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Autor Thema: EGMR -> Art 10 EMRK -> gilt auch auf Arbeit und für Beamte  (Gelesen 451 mal)

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In nachstehender Entscheidung des EGMR wird dargelegt, daß die Tragweite des Art 10 EMRK zur Informations- und Meinungsfreiheit nicht auf das Private begrenzt ist, sondern auch im beruflichen Umfeld und insbesondere für Beamte nahezu uneingeschränkt gilt.

CASE OF GUJA v. MOLDOVA
https://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-85016

Zitat
52.  The Court reiterates that the protection of Article 10 extends to the workplace in general and to public servants in particular (see Vogt v. Germany, 26 September 1995, § 53, Series A no. 323; Wille v. Liechtenstein [GC], no. 28396/95, § 41, ECHR 1999?VII; Ahmed and Others v. the United Kingdom, 2 September 1998, § 56, Reports of Judgments and Decisions 1998-VI; and Fuentes Bobo v. Spain, no. 39293/98, § 38, 29 February 2000).
Zitat
52Der Gerichtshof bekräftigt, dass sich der Schutz von Artikel 10 auf den Arbeitsplatz im Allgemeinen und auf Beamte im Besonderen erstreckt (siehe Vogt gegen Deutschland, 26. September 1995, § 53, Serie A Nr. 323; Wille gegen Liechtenstein [GC], Nr. 28396/95, § 41, EMRK 1999-VII; Ahmed und andere gegen das Vereinigte Königreich, 2. September 1998, § 56, Sammlung der Rechtsprechung 1998-VI; und Fuentes Bobo gegen Spanien, Nr. 39293/98, § 38, 29. Februar 2000).
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Zitat
55.  The Court found in paragraph 53 above that Article 10 was applicable to the present case. It further holds that the applicant’s dismissal for making the letters public amounted to an “interference by a public authority” with his right to freedom of expression under the first paragraph of that Article.

56.  Such interference will constitute a breach of Article 10 unless it was “prescribed by law”, pursued one or more legitimate aims under paragraph 2 and was “necessary in a democratic society” for the achievement of those aims.
Zitat
55.  Der Gerichtshof hat in Randnummer 53 festgestellt, dass Artikel 10 auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Er stellt ferner fest, dass die Entlassung des Klägers wegen der Veröffentlichung der Briefe einen "Eingriff einer Behörde" in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Absatz 1 dieses Artikels darstellt.

56.  Ein solcher Eingriff stellt eine Verletzung von Artikel 10 dar, es sei denn, er war "gesetzlich vorgeschrieben", verfolgte ein oder mehrere legitime Ziele nach Absatz 2 und war "in einer demokratischen Gesellschaft" für die Erreichung dieser Ziele notwendig.
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Zitat
70.  The Court further reiterates that Article 10 applies also to the workplace, and that civil servants, such as the applicant, enjoy the right to freedom of expression (see paragraph 52 above). At the same time, the Court is mindful that employees have a duty of loyalty, reserve and discretion to their employer. This is particularly so in the case of civil servants since the very nature of civil service requires that a civil servant is bound by a duty of loyalty and discretion (see Vogt, cited above, § 53; Ahmed and Others, cited above, § 55; and De Diego Nafría v. Spain, no. 46833/99, § 37, 14 March 2002).

71.  Since the mission of civil servants in a democratic society is to assist the government in discharging its functions and since the public has a right to expect that they will help and not hinder the democratically elected government, the duty of loyalty and reserve assumes special significance for them (see, mutatis mutandis, Ahmed and Others, cited above, § 53.) In addition, in view of the very nature of their position, civil servants often have access to information which the government, for various legitimate reasons, may have an interest in keeping confidential or secret. Therefore, the duty of discretion owed by civil servants will also generally be a strong one.

