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Autor Thema: EuGH C-34/02 - Begriff "öffentliche Verwaltung" ist unionsweit vereinheitlicht  (Gelesen 978 mal)

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Auch wenn es sich hier vordergründig nicht um Rundfunk handelt, so ist es doch ob der offenbaren Vollharmonisierung des Begriffes "öffentliche Verwaltung" auch für die Belange des öffentlichen Rundfunks anwendbar.


URTEIL DES GERICHTSHOFES
30. September 2003(1)

„Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Artikel 39 Absatz 4 EG - Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung - Schiffsführer von Seefischereischiffen - Verleihung hoheitlicher Befugnisse an Bord - Den Staatsangehörigen des Flaggenstaats vorbehaltene Stellen“

In der Rechtssache C-47/02

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=48653&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=5448217

Zitat
57.
        Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist der Begriff der öffentlichen Verwaltung im Sinne von Artikel 39 Absatz 4 EG in der gesamten Gemeinschaft einheitlich auszulegen und anzuwenden; seine Bestimmung kann daher nicht völlig in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt werden (vgl. insbesondere Urteil vom 12. Februar 1974 in der Rechtssache 152/73, Sotgiu, Slg. 1974, 153, und Urteil Kommission/Belgien, Randnrn. 12 und 18).

58.
        Er betrifft diejenigen Stellen, die eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung von Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind, so dass sie ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat sowie die Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten voraussetzen, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrunde liegen (Urteile Kommission/Belgien, Randnr. 10, und Kommission/Griechenland, Randnr. 2).

59.
        Hingegen gilt die Ausnahme in Artikel 39 Absatz 4 EG nicht für Stellen, die zwar dem Staat oder anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zuzuordnen sind, jedoch keine Mitwirkung bei der Erfüllung von Aufgaben mit sich bringen, die zur öffentlichen Verwaltung im eigentlichen Sinne gehören (Urteile Kommission/Belgien, Randnr. 11, und Kommission/Griechenland, Randnr. 2), und erst recht nicht für Stellen im Dienst einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts, unabhängig von den Aufgaben, die der Beschäftigte zu erfüllen hat (Urteile Kommission/Spanien, Randnr. 33, und vom 31. Mai 2001, Kommission/Italien, Randnr. 25).

Weiterführend aus Rn. 57 der obigen Entscheidung C-34/02:

Urteil des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1980.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Belgien.
Freizügigkeit der Arbeitnehmer.
Rechtssache 149/79.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A61979CJ0149&qid=1661275461193

Zitat
12 DAHER IST ZU PRÜFEN , OB DIE VON DER KLAGE BETROFFENEN STELLEN DEM BEGRIFF DER ÖFFENTLICHEN VERWALTUNG IM SINNE VON ARTIKEL 48 ABSATZ 4 ZUGERECHNET WERDEN KÖNNEN , DER IN DER GESAMTEN GEMEINSCHAFT EINE EINHEITLICHE AUSLEGUNG UND ANWENDUNG ERFAHREN MUSS . ES IST NICHT ZU VERKENNEN , DASS DIE ANWENDUNG DER VORSTEHEND ANGEFÜHRTEN UNTERSCHEIDUNGSKRITERIEN IN KONKRETEN FÄLLEN BEURTEILUNGS- UND ABGRENZUNGSPROBLEME AUFWIRFT . AUS DEM VORSTEHENDEN ERGIBT SICH , DASS DIE EINORDNUNG DAVON ABHÄNGT , OB DIE BETREFFENDEN STELLEN TYPISCH FÜR DIE SPEZIFISCHEN TÄTIGKEITEN DER ÖFFENTLICHEN VERWALTUNG INSOWEIT SIND , ALS DIESE MIT DER AUSÜBUNG HOHEITLICHER BEFUGNISSE UND MIT DER VERANTWORTUNG FÜR DIE WAHRUNG DER ALLGEMEINEN BELANGE DES STAATES BETRAUT IST .
Sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten "mit der Verantwortung für die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates betraut"? Wenn "Nein", sind sie kein Teil der "öffentlichen Verwaltung" im eigentlichen Sinne und damit ohne hoheitliche Befugnis?

Zitat
18 ES TRIFFT ZU , DASS ARTIKEL 48 ABSATZ 4 IM SYSTEM DER VORSCHRIFTEN ÜBER DIE FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER GERADE BESTIMMUNGEN DER VORSTEHEND ER WÄHNTEN ART RECHNUNG TRAGEN SOLL . ANDERERSEITS KANN , WIE AUCH IM SCHRIFTSATZ DER FRANZÖSISCHEN REGIERUNG EINGERÄUMT WIRD , DIE ABGRENZUNG DES BEGRIFFS ' ' ÖFFENTLICHE VERWALTUNG ' ' IM SINNE VON ARTIKEL 48 ABSATZ 4 NICHT VÖLLIG IN DAS ERMESSEN DER MITGLIEDSTAATEN GESTELLT WERDEN .


