Auch wenn diese Entscheidung so direkt nichts mit Rundfunk zu tun hat, betrifft sie doch das Beitragsrecht und kann daher u. U. in rundbeitragsrechtlichen Streitigkeiten verwendet werden?
BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. April 2022
- 1 BvR 798/19 -, Rn. 1-19,http://www.bverfg.de/e/rk20220412_1bvr079819.htmlRn. 6
2. Die Verfassungsbeschwerden sind auch offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen bereits gegen die Bindungswirkung des Beschlusses der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 - (a). Darüber hinaus verletzten sie den Grundsatz des Vertrauensschutzes und damit die Beschwerdeführerinnen ebenfalls in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (b). Ob die Entscheidungen zugleich gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, bedarf demgegenüber keiner Entscheidung
Rn. 7
a) Bereits nach dem Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, Rn. 39 ff., verstößt die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. in Fällen, in denen Beiträge nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. nicht mehr erhoben werden könnten, gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (Grundsatz des Vertrauensschutzes). Diese Entscheidungen waren für das Verwaltungsgericht gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bindend (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. Januar 2006 - 1 BvQ 4/06 -, Rn. 26 ff.).
Es wird also klar erklärt, daß sich das VG Bbg über das BVerfG hinwegsetzt.
Rn. 10
b) Die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte lassen sich auch nicht mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (Grundsatz des Vertrauensschutzes) vereinbaren (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 6. Oktober 2021 - 9 C 9.20 -, Leitsatz 2 und Rn. 22; - 9 C 10.20 -, Leitsatz 1 und Rn. 16 ff.).
Rn. 12
Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 3. November 2021 - 1 BvL 1/19 -, Rn. 63 m.w.N.).
Rn. 13
bb) Dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber in Brandenburg zwar nachgekommen, indem er Verjährungsregelungen und eine (verfassungsgemäße) Regelung zur zeitlichen Höchstfrist (§ 19 Abs. 1 KAG Bbg) getroffen hat. Die Auslegungspraxis der Verwaltungsgerichte führt jedoch dazu, dass das durch den Eintritt der hypothetischen Verjährung begründete Vertrauen der Beschwerdeführerinnen, dass die erlangten tatsächlichen Vorteile nicht mehr durch Beiträge ausgeglichen werden müssen, für unbeachtlich erklärt wird, ohne dass Gründe ersichtlich wären, die es rechtfertigen könnten, nachträglich in die von Verfassungs wegen geschützte Vertrauensposition einzugreifen.
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