Zum Einstieg möchte ich die Erfahrungen und den "Werdegang" eines Bekannten schildern, mit dem ich sehr gut vertraut bin.
Mein Bekannter nutzt schon seit gut 20 Jahren keinen Rundfunk mehr und hat deshalb von der Umstellung 2013 erstmal nichts mitbekommen.
2014
In diesem Jahr bekam er erstmals Post vom "neuen" Beitragsservice in Form eines Anmeldebogens. Da er sich aber nicht angesprochen fühlte, ignorierte er diesen.
Es folgten weitere Schreiben und dann eine Anmeldung in seinem Namen, die wir alle sehr gut als "Direktanmeldung" kennen.
Da er aber schon ahnte, dass da wohl noch einiges auf ihn zukommen würde, fing er an nach Informationen zu suchen. Schließlich fand er dies Forum und verbrachte viele Stunden damit um sich in die Materie einzulesen.
2015/2016
In diesem Jahr erhielt er seinen ersten Festsetzungsbescheid. Da für ihn zweifelsfrei feststand, dass diese neue Abgabe nicht rechtens sein kann, beschloss er den Rechtsweg zu gehen. Deshalb machte er von seinem Recht auf Widerspruch Gebrauch und legte diesen fristgerecht ein. Bis Anfang 2016 folgten noch weitere Zahlungserinnerungen und auch weitere Festsetzungsbescheide, denen allen widersprochen wurde.
2018
Nach dem letzten Widerspruch Anfang 2016 bekam er keine Post mehr. Anfang 2018 erhielt er dann einen Widerspruchsbescheid für alle vorangegangenen Widersprüche. Natürlich ablehnend.
Er beschloss daraufhin Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht einzureichen und tat dieses fristwahrend erstmal ohne Begründung. Kurze Zeit später erhielt er vom Gericht einige Wochen Frist um die Klagebegründung nachzureichen.
So verfasste er die Klage und reichte sie fristgerecht ein. Danach hörte er mehrere Monate nichts mehr vom Gericht.
Doch schließlich meldete sich das Gericht wieder Ende November und verlangte plötzlich mit einer Frist von 4 Tagen eine Stellungnahme meines Bekannten. Er antwortete dem Gericht, dass er diese kurze Frist aus gesundheitlichen Gründen nicht einhalten konnte und erinnerte das Gericht auch gleichzeitig daran, dass die beklagte Rundfunkanstalt bisher noch keine Stellungnahme zu seiner Klage abgegeben habe, obwohl sie dazu schon Monate zuvor vom Gericht aufgefordert worden war.
Es folgten noch einige Schriftwechsel mit dem Gericht und es tauchte dann auch ganz plötzlich eine kurze Stellungnahme des Beklagten von Anfang Dezember auf, welche allerdings diese Bezeichnung gar nicht verdiente, da sie nicht im geringsten auf die Klagepunkte einging.
Zwischenzeitlich verschlechterte sich der Gesundheitszustand meines Bekannten und er mußte deswegen ins Krankenhaus. Dieses teilte er auch noch am Tag der Einweisung dem Gericht mit. Als er wieder entlassen wurde war fast schon Weihnachten. Das Gericht hatte ihm mittlerweile geschrieben, dass eine Fristverlängerung nicht in Frage kommen würde, da mein Bekannter nicht glaubhaft nachgewiesen hätte, dass er ins Krankenhaus mußte.
Da mein Bekannter aber schon mit so etwas gerechnet hatte, hatte er sich noch am Tag der Einweisung eine Bescheinigung des behandelnden Arztes ausstellen lassen und schickte diese nun ans Gericht.
Noch am Heiligabend erhielt er dann eine Antwort vom Gericht mit einer Fristverlängerung bis Mitte Januar.
2019
Mein Bekannter arbeitete nun Tag und Nacht an einer Klageergänzung, welche auch das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit berücksichtigte.
Nur ganz knapp konnte er die vom Gericht gesetzte Frist für die Einreichung noch einhalten.
Ca. eine Woche später erhielt er dann einen Gerichtsbescheid in dem die Klage abgewiesen wurde. Es gab keine Stellungnahme seitens der beklagten Rundfunkanstalt und auch das Gericht ignorierte die Punkte in der Klageergänzung fast vollständig.
