Hinweis:
In der vorliegenden Entscheidung geht es um einen Mobilfunkvertrag, der im Fernabsatz zustandegekommen sein soll, was seitens der potentiellen Kundin bestritten worden ist; bereits dieser Umstand genügt allerdings, daß das Verhalten des Unternehmens als unlauter gilt, wenn es an dem nicht von der potentiellen Kundin genutzten, angeblich zustandegekommenen Mobilfunkvertrag festhält und nicht (gerichtsfest) nachweist, daß die potentielle Kundin den Vertrag tatsächlich abgeschlossen hat. Urteil des I. Zivilsenats vom 20.10.2021 - I ZR 17/21 -http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=125189&pos=2&anz=882UWG § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 1, Anh. Nr. 29 zu § 3 Abs. 3
a) Ein Irrtum des Unternehmers über den Umstand einer vorhergehenden Bestellung durch den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher ist im Rahmen der Prüfung der Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung unter dem Gesichtspunkt der Irreführung auch dann nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wenn dieser Irrtum nicht vorwerfbar ist (Bestätigung von BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 216/17, GRUR 2019, 1202 Rn. 26 = WRP 2019, 1471 – Identitätsdiebstahl I).
b) Eine unzulässige geschäftliche Handlung nach Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG kann nur dann angenommen werden, wenn eine nicht bestellte Ware tatsächlich geliefert oder eine nicht bestellte Dienstleistung tatsächlich erbracht wurde. Das bloße Inaussichtstellen einer Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung genügt nicht (Aufgabe von BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 134/10, GRUR 2012, 82 Rn. 12 = WRP 2012, 198 - Auftragsbestätigung).
c) Waren sind nur dann als "geliefert" und Dienstleistungen nur dann als "erbracht" im Sinne von Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG anzusehen, wenn sie den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher in einer Weise erreicht haben, dass dieser tatsächlich in der Lage ist, sie zu nutzen oder sonst über deren Verwendung zu bestimmen (Klarstellung von BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 32 - Identitätsdiebstahl).
Rn. 111. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben (Fall 1) oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über - nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält (Fall 2)
Rn. 122. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, die an die Zeugin Z. übersandte Zahlungsaufforderung stelle eine geschäftliche Handlung dar. Die konkludente Behauptung, es sei zu einem entsprechenden Vertragsschluss zwischen der Zeugin und der T. gekommen, sei außerdem eine unwahre Angabe im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG. Hiergegen wendet sich die Revision nicht.
Rn. 17Anders als die Revision geltend macht, ist das Berufungsgericht insbesondere nicht von einem unzutreffenden Verbraucherleitbild ausgegangen, sondern hat zu Recht die Vorstellung eines verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers zugrunde gelegt (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, GRUR 2021, 1422 Rn. 16 - Vorstandsabteilung). Dabei hat es das Berufungsgericht auch nicht versäumt, die Umstände des Streitfalls in den Blick zu nehmen. Es hat diese umfassend berücksichtigt und dabei nicht verkannt, dass es sich bei dem Abschluss eines Mobilfunkvertrags nicht um einen alltäglichen Vertrag handelt. Zu Recht hat es darauf abgestellt, dass es für die Annahme einer Irreführung erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn das beanstandete Verhalten geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der relevanten Verkehrskreise irrige Vorstellungen über marktrelevante Umstände hervorzurufen (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012 - I ZR 202/10, GRUR 2012, 1053 Rn. 19 = WRP 2012, 1216 - Marktführer Sport; Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 23/15, GRUR 2016, 1073 Rn. 27 = WRP 2016, 1228 - Geo-Targeting, jeweils mwN). Dies hat das Berufungsgericht für den Streitfall rechtsfehlerfrei bejaht. Die hierin liegende Bewertung ist insbesondere nicht erfahrungswidrig.
