@querkopf
Bitte beachte Rn. 120 des zitierten Schlußantrages.
Wenn, wie seitens der EuGH-Generalanwältin so geschildert, der EGMR in einer Deutschland betreffenden Entscheidung entschieden hat, daß eine Inhaftierung nur im Strafrecht zulässig ist, dann kann
zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung auch nur eine Regel des Strafrechts berührt sein und sonst nichts.
Aus Rn. 70 der EGMR-Entscheidung separat herauszitiert, weil wesentlich.
[...] Diese Bestimmung rechtfertigt daher beispielsweise nicht die administrative Freiheitsentziehung, mit der eine Person gezwungen werden soll, ihre allgemeine Verpflichtung zur Befolgung der Gesetze zu erfüllen [...]
Die bloße Nichtbefolgung von Gesetzen darf nicht mit Haft geahndet werden; die Verwaltung, also Administration, darf Haft nicht anordnen und das Gericht darf dieses nur in Belangen des Strafrechts.
Obiges ist die einzige Schlußfolgerung der EGMR-Aussagen zu Art 5 Absatz 1 Buchstaben b und c EMRK; die anderen Buchstaben sind nicht einschlägig.
RECHTSSACHE O. ./. DEUTSCHLAND(Individualbeschwerde Nr. 15598/08)http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-12262169. Darüber hinaus ist die Freiheitsentziehung nach der zweiten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchst. b zulässig zur „Erzwingung der Erfüllung“ einer gesetzlichen Verpflichtung. Diese Bestimmung erfasst die Fälle, in denen es gesetzlich zulässig ist, einer Person die Freiheit zu entziehen, um sie dazu zu zwingen, eine ihr obliegende spezifische und konkrete Verpflichtung zu erfüllen, der sie bisher noch nicht nachgekommen ist (siehe u. a. Engel u. a., a. a. O., Rdnr. 69; Guzzardi, a. a. O., Rdnr. 101; Ciulla, a. a. O., Rdnr. 36; E., a. a. O., Rdnr. 37; A. D. ./. Türkei, Individualbeschwerde Nr. 29986/96, Rdnr. 20, 22. Dezember 2005; und Lolova-Karadzhova ./. Bulgarien, Individualbeschwerde Nr. 17835/07, Rdnr. 29, 27. März 2012).
70. Eine weite Auslegung von Artikel 5 Abs. 1 Buchst. b würde zu Ergebnissen führen, die mit dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit, unter dem die gesamte Konvention steht, unvereinbar sind (siehe Engel u. a., a. a. O., Rdnr. 69; und Iliya Stefanov ./. Bulgarien, Individualbeschwerde Nr. 5755/01, Rdnr. 72, 22. Mai 2008). Diese Bestimmung rechtfertigt daher beispielsweise nicht die administrative Freiheitsentziehung, mit der eine Person gezwungen werden soll, ihre allgemeine Verpflichtung zur Befolgung der Gesetze zu erfüllen (siehe Engel u. a., a. a. O., Rdnr. 69; und S. und M., a. a. O., Rdnr. 73). Die Verpflichtung, in unmittelbarer Zukunft keine Straftat zu begehen, kann gleichermaßen nicht als hinreichend konkret und spezifisch angesehen werden, um unter Artikel 5 Abs. 1 Buchst. b zu fallen, zumindest nicht, solange keine Anordnung spezifischer Maßnahmen erging und dieser nicht Folge geleistet wurde (siehe S. und M., a. a. O., Rdnr. 82).
71. Um unter Artikel 5 Abs. 1 Buchst. b zu fallen, müssen die Festnahme und die Freiheitsentziehung darüber hinaus zum Ziel haben beziehungsweise unmittelbar dazu beitragen, die Erfüllung der Verpflichtung zu erzwingen, und dürfen keinen Strafcharakter aufweisen (siehe bereits Johansen ./. Norwegen, Individualbeschwerde Nr. 10600/83, Kommissionsentscheidung vom 14. Oktober 1985, Entscheidungen und Berichte (Decisions and Reports – DR) 44, S. 162; Vasileva ./. Dänemark, Individualbeschwerde Nr. 52792/99, Rdnr. 36, 25. September 2003; Gatt ./. Malta, Individualbeschwerde Nr. 28221/08, Rdnr. 46, ECHR 2010; Osypenko ./. Ukraine, Individualbeschwerde Nr. 4634/04, Rdnr. 57, 9. November 2010; und Soare u. a. ./. Rumänien, Individualbeschwerde Nr. 24329/02, Rdnr. 236, 22. Februar 2011). Könnte Buchst. b so ausgeweitet werden, dass er auch für Strafen gilt, würden diesen Strafen die elementaren Garantien aus Buchst. a fehlen (siehe Engel u. a., a. a. O., Rdnr. 69; und Johansen, a. a. O., S. 162).
72. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass die Verpflichtung im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchst. b, deren Erfüllung angestrebt wird, ihrer Art nach mit der Konvention vereinbar ist (siehe bereits McVeigh, O’Neill und Evans ./. Vereinigtes Königreich, Individualbeschwerden Nrn. 8022/77, 8025/77 und 8027/77, Kommissionsbericht vom 18. März 1981, DR 25, S. 15, Rdnr. 176; und Johansen, a. a. O., S. 162). Sobald die entsprechende Verpflichtung erfüllt wurde, entfällt die Grundlage für die Freiheitsentziehung nach Artikel 5 Abs. 1 Buchst. b (siehe Vasileva, a. a. O., Rdnr. 36; E., a. a. O., Rdnr. 37; Osypenko, a. a. O., Rdnr. 57; Sarigiannis ./. Italien, Individualbeschwerde Nr. 14569/05, Rdnr. 43, 5. April 2011; und Lolova-Karadzhova, a. a. O., Rdnr. 29).
Die in Rnn. 70 und 72 in Rot hervorgehobenen Aussagen kollidieren mit Art 10 EMRK, da eine staatliche Einflußnahme im Bereich der Meinungs- und Informationsfreiheit nicht zulässig ist.
Ab Rn. 90 führt der EGMR Gründe für die Rechtfertigung der Inhaftierung nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b EMRK aus; auch hier aber ist aus den weiteren Ausführungen ersichtlich, daß der Bereich des Strafrechts offenbar konkret berührt sein muß.
Interessanter dazu ist aber die Ausführung zu Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c EMRK, wie sie ab Rn. 77 vorgenommen wird.
85. Diese Auslegung ließe sich jedoch weder mit dem vollständigen Wortlaut von Artikel 5 Abs. 1 Buchst c, noch mit dem von Artikel 5 insgesamt errichteten Schutzsystem in Einklang bringen. Laut Artikel 5 Abs. 1 Buchst. c muss die Freiheitsentziehung des Betroffenen „zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde“ erfolgen und nach Artikel 5 Abs. 3 hat dieser „Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist“. Wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung vielfach bestätigt hat, erfasst die zweite Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchst. c folglich nur die Freiheitsentziehung in Verbindung mit einem Strafverfahren. Insbesondere bezieht sich der Begriff „Urteil“ (Englisch: „trial“), anders als von der Regierung vorgetragen, nicht auf eine richterliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des polizeilichen Präventivgewahrsams. Diese ist Gegenstand von Artikel 5 Abs. 4.
90. Der Gerichtshof hat daher zu prüfen, ob der Gewahrsam des Beschwerdeführers, wie von der Regierung ebenfalls vorgebracht, nach der zweiten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchst. b „zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung“ gerechtfertigt war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs (siehe Rdnr. 69) ist die Voraussetzung dafür, dass eine Freiheitsentziehung unter diesen zulässigen Grund fällt, zunächst einmal, dass es gesetzlich zulässig ist, dem Betroffenen die Freiheit zu entziehen, um ihn dazu zu zwingen, eine ihm obliegende spezifische und konkrete Verpflichtung zu erfüllen, der er bis dahin nicht nachgekommen ist.
93. Nach Ansicht des Gerichtshofs zeigen diese Beispiele, dass die „Verpflichtung“ nach Artikel 5 Abs. 1 Buchst. b sehr eng eingegrenzt sein muss. Daraus folgt, dass die hier in Rede stehende Verpflichtung, friedlich zu bleiben und eine Straftat nicht zu begehen, nur dann „als spezifisch und konkret“ im Sinne dieser Konventionsbestimmung angesehen werden kann, wenn Ort und Zeitpunkt der bevorstehenden Begehung der Straftat sowie ihr potenzielles Opfer/ihre potenziellen Opfer hinreichend konkretisiert wurden. Nach der Überzeugung des Gerichtshofs war das hier gegeben. Der Beschwerdeführer sollte daran gehindert werden, in der Zeit vor, während oder nach dem Fußballspiel vom 10. April 2004 in oder in der Nähe von Frankfurt eine Schlägerei von B. und Frankfurter Hooligans zu verabreden und bei einer solchen Auseinandersetzung Straftaten wie Körperverletzung und Landfriedensbruch zu begehen.
Edit:
Diese EGMR-Entscheidung ist auch dem BVerfG hinreichend bekannt.
BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. April 2016
- 2 BvR 1833/12 -, Rn. 1-39,http://www.bverfg.de/e/rk20160418_2bvr183312.htmlRn. 33Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 b), 2. Fall EMRK ist die Freiheitsentziehung zulässig zur „Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung“. Die Bestimmung erfasst die Fälle, in denen es gesetzlich zulässig ist, einer Person die Freiheit zu entziehen, um sie dazu zu zwingen, eine ihr obliegende spezifische und konkrete Verpflichtung zu erfüllen, der sie bisher nicht nachgekommen ist (vgl. EGMR, Engel v. Niederlande, Entscheidung vom 8. Juni 1976, Nr. 5100/71, § 69; Guzzardi v. Italien, Entscheidung vom 6. November 1980, Nr. 7367/76, § 101; Ciulla v. Italien, Entscheidung vom 22. Februar 1989, Nr. 11152/84, § 36; Epple v. Deutschland, Entscheidung vom 24. März 2005, Nr. 77909/01, § 37; Schwabe u.a. v. Deutschland, Entscheidung vom 1. Dezember 2011, Nr. 8080/08, 8577/08, § 73; Ostendorf v. Deutschland, Entscheidung vom 7. März 2013, Nr. 15598/08, § 69). Nicht ausreichend ist die allgemeine Verpflichtung, sich an Gesetze zu halten (vgl. EGMR, Engel u.a. v. Niederlande, Entscheidung vom 8. Juni 1976, Nr. 5100/71, Nr. 5101/71, Nr. 5102/71, Nr. 5354/72, Nr. 5370/72, § 69; Schwabe u.a. v. Deutschland, Entscheidung vom 1. Dezember 2011, Nr. 8080/08, 8577/08, § 73). Geht es um die Verpflichtung, keine Straftat zu begehen, muss diese Straftat - dem Zweck des Art. 5 Abs. 1 EMRK, den Einzelnen vor willkürlicher Freiheitsentziehung zu schützen, entsprechend - bereits hinreichend bestimmt sein und der Betroffene muss sich unwillig gezeigt haben, sie zu unterlassen (vgl. EGMR, Schwabe u.a. v. Deutschland, Entscheidung vom 1. Dezember 2011, Nr. 8080/08, 8577/08, § 82; Ostendorf v. Deutschland, Entscheidung vom 7. März 2013, Nr. 15598/08, § 94). Nach der Entscheidung Ostendorf v. Deutschland ist diesen Anforderungen genügt, wenn Ort und Zeit der bevorstehenden Tatbegehung sowie das potentielle Opfer hinreichend konkretisiert sind und der Betroffene, nachdem er auf die konkret zu unterlassende Handlung hingewiesen worden ist, eindeutige und aktive Schritte unternommen hat, die darauf hindeuten, dass er der konkretisierten Verpflichtung nicht nachkommen wird (vgl. EGMR, Ostendorf v. Deutschland, Entscheidung vom 7. März 2013, Nr. 15598/08, § 93 f.).
Die Aussagen des BVerfG in Belangen des Falles Borken sind ob der Aussagen des EGMR, die vom BVerfG ja selber teilweise zitiert werden, nicht nachvollziehbar.
Übrigens:
Rn. 34cc) Ungeachtet des hohen Ranges des Freiheitsgrundrechts ist die Auslegung von Inhalt und Reichweite eines freiheitsbeschränkenden Gesetzes und seiner Formvorschriften in erster Linie Aufgabe der Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht kann erst korrigierend eingreifen, wenn das fachgerichtliche Auslegungsergebnis über die vom Grundgesetz gezogenen Grenzen hinausgreift, insbesondere wenn es mit Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf persönliche Freiheit nicht zu vereinbaren ist (vgl. BVerfGE 65, 317 <322>; 96, 68 <97>; 105, 239 <247>). Auslegung und Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 2 a) NdsSOG durch das Landgericht lassen - auch unter Berücksichtigung der Wertungen aus Art. 5 Abs. 1 EMRK - nicht auf die Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Freiheitsrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und 2 GG schließen
Welches Fachgericht hat im Falle Borken tatsächlich abschließend darüber befunden?
Bei Verarbeitung pers.-bez.-Daten ist das Unionsgrundrecht unmittelbar bindend; (BVerfG 1 BvR 276/17 & BVerfG 1 BvR 16/13)
Keine Unterstützung für
- Amtsträger, die sich über europäische wie nationale Grundrechte hinwegsetzen oder dieses in ihrem Verantwortungsbereich bei ihren Mitarbeitern, (m/w/d), dulden;
- Parteien, deren Mitglieder sich als Amtsträger über Grundrechte hinwegsetzen und wo die Partei dieses duldet;
- Gegner des Landes Brandenburg wie auch gesamt Europas;