Niedersächsischer Landtag
Drucksache 18/1275
Anfrage des Abgeordneten Christopher Emden (AfD)
Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei namens der Landesregierung
Bewertung von öffentlich -rechtlicher Programmqualität und Programmausgewogenheit durch die Landesregierung Vorbemerkung des Abgeordneten
In der Antwort auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung vom 19.02.2018 (Drucksache 18/377) antwortete die Landesregierung auf eine Frage nach der Bewertung des Rundfunkange- bots „FUNK “, es sei „nicht Sache der Landesregierung, öffentlich-rechtliche Inhalte oder Formate zu bewerten oder zu beurteilen“ (Antwort auf F rage 3 in Drucksache 18/468 vom 13.03.2018). Mit Verweis auf diese Antwort wird ebenfalls eine Stellungnahme zur Programmausgewogenheit von „FUNK “ abgelehnt. (Antwort auf Frage 4 in Drs. 18/468 vom 13.03.2018). Die Ablehnung einer Bewertung von Fragen zur konkreten Programmqualität und Programmaus- gewogenheit durch die Landesregierung gibt im Hinblick auf laufende und anstehende gesellschaf t- liche und politische, vor allem aber parlamentarische Debatten zur Rolle und Zukunft des öffentlich- rechtlichen Rundfunks Anlass zu weiteren Fragen.
Vorbemerkung der Landesregierung
Vor dem Hintergrund von Art ikel 5 GG sowie der umfänglichen und einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht s zur Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nutzt die Landesregierung gerne die Gelegenheit, dem Fragesteller gesellschaftliche Funktion und rechtliche Position des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erläutern. Die Rundfunkfreiheit dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Freie Mei- nungsbildung als Voraussetzung sowohl der Persönlichkeitsentfaltung als auch der demokratischen Ordnung vollzieht sich in einem Prozess der Kommunikation, der ohne Medien, die Informationen und Meinungen verbreiten und selbst Meinungen äußern, nicht aufrecht erhalten werden könnte. Unter den Medien kommt dem Rundfunk wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggesti v- kraft besondere Bedeutung zu. Freie Meinungsbildung wird daher nur in dem Maß gelingen, wie der Rundfunk seinerseits frei, umfassend und wahrhe itsgemäß informiert ( BVerfGE, 90, 60, 87). Der Rundfunk erfüllt die Vermittlungsfunktion durch sein Programm, und zwar nicht nur durch des- sen politischen und informierenden Teil. Rundfunkfreiheit ist daher vor allem Programmfreiheit (BVerfGE 59 , 231). Sie gewährleistet, dass Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms Sache des Rundfunks bleiben und sich an publizistischen Kriterien ausrichten können. Es ist der Rundfunk selbst, der aufgrund seiner professionellen Maßstäbe bestimmen darf, was der gesetzlic he Rund- funkauftrag in publizistischer Hinsicht verlangt (BVerfGE 90, 60, 87). Damit unvereinbar ist eine unmittelbare Einflussnahme Dritter auf das Programm (BVerfGE 87, 181) ebenso wie Einflüsse, die die Programmfreiheit mittelbar beeinträchtigen können ( BVerfGE 73, 118). Indienstnahmen des Rundfunks drohen nicht nur von seiten des Staates, sondern auch von gesel l- schaftlichen Mächten. Aus diesem Grunde hat das Bundesverfass ungsgericht Art ikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nur als ein an staat liche Organe und Ins titutionen gerichtetes Abwehrrecht ver- standen, sondern auch gegenüber maßgeblichen gesellschaft lichen Gruppierungen ( (BVerfGE 12, 205, 262). ). Das Grundrecht verlangt vielmehr eine positive Ordnung, welche sicherstellt, dass es die Vielfalt der Themen und Meinungen aufnimmt und wiedergibt, die in der Gesellschaft eine Rolle spielen. Zu diesem Zweck sind materielle, organisatorische und prozedurale Regelungen notwen- dig, die an der Aufgabe des Rundfunks orientiert sind