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Autor Thema: EuG T-115/94 - Grundsatz von Treu und Glauben ist unionsweit bindend  (Gelesen 709 mal)

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Hinweis:
Diese Entscheidung ist eine der wenigen, die es direkt am EuGH nicht auf Deutsch hat, obwohl sie den deutschsprachigen Raum betrifft.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 22. Januar 1997.
Opel Austria GmbH gegen Rat der Europäischen Union.
Rücknahme von Zollzugeständnissen - Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum - Völkerrechtliche Verpflichtung, Ziel une Zweck eines Vertrages vor seinem Inkrafttreten nicht zu vereiteln - Grundsatz des Vertrauensschutzes - Grundsatz der Rechtssicherheit - Veröffentlichung im Amtsblatt.
Rechtssache T-115/94.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A61994TJ0115&qid=1640440918054

Leitsätze 10 und 11
Zitat
10 Der durch Artikel 18 des Wiener Übereinkommens¹ I kodifizierte Grundsatz von Treu und Glauben ist eine Norm des Völkergewohnheitsrechts, deren Bestehen vom Internationalen Gerichtshof anerkannt worden ist und die folglich für die Gemeinschaft verbindlich ist. Im Völkerrecht folgt der Grundsatz von Treu und Glauben aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, der Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist und auf den sich jeder Wirtschaftsteilnehmer berufen kann, bei dem ein Gemeinschaftsorgan begründete Erwartungen geweckt hat.

In einer Situation, in der die Gemeinschaft ihre Urkunde über die Genehmigung eines internationalen Abkommens hinterlegt hat und das Inkrafttreten dieses Abkommens bekannt ist, können sich die Wirtschaftsteilnehmer auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, um sich gegen Handlungen der Gemeinschaftsorgane in der Zeit vor dem Inkrafttreten dieses internationalen Abkommens zu wehren, die gegen Bestimmungen dieses Abkommens verstossen, die nach dessen Inkrafttreten ihnen gegenüber unmittelbare Wirkung entfalten.

Zitat
11 Die unter den Voraussetzungen des Artikels 228 EG-Vertrag² geschlossenen Abkommen sind für die Organe und die Mitgliedstaaten verbindlich, bilden von ihrem Inkrafttreten an einen integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung und können unmittelbare Wirkung entfalten, wenn sie unbedingt und hinreichend bestimmt sind.

Artikel 10 des Abkommens über die Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums, der Ein- und Ausfuhrzölle sowie Abgaben gleicher Wirkung zwischen den Vertragsparteien verbietet und klarstellt, daß dieses Verbot unbeschadet der Regelungen des Protokolls 5 zu dem Abkommen auch für Fiskalzölle gilt, stellt einen unbedingten und inhaltlich bestimmten Grundsatz mit nur einer Ausnahme auf, die ihrerseits unbedingt und bestimmt ist, und entfaltet somit unmittelbare Wirkung.

Zitat
90 Insoweit ist zunächst festzustellen, daß der Grundsatz von Treu und Glauben eine Norm des Völkergewohnheitsrechts ist, deren Bestehen vom Ständigen Internationalen Gerichtshof anerkannt worden ist (Urteil vom 25. Mai 1926, Deutsche Interessen im polnischen Oberschlesien, StIGH, Serie A, Nr. 7, S. 30 und 39), und daß er folglich für die Gemeinschaft verbindlich ist.

Zitat
91 Dieser Grundsatz ist durch Artikel 18 des Wiener Übereinkommens I kodifiziert worden, der bestimmt:

"Ein Staat ist verpflichtet, sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck eines Vertrags vereiteln würden,

a) wenn er unter Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung den Vertrag unterzeichnet oder Urkunden ausgetauscht hat, die einen Vertrag bilden, solange er seine Absicht nicht klar zu erkennen gegeben hat, nicht Vertragspartei zu werden, oder

b) wenn er seine Zustimmung, durch den Vertrag gebunden zu sein, ausgedrückt hat, und zwar bis zum Inkrafttreten des Vertrags und unter der Voraussetzung, daß sich das Inkrafttreten nicht ungebührlich verzögert."

Zitat
92 Hier wurde die streitige Verordnung vom Rat am 20. Dezember 1993 erlassen, d. h. sieben Tage, nachdem die Gemeinschaften das EWR-Abkommen als letzte Vertragsparteien genehmigt und ihre Genehmigungsurkunden hinterlegt hatten (siehe oben, Randnr. 23). Unter diesen Umständen war den Gemeinschaften das Datum des Inkrafttretens des EWR-Abkommens vom 13. Dezember 1993 an bekannt. Aus Artikel 129 Absatz 3 des EWR-Abkommens in der Fassung des Artikels 6 des Anpassungsprotokolls und aus Artikel 1 Absatz 1 und 22 Absatz 3 des Anpassungsprotokolls geht nämlich hervor, daß dieses Abkommen am ersten Tag des auf die letzte Hinterlegung einer Ratifikations- bzw. Genehmigungsurkunde folgenden Monats in Kraft treten sollte.

Zitat
93 Sodann ist festzustellen, daß im Völkerrecht der Grundsatz von Treu und Glauben aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes folgt, der nach der Rechtsprechung Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist (Urteil des Gerichtshofes vom 3. Mai 1978 in der Rechtssache 112/77, Töpfer/Kommission, Slg. 1978, 1019, Randnr. 19). Auf diesen Grundsatz des Vertrauensschutzes kann sich jeder Wirtschaftsteilnehmer berufen, bei dem ein Gemeinschaftsorgan begründete Erwartungen geweckt hat (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 13. Juli 1995 in den Rechtssachen T-466/93, T-469/93, T-473/93, T-474/93 und T-477/93, O'Dwyer u. a./Rat, Slg. 1995, II-2071, Randnr. 48).

Zitat
94 In einer Situation, in der die Gemeinschaften ihre Urkunden über die Genehmigung eines internationalen Abkommens hinterlegt haben und das Inkrafttreten dieses Abkommens bekannt ist, können sich die Wirtschaftsteilnehmer auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, um sich gegen Handlungen der Gemeinschaftsorgane in der Zeit vor dem Inkrafttreten dieses internationalen Abkommens zu wehren, die gegen Bestimmungen dieses Abkommens verstossen, die nach dessen Inkrafttreten ihnen gegenüber unmittelbare Wirkung entfalten.

¹

Bundesgesetzblatt Teil II 1985 Nr. 28 vom 13.08.1985
Gesetz zu dem Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge

https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl285s0926.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl285s0926.pdf%27%5D__1640459029232

²

Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Vertrag über die Europäische Union (konsolidierte Fassung) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (konsolidierte Fassung) Protokolle Anhänge des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Erklärungen zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat Übereinstimmungstabellen
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv:OJ.C_.2016.202.01.0001.01.DEU&toc=OJ:C:2016:202:TOC

Zitat
Artikel 216

(1)   Die Union kann mit einem oder mehreren Drittländern oder einer oder mehreren internationalen Organisationen eine Übereinkunft schließen, wenn dies in den Verträgen vorgesehen ist oder wenn der Abschluss einer Übereinkunft im Rahmen der Politik der Union entweder zur Verwirklichung eines der in den Verträgen festgesetzten Ziele erforderlich oder in einem verbindlichen Rechtsakt der Union vorgesehen ist oder aber gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder deren Anwendungsbereich ändern könnte.

(2)   Die von der Union geschlossenen Übereinkünfte binden die Organe der Union und die Mitgliedstaaten.

Hinweis: Obige Fassung der europäischen Verträge ist hier offenbar noch nicht hilfreich, die darin genannten Artikel "228" sind nicht mit jenem Artikel 228 inhaltlich übereinstimmend, auf den sich die Entscheidung bezieht.

