Spätestens die jetzige Umgangsweise der Länder mit den Mehreinnahmen aus Rundfunk"beiträgen" sollte den RBStV in der vorliegenden Fassung und Anwendung verfassungswidrig machen.
Das BVerfG hat sich im Beschluss vom 11.09.2007 Az. 1 BvR 2270/05 zur Befugnis des Gesetzgebers geäußert, bei der Festsetzung der Rundfunkgebühr von dem Gebührenvorschlag der KEF abzuweichen.
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2007/09/rs20070911_1bvr227005.html Die Festsetzung der Rundfunkgebühr muss frei von medienpolitischen Zwecksetzungen erfolgen. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 22. Februar 1994 (BVerfGE 90, 60 <93 ff., 101 ff.>) Grundsätze aufgestellt, die weiter Bestand haben.
Eine Entscheidung des Gesetzgebers über Zeitpunkt, Umfang oder Geltungsdauer der Gebührenfestsetzung darf nicht zu Zwecken der Programmlenkung oder der Medienpolitik, namentlich im dualen System, benutzt werden (vgl. BVerfGE 90, 60 <93 f.>).
Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hat bereits im Dezember 2013 errechnet, dass die öffentlich-rechtlichen Sender von 2013 bis 2016 durch die Reform der Rundfunkgebühr insgesamt 1,15 Milliarden Euro (alt) mehr einnehmen werden als geplant. Die Kommission hat daher empfohlen, den Rundfunkbeitrag zum 1. Januar 2015 pauschal um 73 Cent zusenken.
Obwohl die KEF in ihrer Pressemitteilung vom 26.02.2014 eine Absenkung des Rundfunkbeitrags um 73 Cent auf 17,25 € monatlich zum 1. Januar 2015 empfohlen hat
http://www.kef-online.de/inhalte/presse/presse_26022014.html und bei der seinerzeitigen Feststellung erhebliche Mehreinnahmen durch die Umstellung der Rundfunkfinanzierung von der geräteabhängigen Rundfunkgebühr auf den geräteunabhängigen Beitrag für die Periode 2013 bis 2016 in Höhe von 1.145,9 Mio. € prognostiziert hat (Ziffer 1 bzw. Zusatzinformation 1), wobei laut KEF neue Zahlen die Entwicklung bestätigen und die Mehreinnahmen zwischenzeitlich auf rd. 1,5 Mrd. Euro beziffert werden, und obwohl in die der Empfehlung der KEF vorangegangene Berechnung nur die Hälfte der erwarteten Mehreinnahmen eingeflossen ist, plant der Gesetzgeber, sowohl beim Zeitpunkt als auch bei der Höhe einer Absenkung des Rundfunkbeitrages von den Empfehlungen der KEF abzuweichen.
Nach den Absichten des Gesetzgebers soll eine Absenkung des Rundfunkbeitrages erst über ein Jahr nach den Prognosen der KEF, ab 1. April 2015, erfolgen und es soll lediglich eine Absenkung auf 17,50 € monatlich erfolgen.
Laut der Begründung zum 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (Landesregierung Hessen Drs. 19/1117 vom 18.11.2014)
http://starweb.hessen.de/cache/DRS/19/7/01117.pdf den die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder in der Zeit vom 4. bis 17. Juli 2014 unterzeichnet haben, beruhe die Abweichung von der Empfehlung der KEF (Senkung um 73 Cent auf 17,25 Euro)
"auf der Absicht der Länder, die notwendigen finanziellen Spielräume zu erhalten, um im Rahmen der auf Grundlage der Protokollerklärung aller Länder zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag durchzuführenden Evaluierung über Anpassungen bei den Anknüpfungspunkten für die Rundfunkbeitragspflicht zu entscheiden. Dabei sollen insbesondere die Entwicklung der Erträge aus dem Rundfunkbeitrag, die jeweiligen Anteile der privaten Haushalte, der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand am Gesamtertrag sowie die Notwendigkeit und Ausgewogenheit der Anknüpfungstatbestände, darunter die Beitragspflicht für Kraftfahrzeuge, geprüft werden. Ebenfalls damit verbunden werden soll die Entscheidung über das Thema einer stufenweisen weiteren Reduzierung von Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk."
Erstens war Grundlage bzw. Zielsetzung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages ausdrücklich eine Aufkommensneutralität.
Aus der Begründung zum Fünfzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge, Drucksache 16/700, Seite 11 (
https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP16/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000004500/0000004526.pdf):
"Die Umwandlung der Finanzierungsform gewährleistet nach derzeitigem Kenntnisstand und auf der Grundlage des vorhandenen Datenmaterials zudem Beitragsstabilität und Aufkommensneutralität".
