Mal aus der Sicht der Privaten:
"Ich halte das für einen Skandal"
Ein epd-Interview mit dem stellvertretenden VPRT-Vorsitzenden Klaus Schunk
Aus epd medien Nr. 13 vom 27. März 2015
http://www.epd.de/fachdienst/fachdienst-medien/schwerpunktartikel/ich-halte-das-f%C3%BCr-einen-skandal"Die Privatsender fordern schon lange eine Reduzierung der Radiowerbung der öffentlich-rechtlichen Sender. Im Gespräch ist das sogenannte NDR-Modell, das bedeutet 60 Minuten Werbung am Tag auf nur einer Welle pro Landesrundfunkanstalt. Warum wollen Sie die Werbung bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht ganz verbieten lassen?
Schunk: Wir haben innerhalb des Verbandes lange darüber diskutiert. Ende der 90er gab es durchaus die Forderung, die öffentlich-rechtlichen Sender werbefrei zu machen. Ich glaube, das hat sich überholt, weil es einen Aufschrei vonseiten der Produzenten und der werbetreibenden Industrie gab. Wir haben deshalb einen Vorschlag mit Augenmaß gemacht. Werbung gehört zum Leben und zu den Medien, man sollte den Verbraucher nicht bevormunden. Stellen Sie sich vor, die ARD dürfte keinen Fußball mehr übertragen. Glauben Sie, das hält ein Politiker zwischen Hamburg und München durch? Wir würden hier eine Diskussion führen, die zurückführt auf den 30-jährigen Krieg. Das NDR-Modell funktioniert in Norddeutschland blendend, das Interessante ist, dass die Tausender-Kontakt-Preise dort höher sind als anderswo.
Also die Preise, die die werbetreibende Wirtschaft für die Spots zahlt.
Schunk: Wir haben in zahlreichen Gutachten belegt, dass die Öffentlich-Rechtlichen schamlos die Preise unterbieten. Einige Sender überziehen gnadenlos mit Werbung, beim HR gibt es an manchen Tagen mehr als 200 Minuten Werbung, beim SWR ähnlich, und die öffentlich-rechtlichen Vermarkter preisen in ihren Präsentationen ihr Programm als Werbeumfeld an. Da ist die Politik zum Handeln aufgefordert. Wenn Sie aber fragen, warum der öffentlich-rechtliche Rundfunk überhaupt Werbung machen darf, sage ich: Ich glaube, dass die Gattung Radio das braucht. Es würde uns massiv schaden, wenn die Öffentlich-Rechtlichen gar keine Werbung mehr machen würden. 60 Minuten, das ist eine Entscheidung mit Maß und Verstand, darüber gibt es im Verband Einigkeit. Ich gebe zu, dass das für die Politik schwierig ist, aber man sollte, um die Gattung Radio zu erhalten, bundesweit auf Ministerpräsidentenebene einen Rahmen beschließen, der dann zügig in den Bundesländern umgesetzt wird. Im Übrigen ist die Beschränkung, keine Werbung nach 20 Uhr zu machen, für die Privatradios kein wirklicher Schutz. Im Radio ist die Prime Time eher morgens."
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"Werfen Sie den Ländern ein Aufsichtsversagen vor?
Schunk: Ich stelle fest, dass es in den jeweiligen Bundesländern bei der Medienpolitik einen Reflex gibt, der lautet: unsere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt darf in jeder Dekade ein neues Radioprogramm machen. Und wenn Sie sehen, dass der Hessische Rundfunk in den 90er Jahren vier digitale Kanäle gestartet hat, von denen einige inzwischen auf UKW verbreitet werden, da wird mit Duldung der Politik der Markt verändert. Am Ende heißt es dann, die Privaten machen so ein schlechtes Programm, die kriegen nicht mehr genügend Hörer. Aber keiner sagt, dass wir es mit einem veränderten Markt zu tun haben.
Aber das ließe sich ja durch eine konsequentere Aufsicht regeln.
Schunk: Es wäre gut, wenn wir für das Radio eine eigene Agenda hätten. Das eine bedingt das andere. Erst einmal müsste die Politik sagen, ob sie das duale Hörfunksystem will. Ich habe Zweifel, dass die Politik es nicht mehr will, aber das System wird seit zehn Jahren zulasten der Privatsender verschoben. Die Privaten haben in der Region längst die regionale Grundversorgung übernommen. Fragen Sie mal Sportvereine oder gesellschaftlich relevante Gruppen in den Regionen, wer ihr Ansprechpartner ist: Die lokalen Tageszeitungen und die privaten Radiosender. Die Öffentlich-Rechtlichen machen nur noch Markt, sie gehen nur noch auf Masse. Wenn Sie öffentlich-rechtliche Programme anhören, stellen Sie keinen Unterschied mehr zu den Privaten fest."