Neu können das eigentlich nur der oben zitierte Artikel 216 bzw. seine Folgeartikel sein?

Ok, das EuG bezieht sich auf den

Vertrag über die Europäische Union
(in der Fassung des Vertrages von Maastricht vom 07. Februar 1992)
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:11992M/TXT

Zitat
80. Artikel 228 erhält folgende Fassung:

"Artikel 228

(1) Soweit dieser Vertrag den Abschluß von Abkommen zwischen der Gemeinschaft und einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen vorsieht, legt die Kommission dem Rat Empfehlungen vor; dieser ermächtigt die Kommission zur Einleitung der erforderlichen Verhandlungen. Die Kommission führt diese Verhandlungen im Benehmen mit den zu ihrer Unterstützung vom Rat bestellten besonderen Ausschüssen nach Maßgabe der Richtlinien, die ihr der Rat erteilen kann.

Bei der Ausübung der ihm in diesem Absatz übertragenen Zuständigkeiten beschließt der Rat, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, in denen er einstimmig beschließt, mit qualifizierter Mehrheit.

(2) Vorbehaltlich der Zuständigkeiten, welche die Kommission auf diesem Gebiet besitzt, werden die Abkommen vom Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission geschlossen. Der Rat beschließt einstimmig, wenn das Abkommen einen Bereich betrifft, in dem für die Annahme interner Vorschriften die Einstimmigkeit erforderlich ist, sowie im Fall der in Artikel 238 genannten Abkommen.

(3) Mit Ausnahme der Abkommen im Sinne des Artikels 113 Absatz 3 schließt der Rat die Abkommen nach Anhörung des Europäischen Parlaments, und zwar auch in den Fällen, in denen das Abkommen einen Bereich betrifft, bei dem für die Annahme interner Vorschriften das Verfahren des Artikels 189 b oder des Artikels 189 c anzuwenden ist. Das Europäische Parlament gibt seine Stellungnahme innerhalb einer Frist ab, die der Rat entsprechend der Dringlichkeit festlegen kann. Ergeht innerhalb dieser Frist keine Stellungnahme, so kann der Rat einen Beschluß fassen.

Abweichend von Unterabsatz 1 bedarf der Abschluß von Abkommen im Sinne des Artikels 238 sowie sonstiger Abkommen, die durch Einführung von Zusammenarbeitsverfahren einen besonderen institutionellen Rahmen schaffen, von Abkommen mit erheblichen finanziellen Folgen für die Gemeinschaft und von Abkommen, die eine Änderung eines nach dem Verfahren des Artikels 189 b angenommenen Rechtsakts bedingen, der Zustimmung des Europäischen Parlaments.

Der Rat und das Europäische Parlament können in dringenden Fällen eine Frist für die Zustimmung vereinbaren.

(4) Abweichend von Absatz 2 kann der Rat die Kommission bei Abschluß eines Abkommens ermächtigen, Änderungen, die nach jenem Abkommen im Weg eines vereinfachten Verfahrens oder durch ein durch das Abkommen geschaffenes Organ anzunehmen sind, im Namen der Gemeinschaft zu billigen; der Rat kann diese Ermächtigung gegebenenfalls mit besonderen Bedingungen verbinden.

(5) Beabsichtigt der Rat, ein Abkommen zu schließen, das Änderungen dieses Vertrags bedingt, so sind diese Änderungen zuvor nach dem Verfahren des Artikels N des Vertrags über die Europäische Union anzunehmen.

(6) Der Rat, die Kommission oder ein Mitgliedstaat kann ein Gutachten des Gerichtshofs über die Vereinbarkeit eines geplanten Abkommens mit diesem Vertrag einholen. Ist dieses Gutachten ablehnend, so kann das Abkommen nur nach Maßgabe des Artikels N des Vertrags über die Europäische Union in Kraft treten.

(7) Die nach Maßgabe dieses Artikels geschlossenen Abkommen sind für die Organe der Gemeinschaft und für die Mitgliedstaaten verbindlich."


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