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Autor Thema: BFH VII R 62/18 - Pfändungs- und Einziehungsverfügung ->Unterschriftserfordernis  (Gelesen 928 mal)

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Diese abgaberechtliche Streitigkeit behandelt die Zwangsvollstreckung von Sozialabgaben, (siehe Rn. 3 der Entscheidung).

Es darf sich die Frage gestellt werden, ob bei landesrechtlichen Abgaben der Verwaltungsrechtsweg gegeben sein darf, wenn bei bundesrechtlichen Abgaben der Finanzrechtsweg zur Anwendung kommt, denn unstreitig wird jeder erkennen, daß es im vorliegenden Fall ein abgaberechtlicher Streit zwischen Staat und Unternehmen ist, der über den Finanzrechtsweg ausgefochten wird und nicht über den Verwaltungsrechtsweg.

Warum sollte bei abgaberechtlichen Streitigkeiten zwischen Staat und Bürger der Verwaltungsrechtsweg gegeben sein, wenn er es bei abgaberechtlichen Streitigkeiten zwischen Staat und Unternehmen nicht ist? Geklärt ist diese Frage keinesfalles.

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Unterschriftserfordernis bei Pfändungsverfügungen
Urteil vom 17. Dezember 2019, VII R 62/18

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202010106/

Rn. 1
Zitat
Streitig ist, ob eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung i.S. der §§ 309 und 314 der Abgabenordnung (AO) die Unterschrift oder die Namenswiedergabe eines Amtsträgers enthalten muss.

Rn. 14
Zitat
2. Das FG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen als formularmäßig erlassene Verwaltungsakte gemäß § 119 Abs. 3 Satz 2 AO keine Unterschrift oder Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten müssen. Anhand der bisher getroffenen Feststellungen kann aber nicht abschließend beurteilt werden, ob die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen zulässigerweise mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen worden sind und deshalb keine Unterschrift oder Namenswiedergabe erforderlich ist.

Rn. 16
Zitat
b) Die beiden Pfändungsverfügungen sind nicht in der nach § 309 Abs. 1 Satz 2 AO für solche Verwaltungsakte ausgeschlossenen elektronischen Form ergangen. Wie sich aus § 87a Abs. 4 AO ergibt, kommt es nicht auf die Erzeugung der Verwaltungsakte mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitungsanlagen an, sondern auf die äußere Form. Entscheidend ist, ob dem Adressaten ein elektronisches Dokument übermittelt wird. Das ist vorliegend unstreitig nicht der Fall.

Rn. 17
Zitat
c) Die angefochtenen Pfändungsverfügungen entsprachen mangels Unterschrift nicht den Formerfordernissen nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der Vollstreckung nach der Abgabenordnung (Vollstreckungsanweisung --VollstrA--). In der bis 14.11.2017 geltenden Fassung der VollstrA war in Abschn. 41 Abs. 2 Nr. 7 (noch) geregelt, dass eine Pfändungsverfügung "die Unterschrift eines zuständigen Bediensteten der Vollstreckungsstelle" enthalten müsse.

Rn. 19
Zitat
d) Nach § 119 Abs. 3 Satz 2 AO muss ein schriftlicher Verwaltungsakt grundsätzlich die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten, woran es im Streitfall fehlt.

Rn. 23
Zitat
bb) Ein formularmäßiger Erlass der Pfändungsverfügung --wie ihn das FG angenommen hat-- kommt nicht in Betracht, weil es sich um eine Ermessensentscheidung handelt.

Rn. 25
Zitat
Bei der Auswahl einer Vollstreckungsmaßnahme muss die Behörde ihr Ermessen ausüben (für das "Ob" der Vollstreckung offengelassen in Senatsurteil vom 22.10.2002 - VII R 56/00, BFHE 199, 511, BStBl II 2003, 109). So liegt die Entscheidung über die Fragen des "Wann" und des "Wie" der Vollstreckung im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörden; dabei ist insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten (Kögel in Gosch, AO § 309 Rz 143; Klein/Werth, AO, 14. Aufl., § 249 Rz 1; vgl. auch zur Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Senatsbeschluss vom 28.02.2011 - VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763).

Rn. 26
Zitat
Damit der Betroffene und ggf. die Gerichte die Ermessenserwägungen der Finanzbehörde überprüfen können, muss eine Ermessensentscheidung grundsätzlich begründet werden. Die Begründung muss zeigen, dass die Finanzbehörde den Ermessensspielraum erkannt hat und von welchen Gesichtspunkten sie bei ihrer Ermessensentscheidung ausgegangen ist (Klein/Gersch, a.a.O., § 5 Rz 13). Zwar ist unter den Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 AO oder in Fällen, in denen die Ermessenserwägungen dem Betroffenen bereits bekannt sind, eine Begründung der Entscheidung nicht erforderlich. Daneben ist in bestimmten Bereichen des den Finanzbehörden eingeräumten Ermessens, wie z.B. bei der Anordnung von Außenprüfungen oder der Inhaftungnahme von Steuerhinterziehern, die Ermessensentscheidung in einer Weise vorgeprägt, die eine besondere Begründung in der Regel entbehrlich macht (vgl. näher Klein/Gersch, a.a.O., § 5 Rz 13). Der Bereich der Vollstreckung nach den Vorschriften der §§ 249 ff. AO zählt hierzu aber nicht.

Rn. 30
Zitat
Dabei ist zu berücksichtigen, dass automatische Einrichtungen nur Hilfsmittel der Behörde sein dürfen, die Entscheidung selbst muss durch die Behörde getroffen werden (Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 119 AO Rz 354; Güroff in Gosch, a.a.O., § 119 Rz 41.1). Über die Art und Weise der Entscheidung und das Ergebnis der Datenverarbeitung muss die Behörde durch die Programmierung entscheiden. Das ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil es sich bei den streitgegenständlichen Verfügungen --wie bereits ausgeführt-- um Ermessensentscheidungen handelt, die einen Automatismus ausschließen.

Vollstreckungshandlungen sind Ermessensentscheidungen;
das Ermessen muß sichtbar ausgeübt werden;
eine Ermessensentscheidung schließt Automatismus aus.


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