Hallo!
Zwar hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit seiner Entscheidung unmittelbar nur die Vereinbarkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags mit der Bayerischen Verfassung überprüft. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit sich die mit den jeweiligen Normen der Bayerischen Verfassung korrespondierenden Regelungen des Grundgesetzes von diesen dermaßen unterscheiden sollten
Es gab dazu mal den Versuch, bestimmte Paragraphen der Bayrischen Verfassung BV zu ändern oder zu löschen.
Ursprünglicher Thread:
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=23278.0Seht selbst:
Art. 110
(1) 1. Jeder Bewohner Bayerns hat das Recht, seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern.
2. An diesem Recht darf ihn kein Arbeits- und Anstellungsvertrag hindern und niemand darf ihn benachteiligen, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht.
(2) Die Bekämpfung von Schmutz und Schund ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden.
Erstens: Normenklarheit? Was ist "Schmutz" bzw "Schund", und wer legt das jeweils fest? Wie soll bekämpft werden? Soll am GG vorbei doch Zensur eingeführt werden?!?
Zweitens: wieso, bzw zu welchem Zweck muß sich "der Staat und die Gemeinden" (= Exekutive - und nicht die Staatsanwaltschaft!) darum kümmern?
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"Vorzensur" ist "Zensur vorab", vor der Veröffentlichung muß ein Text oä. "genehmigt" werden - das ist schon im GG verboten.
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"Nachzensur" ist "Zensur post factum", nach der Veröffentlichung eines "ungenehmigten" Textes oä. wird die Lizenz für Rundfunk oder Zeitung entzogen
Im Wortsinn zur Nachzensur gehören - aber zumindest im Rechtsstaat legitimiert - auch die Verfolgung von Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede durch Staatsanwaltschaften und Polizei. Aber darum scheint es mir, wie gesagt, bei der schwammigen Kaugummi-Formulierung von BV Art.110 (2) nicht zu gehen.
Art. 111
(1) Die Presse hat die Aufgabe, im Dienst des demokratischen Gedankens über Vorgänge, Zustände und Einrichtungen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wahrheitsgemäß zu berichten.
(2) 1. Vorzensur ist verboten.
2. Gegen polizeiliche Verfügungen, welche die Pressefreiheit berühren, kann gerichtliche Entscheidung verlangt werden.
Die Definierung der "Aufgabe" hat in einer Verfassung nichts zu suchen -
ob und
wie eine Zeitung oder ein Sender berichtet, hat nicht der Staat zu definieren. Im Weiteren soll sowas dazu dienen, wegen (angeblichem) Verstoß gegen die "Aufgabe" ggf Lizenzen zu entziehen (=die verbotene Form der Nachzensur!). Abs. (2): aufgrund des Verbotes von Vorzensur und nicht legitimierter Nachzensur im GG, und aufgrund der Bindung aller Staatsbediensteten an selbiges GG dürfen solche Verfügungen und Gerichtsentscheidungen erst garnicht erstellt werden - dagegen kann man sich aufgrund GG schon direkt mit Verfassungsklagen und Strafanzeigen ("Straftaten im Amt" inklusive) wehren.
Art. 111a
(1) 1. Die Freiheit des Rundfunks wird gewährleistet.
2. Der Rundfunk dient der Information durch wahrheitsgemäße, umfassende und unparteiische Berichterstattung sowie durch die Verbreitung von Meinungen.
3. Er trägt zur Bildung und Unterhaltung bei.
4. Der Rundfunk hat die freiheitliche demokratische Grundordnung, die Menschenwürde, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen zu achten.
5. Die Verherrlichung von Gewalt sowie Darbietungen, die das allgemeine Sittlichkeitsgefühl grob verletzen, sind unzulässig.
6. Meinungsfreiheit, Sachlichkeit, gegenseitige Achtung, Schutz vor Verunglimpfung sowie die Ausgewogenheit des Gesamtprogramms sind zu gewährleisten.
(2) Rundfunk wird in öffentlicher Verantwortung und in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben.
2. An der Kontrolle des Rundfunks sind die in Betracht kommenden bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen angemessen zu beteiligen.
3. Der Anteil der von der Staatsregierung, dem Landtag und dem Senat * in die Kontrollorgane entsandten Vertreter darf ein Drittel nicht übersteigen.
4. Die weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen wählen oder berufen ihre Vertreter selbst.
(3) Das Nähere regelt ein Gesetz.
Quasi die Wiederholung des BR-Gesetzes, bzw RStV
Durch GG Art 5 "Freiheit der Berichterstattung" ist aber keinesfalls "Unterhaltung" oder gar "Verbreitung von Meinungen" abgedeckt. Und ich frage hier ganz deutlich: wer legt denn wohl fest, welche Meinungen im Rundfunk vertrieben werden dürfen? Die staatlich besetzten "Kontrollorgane"? Wer legt den die teilnehmenden "weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen" fest? Und wenn man sich die bisherige Ausführung bei den LRAen anschaut, stellt man fest: 1/3 "Direktmandate" des Staates, 2/3 "Indirektmandate" = Parteifunktionäre, die sich als Vertreter von den "gesellschaftlichen Gruppen" wählen lassen
Der private Rundfunk fährt dabei zumindest in Bayern nach BV auf dünnem Eis, da aufgund der "öffentlichen Verantwortung" jederzeit "öffentlich-rechtliche Trägerschaft" erzwungen werden kann, um Weiteres kümmern sich dann die "Kontrollorgane"...
Art. 112
(1) Das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis ist unverletzlich.
(2) Beschränkungen des Rundfunkempfanges sowie des Bezuges von Druck-Erzeugnissen sind unzulässig.
Hier ist wohl zu sagen, die LRAen berufen sich auf genau solches wie BV Art.112 (2), um zu postulieren, es dürfe per Gesetz "keine Verschlüsselung für den ö-r Rundfunk" geben.
Der Bürger muß sich nicht vorschreiben lassen, was er zu sehen/hören/lesen hat, und ob er sich das per Antenne, Kabel, Satellit, Internet, Buch, Zeitung reinzieht - das steht aber auch schon im GG.
Auf der Gegenseite darf der ö-r Rundfunk sich aber nicht der (im technischen Fortschritt mittlerweile günstig einsetzbaren) Verschlüsselung verweigern können, um damit den Zwangszugriff ins Eigentum zu begründen. Zum Vergleich: auf dem Satellit verschlüsseln: die ö-r Sender der Franzosen, Belgier, Niederländer, Österreicher, Polen... (kein Anspruch auf Vollständigkeit)
Meine Gedanken zu den betroffenen Artikeln BV - meine Meinung: ist keine Kunst, kann weg (bzw anders).
Und um auf den Original-Post zurückzukommen, es ist an den angegriffenen Paragraphen offensichtlich, daß
die BV mit dem GG nicht vergleichbar, wenn nicht gar punktuell unvereinbar ist.
MfG
Michael
- "Überflüssige Gesetze tun den notwendigen an ihrer Wirkung Abbruch." - Charles de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu
- qui custodiet custodes manipulatores opinionis?
- Schönen Gruß vom saarländischen Dachdecker "Unsern ÖRR in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf"