Würde gerne eure Meinungen dazu hören
Die Stadtkasse wirft meiner Ansicht nach einiges durcheinander. Aber wie bereits erwähnt wurde, kann es durchaus möglich sein, dass hinter der Argumentation der Stadtkasse lediglich die Argumentation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks steckt. Dass der Beitragsservice für Vollstreckungsbedienstete regelmäßig Seminare hinsichtlich der Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen abhält, ist im Forum hinreichend oft dokumentiert worden.
Zum Inhalt:
Die Stadtkasse schreibt
Des Weiteren regelt § 10 Abs. 2 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages, dass der Rundfunkbeitrag als Schickschuld zu entrichten ist. Dies bedeutet, dass der Rundfunkbeitrag gar nicht erst festgesetzt werden muss.
An dieser Stelle müssten jedem Verwaltungsjuristen die Haare zu Berge stehen. Warum? Weil obige Argumentation vollständig außer Acht lässt, dass aus verwaltungsrechtlicher Perspektive unterschiedliche Verfahrensstadien existieren. Dass der Rundfunkbeitrag als Schickschuld zu entrichten ist, lässt gerade nicht den Schluss zu, dass der Rundfunkbeitrag gar nicht erst festgesetzt werden muss. Oder etwas anders formuliert: Das Absehen von der Notwendigkeit einer Festsetzung des Anspruchs ist nicht die Rechtsfolge der Entrichtung als Schickschuld.
Die Frage, wie der Schuldner einen öffentlich-rechtlichen Anspruch zu erfüllen hat, d.h. die Frage nach Art und Weise der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Schuld, ist im Erhebungsverfahren zu klären. Sie gibt keine Antwort darauf, ob eine Festsetzung des öffentlich-rechtlichen Anspruchs zu erfolgen hat. Eine Festsetzung von Rundfunkbeiträgen hat zu erfolgen, weil die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, d.h. weil die Beitragspflicht eingetreten ist – und nicht, weil der Rundfunkbeitrag als Schickschuld zu entrichten ist.
Hier werden also Festsetzungsverfahren und Erhebungsverfahren durcheinander gebracht, die unterschiedliche Stadien des Verwaltungsverfahrens darstellen.
Weiter schreibt die Stadtkasse:
Wir verweisen dabei nochmals auf die bescheinigte Vollstreckbarkeit der Forderung und das damit einhergehende Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen.
Nun, an dieser Stelle muss man die Stadtkasse möglicherweise etwas in Schutz nehmen, denn: In seinen Vollstreckungsersuchen bescheinigt der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Anordnungsbehörde der Stadtkasse als Ausführungsbehörde, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Die Stadtkasse muss hierauf vertrauen, weil sie den zugrunde liegenden Festsetzungsbescheid, aufgrund dessen vollstreckt werden soll, schlichtweg nicht kennt. Dieser Festsetzungsbescheid liegt ihr regelmäßig nicht vor. Deshalb ist es die Sache des Vollstreckungsschuldners, die Stadtkasse darauf aufmerksam zu machen, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen gerade nicht vorliegen. Und genau dies kann gut möglich sein, denn: Die Vollstreckungsvoraussetzungen liegen nur dann vor, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine öffentlich-rechtliche Abgabe (in diesem Fall den Rundfunkbeitrag) gegenüber dem Schuldner angefordert hat. Dies ist ganz wichtig! Sofern der öffentlich-rechtliche Rundfunk den Rundfunkbeitrag vom Schuldner noch nicht einmal angefordert hat, liegen die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vor. Eine Anforderung öffentlich-rechtlicher Abgaben hat in einem eigenständigen Verwaltungsakt zu erfolgen. Diesen Verwaltungsakt nennt man "Leistungsgebot". Das Leistungsgebot ist die Aufforderung des Abgabengläubigers gegenüber dem Abgabenschuldner zur Erfüllung einer Leistungspflicht, hier zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags. Man kann das Leistungsgebot beispielsweise an folgender Formulierung erkennen:
"Bitte zahlen Sie den festgesetzten Beitrag in Höhe von ... Euro bis spätestens ... auf eines der angegebenen Konten."Das Leistungsgebot ist verfahrensrechtlich bereits dem Erhebungsverfahren und nicht mehr dem Festsetzungsverfahren zuzuordnen. Dennoch spricht nichts dagegen, die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen und das Leistungsgebot (also zwei voneinander zu unterscheidende Verwaltungsakte) in einem Bescheid, also in einem Papierdokument, unterzubringen.
Es ist bekannt, dass es unterschiedliche Bescheidversionen gibt, zum einen die älteren "Gebühren-/Beitragsbescheide", die korrekterweise ein Leistungsgebot enthalten, zum anderen die neueren "Festsetzungsbescheide", die jedoch nach meinem Kenntnisstand regelmäßig kein Leistungsgebot enthalten. Es ist daher immer im Einzelfall zu überprüfen, ob der Bescheid, der vollstreckt werden soll, ein Leistungsgebot enthält oder eben nicht. Enthält der entsprechende Bescheid kein Leistungsgebot, liegen die Vollstreckungsvoraussetzungen entgegen den Behauptungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht vor. Darauf muss die Stadtkasse gegebenenfalls dann aufmerksam gemacht werden, denn –wie bereits erwähnt– sie kennt den konkret zugrunde liegenden Bescheid in aller Regel nicht. Hat sie jedoch Kenntnis davon, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorliegen, weil der Vollstreckungsschuldner sie auf ein fehlendes Leistungsgebot hingewiesen hat, darf eine Vollstreckung nicht erfolgen. Würde sich die Stadtkasse hierüber hinwegsetzen, könnte der Vollstreckungsschuldner einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch vor dem zuständigen Verwaltungsgericht geltend machen.
Alles in allem kann sich der Vollstreckungsschuldner also möglicherweise noch ein bißchen vor der Zahlung drücken, solange ein möglicherweise fehlendes Leistungsgebot noch nicht vorliegt. Grundsätzlich verhindern wird er die Zahlung jedoch nicht können, weil die Festsetzung nicht angefochten wurde.