Hallo Spreefischer,
Ausgangspunkt für diesen thread war das Telepolis-Interview mit dem Medienpolitiker Heiko Hilker.
http://www.heise.de/tp/artikel/43/43762/1.html Ich habe es erst jetzt gelesen und möchte die Passagen zitieren, die ich wichtig fand:
Es gibt immer mehr Drittanbieter und Seiteneinsteiger, (die zu den etablierten Medien als Konkurrenz auftreten und ihnen das Leben schwer machen, Kom. von mir) welche die Nutzer auf ihre Plattform ziehen wollen.
"Ziel fast jeglicher Kommunikation wird es, weitere Daten zu gewinnen.
Es wird versucht, kommunikative Prozesse und somit auch soziale Beziehungen zu monetarisieren. Das sich daraus ergebende Agieren der Anbieter hat also auch Kommunikation zum Ziel, doch diese kann auch "gegen die Demokratie laufen". Doch sollen die Medien nicht "der Demokratie dienen", wie es das Bundesverfassungsgericht immer wieder festgestellt hat? Ist es nicht ihr Auftrag, zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen? Inwieweit machen sie dies noch?"
"
Die Bereitschaft, sich durch Kritik zu positionieren, hat in den letzten Jahren bei Journalisten stark abgenommen"
Frage an Hilker: Das sind strukturelle Probleme, die hier kenntlich werden. Erleichtern diese Verhältnisse nicht auch eine mögliche Einflussnahme auf die Medien von außen?
H. Hilker:
„Natürlich. Wer um die journalistischen Produktionsprinzipien und die vorhandenen Ressourcen weiß, der weiß auch, wie er Einfluss nehmen kann. Das muss dann nicht direkt über Personen gehen. Wenn es über Personen gehen sollte,
ist doch zu fragen, warum diese Journalistinnen und Journalisten innerhalb der Sender gerade diese Funktion ausüben. Ich sehe, dass viele Funktionen gerade mit denen besetzt sind, die diese Aufgaben im Sinne der Funktion erfüllen, die die dafür nötige Weltanschauung und journalistische Berufsauffassung, die entsprechenden eigenen Werte und Prinzipien haben.
Was mich beunruhigt, ist, dass es eine große Zahl Journalistinnen und Journalisten gibt, die schreiben, dass eine Person allein ein ganzes Land in eine Richtung drängen, manipulieren, in Geiselhaft nehmen kann.
Dabei sagt einem ja schon der gesunde Menschenverstand, dass hinter einer Person immer auch Netzwerke stehen, dass es in einem Land unterschiedliche Interessengruppen gibt. Hinzu kommt, dass einige Journalistinnen und Journalisten die Hilfe der USA so darstellen, als ginge es um Menschenrechte und Demokratie. Es gibt ausreichend Beispiele in der jüngeren und älteren Vergangenheit, in denen den USA Demokratie und Menschenrechte egal waren, wenn es um ihre wirtschaftlichen bzw. geostrategischen Interessen ging.“
(zum "Vorwurf unsauberer und einseitiger Berichte" beim ÖRR und in den Leitmedien)
Frage: Ist das Problem nicht komplexer?
H. Hilker:
„Ja, ich gehe davon aus, dass das Problem komplexer ist. Zum einen
wird schon durch die Auswahl der Journalistinnen und Journalisten sowie der zuständigen Redaktionsleiter und darüber stehenden Hierarchen bestimmt, welche Schwerpunkte, welchen "Sound" die Berichterstattung haben wird. Nur wenige politische Journalistinnen und Journalisten können ihre persönliche Sichtweise aus der Berichterstattung herausnehmen und vollkommen frei an ein Thema herangehen.“
„Wenn man die Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten sieht, so haben die keine leichte Arbeit.....
Sie haben genug zu tun, um die Anforderungen der ARD-Fernsehsender und Radiowellen zu bedienen, die zumeist eigene O-Töne haben wollen. Zudem haben diese auch schon ihre Sicht der Dinge, wollen eine Berichterstattung im Rahmen ihrer redaktionellen Sichtweise. „
Frage: Kann es sein, dass es ein Kommunikationsproblem zwischen den etablierten Medien und ihren Nutzern gibt?
