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Autor Thema: EuGH C-23/20 - Pflicht d. Publizierung einer Ausschreibung im EU-Amtsblatt  (Gelesen 907 mal)

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Die Vergabe eines öffentlichen Auftrage ist in seiner Gesamtheit unionsrechtswidrig, wenn dieser Auftrag im EU-Amtsblatt hätte veröffentlicht werden müssen, aber nicht veröffentlicht worden ist.

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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
17. Juni 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Aufträge – Rahmenvereinbarung – Richtlinie 2014/24/EU – Art. 5 Abs. 5 – Art. 18 Abs. 1 – Art. 33 und 49 – Anhang V Teil C Nrn. 7, 8 und 10 – Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 – Anhang II Rubriken II.1.5 und II.2.6 – Vergabeverfahren – Verpflichtung, in der Bekanntmachung oder in der Beschreibung die Schätzmenge und/oder den Schätzwert und die Höchstmenge und/oder den Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren anzugeben – Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung – Richtlinie 89/665/EWG – Art. 2d Abs. 1 – Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge – Unwirksamkeit des Vertrags – Ausschluss“

In der Rechtssache C-23/20

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=243105&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=3566138

Rn. 47
Zitat
Nach Art. 49 der Richtlinie 2014/24 werden Auftragsbekanntmachungen unbeschadet des Art. 26 Abs. 5 Unterabs. 2 und des Art. 32 dieser Richtlinie als Mittel für den Aufruf zum Wettbewerb für alle Verfahren verwendet. Sie enthalten die Informationen nach Anhang V Teil C und werden gemäß Art. 51 der Richtlinie veröffentlicht.

Rn. 50
Zitat
Nach Anhang V Teil C Nr. 8 der Richtlinie 2014/24 gehören zu den von öffentlichen Auftraggebern in der Auftragsbekanntmachung aufzuführenden Angaben die geschätzte Gesamtgrößenordnung des (der) Auftrags (Aufträge); bei Unterteilung des Auftrags in mehrere Lose sind diese Informationen für jedes Los anzugeben. Die Bezugnahme auf eine bloße „Größenordnung“ und nicht etwa einen genau bestimmten Wert legt nahe, dass die Schätzung, die vom öffentlichen Auftraggeber verlangt wird, eine ungefähre sein kann.

Rn. 54
Zitat
Im Hinblick auf die in Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 genannten Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz sowie die allgemeine Systematik der Richtlinie ist es jedoch nicht hinnehmbar, dass öffentliche Auftraggeber in der Bekanntmachung keine Angaben zu einem Höchstwert der gemäß einer Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren machen.

Rn. 57
Zitat
Da der öffentliche Auftraggeber den geschätzten Gesamtwert ohne Mehrwertsteuer aller für die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung geplanten Aufträge zu veranschlagen hat, kann er den Bietern diesen Wert auch mitteilen.

Rn. 58
Zitat
Der Gerichtshof hat im Übrigen hat auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18, dessen Wortlaut mit dem von Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2012/24 identisch ist, in Rn. 60 seines Urteils vom 19. Dezember 2018, Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato – Antitrust und Coopservice, (C-216/17, EU:C:2018:1034), entschieden, dass der öffentliche Auftraggeber, der von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt ist, zwar nur einer Handlungspflicht unterliegt, wenn es darum geht, den Wert und die Häufigkeit jedes einzelnen der abzuschließenden Folgeaufträge anzugeben, er jedoch unbedingt die Gesamtmenge – und daher die Höchstmenge und/oder den Höchstwert – der möglichen Folgeaufträge angeben muss.

Rn. 59
Zitat
Zweitens muss der öffentliche Auftraggeber gemäß Anhang V Teil C Nr. 7 der Richtlinie 2014/24 in den in der Auftragsbekanntmachung aufzuführenden Angaben die Beschaffung beschreiben und dort die Menge bzw. den Wert der von der Rahmenvereinbarung als Ganzes erfassten Lieferungen angeben. Dieser Verpflichtung kann er nicht nachkommen, ohne zumindest eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert der Lieferungen anzugeben.

Rn. 60
Zitat
Außerdem hat ein öffentlicher Auftraggeber, wenn er das Formular in Anhang II der Durchführungsverordnung 2015/1986 ausfüllen muss, in der den geschätzten Wert betreffenden Rubrik II.2.6) dieses Formulars den maximalen Gesamtwert für die Gesamtlaufzeit jedes Loses anzugeben.

Rn. 61
Zitat
Zudem ist hervorzuheben, dass beim Abschluss einer Rahmenvereinbarung auch die tragenden Grundsätze des Unionsrechts, wie die Gleichbehandlung und die Transparenz, gelten, wie sich dies aus Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2014/24 ergibt. Sowohl die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung als auch der daraus folgende Grundsatz der Transparenz verlangen, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen klar, genau und eindeutig formuliert sind, damit, erstens, alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und, zweitens, der öffentliche Auftraggeber imstande ist, tatsächlich zu überprüfen, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2018, Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato – Antitrust und Coopservice, C-216/17, EU:C:2018:1034, Rn. 63).

Rn. 63
Zitat
Dass der öffentliche Auftraggeber die Schätzmenge und/oder den Schätzwert sowie eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert der gemäß einer Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren angibt, ist für den Bieter von erheblicher Bedeutung, da er auf der Grundlage dieser Schätzung seine Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung beurteilen kann.