72.  To date, however, the Court has not had to deal with cases where a civil servant publicly disclosed internal information. To that extent the present case raises a new issue which can be distinguished from that raised in Stoll v. Switzerland ([GC], no. 69698/01, ECHR 2007-V), where the disclosure took place without the intervention of a civil servant. In this respect the Court notes that a civil servant, in the course of his work, may become aware of in-house information, including secret information, whose divulgation or publication corresponds to a strong public interest. The Court thus considers that the signalling by a civil servant or an employee in the public sector of illegal conduct or wrongdoing in the workplace should, in certain circumstances, enjoy protection. This may be called for where the employee or civil servant concerned is the only person, or part of a small category of persons, aware of what is happening at work and is thus best placed to act in the public interest by alerting the employer or the public at large. In this context, the Court has had regard to the following statement from the Explanatory Report to the Council of Europe’s Civil Law Convention on Corruption (see paragraph 46 above):
Zitat
70.  Der Gerichtshof weist ferner darauf hin, dass Artikel 10 auch am Arbeitsplatz gilt und dass Beamte wie der Kläger das Recht auf freie Meinungsäußerung haben (siehe oben, Randnr. 52). Gleichzeitig ist sich der Gerichtshof bewusst, dass die Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber zur Loyalität, Zurückhaltung und Verschwiegenheit verpflichtet sind. Dies gilt insbesondere für Beamte, da das Wesen des öffentlichen Dienstes es erfordert, dass ein Beamter an eine Loyalitäts- und Verschwiegenheitspflicht gebunden ist (siehe Vogt, a. a. O., Rdnr. 53; Ahmed u. a., a. a. O., Rdnr. 55; und De Diego Nafría v. Spain, no. 46833/99, § 37, 14. März 2002).

71.  Da die Aufgabe von Beamten in einer demokratischen Gesellschaft darin besteht, die Regierung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, und da die Öffentlichkeit zu Recht erwarten kann, dass sie die demokratisch gewählte Regierung unterstützen und nicht behindern, kommt der Pflicht zur Loyalität und Zurückhaltung für sie eine besondere Bedeutung zu (siehe entsprechend Ahmed u.a., a.a.O., § 53). Außerdem haben Beamte aufgrund der Art ihrer Position häufig Zugang zu Informationen, an deren vertraulicher oder geheimer Behandlung die Regierung aus verschiedenen legitimen Gründen ein Interesse haben kann. Aus diesem Grund ist die Verschwiegenheitspflicht der Beamten im Allgemeinen ebenfalls sehr stark ausgeprägt.

