== Vorgeschichte ==
2019-06-01 Befreiungsantrag
2019-09-02 Bescheid des NDR über die Ablehnung der Befreiung
2019-09-14 Widerspruch
2020-01-29 Widerspruchsbescheid des NDR (formlose Zustellung)
2020-02-29 Klage gegen den NDR (Unterschrift vergessen)
2020-05-04 Post vom VG (2020-05-04 Post vom NDR ans VG)
2020-05-11 Post vom VG (2020-05-08 Post vom NDR ans VG)
2020-07-23 Post vom VG ? Rücknahme der Klage wegen fehlender Unterschrift?
2020-08-02(A) Post ans VG ? Klage wird nicht zurückgenommen
2020-08-02(B) Ergänzende Erläuterungen zur Klage
2020-09-02 Post vom VG (2020-08-31 Post vom NDR ans VG)
2020-09-15 Post ans VG
2020-10-02 Post vom VG ? Klagefrist besteht noch, weil Widerspruchsbescheid nicht korrekt zugestellt
2020-11-05 Post vom VG ? Verhandlung am 9. Dezember
2020-12-03 Post vom VG ? Verhandlung verschoben auf 22. Dezember
2020-12-20 Post ans VG ? Unterschrift nachgeholt
2020-12-22 Verhandlung am VG
== Gedächtnisprotokoll und Notizen zur Verhandlung ==
Thomas Grüttmüller vs. Norddeutscher Rundfunk
=== 1. Formelles ===
Anwesend sind der Richter Dr. Gutowski, der Kläger Thomas Grüttmüller persönlich sowie für den NDR: Rechtsreferendar Herr Freyer.
Es folgt eine kurze Erklärung, um was es bei der Verhandlung geht (Befreiungsantrag etc.).
=== 1. Ist die Klage formell zulässig? ===
Der Richter erläutert, dass der Widerspruchsbescheid gemäß § 73 Abs. 3 VwGO hätte förmlich zugestellt werden müssen und auch nicht klar sei, ob der NDR ihn überhaupt zustellen wollte. Daher verlängere sich die Klagefrist auf unbestimmte Zeit, d.h. mindestens ein Jahr. Die fehlende Unterschrift wurde am 20. Dezember nachgeholt, aber auch ohne diese Nachholung wäre aus dem sonstigen Schriftverkehr des Klägers ersichtlich gewesen, dass Klageabsicht bestand. Die Klage sei daher formell zulässig.
Der Vertreter des NDR wird befragt, warum die vorgeschriebene Form nicht eingehalten und der Widerspruchsbescheid nur mit einfacher Post zugestellt wurde. Der Vertreter des NDR antwortet, er wisse nicht, warum dies so geschehen ist, aber der NDR sei immer bemüht, die vorgeschriebene Form einzuhalten. Genau so spricht der Richter die Antwort auf das Protokoll-Tonband.
=== 2. Ist die Klage begründet? ===
Richter: Der NDR hat sich bisher nicht inhaltlich zur Frage geäußert und möglicherweise darauf spekuliert, dass die Klage aus formellen Gründen abgewiesen würde. Den Beteiligten wird daher nun noch einmal die Gelegenheit gegeben, sich zur Sache zu äußern.
NDR: Der Kläger beantragt die Befreiung von der Beitragspflicht, da er aufgrund des Antennenverbotes in seinem Mietvertag in seiner Wohnung keinen Rundfunk empfangen könne. In der Tat ist auch in den Fällen, in denen objektiv kein Rundfunkempfang möglich ist, und die der Gesetzgeber nicht berücksichtigt hat, eine Befreiung von der Beitragspflicht möglich. Unserer Auffassung nach ist das hier aber nicht der Fall, da das Antennenverbot nur einen Empfangsweg einschränkt, der Empfang über Kabel oder Internet aber weiterhin möglich ist.
