Es ist fraglich, ob der Hessische Rundfunk überhaupt der richtige Klagegegner ist. Nach der hier vertretenen Auffassung ist der „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“ der richtige Klagegegner.
Nach dem Willen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks soll zwischen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner Gesamtheit und dem Beitragsservice ein Beleihungsrechtsverhältnis bestehen.
Ein Beleihungsrechtsverhältnis ist ein Rechtsverhältnis zwischen einer Beleihungskörperschaft und einem Beliehenen. Die Beleihungskörperschaft ist dabei regelmäßig ein Verwaltungsträger des öffentlichen Rechts, der Beliehene regelmäßig eine Person des Privatrechts. Grundidee des Beleihungsrechtsverhältnisses ist die Privatisierung von Verwaltungsvorgängen. Charakteristisch ist dabei, dass das Know-How, das Wissen und/oder die Sachmittel von Personen des Privatrechts genutzt werden sollen, um auf diese Weise eine Prozessrationalisierung zu erreichen. Gegenstand der Beleihung ist die Übertragung hoheitlicher Aufgaben, Rechte und Pflichten von der Beleihungskörperschaft auf den Beliehenen. Da selbständige Verwaltungsträger geschaffen werden, kann ein Beleihungsrechtsverhältnis nur durch ein Gesetz begründet werden. [1]
Vorliegend soll nach dem Willen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dem Beitragsservice die Verwaltung des Aufkommens der Rundfunkbeiträge durch Gesetz, hier § 10 Absatz 7 Satz 1 RBStV, übertragen werden. Da es sich dabei um eine Gesamtheit hoheitlicher Aufgaben handelt, soll der Beitragsservice daher die Rechtsstellung eines Beliehenen übernehmen. Hintergrund dieser Verwaltungsprivatisierung ist die Rationalisierung der Verwaltungstätigkeit auf dem Sonderverwaltungsgebiet des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dass es sich bei dem Beitragsservice um einen Zweckverband handelt, hindert die Annahme eines Beleihungsrechtsverhältnisses nicht. Durch die Bündelung von Sach- und Finanzmitteln sowie Personal zum Betrieb eines Rechenzentrums wird der Grundidee des Beleihungsrechtsverhältnisses, nämlich die Nutzung von Know-How, Wissen (insbesondere in Bezug auf die eingesetzte IT-Infrastruktur als auch in Bezug auf die spezifischen juristischen Zusammenhänge) und Sachmitteln des Beliehenen, über welche die einzelnen Rundfunkanstalten gerade nicht verfügen, ihr charakteristisches Gepräge verliehen.
Abzugrenzen ist der Beliehene vom Verwaltungshelfer. Verwaltungshelfer erbringen Dienstleistungen gegenüber Trägern der öffentlichen Verwaltung. Verwaltungshelfer zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem Verwaltungsträger gegenüber weisungsbefugt verbleiben sollen. Nach dem Willen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist eine Weisungsbefugnis vorliegend jedoch aufgrund der schieren Vielzahl der Verwaltungsvorgänge zu verneinen. Die Weisungsgebundenheit würde dazu führen, die mit der Beleihung angestrebten Rationalisierungsvorteile ad absudrum zu führen. Der Beitragsservice ist daher entgegen einer weit verbreiteten Ansicht nicht lediglich Verwaltungshelfer als Gebühreneinzugsstelle, [2] sondern von der Ermittlung der Abgabengrundlagen über die Festsetzung der Rundfunkbeiträge, die Erhebung der Rundfunkbeiträge und Einleitung von Vollstreckungen bis hin zur Verteilung der eingezogenen Abgaben auf die einzelnen Rundfunkanstalten mit der gesamten Verwaltungstätigkeit im Zusammenhang mit dem Gebührenaufkommen befasst. Dies geschieht aufgrund der gesetzlichen Übertragung hoheitlicher Befugnisse eigenständig und eben nicht weisungsgebunden. Mithin ist das unselbständige, weisungsgebundene Handeln eines Verwaltungshelfer dem Verwaltungsträger zuzurechnen, das selbständige, nicht weisungsgebundene Handeln eines Beliehenen jedoch diesem selbst, hier dem Beitragsservice.
Durch die Übertragung hoheitlicher Befugnisse wird der Beitragsservice als Beliehener zu einer Behörde im Sinne des § 1 Absatz 4 VwVfG. Nach § 78 Nr. 2 VwGO ist Klagegegner die Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Erlassen wurde der Festsetzungsbescheid vorliegend durch den Beitragsservice. Eine klare und eindeutige Kennzeichnung eines Stellvertreterhandelns für den Hessischen Rundfunk lässt sich nicht erkennen. Aus den weiteren Umständen lässt sich ebenfalls kein konkludentes Stellvertreterhandeln für den Hessischen Rundfunk erkennen. Der Briefumschlag ist ein solcher des Beitragsservice, der Zahlschein ist auf den Beitragsservice ausgestellt, der Festsetzungsbescheid wird als „Festsetzungsbescheid“ bezeichnet und eben nicht als „Festsetzungsbescheid des Hessischen Rundfunks“. Auch ergibt sich das Stellvertreterhandeln nicht klar aus dem Gesetz, weil eine eindeutige Auflistung der dem Beliehenen übertragenen Aufgaben, Rechte und Pflichten dem Gesetz nicht entnommen werden kann, insofern liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Normenklarheit vor. Der Beklagtenvertreter möge in diesem Zusammenhang abschließend darlegen, welche Aufgaben, Rechte und Pflichten dem Beitragsservice konkret übertragen wurden und ob dies „ganz oder teilweise“ (§ 10 Absatz 7 Satz 1 RBStV) geschehen ist und woran ein betroffener Abgabenpflichtiger dies erkennen kann.
Beleihungsrechtsverhältnisse folgen keiner bestimmten, einheitlichen Dogmatik. Aus diesem Grund ist weithin fraglich, in welchem Rechtsverhältnis der Beliehene, hier der Beitragsservice, zu Dritten, hier den Rundfunkbeitragspflichtigen, steht.
Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner Gesamtheit überhaupt als Beleihungskörperschaft betrachtet werden kann.
Ist dies nicht der Fall, was hier zu klären ist, so liegt eine faktische Beleihung vor, die rechtswidrig ist. [3] Ist die Beleihung rechtswidrig, so sind auch die zugrunde liegenden Verwaltungsakte über die Rundfunkbeitragsfestsetzung und die Festsetzung der Säumnisgebühr rechtswidrig. Gegen die Annahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner Gesamtheit als Beleihungskörperschaft spricht, dass nur einzelne Beleihungskörperschaften ein Beleihungsrechtsverhältnis mit einem Beliehenen begründen können. Diese Ansicht wird hier vertreten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner Gesamtheit ist keine hinreichend genau bestimmbare Beleihungskörperschaft. Dennoch liegen die charakteristischen Eigenschaften eines Beleihungsrechtsverhältnisses (wie dargestellt) hier vor. Insofern muss von einer faktischen Beleihung gesprochen werden.
Ist dies jedoch der Fall, so stellt der Beitragsservice als Beliehener den richtigen Klagegegner dar.
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[1] Vgl. Fehling/Kastner/Störmer, VwVfG, §1 , Rnr. 32, 3. Aufl., 2013.
[2] Vgl. BGH, Beschluss v. 11.06.2015, Az. I ZB 64/14.
[3] Vgl. Fehling/Kastner/Störmer, VwVfG, §1, Rnr. 32, 3. Aufl., 2013.