Rn. 64
Zitat
Wäre der Höchstwert oder die Höchstmenge der Rahmenvereinbarung nicht angegeben oder die Angabe nicht rechtlich verbindlich, könnten sich öffentliche Auftraggeber zudem über diese Höchstmenge hinwegsetzen. Dann könnten Zuschlagsempfänger wegen Nichterfüllung der Rahmenvereinbarung vertraglich haftbar gemacht werden, wenn sie die von den öffentlichen Auftraggebern geforderten Mengen nicht liefern könnten, selbst wenn diese Mengen die Höchstmenge in der Bekanntmachung überschreiten. Dies würde jedoch den in Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 verankerten Transparenzgrundsatz verletzen.

Rn. 67
Zitat
Wird von öffentlichen Auftraggebern, die von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt sind, verlangt, in der Rahmenvereinbarung die Höchstmenge oder den Höchstwert der davon erfassten Leistungen anzugeben, so wird dadurch folglich das Verbot konkretisiert, das Instrument der Rahmenvereinbarung missbräuchlich oder in einer Weise anzuwenden, durch die der Wettbewerb behindert, eingeschränkt oder verfälscht wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2018, Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato – Antitrust und Coopservice, C-216/17, EU:C:2018:1034, Rn. 69).

Rn. 70
Zitat
Zum einen sind nach Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 3 und Art. 72 der Richtlinie 2014/24 Änderungen zulässig, die ihrer Art nach nicht substanziell sind, da davon auszugehen ist, dass Änderungen grundsätzlich einvernehmlich erfolgen, so dass die Zustimmung des Zuschlagsempfängers erforderlich ist.
Ändert der öffentliche Auftraggeber nach Auftragsvergabe den Auftrag, bedarf es der Zustimmung desjenigen, der den Auftrag zur Ausführung erhalten hat.

Rn. 71
Zitat
Zum anderen kann die Höchstmenge oder der Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren entweder in der Bekanntmachung oder in der Beschreibung angegeben werden, da öffentliche Auftraggeber bei Rahmenvereinbarungen verpflichtet sind, gemäß Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 ab dem Tag der Veröffentlichung einer Bekanntmachung gemäß Art. 51 unentgeltlich einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang anhand elektronischer Mittel zu den Auftragsunterlagen anzubieten.

Rn. 84
Zitat
Nach Art. 2d Abs. 1 der Richtlinie 89/665 ist ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union, ohne dass dies nach der Richtlinie 2014/24 zulässig ist, der betreffende Auftrag oder, wie im vorliegenden Fall, die Rahmenvereinbarung unwirksam.
Da könnten sich in Belangen des Neubaus, des Ausbaus, der Rekonstruktion der ÖRR-Bauwerke Fragen stellen; sofern diese nämlich nicht ausdrücklich davon befreit wurden, ihre, bspw., Bauaufträge öffentlich auszuschreiben, müssen sie diese ausschreiben, andernfalls ist diese Auftragsvergabe insgesamt unionsrechtswidrig.

Rn. 85
Zitat
Art. 2d der Richtlinie 89/665 wurde durch die Richtlinie 2007/66 in die ursprüngliche Fassung der Richtlinie 89/665 eingefügt. Zur Erläuterung der vorgenommenen Änderungen führte der Unionsgesetzgeber im 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/66 aus, dass wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorgesehen werden sollten, um gegen die rechtswidrige freihändige Vergabe von Aufträgen vorzugehen, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau (C-26/03, EU:C:2005:5, Rn. 36 und 37), als die schwerwiegendste Verletzung des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens durch öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber bezeichnet hat, und dass ein Vertrag, der aufgrund einer rechtswidrigen freihändigen Vergabe zustande gekommen ist, daher grundsätzlich als unwirksam gelten sollte. Im 14. Erwägungsgrund der Richtlinie stellte er klar, dass die Unwirksamkeit das beste Mittel ist, um den Wettbewerb wiederherzustellen und neue Geschäftsmöglichkeiten für die Wirtschaftsteilnehmer zu schaffen, denen rechtswidrig Wettbewerbsmöglichkeiten vorenthalten wurden, und dass eine freihändige Vergabe im Sinne dieser Richtlinie alle Auftragsvergaben ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union im Sinne der Richtlinie 2004/18 umfassen sollte.

Zitat
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 49 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG sowie deren Anhang V Teil C Nrn. 7, 8 und 10 Buchst. a in Verbindung mit deren Art. 33 und den in Art. 18 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz sind dahin auszulegen, dass in der Bekanntmachung sowohl die Schätzmenge und/oder der Schätzwert als auch eine Höchstmenge und/oder ein Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren anzugeben sind und dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist.

2.      Art. 49 der Richtlinie 2014/24 sowie deren Anhang V Teil C Nrn. 7 und 10 Buchst. a in Verbindung mit deren Art. 33 und den in Art. 18 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz sind dahin auszulegen, dass die Schätzmenge und/oder der Schätzwert sowie eine Höchstmenge und/oder ein Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren als Gesamtmenge oder -wert in der Bekanntmachung anzugeben sind und dass in dieser Bekanntmachung zusätzliche Anforderungen festgelegt werden können, über deren Aufnahme in die Bekanntmachung der öffentliche Auftraggeber entscheidet.

3.      Art. 2d Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er nicht anwendbar ist, wenn eine Auftragsbekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, selbst wenn zum einen die Schätzmenge und/oder der Schätzwert der gemäß der geplanten Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren nicht aus der Bekanntmachung, sondern aus der Beschreibung hervorgehen und zum anderen weder in der Bekanntmachung noch in der Beschreibung eine Höchstmenge und/oder ein Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren angegeben sind.


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