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Autor Thema: EuGH Rechtssache 166-73 - Gericht ist immer zur Vorlage an den EuGH befugt  (Gelesen 248 mal)

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Vorabinfo:
Auf diese Uralt-Entscheidung wurde im Schlußantrag der Rechtssache C-210/06, Rn. 17, verwiesen, zitiert daraus sei aber Rn. 21.

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
POIARES MADURO
vom 22. Mai 20081(1)
Rechtssache C-210/06

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=67750&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=150464

Zitat
21.      Kurz gesagt: Das Gemeinschaftsrecht verleiht allen Gerichten in allen Mitgliedstaaten das Recht, dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Dieses Recht kann nicht durch nationales Recht eingeschränkt werden. Daraus folgere ich, dass Art. 234 EG die Anwendung nationaler Vorschriften verbietet, nach denen nationale Gerichte verpflichtet sein können, ein Vorabentscheidungsersuchen auszusetzen oder zurückzuziehen.

Die Entscheidung im Titel betrifft letztlich Deutschland und seine öffentlichen Finanzen, denn auch der Bundesfinanzhof, (166-73), unterbreitete zusätzlich zum Finanzgericht Hessen, (146-73), dem EuGH die Vorlagefragen dazu, d.h.; aus 2 Rechtssachen wurden 2 Entscheidungen, aber 1 Schlußantrag.

Verlinkt sei nachstehend zuerst der Schlußantrag, auf den im Schlußantrag zur Rechtssache EuGH C-210/06, Rn. 17, verwiesen wird.

Verbundene Schlussanträge des Generalanwalts Warner vom 12. Dezember 1973.
Rheinmühlen-Düsseldorf gegen Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland.
Folgen letztinstanzlicher Urteile.
Rechtssache 166-73.
Rheinmühlen-Düsseldorf gegen Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Hessisches Finanzgericht - Deutschland.
Differenztheorie.
Rechtssache 146-73.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A61973CC0166&qid=1706302350364

Zitat
Gemäß Beschluß vom 7. Mai 1973 hat das Hessische Finanzgericht dem Gerichtshof drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Sie lauten kurzgefaßt folgendermaßen:

1.
Ist Artikel 177 Absatz 2 des EWG-Vertrags so auszulegen, daß ein Gericht, dessen Entscheidungen mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können (das ich der Kürze halber als „niederrangiges Gericht“ zu bezeichnen vorschlage), eine Zweifelsfrage des Europäischen Rechts dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nur dann zur Vorabentscheidung vorlegen kann, wenn es erstmals mit der Sache befaßt ist, oder ist eine Vorlage auch dann zulässig, wenn sich die Sache nach Aufhebung eines Urteils eines erstinstanzlichen Gerichts durch ein höchstrichterliches Gericht im zweiten Rechtsgang befindet?

[...]

Diesen Vorlagebeschluß focht die Klägerin mit der Beschwerde an, die der Bundesfinanzhof zum Anlaß nahm, dem Gerichtshof mit Beschluß vom 14. August 1973 die Frage zu unterbreiten, ob Artikel 177 den nicht-letztinstanzlichen Gerichten ein in jeder Hinsicht unbeschränktes Recht zu einer Vorlage an den Gerichtshof gibt oder ob er entgegenstehende innerstaatliche Normen unberührt läßt, die das Gericht an die rechtliche Beurteilung des im Instanzenzuge übergeordneten Gerichts binden.

[...]

Die vom Bundesfinanzhof in diesem Beschluß vorgelegte Frage trifft deshalb genau den Kern.

Auf den ersten Blick neigt man dazu, sie so zu beantworten, daß eine Beeinträchtigung des allgemeinen Grundsatzes, wonach ein niederrangiges Gericht Entscheidungen der ihm übergeordneten Gerichte zu beachten und loyal hinzunehmen hat, vermieden wird. Dieser Grundsatz gilt nicht allein in Deutschland, und seine Bedeutung reicht, meiner Ansicht nach, in der Tat so weit, daß er mehr als eine bloße Verfahrensregel darstellt, was natürlich nicht ausschließt, daß er in einer Prozeßordnung verankert werden kann.

Dennoch bin ich zu einem anderen Schluß gelangt, weil, wie ich meine, die Ansicht, daß Artikel 177 jedem niederrangigen Gericht in jedem beliebigen Mitgliedstaat die durch kein Gesetz und keine sonstige Bestimmung des nationalen Rechts beschränkbare Befugnis verleiht, wegen gemeinschaftsrechtlicher Fragen den Gerichtshof anzurufen, eigentlich keinen Bruch mit diesem Grundsatz bedeutet. Das niederrangige Gericht versucht bei einer Sachlage, wie sie im vorliegenden Verfahren gegeben ist, nicht unmittelbar, seine eigene Rechtsansicht an die Steile des übergeordneten nationalen Gerichts zu setzen. Es versucht, die Rechtsansicht dieses Gerichts zu einer von ihm für zweifelhaft erachteten Frage des Gemeinschaftsrechts in Einklang zu bringen mit dem in Artikel 177 niedergelegten Grundsatz, daß über eine derartige Frage kein nationales Gericht, welch hohen Rang es auch habe, abschließend entscheiden darf. Außerdem braucht die von dem niederrangigen Gericht dem Gerichtshof in einem solchen Falle vorgelegte Frage, wie die Kommission in ihren Schriftsätzen betont, sich nicht genau mit der vom übergeordneten Gericht entschiedenen zu decken: Sie kann diese vielmehr überschneiden. Ganz gleich aber, ob sie sich mit ihr deckt oder sie lediglich überschneidet, jedenfalls beansprucht letzten Endes der Spruch des Gerichtshofes zu dieser Frage Vorrang vor dem jedes beliebigen nationalen Gerichts, vorausgesetzt, daß es sich tatsächlich um eine Frage des Gemeinschaftsrechts handelt.

