiungskatalog nicht aufgelistet seien.7 
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---Gericht: [...] Es liegt ein Härtefall vor, wenn es sich um einen atypischen Fall handelt, den der Gesetzgeber übersehen hat. Wenn es sich um einen atypischen Fall handle, liege ein Härtefall vor und die Prüfung des Gerichts endete an dieser Stelle. [...]
--- Ende Zitat ---


Ich frage mich die ganze Zeit, woher diese Formulierung stammt, die den Härtefall als atypischen Fall definiert, den der Gesetzgeber übersehen hat.

Hat jemand vielleicht eine Idee der Quelle dieser Definition?

(Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich bereits im Beckschen Rundfunkrechtskommentar davon gelesen habe.)

In unserem Forum gefunden habe ich eine Entscheidung des VG Ansbach, in dem eine Entscheidung des OVG Saarland zitiert wird "OVG Saarl, B. v. 29.5.2017 – 1 D 338/16 – juris RN. 10 m.w.N."
Verhandlung VG Ansbach, Do., 02.02.17, ab 10:30
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,21805.msg165332.html#msg165332

--- Zitat ---OVG Saarland 1 D 338/16 vom 29.5.2017
Das Tatbestandsmerkmal der besonderen Härte erfasst vielmehr diejenigen Fälle, die nicht von der Typologie des § 4 Abs. 1 RBStV erfasst werden, d.h. atypische vom Normgeber versehentlich nicht berücksichtigte Bedarfslagen
--- Ende Zitat ---


Ziemlich schlimm finde ich, dass das Gericht dem Gesetzgeber eine implizite Berücksichtigung von Geringverdiener-Nicht-BaFÖG-Studenten attestiert, obwohl diese im Gesetz und im Gesetzkommentar keine Erwähnung finden! Damit darf man doch die Richter nicht durchkommen lasse, dass sie einfach behaupten, dass der Gesetzgeber diese Fälle sicherlich im Hinterkopf hatte, als er das Gesetz erlassen hat, dass in diesen Fällen nicht befreit!

Markus KA:
Vielen herzlichen Dank für das überaus umfangreiche und sehr interessante Protokoll. Das Thema ist bestimmt für viele Studierende sehr interessant und man darf auf das Urteil gespannt sein.

Mork vom Ork:
Beim Durchsehen der Zitate der Gerichte bis hin zum BVerwG fällt mir auf, dass sie sich immer auf Entscheidungen zu Rundfunkgebühren beziehen und nicht auf Rundfunkbeiträge  :o

Dazu meine Gedanken:

Der Umgang mit den Härtefällen der Rundfunkgebührenregelung darf anders sein als der Umgang mit den Härtefällen nach der Rundfunkbeitragsregelung! Die Rundfunkgebührenpflicht konnte man selbst beeinflussen, indem man keinerlei Rundfunkgeräte empfangsbereit hielt. Natürlich darf man nicht unbedingt erwarten, dass man die Rundfunknutzung geschenkt bekommt, wenn es nicht direkt im Befreiungskatalog auftaucht. Man hatte unbeachtet der Befreiungstatbestände jederzeit die Möglichkeit, die Rundfunkgebührenpflicht selbst zu beenden, wenn man seine Empfangsgeräte abgeschafft und abgemeldet hätte. Jetzt ist die Sache aber komplett anders: Jetzt gibt es eine Rundfunkbeitragspflicht für ALLE Wohnenden, deren Wohnungen die Kriterien des RBStV erfüllen. Die Unentrinnbarkeit ist vom Gesetzgeber so gewollt. Deshalb verstößt es gegen das Grundrecht auf ein gesichertes Existenzminimum, wenn eine unentrinnbare Abgabe aus einem unterhalb des Existenzminimums liegenden Einkommen gefordert wird!

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