H. Hilker:
„
Wenn man einige Jahre zurück sieht, gab es fast keine Kommunikation zwischen den etablierten Medien und den Nutzerinnen und Nutzern. Heute bietet das Internet mehr Möglichkeiten als Leserbriefspalten bzw. -seiten. Hier wurden und werden die Kommentare auch redaktionell "betreut", gekürzt, in eine Reihenfolge gebracht. Viele Schreiberinnen und Schreiber kamen gar nicht zum Zuge.
Eine den neuen Medien entsprechende redaktionelle Betreuung fehlt zumeist. Diese Betreuung müsste insbesondere durch Reaktion, durch Kommunikation gekennzeichnet sein.“
Frage: Was meinen Sie, wie wird diese Entwicklung, also zwischen den großen Medien und den Rezipienten, weitergehen?
H. Hilker:
„Ihre Frage zielt ja darauf ab,
ob die Medien journalistisch auf die Ansprüche der Rezipienten eingehen und auf die neuen technischen Möglichkeiten reagieren müssen. Auch wenn ich es mir wünsche: Sie müssen es nicht. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind über den neuen Rundfunkbeitrag auf Jahrzehnte abgesichert. Man muss den Rundfunkbeitrag zahlen, auch wenn man die Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio nicht nutzt. Die Gerichte sagen, dass man auch "indirekt" davon profitiert, dass es diese Angebote gibt, da sie der Demokratie dienen.“
„Beim Blick in die Zukunft bleibt heute zumeist unberücksichtigt, dass private Unternehmen mittlerweile auch Standards definieren, die Auswirkungen auf die Meinungs- und Willensbildung haben können. So bestimmen die Algorithmen von Suchmaschinen, sozialen Netzwerken und medialen Plattformen sowie die bisher gesammelten Daten das, was man leicht findet bzw. zuerst angeboten bekommt. Veränderungen dieser Algorithmen, die auf unternehmerischer Entscheidung beruhen, können Folgen für die Meinungs- und Willensbildung haben. „
Herr Hilker beschreibt - für mich plausibel - die Veränderungen in der Medien-/Informationslandschaft.
Er nimmt dabei eine „bestandswahrende“ Position ein.
Welchen finanziellen Nutzen er aus seiner Funktion als Rundfunkrat beim MDR zieht (oder aus seiner Arbeit für das Dresdner Institut für Medien, Bildung und Beratung) kann ich nicht einschätzen.
Er ist offensichtlich der Meinung: Es (das neue Rundfunkgesetz und die zwangsweise Subventionierung der ÖRR) ist alles rechtens und die Dinge sind wohlgeordnet. Das sehe ich anders.
Da scheint er nicht weit entfernt zu sein von Herrn Bernhard Pörksen
(8.11.14 in zeitonline
http://www.zeit.de/2014/44/medien-qualitaet-journalismus-vertrauen )
Letzterer geht allerdings noch einen Schritt weiter. Er wirft den Tausenden von Möchtegern-Meinungsmachern im Internet, den Kommentatoren z. B. von Internetzeitungen, den selbstberufenen Kritikern an Allem und Jedem, die sich neuerdings des ungehinderten Zugangs zur öffentlichen Wahrnehmung erfreuen dürfen und nicht zuletzt auch den Rundfunkgegnern ein staatsschädigendes, wenn nicht sogar unethisches Vorgehen vor, indem sie ein gewachsenes und essentielles Vertrauensverhältnis zwischen Leitmedien und Bürgern zerstören.
Allein schon dadurch, daß sich so viele "Stümper" auf einem (durch die Aufnahmefähigkeit des Publikums) begrenzten Markt einbringen, geschweige denn, daß diese auch noch abweichende, konträre Meinungen vortragen, ist das Gemeinwohl, dem sich die Leitmedien verpflichtet fühlen, gefährdet.
(Danke an Roggi für die Infos dazu)
Edit "Bürger":
Solch umfangreiche Zitierungen sind kritisch. Beitrag wird geprüft und muss ggf. moderiert werden.
Danke schon vorab für das Verständnis & die zukünftige Berüksichtigung.