Bildquelle: http://up.picr.de/27314364zl.pngmediempolitik.net, 16.01.2017Digitale Revolution: Zeitenwende
ARD will sich zu einem crossmedial integrierten föderalen Medienverbund entwickelnAus der Rede von Prof. Dr. Karola Wille, Vorsitzende der ARD auf dem medienpolitischen Dialog der SPD-Bundestagsfraktion am 11. November 2016
Es geht in der aktuellen Diskussion sehr grundsätzlich um den Beitrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Gesellschaft, welche Leistungen muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die Zukunft bringen, welchen Wert hat er für die Gesellschaft, wie sieht eine bedarfsgerechte Finanzierung aus und wie sichern wir die Akzeptanz des Beitrages in unserer Gesellschaft? [..]
Das Internet ist mit den sozialen Netzwerken ein wichtiger Faktor der Kommunikation geworden. Die ARD und ZDF Online Studie bestätigt diesen Trend: Es gibt weiterhin ein Wachstum der Internet-Nutzung. [..]
Unsere strategischen Antworten auf den einschneidenden Veränderungsprozess der Gesellschaft haben wir in einem Grundsatzpapier zusammengefasst.
Erstens
[..] Wir müssen auf den relevanten Plattformen und in den sozialen Netzwerken die öffentlich-rechtlichen Angebote zeigen. [..]
Zweitens
[..] wir müssen das Angebot weiterentwickeln, etwa in den App-Welten oder den Mediatheken [..] auch bessere Möglichkeiten für die Meinungs- und Willensbildung der Menschen. Dabei sollen unsere Nutzer die Kontrolle über ihre eigenen Daten behalten, sollen selbst entscheiden, ob und welche Daten sie weitergeben.
Drittens
[..] zwei Dinge schaffen: vorhandenen gesellschaftlich relevanten Themen Kommunikationsräume bieten und neue gesellschaftlich relevante Themen setzen. Und wir müssen versuchen, die Kommunikationsräume miteinander zu verbinden. Wir steigen dort selbst ein, z. B. indem wir in solchen Räumen Fakten vermitteln. „Funk“ ist ein gutes Beispiel. [..]
Viertens
Glaubwürdigkeit ist wichtiger denn je für uns. Glaubwürdigkeit ist eine journalistische Leit-Währung und Voraussetzung für Vertrauen. [..]
Wir arbeiten stets an unserer Qualität und entwickeln sie weiter, um unsere Glaubwürdigkeit zu sichern. Dazu gehört verstärkt auch die Transparenz der Grundsätze, Arbeitsweisen und Prinzipien unserer journalistischen Arbeit. Dazu gehört aber ebenso ein konstruktiver und offener Umgang mit Fehlern. Der Dialog mit dem Nutzer ist wichtiger denn je, auch wenn es nicht immer einfach zu verkraften ist, was wir zum Beispiel an Kommentaren in den Netzwerken und unseren eigenen Internetangeboten erleben, was die Kolleginnen und Kollegen vor 3 bis 4 Jahren noch nicht für möglich gehalten haben. Es sind auch Dinge, die Kolleginnen und Kollegen psychisch belasten. Das kann und darf uns aber nicht abschrecken.
Fünftens
Wenn sich dieses Mediensystem so weiterentwickelt, ist ein Vernetzen und eine Kooperationmit allen journalistischen Qualitätsmedien , dazu gehören private Rundfunkveranstalter genauso wie die Zeitungsverlage, auf den Feldern, die für beide sinnvoll sind, eine notwendige Entwicklung. [..]
Sechstens
Wir müssen uns immer mehr zu crossmedialen Medienhäusern entwickeln [..] die Ressourcen, die in der ARD dafür vorhanden sind, zu nutzen, um diese unterschiedlichen Welten mit Qualitätsinhalten für Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung bedienen zu können.
Damit steht ein weiteres Thema in einem untrennbaren Zusammenhang: die Beitragsakzeptanz. Wir wollen die Akzeptanz stärken und wir wollen alles dafür tun, dass wir Reformen in unseren Prozessen und Strukturen vorantreiben. Das sind die Technik-, die Produktions-, die Verwaltungsbereiche und die Bereiche der Programmerstellung. Wir sind in der ARD neun Landesanstalten und jede Anstalt ist zuvörderst für sich synergetisch unterwegs. Das reicht aber nicht mehr. Wir müssen noch stärker als bisher kooperieren und die vorhandenen Prozesse und Strukturen innerhalb des Medienverbundes unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten stringenter ausrichten, ähnlich einer Konzernstruktur. Dies können wir aber nur dann bewerkstelligen, wenn wir von den kartellrechtlichen Risiken befreit werden. [..]
