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Autor Thema: Analyse: Beschluss vom 22.08.2012 Nichtannahme der Beschwerde gegen PC-Gebühren  (Gelesen 1466 mal)

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jetzt_reicht_es

Beim Studieren der Nichtannahmebegründung des Bundesverfassungsgericht fallen mir sehr viele Argumente auf, die BVG selbst schreibt, die die neue Beiträge im Ansatz angreift. Sollte dies eine Doppelposting sein, so bitte ich um Entschuldigung und bitte die Moderatoren um entsprechende Verschiebung.

Die Pressemitteilung findet man unter (Datum: 22. August 2012):
http://www.bverfg.de/pressemitteilungen/bvg12-070.html

Ein Paar Stellen, die mir aufgefallen sind:
Zitat
Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und nutzt den PC in seiner Kanzlei unter anderem für Internetanwendungen. Er empfängt damit keine
Rundfunksendungen und verfügt auch nicht über herkömmliche Rundfunkempfangsgeräte.

Die Rundfunkanstalt setzte Rundfunkgebühren für den internetfähigen PC fest. Die hiergegen gerichtete Klage des Beschwerdeführers wies das
Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich ab. Der internetfähige PC sei ein Rundfunkempfangsgerät, das der Beschwerdeführer zum Empfang
bereithalte. Die hierfür erhobenen Gebühren verletzten den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten.

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen. Der Beschwerdeführer ist durch die Erhebung von
Rundfunkgebühren für seinen internetfähigen PC nicht in seinen Grundrechten verletzt.
Soweit so gut!
Zitat

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

1. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf Informationsfreiheit. Zwar wird der Beschwerdeführer
durch die Erhebung der Rundfunkgebühr in der Beschaffung und Entgegennahme von Informationen aus dem Internet behindert. Dieser
Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Die Rundfunkgebühr für internetfähige PCs wird auf einer formell verfassungsmäßigen Grundlage erhoben. Sie unterfällt der
Gesetzgebungskompetenz der Länder für den Bereich des Rundfunks. Es handelt sich nicht um eine Steuer, sondern um eine Vorzugslast. Die
Gebühr ist an den Status als Rundfunkteilnehmer geknüpft, der durch das
Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes begründet wird.
Die maßgeblichen Vorschriften des Rundfunkgebührenstaatsvertrags verstoßen
zudem nicht gegen das Bestimmtheitsgebot.
Hier ist die Begrundung interessant: Es handelt sich nicht um eine Steuer, sondern um eine Vorzugslast. Die
Gebühr ist an den Status als Rundfunkteilnehmer geknüpft, der durch das
Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes begründet wird.
Anders formuliert: die jetzige Beitragsform, die an keinem Status gebunden ist (denn wohnen tut wohl jeder irgendwo!) müsste nach der Auffassung des BVG folglich eine Stuer sein, weil es ja keine Vorzugslast ist.

Man hätte statt Wohnungen auch alle gemeldeten Menschen in Deutschland nehmen können, die Wasser verbrauchen, weil RF typischer Weise von Wasserverbraucher konsummiert wird. 97% aller Menschen, die Wasser verbrauchen, konsumieren auch RF. Das wäre genau die gleiche logische Schlußfolgerung gewesen.

Zitat
Die Rundfunkgebührenpflicht für internetfähige PCs ist, wie das Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend
begründet hat, nicht unverhältnismäßig. Sie dient der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zur Erreichung dieses Ziels ist die
Gebührenerhebung geeignet und erforderlich. Zugangssperren stellen kein gleich wirksames Mittel dar, weil Zweifel an ihrer Umgehungssicherheit
bestehen und sie mit dem Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kollidieren würden.
Die Erhebung von
Rundfunkgebühren für internetfähige PCs ist zudem nicht unangemessen.
Was ich hier einerseits kritisieren muss ist die Tatsache, dass man  "Zugangssperren" ausschließt mit der Begründung man könnte sie auch umgehen. Mit dem gleichen Argument kann doch ein regionaler Anbieter der Zeitung seine Zeitungen, die keiner haben will überall reinschmeißen und pauschal etwas berechnen, was jeder als Demokratieabgabe zahlen soll. Wenn man den Anbieter bittet, die Zeitung nicht mehr zu verteilen, wird er mit dem Argument entgegnet, dass theoretisch auch jemand in der Zentrale einbrechen könnte um die Zeitung zu klauen und deshalb verteilt er die Zeitung direkt, damit keiner auf die Idee kommt zu klauen. Hier argumentieren die Herren in roten Roben etwas zu schwach.