ThGr: Mein Vermieter verbietet mir das Anbringen von Antennen aller Art. Hierbei ist es unerheblich, ob ich direkt am Empfangsgerät eine Antenne anbringe, die sich in der Wohnung befindet, oder ob ich den Empfänger indirekt mit einer Antenne verbinde, die sich einige Kilometer entfernt in der Kopfstation eines Kabelfernseh-Anbieters befindet. In dem Moment, da ich den Empfänger mit der Antennendose verbände, brächte ich eine Antenne am Empfänger an. Auch wenn ich das Rundfunksignal per Streaming über das Internet übertragen würde – übrigens weiß ich gar nicht, wie das geht – würde ich eine virtuelle Verbindung zwischen dem Empfänger und irgendeiner Antenne herstellen, denn irgendjemand muss ja den Stream ins Internet einspeisen, und der braucht dazu eine Antenne.
NDR: In Ihrem Mietvertrag steht zwar, dass das Anbringen von Antennen verboten ist, das muss aber juristisch ausgelegt werden. Es steht dort nicht, dass es sich auf Geräte bezieht. Es ist naheliegender, dass es sich auf die Außenfassade bezieht.
ThGr: Beides ist möglich, und im Sinne der Rechtssicherheit muss ich von beiden Möglichkeiten ausgehen. Ich möchte nicht von meinem Vermieter verklagt werden, weil ich formell gegen irgendeine Klausel aus dem Mietvertrag verstoßen habe, denn auf Rundfunk kann ich verzichten – der interessiert mich eh nicht –, nicht aber kann ich verzichten auf ein Dach über dem Kopf. Es wäre meiner Gesundheit nicht zuträglich, auf der Straße zu landen.
Richter: Das kann ich gut nachvollziehen.
ThGr: Der Vermieter ist außerdem nicht untätig, was Klagen wegen des Antennenverbotes betrifft. Ein Freund von mir wurde bereits verklagt, weil die Familie eine Satellitenantenne hatte.
NDR: Eine Satellitenantenne ist ja auch von außen sichtbar. Der Vermieter wird Ihnen ja nicht eine Zimmerantenne verbieten. Eine Satellitenantenne hingegen beeinträchtigt das Erscheinungsbild der Immobilie.
ThGr: Nein, im Gegenteil. Je mehr Satellitenantennen an einer Hausfassade hängen, um so mehr wird das Erscheinungsbild aufgewertet. Man zeigt damit Weltoffenheit, wenn man tausende Sender aus aller Welt empfangen kann. Ich denke eher, dass der Vermieter grundsätzlich rundfunkfeindlich eingestellt ist.
Richter: Sie haben ja Ihren kompletten Mietvertrag eingereicht, und neben dem Antennenverbot in § 14a besteht auch die Verpflichtung aus § 3, „die Kosten des Betriebs der Gemeinschaftsantennenanlage oder des Betriebs der mit einem Breitbandkabelnetz verbundenen privaten Verteilanlage/Satellitenanlage“ zu tragen.
ThGr: Richtig. Absurderweise muss ich dafür bezahlen, ich darf es aber nicht nutzen, denn sonst verstieße ich gegen das Antennenverbot.
Richter: Aber wenn der Vermieter z.B. eine Gemeinschaftsantenne auf dem Dach installiert, bringt er doch die Antenne an, und nicht Sie?
ThGr: Beides. Der Vermieter bringt sie am Gebäude an; in dem Moment aber, in dem ich die Antennendose mittels Antennenkabel z.B. mit einem Radio verbinde, bringe ich die Antenne am Gerät an.
Richter: Ach so. Und wie ist das mit Internet und Händi? Am Router gibt es ja auch Antennen fürs WLAN?
ThGr: Das hat nun nichts mit Rundfunk zu tun, aber in der Tat müsste ich, wollte ich drahtloses Internet nutzen, dies dem Vermieter verheimlichen, um nicht gegen das Antennenverbot zu verstoßen. Drahtgebundenes Internet ist dagegen unproblematisch, es sei denn es würde zum Streamen von Rundfunksendern benutzt, da hierzu eine virtuelle Verbindung zu einer entfernten Antenne aufgebaut werden müsste.
=== 3. Sonstiges ===
Der Streitwert wird auf 630,– € (drei Jahresbeiträge) festgesetzt.
Es wird heute noch kein Urteil gesprochen; dieses ergeht schriftlich binnen 14 Tage.