[...]

So stellt der Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main in der Rechtssache 158/73 (Firma E. Kampff meyer/Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel), die jetzt beim Gerichtshof anhängig ist, kategorisch fest:

„Dieser Beschluß ist unanfechtbar.

Der Aussetzungsbeschluß nach Artikel 177 EWG-Vertrag ist ein Rechtsinstitut eigener Art und in Abweichung von der Aussetzung nach § 94 VwGO ebensowenig mit der Beschwerde angreifbar wie ein Vorlagebeschluß nach Artikel 100 GG (zur Parallelität von Vorabentscheidung und Normenkontrollverfahren vgl. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht S. 767 f). Die selbständige Befugnis des erkennenden Gerichts, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) aufgrund eigener Entscheidung anzurufen, kann und darf nicht eingeschränkt oder in irgendeiner Form unmittelbar oder mittelbar von der Zustimmung eines anderen Gerichts abhängig gemacht werden (vgl. BVerfG E 1, 202, 204 f zum Verfahren nach Artikel 100 GG). Damit entfällt aber auch die Möglichkeit, den Aussetzungsbeschluß im Beschwerdeweg überprüfen zu lassen.“

Nach allem bin ich der Ansicht, daß die erste Frage des Hessischen Finanzgerichts in der Rechtssache 146/73 und die Frage des Bundesfinanzhofs in der Rechtssache 166/73 wie folgt beantwortet werden sollten:

Artikel 177 Absatz 2 des EWG-Vertrags räumt Gerichten, deren Entscheidungen mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angegriffen werden können, ein Ermessen ein, das von ihnen in jedem Verfahrensabschnitt ausgeübt werden kann, solange eine Sache bei ihnen anhängig ist, und das durch keinerlei Gesetz oder sonstige Bestimmung des innerstaatlichen Rechts beschränkt werden darf.“

[...]
Viel mehr Wortlaut enthält dieser Schlußantrag nicht

Urteil des Gerichtshofes vom 16. Januar 1974.
Rheinmühlen-Düsseldorf gegen Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland.
Folgen letztinstanzlicher Urteile.
Rechtssache 166-73.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A61973CJ0166&qid=1706305005479

Zitat
Leitsätze

DIE BEFUGNIS DES NATIONALEN RICHTERS, DEM GERICHTSHOF VON AMTS WEGEN ODER AUF ANREGUNG DER PARTEIEN IN EINEM BEI IHM ANHÄNGIGEN VERFAHREN FRAGEN NACH DER AUSLEGUNG ODER DER GÜLTIGKEIT GEMEINSCHAFTSRECHTLICHER BESTIMMUNGEN VORZULEGEN, IST SEHR UMFASSEND . SIE WIRD NICHT DURCH EINE INNERSTAATLICHE RECHTSNORM AUFGEHOBEN, DIE DEN RICHTER AN DIE RECHTLICHE BEURTEILUNG DES ÜBERGEORDNETEN GERICHTS BINDET . ETWAS ANDERES MÜSSTE GELTEN, WENN DIE VON IHM GESTELLTEN FRAGEN SACHLICH MIT FRAGEN IDENTISCH WÄREN, DIE DAS LETZTINSTANZLICHE GERICHT BEREITS VORGELEGT HAT .