Zu unseren Zukunftsfragen gehört auch eine mögliche Modernisierung des Beitragsfestsetzungsverfahrens. Wir haben zwar ein verfassungskonform geregeltes Modell in Deutschland, in dem die KEF bei der bedarfsgerechten Finanzierung eine wichtige und vor allem unabhängige Rolle spielt. Aber wenn die Transformationsprozesse so langfristig und so tiefgreifend sind, macht es durchaus Sinn, nicht in Zwei- und Vierjahreskategorien zu denken, sondern in längeren Zeitabschnitten. Deswegen haben wir unter anderem den Vorschlag unterbreitet, dass man periodenübergreifend Rücklagen bilden kann, um nicht verausgabte Mittel in späteren Perioden zielgerichtet und bedarfsgerecht einsetzen zu können. Denn jeder ordentliche Kaufmann muss zunächst erst einmal investieren, um später Synergien heben zu können. Diese Verfahrensweise muss aus Sicht der Rundfunkanstalten auch periodenübergreifend möglich werden.
Unser zweiter Vorschlag bezieht sich auf eine Vollindexierung. Das ist nicht ganz neu, bereits 2005 wurde darüber diskutiert. Dieses Modell hat Vor- und Nachteile, aber es würde den langfristigen Transformationsprozessen entsprechen. Mit der vorgeschlagenen Indexierung des Monatsbeitrags würden auch größere Einsparnotwendigkeiten für die Anstalten einhergehen müssen.
Wir sind froh, dass die Länder auch über eine zeitgemäße Neuformulierung eines Telemedienauftrages nachdenken [..]
Es ist wichtig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch künftig seinen Beitrag zum Funktionieren der Demokratie leisten kann. [..]
Weiterlesen auf: http://www.medienpolitik.net/2017/01/rundfunk-revolution-zeitenwende/
Kommentar:Wie man es auch hätte sagen können:
[..] Die für unsere Bedürfnisse entworfene (und ergebnismodifizierte?) ARD und ZDF Online Studie bestätigt alles, wir brauchen, um dem Bürger zu zeigen, dass alles bestens ist [..]
Erstens, zweitens und drittens[..] Wir müssen uns auch weiterhin im Internet ausbreiten, ansonsten verlieren wir die Hoheit über die Willens- und Meinungsbildung. Koste es, was es wolle. Wir haben ja dank des geschickt ausgetüftelten Zwangsbeitrags ein Milliarden schweres Konto, das automatisch befüllt wird. Sparen? Davon reden wir nur, um die Bevölkerung weiter bei Laune zu halten. Meinen es aber nicht ernst. Der Jugendsender Funk ist eine Paradebeispiel hierfür. Kosten 45 Millionen Euro jährlich. Akzeptanz mässig bis miserabel. Kosten 45 Millionen Euro/jährlich. Vorige Kosten der hierfür geschlossenen beiden Sender EinsPlus und ZDFKultur 20 Millionen Euro/Jährlich.
Dass wir 25 Millionen Euro jährlich mehr ausgeben, als die Einsparungen durch die Schliessung der beiden Sender ergeben, kommunizieren wir natürlich nicht. Otto Normalbürger versteht: Ein reiner Internet-"Sender" für die Einstellung von 2 Fernsehsendern?...Alles ok! Hier wird gespart.
ViertensGlaubwürdigkeit ist für uns natürlich wichtig. Aber nur relativ. Wir brauchen soviel Glaubwürdigkeit, dass uns die Legitimation zum Geldeintreiben nicht flöten geht. Glaubwürdigkeit ist eine journalistische Leit-Währung, die wir gerade verlieren bzw. schon verloren haben. Mehr Transparenz, objektive und nicht tendenziöse Berichterstattung? Nö, das erzählen wir nur, brauchen es aber nicht. Zur Stärkung des Vertrauens haben wir gerade wieder eine von uns entwickelte Studie veröffentlicht, um Bürgers Meinung zu bilden. [..]
"Wir brauchen einen konstruktiven und offenen Umgang mit Fehlern? Dialog mit dem Nutzer?
Das Erzählen wir ebenfalls nur. Hunderte von Programmbeschwerden der Publikumskonferenz und zigtausende Beschwerden und kritische Kommentare in den Netzwerken haben wir wunderbar mittels Arroganz und dem Hilfsmittel der Zensur beseitigen können.
Die Kommentare in den Netzwerken belasten die zwangsbeitragsverwöhnten Kolleginnen und Kollegen psychisch.
Die psychische und finanzielle Belastung des Rundfunkzwangsbeitrags für viele Millionen Bürger, die den örR nicht nutzen und bezahlen wollen interessieren uns nicht.
Fünftens und sechstens:
Unser Schlachtplan zur Verteidigung des Elfenbeinturms:
- KEF beseitigen
- Kartellrechtliche Risiken beseitigen
- Vollindexierung des Rundfunkbeitrags mit jährlicher Steigerung
- Weitere Vernetzung mit den privaten Medien (so brauchen wir nicht so viel zu arbeiten und beziehen Inhalte von denen, Geld haben wir ja).
Wir sind froh, dass die Länder auch über eine zeitgemäße Neuformulierung eines Telemedienauftrages nachdenken (den Politikern schmieren wir weiter heftig Honig um den Mund). Nicht zuletzt auch, um sie weiterhin im Glauben zu lassen, dass der örR durch seine vorangetriebene tendenziöse Meinungsbildung ja so unabdingbar für das Funktionieren einer Demokratie sei.