Meine fiktive Person Y war von Januar 2014 bis Februar 2016 Schöffe in zwei Verhandlungen am Landgericht in Hamburg.
Ausgewählt wurde Y mittels Losverfahren aus dem Melderegister, zur Auswahl standen Jugendgericht, Strafgericht und Verwaltungsgerricht. Person Y wurde vom Jugendgericht abgelehnt, weil beruflich vorbelastet.
Der Schöffenzeitraum beträgt 5 Jahre. Man kann sich auch freiwillig ins Register eintragen lassen.
Aus dem Schöffenverfahren kommt man nur raus, wenn man fluchtartig den Wohnort in einen anderen Gerichtsbezirk verlegt oder urplötzlich schwerst pflegebedürftige Angehörige bekommt. Oder selber so schwer straffällig wird, dass der Schöffe in Spé selbst in den Bau wandert.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Schöffen für die Verhandlungen frei zu geben, muss ihn aber für die Fehlzeiten nicht bezahlen, da der Schöffe den Verdienstausfall vom Gericht erstattet bekommt.
Bei meiner freiberuflich tätigen Person Y war das dann schon schwieriger, beruflich aktiv zu bleiben, besonders im 2. Verfahren, dass sich über ein Jahr in die Länge gezogen hat und mit ca. 2 - 3 Verhandlungstagen in der Woche üppig bestückt war. Dennoch konnte Person Y ihren Lebensunterhalt zu der Zeit ausschließlich über die Gerichtskosten betreiben.
Verhandlung 1 war ein Strafverfahren gegen einen Stalker, es gab Polizeiprotokolle zu Lesen, die für die Beurteilung und Urteilsverkündigung wichtig waren.
Verfahren 2 war ein äußerst langwieriges Strafverfahren gegen einen Betrüger und Urkundenfälscher. An Akten wurde eine mittlere Garage voll aufgefahren, die alle beteiligten Richter und Schöffen zu lesen hatten.
In den Verhandlungspausen und Beratungszeiten wurden gemeinsam über den Fall und aller Anwesenden Einschätzungen gesprochen und beraten. Hatten die Schöffen mal Bedenken, wurden diese zur Kenntnis genommen und auch berücksichtigt. Ein "Laienrichter" hat tatsächlich oft einen anderen Blickwinkel auf die Sachlage und findet ggf. andere, beachtenswerte Punkte für das Verfahren.
Markus KA:
Im Verwaltungsgericht sitzen bei Verhandlungen vor der gesamten Kammer drei Berufsrichter und zwei ehrenamtliche Richter.
Schon bei dieser Zusammenstellung ist es für die ehrenamtlichen Richter nicht möglich gegen die Berufsrichter Einfluss zu nehmen, weder unentschieden noch zu überstimmen. Somit ist diese Regelung bzw. Aufwand der eherenamtlicher Richter äußerst fragwürdig, da sie zwar eine Stimme oder Meinung haben dürfen, aber letzlich keine Auswirkungen auf den Ausgang der Verhandlung hat.
Nicht nur im Verwaltungsgericht sitzen 3 Berufsrichter und 2 Schöffen zusammen. Wie o. A. hat meine fiktive Person Y das anders erlebt.
Meine fiktive Person Y ist - noch bevor sich das Ende der 2. Verhandlung anbahnte - aus dem Gerichtbezirk verzogen, um nicht nochmals für eine weitere Verhandlung hinzugezogen zu werden, da ihr diese letzte Verhandlung doch sehr an die psychischen Grenzen ging. Allerdings waren die "Pflichtsitzungen" von 60 Verhandlungstagen für den gesamten Schöffenzeitraum von 5 Jahren längst aufgebraucht, sodass Person Y auch eine Befreiung vom Dienst hätte beim Gericht einreichen können.