Rn. 194. Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, die mit der Zahlungsaufforderung verbundene unwahre Angabe eines zugrundeliegenden Vertragsschlusses sei geeignet gewesen, die angeschriebene Verbraucherin zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätte. Die (abstrakte) Täuschungseignung sei selbst dann zu bejahen, wenn die Zeugin Z. gewusst habe, dass sie das geforderte Entgelt nicht schulde. Die mit der Zahlungsaufforderung verbundene unwahre Angabe sei geeignet gewesen, die angeschriebene Verbraucherin zur Zahlung des verlangten Entgelts und damit zur Erfüllung des behaupteten Vertrags und so zu dessen Behandlung als wirksam zu veranlassen. Auch diese Beurteilung unterliegt keinem Rechtsfehler (vgl. BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 22 bis 24 - Identitätsdiebstahl I)
Rn. 205. Der Umstand, dass im Streitfall ein sogenannter "Identitätsdiebstahl" dergestalt vorliegt, dass ein unbekannter Dritter unter dem Namen der Zeugin Z. die auf den Abschluss des Mobilfunkvertrags gerichtete Willenserklärung gegenüber der T. abgegeben hat, steht der Annahme einer unlauteren geschäftlichen Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts nicht entgegen
Rn. 22Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Irrtum des Unternehmers über den Umstand einer vorhergehenden Bestellung durch den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher im Rahmen der Prüfung der Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung allerdings auch dann nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wenn dieser Irrtum nicht vorwerfbar ist (vgl. BGH, GRUR 2019,
1202 Rn. 26 - Identitätsdiebstahl I). Die Annahme einer irreführenden Handlung im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt, dessen Umsetzung § 5 UWG dient, setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Gewerbetreibende vorsätzlich eine objektiv falsche Angabe macht (vgl. EuGH, Urteil vom 16. April 2015 - C-388/13, GRUR 2015, 600 Rn. 47 bis 49 = WRP 2015, 698 - UPC Magyarország; BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 26 - Identitätsdiebstahl I; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 5 Rn. 1.53). Ferner braucht bei einer Geschäftspraxis, die - wie im Streitfall - alle in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5 Abs. 1 UWG) genannten Voraussetzungen einer den Verbraucher irreführenden Praxis erfüllt, nicht mehr geprüft zu werden, ob eine solche Praxis auch den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie (§ 2 Abs. 1 Nr. 7, § 3 Abs. 2 UWG) widerspricht, um sie als unlauter ansehen zu können (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2013 - C-435/11, GRUR 2013, 1157 Rn. 42 bis 45 = WRP 2014, 38 - CHS Tour Services; EuGH, GRUR 2015, 600 Rn. 63 - UPC Magyarország; BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 26 - Identitätsdiebstahl I; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 5 Rn. 1.53).
Rn. 30cc) Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass Waren nur dann als "geliefert" und Dienstleistungen nur dann als "erbracht" im Sinne von Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG angesehen werden können, wenn sie den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher tatsächlich erreicht haben (vgl. MünchKomm.UWG/Alexander aaO nach § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 28; BeckOK.UWG/Fritzsche aaO Anh. zu § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 11c; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO Anh. zu § 3 Nr. 29 Rn. 29.8; jurisPK.UWG/Seichter, Stand 30. März 2021, Anh. zu § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 5.1). Der Verbraucher muss also in die Lage versetzt worden sein, die Dienstleistung oder Ware zu nutzen oder über deren Verwendung zu bestimmen. Hiervon ist insbesondere dann auszugehen, wenn dem Verbraucher eine gelieferte Ware im Wege der Besitzverschaffung zur Verfügung gestellt wurde, sie also in seinen Machtbereich gelangt ist. Eine Dienstleistung muss dementsprechend in einer Weise bei dem Verbraucher angekommen sein, dass er sie nutzen oder sonst von ihr profitieren kann. Die Bereitstellung des Mobilfunkanschlusses und die Freischaltung der SIM-Karte haben die Verbraucherin im Streitfall allerdings nicht in einer Weise erreicht, dass sie in der Lage gewesen wäre, hiervon Gebrauch zu machen. Sie hat keine SIM-Karte erhalten und konnte den Mobilfunkanschluss nicht nutzen.