und erreichen können, was Artikel 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit bewirken will ( vgl. BVerfGE 57, 295 , 320). So beschreibt das Bundesverfassungsgericht, dass Repräsentanten des Staates der Gefahr aus- gesetzt seien, die Rundfunkfreiheit ihren Interessen unterzuordnen. Gegen die Gängelung der Kommunikationsmedien durch den Staat haben sich die Kommunikationsgrundrechte ursprünglich gerichtet, und in der Abwehr staatlicher Kontrolle der Berichterstattung finden sie w eiterhin ihr wic h- tigstes Anwendungsfeld (BVerfGE 57, 295). So schließt die Rundfunkfreiheit aus, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar einen Veranstalter von Rundfunk beherrscht. In dem Beherrschungsver- bot erschöpft sich die Garantie der Rundfunkfreiheit gegenüber dem Staat aber nicht. Vielmehr soll jede politische Instrumentalisierung des Rundfunks ausgeschlossen werden (BVerfGE 90, 60,88) . Dieser Schutz bezieht sich nicht nur auf Gefahren unmittelbarer Lenkung oder Maßregelungen, sondern umfasst vielm ehr auch die subtileren Mittel in direkter Einwirkung, mit denen sich staatl i- che Organe Einfluss auf das Programm verschaffen oder Druck auf die im Rundfunk T ätigen aus ü- ben können (BVerfGE 73, 118). Der Staat besitzt solche Mittel, weil er es ist, der im I nteresse des Normziels von Art ikel 5 Abs. 1 GG den Rundfunk organisiert, Konzessionen mit Übertragungskapa- zitäten versieht, beaufsichtigt und zum Teil auch finanziert. Die damit zwangsläufig eröffneten Ei n- flussmöglichkeiten auf die publizistische Tätigkeit sollen indessen so weit wie möglich ausgeschal- tet werden (BVerfGE 90, 60,89 ).
1. Inwieweit tangiert es aus Sicht der Landesregierung die inhaltliche Unabhängigkeit des öffentlich -rechtlichen Rundfunks, die Programmqualität und die Ausgewogenheit der bere itgestellten Programme einer eigenen kritischen und für die Öffentlichkeit transp a- renten eigenen Bewertung zu unterziehen?
Die Landesregierung enthält sich aus den in der Vorbemerkung beschriebenen Gründen jeder B e- wertung von Programminhalten.
2. Vernein t die Landesregierung die Auffassung, dass die legislative Zustimmung zum vom öffentlich -rechtlichen Rundfunk benötigten Finanzrahmen eine politische Reche n- schaftsverantwortung dazu begründet, inwiefern mit den Mitteln Programmqualität und Programmausgewog enheit sichergestellt werden?
Ja, denn nur die vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung geforderte strikte Enthaltung kann dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die aus Art ikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantierte Unabhängigkeit sichern. Dies gilt - bezogen auf die Legislative - besonders vor dem Hintergrund, dass die elektronischen Medien ebenso wie die Presse als Berichterstatter z. B. über parlamentar i- sche Vorgänge und Debatten, aber auch über die im Parlament vertretenen Parteien und deren Vertreterinnen und Vertreter Transparenz herstellen und eine Kontrollfunktion ausüben (vgl. BVerfGE 90, 60, 89).
3. Wie begründet die Landesregierung die Auffassung, dass man für eine politische Di s- kussion über die Zukunft des öffentlich -rechtlichen Run dfunks das politische Eingehen auf die Qualität und Ausgewogenheit betroffener Sender und Programmangebote au s- klammern bzw. vollständig an den Rundfunkrat auslagern könne?
Siehe Vorbemerkung. Die Landesregierung gedenkt auch weiterhin d ie von Grundgesetz und Bun- desverfassungsgericht formulierten Maßgaben hinsichtlich der Unabhängigkeit des öffentlich- rechtlichen Rundfunks von staatlichem Einfluss zu beachten. Die konkrete inhaltliche Ausgesta l- tung der Angebote von ARD, ZDF und DLR bleibt allein den Anstalten und i hren Gremien vorbehal- ten.
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