Wie kann Person A auf das erhaltene Schreiben sinnvoll reagieren, um die Zwangsvollstreckung abzuwenden?
Meiner Ansicht nach könnte eine Vollstreckungsabwehrklage in Betracht kommen.
Aus meiner bisherigen Erfahrung heraus weiß ich, dass nicht alle Bescheide des Beitragsservice Leistungsgebote enthalten. Ein Leistungsgebot ist der juristische Fachbegriff für eine Zahlungsaufforderung. Die (älteren) "Gebühren-/Beitragsbescheide" enthalten meines Wissens nach korrekterweise sowohl die Beitragsfestsetzung als auch das Leistungsgebot. Die (neueren) "Festsetzungsbescheide" enthalten meiner Kenntnis nach
kein Leistungsgebot. Ein Leistungsgebot ist unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Vollstreckung. Jeder Betroffene sollte in jedem Bescheid genau nachprüfen, ob darin ein Leistungsgebot enthalten ist. An dieser Stelle ist eine juristische Diskussion möglich, ob ein Leistungsgebot sich in den neueren "Festsetzungsbescheiden" denn nicht auch aus den weiteren Umständen heraus ergeben könnte. Meiner Ansicht nach nicht, denn auch wenn man ein Leistungsgebot aus den weiteren Umständen herleiten würde (was meiner Ansicht nach praktisch ausgeschlossen ist), würde ein solches Leistungsgebot dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht gerecht werden.
Darüber hinaus kann man auf Seite 2 des hier eingestellten Schreibens lesen, dass Gläubiger der Westdeutsche Rundfunk ist,
vertreten durch "Beitragsservice v. ARD ZDF D.-Radio". An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob der "Beitragsservice" den Gläubiger "WDR" überhaupt wirksam vertreten kann. Denn meiner Ansicht nach ist der "Beitragsservice" nach § 12 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen nicht handlungsfähig, weil es sich dabei um eine nicht-rechtsfähige Verwaltungsgemeinschaft handelt.
§ 12 VwVfG NRW lautet:
Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind
1. natürliche Personen, die nach bürgerlichem Recht geschäftsfähig sind,
2. natürliche Personen, die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, soweit sie für den Gegenstand des Verfahrens durch Vorschriften des bürgerlichen Rechts als geschäftsfähig oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt sind,
3. juristische Personen und Vereinigungen (§ 11 Nr. 2) durch ihre gesetzlichen Vertreter oder durch besonders Beauftragte,
4. Behörden durch ihre Leiter, deren Vertreter oder Beauftragte.
Fraglich ist, ob der "Beitragsservice" eine Vereinigung nach § 11 Nr. 2 ist. In Kastner/Fehling/Störmer heißt es dazu zum inhaltsgleichen § 12 VwVfG:
Nr. 2 ermöglicht unter besonderen Voraussetzungen auch solchen Vereinigungen eine Beteiligtenfähigkeit, die an sich nicht rechtsfähig sind, denen aber unter bestimmten Voraussetzungen oder in bestimmten Regelungsbereichen (ausf. dazu § 61 Rn 11) dennoch gewisse Rechte eingeräumt werden.
Der Hinweis auf § 61 Rn 11 führt zu einer Regelung betreffend öffentlich-rechtliche Verträge und ist offenkundig ein Schreibfehler.
In § 2 der WDR-Leistungssatzung steht folgendes:
"Die im Rahmen einer nicht rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene gemeinsame Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten nimmt die der Rundfunkanstalt zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten nach § 10 Absatz 7 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags ganz oder teilweise für diese wahr. Sie wird dabei auch für das ZDF und das Deutschlandradio tätig."
Und in § 10 Absatz 7 Satz 1 RBStV steht:
Jede Landesrundfunkanstalt nimmt die ihr nach diesem Staatsvertrag zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahr.
Es geht also nicht klar und eindeutig hervor, welche Rechte und Pflichten genau der Beitragsservice für den WDR wahrnimmt. Insbesondere geht aus den gesetzlichen Regelungen nicht hervor, dass der "Beitragsservice" den WDR im Rahmen des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens wirksam vertreten kann respektive welche Rechte und Pflichten ihm hierbei erwachsen. Hier liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Normenklarheit vor. Insofern könnte der "Beitragsservice"
nicht handlungsfähig sein. Auch dies könnte im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden.
In diesem Zusammenhang sei noch eines angemerkt:
Es wird immer wieder behauptet, der "Beitragsservice" sei lediglich ein "Teil der jeweiligen Rundfunkanstalt". Dann ist allerdings zu fragen, warum der Beitragsservice hier als eigenständige Institution "in Vertretung" des WDR handelt...! Wenn der "Beitragsservice" -wie auch von den Gerichten gern behauptet wird- ein "Teil der jeweiligen Rundfunkanstalt" wäre, dann würde ein Vertreterhandeln hier überhaupt keinen Sinn ergeben.