72.  Bislang hatte sich der Gerichtshof jedoch noch nicht mit Fällen zu befassen, in denen ein Beamter interne Informationen öffentlich gemacht hat. Insofern wirft die vorliegende Rechtssache eine neue Frage auf, die sich von der in der Rechtssache Stoll/Schweiz ([GC], Nr. 69698/01, EMRK 2007-V) aufgeworfenen Frage unterscheidet, in der die Offenlegung ohne das Eingreifen eines Beamten erfolgte. Insoweit stellt der Gerichtshof fest, dass ein Beamter im Rahmen seiner Tätigkeit Kenntnis von internen Informationen, einschließlich geheimer Informationen, erlangen kann, deren Weitergabe oder Veröffentlichung einem starken öffentlichen Interesse entspricht. Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, dass der Hinweis eines Beamten oder eines Angestellten des öffentlichen Dienstes auf ein rechtswidriges Verhalten oder ein Fehlverhalten am Arbeitsplatz unter bestimmten Umständen Schutz genießen sollte. Dies kann erforderlich sein, wenn der betreffende Angestellte oder Beamte die einzige Person oder Teil eines kleinen Personenkreises ist, die Kenntnis von den Vorgängen am Arbeitsplatz hat und daher am besten in der Lage ist, im öffentlichen Interesse zu handeln, indem sie den Arbeitgeber oder die Öffentlichkeit im Allgemeinen warnt. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof die folgende Aussage aus dem Erläuternden Bericht zum Zivilrechtsübereinkommen des Europarats über Korruption berücksichtigt (siehe oben, Ziffer 46):
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Zitat
74.  In determining the proportionality of an interference with a civil servant’s freedom of expression in such a case, the Court must also have regard to a number of other factors. In the first place, particular attention shall be paid to the public interest involved in the disclosed information. The Court reiterates that there is little scope under Article 10 § 2 of the Convention for restrictions on debate on questions of public interest (see, among other authorities, Sürek v. Turkey (no. 1) [GC], no. 26682/95, § 61, ECHR 1999-IV). In a democratic system, the acts or omissions of government must be subject to the close scrutiny not only of the legislative and judicial authorities but also of the media and public opinion. The interest which the public may have in particular information can sometimes be so strong as to override even a legally imposed duty of confidence (see Fressoz and Roire v. France [GC], no. 29183/95, ECHR 1999?I, and Radio Twist, a.s. v. Slovakia, no. 62202/00, ECHR 2006-XV).
Zitat
74.  Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Meinungsfreiheit eines Beamten in einem solchen Fall hat der Gerichtshof auch eine Reihe anderer Faktoren zu berücksichtigen. In erster Linie ist das öffentliche Interesse an den offengelegten Informationen zu berücksichtigen. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass Artikel 10 Absatz 2 der Konvention nur wenig Spielraum für Beschränkungen der Debatte über Fragen von öffentlichem Interesse lässt (siehe u. a. Sürek/Türkei (Nr. 1) [GC], Nr. 26682/95, § 61, EGMR 1999-IV). In einem demokratischen System müssen die Handlungen oder Unterlassungen der Regierung nicht nur von den gesetzgebenden und gerichtlichen Behörden, sondern auch von den Medien und der öffentlichen Meinung aufmerksam verfolgt werden. Das Interesse der Öffentlichkeit an bestimmten Informationen kann manchmal so stark sein, dass es sogar eine gesetzlich vorgeschriebene Vertrauenspflicht überlagert (siehe Fressoz und Roire gegen Frankreich [GC], Nr. 29183/95, EGMR 1999-I, und Radio Twist, a.s. gegen Slowakei, Nr. 62202/00, EGMR 2006-XV).
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Zitat
c)  Conclusion

97
.  Being mindful of the importance of the right to freedom of expression on matters of general interest, the right of civil servants and other employees to report illegal conduct and wrongdoing at their place of work, the duties and responsibilities of employees towards their employers, and the right of employers to manage their staff – and having weighed up the other different interests involved in the present case – the Court comes to the conclusion that the interference with the applicant’s right to freedom of expression, in particular his right to impart information, was not “necessary in a democratic society”.

Accordingly, there has been a violation of Article 10 of the Convention.
Zitat
c) Schlussfolgerung

97
.  In Anbetracht der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung zu Fragen von allgemeinem Interesse, des Rechts von Beamten und anderen Arbeitnehmern, rechtswidriges Verhalten und Fehlverhalten an ihrem Arbeitsplatz zu melden, der Pflichten und Verantwortlichkeiten von Arbeitnehmern gegenüber ihren Arbeitgebern und des Rechts von Arbeitgebern, ihr Personal zu führen, und unter Abwägung der anderen im vorliegenden Fall betroffenen Interessen kommt das Gericht zu dem Schluss, dass der Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf freie Meinungsäußerung, insbesondere in sein Recht auf Informationsweitergabe, nicht "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war.

Folglich liegt eine Verletzung von Artikel 10 der Konvention vor.
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Der EGMR zieht für den Begriff "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" ganz enge Grenzen, wenn selbst die Entlassung des Beamten aus dem Staatsdienst wegen Weitergabe vertraulicher Informationen als unzulässig mit Art 10 EMRK betrachtet wird.

Den Interessierten verbleibt, den ganzen Wortlaut der Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen.


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