Die vom Gesetzgeber als gewährleistet zugrundegelegte Aufkommensneutralität durch den RBStV ist nachweislich nicht gegeben.
Die Freie und Hansestadt Hamburg, das Land Niedersachsen, der Freistaat Sachsen und das Land Sachsen-Anhalt und das Land Schleswig-Holstein haben als Protokollerklärung unterstrichen, dass für die Akzeptanz des neuen Finanzierungssystems eine aufkommensneutrale Gestaltung entscheidend sei und dass etwaige im Zuge der Neuordnung der Rundfunkfinanzierung entstehende Mehreinnahmen daher für eine Reduzierung der Belastung von Bürgern und Unternehmen genutzt werden.
Die fünf Länder verstoßen gegen ihre Protokollerklärung.
Zweitens haben alle Länder bei der Abfassung des RBStV eine Protokollerklärung abgegeben, wonach
- Behinderte in Höhe des kompletten Rundfunkbeitrages (Grundgebühr und "Fernsehgebühr") in Anspruch genommen werden sollten, um die Finanzierung barrierefreier Angebote zu erleichtern.
Solches ist nicht ersichtlich.
- die finanziellen Auswirkungen des Modellwechsels bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit dem 19. KEF-Bericht festgestellt werden und unmittelbar anschließend die Länder auf dieser Grundlage eine Evaluierung durchführen werden.
Der 19. KEF-Bericht liegt seit 26.02.2014 vor. Die Evaluierung seitens der Länder durch die Firma DIW econ ist Ende 2014 abgeschlossen worden.
Eben jene Punkte, die laut der Begründung zum 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu überprüfen seien, sind bereits im Rahmen der Evalutation geklärt bzw. sollten geklärt sein, namentlich die Entwicklung der Erträge aus dem Rundfunkbeitrag, die jeweiligen Anteile der privaten Haushalte, der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand am Gesamtertrag, unter Einschluss einer Überprüfung der Notwendigkeit und Ausgewogenheit der Anknüpfungstatbestände, darunter die Beitragspflicht für Kraftfahrzeuge.
- auf der Basis des 19. KEF-Berichts und der aktualisierten Zahlen auch die Frage der Werbung und des Sponsorings im öffentlich-rechtlichen Rundfunk entschieden werden sollte.
Der 19. KEF-Bericht liegt seit über einem Jahr vor. Zur Frage der Werbung und des Sponsorings im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist bis heute nichts entschieden.
Gemäß der Rechtsprechung des BVerfG ist das Gebot der Trennung der medienpolitischen Konkretisierung des Rundfunkauftrags einerseits und der Gebührenfestsetzung andererseits nicht bereits aus sich heraus hinreichend effektiv. Es bedarf insbesondere der prozeduralen Absicherung (vgl. BVerfGE 90, 60 <94 ff.>) (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05 RdNr 134).
Die Länder rufen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten selbst bzw. den SWR als "federführende Rundfunkanstalt" zu einer Evaluierung auf.
Hierzu das BVerfG ausdrücklich:
"Da bei der Rundfunkgebühr das Korrektiv des Marktpreises ausfällt, ist auf einer zweiten Verfahrensstufe im Interesse der mit der Gebühr belasteten Teilnehmer eine externe Kontrolle der Bedarfsanmeldungen erforderlich. Denn die Anstalten bieten aufgrund ihres, jeder Institution eigenen, Selbstbehauptungs- und Ausweitungsinteresses keine hinreichende Gewähr dafür, dass sie sich bei der Anforderung der finanziellen Mittel im Rahmen des Funktionsnotwendigen halten (vgl. BVerfGE 87, 181 <200 ff.>)."
Denn, so ausdrücklich das BVerfG:
"Sachfremde Einflüsse auf Gebührenentscheidungen lassen sich in der Regel weder aufdecken noch am Entscheidungsergebnis ablesen und können auch nachträglich praktisch nicht mehr korrigiert werden. Um sie zu verhindern, ist an den Gefahrenquellen anzusetzen und bereits im Vorfeld die Möglichkeit rechtswidriger Kompetenzwahrnehmungen so weit wie möglich auszuschließen (vgl. BVerfGE 90, 60 <96>).
Soweit das BVerfG unter RdNr 142 seiner Entscheidung vom 11. September 2007 nachprüfbare Gründe für Abweichungen bei der Bedarfsfeststellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als wirksame Sicherung fordert, da andernfalls eine Kontrolle, ob der Staat seine Finanzgewährleistungspflicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfüllt hat, nicht möglich sei und es nicht gelingen könne, in Gebührenentscheidungen versteckte Eingriffe in die Programmautonomie abzuwehren (vgl. BVerfGE 90, 60 <104>), so sind diese Grundsätze im Umkehrschluss auch vorliegend anzuwenden.