Dem nachfolgend zizierten Schlußantrag fehlen leider die Randnummern.

Schlussanträge des Generalanwalts Mayras vom 24. September 1980.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Belgien.
Freizügigkeit der Arbeitnehmer.
Rechtssache 149/79.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A61979CC0149&qid=1661275461193

Zitat
Demzufolge ist, entgegen der Auffassung der diesem Verfahren beigetretenen Mitgliedstaaten, nicht jedes Beschäftigungsverhältnis, das der betreffende Mitgliedstaat der öffentlichen Verwaltung zurechnet, unabhängig vom Inhalt der im Rahmen dieser Beschäftigung ausgeübten Tätigkeit auch als dem Bereich der öffentlichen Verwaltung zugehörig anzusehen. Die Bestimmung dieses Inhalts und die Tragweite des Vorbehalts kann nicht ausschließlich den Mitgliedstaaten überlassen und der Kontrolle durch die Gemeinschaftsorgane und insbesondere durch den Gerichtshof entzogen werden. Überließe man den Mitgliedstaaten das Recht, den Bereich der öffentlichen Verwaltung in souveräner Weise abzugrenzen, so würde den Verpflichtungen, die sich für sie aus dem Grundsatz der Freizügigkeit, das heißt aus einer der im Vertrag genannten Grundfreiheiten, eine sehr unterschiedliche Tragweite von einem Mitgliedstaat zum anderen beigemessen.

Unionsrechtlich gehört also nur zur "öffentlichen Verwaltung", wer auch Aufgaben der Staatsverwaltung wahrnimmt; da die Rundfunkanstalten national aber staatsfern zu organisieren sind, können sie im unionsrechtlichen Sinne gar kein Teil der "öffentlichen Verwaltung" sein?


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Nachtrag aus der Rechtssache C-290/94, die vom EuGH in der hier thematisierten Rechtssache C-34/02 erwähnt wird.

Urteil des Gerichtshofes vom 2. Juli 1996.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Griechenland.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Freizügigkeit - Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung.
Rechtssache C-290/94.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A61994CJ0290&qid=1661522357125

Zitat
34 Die Klage betrifft die Bereiche der Forschung, des Bildungswesens, des Gesundheitswesens, des Strassen-, Schienen-, See- und Luftverkehrs, des Post-, Fernmelde- sowie des Rundfunk- und Fernsehwesens sowie die Versorgungsdienste für Wasser, Gas- und Elektrizität und schließlich den musikalischen und lyrischen Bereich. Wie die griechische Regierung selbst einräumt, sind die Stellen in diesen Bereichen im allgemeinen von den spezifischen Tätigkeiten der öffentlichen Verwaltung weit entfernt, da sie keine mittelbare oder unmittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind (vgl. insbesondere Urteile vom 3. Juni 1986 in der Rechtssache 307/84, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 1725, für den Bereich Gesundheitswesen; vom 16. Juni 1987 in der Rechtssache 225/85, Kommission/Italien, Slg. 1987, 2625, für den Bereich Forschung für zivile Zwecke; vom 3. Juli 1986 in der Rechtssache 66/85, Lawrie-Blum, Slg. 1986, 2121; vom 30. Mai 1989 in der Rechtssache 33/88, Allué und Coonan, Slg. 1989, 1591, und vom 27. November 1991 in der Rechtssache C-4/91, Bleis, Slg. 1991, I-5627, für das Bildungswesen).

Und auch der Tenor des Gerichtshofes trägt diese Aussage in sich:

Zitat
Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Griechische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 48 EG-Vertrag und aus Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft verstossen, daß sie die griechische Staatsangehörigkeit zur Voraussetzung des Zugangs auch zu anderen als denjenigen Stellen gemacht hat, die in den öffentlichen Bereichen der Versorgungsdienste für Wasser, Gas und Elektrizität, des öffentlichen Gesundheitsdienstes, des Bildungswesens, des See- und Luftverkehrs, der Eisenbahnen, des öffentlichen Stadt- und Regionalverkehrs, der Forschung für zivile Zwecke, des Post- und Fernmelde- sowie des Rundfunk- und Fernsehwesens, der Oper Athen sowie der städtischen und kommunalen Orchester eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse oder an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind. [...]

Auch wenn es hier zwar um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer geht, wird doch klar ausgesagt, daß die öffentlichen Bereiche des Rundfunk- und Fernsehwesens "keine mittelbare oder unmittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse oder an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind".

Wenn die Länder nicht berücksichtigen, daß ihr Rundfunk kein Teil der Landesverwaltung darstellt und deswegen "nicht-hoheitlich" ist, könnten sie damit dem Bund ein Vertragsverletzungsverfahren einbrocken.


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