Also - wer ist dann dagegen?
Naja, Bürgerrechte gab es nicht immer. Sie sind ein Produkt aus den Kämpfen des 18. Jahrhunderts. Letztlich hat der Autokrat Napoleon die Bürgerrechte in Europa verbreitet. In England gab es Bürgerrechte ansatzweise schon zuvor - aber auch nur für den Steuerbürger.
Bürgerrechte gibt es nur so weit, wie man sie wahrnimmt.
Es gab immer jemand, der gegen Bürgerrechte war. Auch in der Gegenwart gibt es Gegner von Bürgerrechten. Und soweit es Bürgerrechte in der Zukunft geben wird, wird es auch dann Gegner geben.
Sie treten jedoch in anderen Gewändern auf, so daß man sie zunächst nicht als Gegner erkennen kann.
Es gibt auch nicht nur ausgesprochene Gegner von Bürgerrechten, sondern auch bürgerrechtsfeindliche Tendenzen aufgrund des Austragens sozialer Kämpfe. Im Fokus stehen dann nicht die Bürgerrechte, sondern soziale Interessen, die durchgesetzt werden sollen. Und bei den dabei stattfindenden Auseinandersetzungen wird dann auf Bürgerrechte keine Rücksicht genommen.
Man sollte nicht vergessen, daß die Bürgerrechtssituation auch eine politische Dimension hat, wenn es z.B. um das Abschütteln autoritärer Strömungen geht oder um die propagandistische Verwertung im Systemwettbewerb zwischen Staaten oder Staatengebilden geht.
Dies fällt besonders auf, wenn es zu Bürgerrechtsabbau kommt. Dann stellt sich die Frage, warum das politisch so einfach durchgesetzt werden kann, während Jahrzehnte es scheinbar eine stabile Situation gab.
Die Antwort darauf ist natürlich nicht leicht zu geben, aber letztendlich kann man feststellen: Eine Gesellschaft ist nicht statisch. Sie ist wirtschaftlich und technologisch Veränderungen ausgesetzt.
Und Letzteres gilt um so mehr, als daß die Bürgerrechte just zu jenem Zeitpunkt gestärkt wurden, als technologische Veränderungen der Wirtschaft Expansionsmöglichkeiten boten.
Schaut man zurück ins römische Reich gab es zwar bis zuletzt einen Kaiser, aber die Zahl der Sklaven ging dramatisch zurück. Auch wurde das römische Bürgerrecht geographisch immer weiter ausgedehnt, bis zum Schluß jeder Freie römische Bürgerrechte hat.
Nachdem das römische System zusammenbrach, waren auch die römischen Bürgerrechte verschwunden.
In der Neuzeit gab es immer wieder Bürgerrechtskrisen, wie der Faschismus in Italien, Spanien und Deutschland oder der Stalinismus in den Ost-Blockländern zeigen. Bürgerrechte in der Moderne sind kein stabiles Phänomen. China beispielsweise setzt auf Harmonie statt auf Bürgerrechte. Und wie es so ist, wenn ein System expandiert: Es beeinflußt andere Systeme. Auf diese Art und Weise kommen andere Systeme in eine Rechtfertigungssituation, in der dann Strukturelemente auf Plausibilität geprüft werden. Erinnert man sich an den Merkel-Satz der "marktkonformen Demokratie" wird deutlich, was gemeint ist. Was der Stabilität des Systems nícht dienlich ist, wird untergeordnet bzw. weggeworfen. Insofern bekommt die Bürgerrechtsfrage für jeden Einzelnen eine akute Brisanz, da ja die Struktur - also der Staat - erst die Bürgerrechte - also den Schutz des Einzelnen - ermöglicht. Wenn nun eine Person, die maßgeblich die Struktur mitformt, Anpassungen der Demokratie an den Markt fordert, wird der Markt quasi zum bestimmenden Faktor des menschlichen Miteinanders, weil die Struktur - also der Staat - offensichtlich nicht selbst in der Lage ist, seine Strukturelemente zu pflegen. Auch wenn es nach Merkels Forderung nach einer "marktkonformen Demokratie" einen großen Aufschrei in der Öffentlichkeit gab und damit zum Ausdruck kam, daß man diesen Weg nicht mitgehen möchte, stellt sich doch die Frage, ob es nicht ähnlich wie bei Kohl und seiner Karawane abläuft - nur daß man nicht darüber redet. Es steckt eben während einer Wirtschaftsdepression ein Fünkchen Wahrheit in einer solchen Aussage, weil man die Struktur nur mit Hilfe der Wirtschaft stabil halten kann. Man externalisiert gesellschaftliche Kosten, indem man wie wild exportiert. Wenn aber ein solche Maschine stottert, wird ganz schnell untersucht, welche Ersatzteile oder welcher Brennstoff nötig ist, um sie wieder zum Laufen bringen.
So verkommen natürlich Strukturelemente zum historischen Feigenblatt, wenn eine Triebstörung diagnostiziert wird.
Nicht umsonst werden in einer solchen Situation "Gutmenschen" als naiv bezeichnen, was beispielsweise Margot Käßmann beklagt. Wenn "Gutmenschen" mit ihren guten Ideen einer Situation die Spannung nehmen, dann ernten andere ihre Früchte ein, weil sie nicht "naiv" sind und sich entsprechend "marktkonform" verhalten.
Es sind somit zu allererst wirtschaftliche Spannungen, die Feinde von Bürgerrechten sind. Diese müssen nicht aufgrund von wirtschaftlichen Krisen vorhanden sein, sondern können einfach der Raffgier geschuldet sein. Beide aber können kollektive Wahnvorstellungen verursachen, die dann "zwangsläufig" zur Einschränkung von Bürgerrechten führen.
Übertragen auf den Rundfunkzwangsbeitrag stellt sich somit die Frage: Wieso werden die politischen Kosten der ÖRR-Betriebsrente den Bewohnern der Bundesrepublik Deutschland aufgedrückt?
Es sind vermutlich die Kosten der ÖRR-Betriebsrente - und damit verursacht sie eine wirtschaftliche Krise für den ÖRR -, die zu dieser Entscheidung geführt haben. Und deshalb soll ja auch der Rundfunkzwangsbeitrag ein Solidarsystem sein.
Wenn aber die ÖRR-Betriebsrente zu diesem Zwangssystem geführt hat, stellt sich die Frage, wie es zu diesem Ausmaß gekommen ist.
Das ist der wahre Grund, warum die Ausgabenstruktur der ÖRR nicht publiziert wird.
Es ist auch unklar, in welcher Relation die ÖRR-Betriebsrente zu übrigen Einnahmen - also anderen Renten - der Berechtigten stehen. Ist die ÖRR-Betriebsrente die einzige Einnahmequelle der ehemaligen Mitarbeiter? Oder gibt es außerdem noch Bezüge aus dem regulären Rentensystem? Wenn ja, wieso wurden die ÖRR-Mitarbeiter derart privilegiert gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen? Wieso wurden keine Rücklagen gebildet, als man den Mitarbeitern entsprechende Rentenzusagen gegeben hat?
Also - wer ist dann dagegen?