Die Länder hätten - vor dem Hintergrund der Beitragsbelastung der Bürger - nachprüfbare Gründe für die Abweichung von der Empfehlung der KEF zur Absenkung des Rundfunkbeitrags um 73 Cent auf 17,25 € unter Heranziehung sogar lediglich einer Hälfte prognostizierter Mehreinnahmen benennen müssen. Dies haben sie nicht getan. Somit ist, den Rechtsgedanken des BVerfG folgend, eine Kontrolle darüber, ob nicht der Staat über Zurückhaltung von Geldern versteckte Einflussnahmen auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausübt, nicht möglich.
Die Bedarfsbeurteilung der KEF gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 RFinStV bildet die Grundlage für die Abgabenfestsetzung; Abweichungen davon sind mit den Rundfunkanstalten unter Einbeziehung der KEF zu erörtern (§ 7 Abs. 2 Satz 2 RFinStV) und zu begründen (§ 7 Abs. 1 Satz 3 RFinStV).
Trifft der Gesetzgeber die Gebührenentscheidung selbst, wie in § 14 Abs. 4 RStV, § 7 Abs. 2 Satz 1 RFinStV vorgesehen, muss bei der Bestimmung der Reichweite seiner Abweichungsbefugnisse dem mit seiner verfassungsrechtlichen Stellung verbundenen Gestaltungsraum - namentlich im Hinblick auf das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG) - Rechnung getragen werden, ohne dass dadurch der gebotene prozedurale Grundrechtsschutz leer laufen darf.
Ist dem Gesetzgeber die abschließende Entscheidung über die Festsetzung der Gebührenhöhe vorbehalten, übernimmt er politische Verantwortung für die Gebührenhöhe. Damit kann er auch zur Sicherung der Akzeptanz der Entscheidung bei den Bürgern beitragen, und zwar insbesondere dadurch, dass er die Interessen der Gebührenzahler in seine Entscheidung einbezieht."
Vorliegend nutzt der Gesetzgeber seine Beitragsfestsetzungsbefugnis unzulässigerweise zur Verfolgung medienpolitischer Zwecke.
Ein Informationszugang nach Wahl wird einem Großteil der seit 01.01.2013 mit Rundfunkbeiträgen belasteten Bürgern gerade verwehrt (Studenten, Bürger ohne Sozialleistungen mit Einkünften unterhalb des Existenzminimums).
Dem Erfordernis der Angemessenheit der Beitragsbelastung wird nicht Rechnung getragen (Mehreinnahmen werden nicht an die Bürger erstattet).
"Werden die Gebührenzahler durch die Höhe der Gebühr unangemessen belastet oder versperrt sie ihnen den Informationszugang, ist der Ausgleich zwischen den Interessen der Bürger und dem Recht der Anstalten zur autonomen Entscheidung über das Rundfunkprogramm im Rahmen des gesetzlichen Funktionsauftrags und auf eine darauf abgestimmte Finanzierung misslungen. Dies zu erkennen und zu korrigieren ist Aufgabe des Gesetzgebers, wenn und soweit er sich die Letztentscheidung vorbehalten hat."
Die Mehreinnahmen zeigen auf, dass die Beitragszahler durch die Höhe der Beiträge unangemessen belastet werden bzw. dass zahlreichen Bürgern seit dem 01.01.2013 sogar der Informationszugang versperrt wird.
Der Gesetzgeber hat längst erkannt, dass die Neuregelung der Finanzierung misslungen ist, dennoch werden Korrekturen hinausgezögert bzw. gar nicht vorgenommen.
Eine abwägende Berücksichtigung gerade auch der wirtschaftlichen Interessen der Beitragszahler, die laut BVerfG unabdingbar ist (BVerfG, Beschluss vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05 RdNr 152) wird vom Gesetzgeber nicht vorgenommen.
Der fachlich ermittelte Finanzbedarf muss die Grundlage für die Festsetzung der Gebührenhöhe bleiben (BVerfG, Beschluss vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05 RdNr 153).
Soweit der Gesetzgeber ohne nachvollziehbare Begründung von der Empfehlung der KEF abweicht, handelt er willkürlich und rechtswidrig.Spätestens die aufgezeigte nachweislich willkürliche und rechtswidrige Umgangsweise mit bzw. Auslegung des RBStV macht diesen verfassungswidrig.