Den nächsten Punkt finde ich aber auch wichtig:
Zitat
Der Beschwerdeführer wird nicht unmittelbar daran gehindert, sich aus dem sonstigen Angebot des Internets zu informieren, sondern hierfür
lediglich mit einer verhältnismäßig niedrigen Zahlungsverpflichtung in
Höhe der Grundgebühr belastet. Dieser nur geringen Beeinträchtigung der Informationsfreiheit steht mit der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein Zweck von einigem Gewicht
gegenüber.

Die Betonung liegt hier auf "verhältnismäßig niedrige Zahlungsverpflichtung". Ob 17,98 EUR monatlich für jemanden, der keine Empfangsgeräte hat auch eine "verhältnismäßig niedrige Zahlungsverpflichtung" darstellt um theoretisch irgendwann mal die Möglichkeit des Empfangs von RF zu netzen ist eine komplett andere Frage.
Außerdem  stellt das BVG fest, dass "nur geringe Beeinträchtigung der Informationsfreiheit " bereits stattgefunden hat. Ob die beschlossene Form seit 2013, dass auch Menschen ohne Empfangsgeräte AbGEZockt werden, auch nur eine geringe Beeinträchtigung der Informationsfreiheit darstellt oder eine beträchtliche Beeinträchtigung darstellt, müsste erneut geprüft werden.

Zitat
2. Die Abgabenpflicht für den als Arbeitsmittel verwendeten internetfähigen PC stellt schon keinen Eingriff in die Berufsfreiheit
dar, weil es an einem unmittelbaren Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers oder an einer objektiv berufsregelnden Tendenz fehlt.

3. Zudem liegt keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vor. Die Gleichbehandlung von Besitzern herkömmlicher und neuartiger
Rundfunkempfangsgeräte beruht auf einem vernünftigen, einleuchtenden Grund. Sie soll einer drohenden „Flucht aus der Rundfunkgebühr“
begegnen
und dadurch die funktionsadäquate Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleisten. Auch die Ungleichbehandlung der Inhaber von internetfähigen PCs gegenüber Personen ohne Empfangsgerät ist gerechtfertigt. Der Nutzungsvorteil aus
der Bereithaltung eines Empfangsgeräts stellt ein sachliches Differenzierungskriterium dar.

Zum einen ist es mir nicht klar, was BVG mit "Flucht aus der Rundfunkgebühr" genau meint. Wer eine Ordnungswidrigkeit begeht, weil er sich AbGEZockt fühlt, der wird diese Ordnungswidrigkeit auch begehen, wenn er internetfähige PC aufstellt. Also weiterhin mit oder ohne PC keine Gebühren zahlen.
Vielmehr will BVG m.E. nach damit sagen: dass es ihm bewusst ist, dass Gebühren für internetfähige PCs weltfremd sind, jedoch wen sollen die ÖRR sonst abzocken? Wenn viele Menschen die "Flucht aus der Rundfunkgebühr" begehen, sei es durch eine Ordnungswidrigkeit oder weil sie das ÖRR nicht finanzieren können oder wollen, dann strahlen die ÖRR ein Teil ihrer Programme ins Internet und erklären das Internet auch für Gebührenpflichtig.

Aber sei es drum! Der nächste Punkt ist interessant:
Das BVG findet:
"die Ungleichbehandlung der Inhaber von internetfähigen PCs gegenüber Personen ohne Empfangsgerät ist gerechtfertigt."
Das finde ich sehr interassant weil alle diese Personnenkreise nun gar nicht mehr differenziert werden!?

Zusammenfassend stellt selbst dieser Beschluss, der ja pro ÖRR ist mehrere Argumentationspunkte gegen die jetzige Beitragsform dar, die die Auffassung des BVG widerspiegelt und vielleicht dem einen oder dem anderen für seine eigene Klage weiterhelfen wird.



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Mit der Gefahr der Umgehung von Zugangssperren:
Eigentlich müssten an jeder Halteverbotszone zahlreiche Polizisten bereitstehen, da ja sonst die Gefahr besteht, dass einfach jemand da sein Auto hinstellt ;-)


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