Zitat
2 ARTIKEL 177 IST VON ENTSCHEIDENDER BEDEUTUNG DAFÜR, DASS DAS VOM VERTRAG GESCHAFFENE RECHT WIRKLICH GEMEINSAMES RECHT BLEIBT : ER SOLL GEWÄHRLEISTEN, DASS DIESES RECHT IN ALLEN MITGLIEDSTAATEN DER GEMEINSCHAFT IMMER DIE GLEICHE WIRKUNG HAT . AUF DIESE WEISE SOLL ER UNTERSCHIEDLICHE AUSLEGUNGEN DES GEMEINSCHAFTSRECHTS VERHINDERN, DAS DIE NATIONALEN GERICHTE ANZUWENDEN HABEN; DOCH ZIELT ER AUCH DARAUF AB, DIESE ANWENDUNG SELBST ZU GEWÄHRLEISTEN, DA ER DEM NATIONALEN RICHTER DIE MÖGLICHKEIT GIBT, DIE SCHWIERIGKEITEN AUSZURÄUMEN, DIE SICH AUS DER NOTWENDIGKEIT ERGEBEN KÖNNEN, DEM GEMEINSCHAFTSRECHT IM RAHMEN DER RECHTSORDNUNGEN DER MITGLIEDSTAATEN ZUR VOLLEN GELTUNG ZU VERHELFEN . JEDE LÜCKE IN DEM SO GESCHAFFENEN SYSTEM WÜRDE DAHER SOGAR DIE WIRKSAMKEIT DER VERTRAGSVORSCHRIFTEN UND DES ABGELEITETEN GEMEINSCHAFTSRECHTS IN FRAGE STELLEN . IN DIESEM SINNE SIND DIE VORSCHRIFTEN DES ARTIKELS 177 ZU WÜRDIGEN, NACH DENEN JEDES NATIONALE GERICHT OHNE UNTERSCHIED DEN GERICHTSHOF UM VORABENTSCHEIDUNG ERSUCHEN KANN, WENN ES DESSEN ENTSCHEIDUNG ZUM ERLASS SEINES URTEILS FÜR ERFORDERLICH HÄLT .

3 DIE BESTIMMUNGEN DES ARTIKELS 177 SIND FÜR DEN NATIONALEN RICHTER ZWINGENDES RECHT; NACH ABSATZ 2 KANN ER DEN GERICHTSHOF ANRUFEN UND UM VORABENTSCHEIDUNG ÜBER DIE AUSLEGUNG ODER DIE GÜLTIGKEIT VON GEMEINSCHAFTSRECHT ERSUCHEN . NACH DIESEN VORSCHRIFTEN SIND DIE NATIONALEN GERICHTE BERECHTIGT UND UNTER BESTIMMTEN VORAUSSETZUNGEN VERPFLICHTET, ZUR VORABENTSCHEIDUNG VORZULEGEN, SOFERN SIE VON AMTS WEGEN ODER AUF ANREGUNG DER PARTEIEN FESTSTELLEN, DASS ES FÜR DIE ENTSCHEIDUNG DES RECHTSSTREITS AUF EINE DER IN ARTIKEL 177 ABSATZ 1 GENANNTEN FRAGEN ANKOMMT . DARAUS FOLGT, DASS DIE NATIONALEN GERICHTE EIN UNBESCHRÄNKTES RECHT ZUR VORLAGE AN DEN GERICHTSHOF HABEN, WENN SIE DER AUFFASSUNG SIND, DASS EINE BEI IHNEN ANHÄNGIGE RECHTSSACHE FRAGEN DER AUSLEGUNG ODER DER GÜLTIGKEIT DER GEMEINSCHAFTSRECHTLICHEN BESTIMMUNGEN AUFWIRFT, ÜBER DIE DIESE GERICHTE IM KONKRETEN FALL ENTSCHEIDEN MÜSSEN .

4 SONACH KANN EINE INNERSTAATLICHE RECHTSNORM, DIE NICHT - LETZTINSTANZLICHE GERICHTE AN DIE RECHTLICHE BEURTEILUNG DES ÜBERGEORDNETEN GERICHTS BINDEN, DIESEN GERICHTEN NICHT DAS RECHT NEHMEN, DEM GERICHTSHOF FRAGEN NACH DER AUSLEGUNG DER GEMEINSCHAFTSRECHTLICHEN BESTIMMUNGEN VORZULEGEN, UM DIE ES IN DIESER RECHTLICHEN BEURTEILUNG GEHT . ETWAS ANDERES MÜSSTE GELTEN, WENN DIE VON DEM NICHT-LETZTINSTANZLICHEN GERICHT GESTELLTEN FRAGEN SACHLICH MIT FRAGEN IDENTISCH WÄREN, DIE DAS LETZTINSTANZLICHE GERICHT BEREITS VORGELEGT HAT . DAGEGEN MUSS DAS NICHT-LETZTINSTANZLICHE GERICHT, WENN ES DER AUFFASSUNG IST, DASS ES AUFGRUND DER RECHTLICHEN BEURTEILUNG DES ÜBERGEORDNETEN GERICHTS ZU EINER DAS GEMEINSCHAFTSRECHT VERLETZENDEN ENTSCHEIDUNG GELANGEN KÖNNTE, FREI ENTSCHEIDEN KÖNNEN, OB ES DEM GERICHTSHOF DIE FRAGEN VORLEGT, DIE IHM ZWEIFELHAFT SIND . WÄREN DIE NICHT-LETZTINSTANZLICHEN GERICHTE GEBUNDEN, OHNE DEN GERICHTSHOF ANRUFEN ZU KÖNNEN, SO WÄREN DESSEN ZUSTÄNDIGKEIT ZUR VORABENTSCHEIDUNG WIE AUCH DIE ANWENDUNG DES GEMEINSCHAFTSRECHTS AUF ALLEN STUFEN DER GERICHTSBARKEIT IN DEN MITGLIEDSTAATEN EINGESCHRÄNKT .

Querverweis:
EuGH C-210/06 - "Begriff ‚einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidung ...
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37698.0


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