Rn. 32(2) Dem dargestellten Normverständnis entsprechend hat auch der Gerichtshof der Europäischen Union festgehalten, Nr. 29 von Anhang I der Richtlinie 2005/29/EG sei insbesondere dann erfüllt, wenn der Gewerbetreibende den Verbraucher zur Bezahlung einer Ware oder Dienstleistung auffordere, die er dem Verbraucher geliefert habe, die vom Verbraucher aber nicht bestellt worden sei
(vgl. EuGH, Urteil vom 13. September 2018 - C-54/17 und C-55/17, GRUR 2018, 1156 Rn. 43 = WRP 2018, 1304 - Wind Tre und Vodafone Italia). Die Formulierung "dem Verbraucher geliefert" deutet darauf hin, dass auch aus Sicht des Gerichtshofs der Europäischen Union die Lieferung den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher erreicht haben muss
Rn. 35aa) Die allgemeinen Vorschriften der Unlauterkeit wegen irreführender und aggressiver Geschäftspraktiken werden durch die spezielleren Tatbestände im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG nicht verdrängt, sondern lediglich ergänzt (BGH, GRUR 2012, 82 Rn. 16 - Auftragsbestätigung; GRUR 2019, 1202 Rn. 28 - Identitätsdiebstahl I). Wird ein Verhalten von den Tatbeständen des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG nicht erfasst, folgt daraus nicht, dass es hinzunehmen ist. Vielmehr greift dann die Prüfung nach den allgemeinen Bestimmungen über unlautere Geschäftspraktiken ein (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 Rn. 29 = WRP 2012, 194 - Branchenbuch Berg; Büscher/Büscher aaO § 5 Rn. 96; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 3 Rn. 4.4 und Anh. zu § 3 Rn. 0.8; Großkomm.UWG/Lindacher/Peifer aaO § 5 Rn. 308; Nordemann in Götting/Nordemann aaO § 5 Rn. 0.12).
Rn. 37(1) Danach ist es geboten, bei der Prüfung einer geschäftlichen Handlung anhand der allgemeinen Vorschriften der §§ 4 bis 6 UWG zu fragen, ob es gesetzlich geregelte Verbotstatbestände oder Regelbeispiele gibt, die zumindest einen ähnlichen Fall erfassen und damit einen wertenden Rückschluss erlauben, ob die entsprechende Verhaltensweise lauterkeitsrechtlich zu missbilligen ist oder nicht. Dementsprechend darf die Prüfung nach den allgemeinen Bestimmungen über unlautere Geschäftspraktiken nicht zu einem Wertungswiderspruch zu den speziellen Tatbeständen des Anhangs führen (vgl. BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 29 - Identitätsdiebstahl I; zu einem Wertungswiderspruch infolge verschiedener Maßstäbe an das Verhalten des Werbenden gegenüber Verbrauchern und
sonstigen Marktteilnehmern vgl. BGH, GRUR 2012, 184 Rn. 29 - Branchenbuch Berg; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO Anh. zu § 3 Rn. 0.8 )
Rn. 43b) Eine Unverhältnismäßigkeit der Titulierung des klägerischen Unterlassungsanspruchs ergibt sich entgegen der Revision insbesondere nicht daraus, dass die in der Zahlungsaufforderung enthaltene Falschangabe für die Beklagte möglicherweise nicht zu vermeiden war (vgl. dazu Franz, CR 2019, 756, 757 f.). Wie bereits (unter Rn. 20 bis 22) dargelegt, ändert ein fehlendes Verschulden des Gewerbetreibenden in einer Konstellation wie der vorliegenden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nichts daran, dass ihm die Herbeiführung der beim Verbraucher eingetretenen Irreführung als unlauteres Verhalten anzulasten ist.
Der BGH stellt hier zwar bundesfachgerichtlich klar, siehe Leitsatz c und Rn. 32, daß eine Ware oder Dienstleistung den Empfänger auch tatsächlich erreicht haben muß, also nutzungsfähig sein muß, um als "nichtbestellte Ware oder Dienstleistung" überhaupt gelten zu können; die Nachweispflicht dafür hat aber das Unternehmen, wie aus Rnn. 11 und 43 ableitbar ist.
Nutzungsfähig ist Mobilfunk wie letztlich auch Rundfunk nur mit den entsprechend vorhandenen Empfangsgeräten und den sonstigen dafür erforderlichen technischen Gerätschaften.
Bei Verarbeitung pers.-bez.-Daten ist das Unionsgrundrecht unmittelbar bindend; (BVerfG 1 BvR 276/17 & BVerfG 1 BvR 16/13)
Keine Unterstützung für
- Amtsträger, die sich über europäische wie nationale Grundrechte hinwegsetzen oder dieses in ihrem Verantwortungsbereich bei ihren Mitarbeitern, (m/w/d), dulden;
- Parteien, deren Mitglieder sich als Amtsträger über Grundrechte hinwegsetzen und wo die Partei dieses duldet;
- Gegner des Landes Brandenburg wie auch gesamt Europas;