Berufung war zwar zugelassen, aber mein Bekannter konnte diese nicht einlegen. Einmal, weil er gesundheitlich noch sehr angeschlagen war und ihm auch einfach die Kraft und die Mittel dafür fehlten.
Mitte 2019 erhielt er dann einen Brief von der Stadt, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass die Zwangsvollstreckung eingeleitet worden war.
Daraufhin sprach er dann persönlich bei der zuständigen Stelle der Stadtverwaltung vor. Der Beamte dort war sehr nett. Und man merkte ihm an, dass auch er nicht besonders glücklich mit diesen ganzen Zwangsvollstreckungen für den Rundfunk war. Er ermutigte meinen Bekannten sogar weiterzumachen und nicht aufzugeben.
Im Gespräch ergab sich dann, dass eine Vollstreckung nicht möglich ist und er gab den Vorgang an die Rundfunkanstalt oder den Beitragsservice zurück.
Allerdings hat mein Bekannter seitdem eine Pfändungsverfügung auf seinem Konto.
Fast gleichzeitig erhielt er im Abstand von einem Monat zwei neue Festsetzungsbescheide. Beiden wurde wieder fristgerecht widersprochen.
Ca. 2 Monate später bekam er dann im Abstand von etwas mehr als 4 Wochen zwei ablehnende Widerspruchsbescheide. In diesen Widerspruchsbescheiden wurde lediglich auf den ersten Widerspruchsbescheid von 2018 verwiesen. Mit den beiden neuen Widersprüchen wurde sich gar nicht auseinandergesetzt. Daher reichte mein Bekannter erneut fristwahrend eine noch unbegründete Klage beim Verwaltungsgericht ein. Er bekam dieses Mal eine recht kurze Frist von 4 Wochen für die Klagebegründung.
Anfang Dezember reichte er diese dann bei Gericht ein. Er fügte auch den zweiten Widerspruchsbescheid mit bei und teilte dem Gericht mit, dass es nicht sein Verschulden sei, wenn die beklagte Rundfunkanstalt nicht fähig ist, sofort einen Widerspruchsbescheid für beide Widersprüche, welche nahezu identisch sind, zu erstellen.
Immerhin deckte der erste Widerspruchsbescheid von 2018 ja auch gleich mehrere Widersprüche ab.
Seitdem hat mein Bekannter nichts mehr vom Gericht gehört und auch keine Post vom Beitragsservice oder der Rundfunkanstalt erhalten.
Mein Bekannter hat mir die freundliche Erlaubnis erteilt, seinen Fall hier zu schildern. Ich konnte nicht auf alle Details im einzelnen eingehen, denn dann wäre es wohl zu lang geworden. Daher habe ich mich auf das Wichtigste beschränkt.
Auch hat mich mein Bekannter gebeten, in seinem Namen noch einige Worte an die Leserinnen und Leser dieses Berichtes zu richten.
Er möchte und hofft, damit auch andere dazu zu ermutigen, sich nicht einfach ohnmächtig diesem System, welches unseren rechtsstaatlichen Prinzipien geradezu Hohn spricht, zu ergeben, denn für ein solches Zwangssystem ist einfach kein Platz in einer Demokratie.
Es ist ihm natürlich auch bewusst, dass viele nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten haben. Aber auch schon kleine Taten sind immer noch besser, als überhaupt nichts zu tun und es einfach hinzunehmen. Und sei es auch nur ein einfaches Widerspruchsverfahren, auf das jede Bürgerin und jeder Bürger ein Recht hat.
Und jeder kann dabei selbst bestimmen, wie weit er bereit ist zu gehen. Auch wenn man anschließend keine Klage erheben möchte, was allerdings gar nicht so schwierig ist, ist es doch nicht sinnlos.
"Wenn so eine Welle des Aufruhrs durch das Land geht, wenn "es in der Luft liegt", wenn viele mitmachen, dann kann in einer letzten, gewaltigen Anstrengung dieses System abgeschüttelt werden."
(II. Flugblatt der Weißen Rose)
"Fear. It's the oldest tool of power. If you're distracted by fear of those around you, it keeps you from seeing the actions of those above."
(Mulder)
"Die Meinungsbildung muß aber absolut frei sein; sie findet keine Grenze."
(Dr. H. v. Mangoldt - am 11. Januar 1949)