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Autor Thema: BVerfG 2 BvR 2000/20 - Erfolgr. Beschw. wg. Verletzung rechtlichen Gehörs  (Gelesen 778 mal)

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BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 08. August 2021
- 2 BvR 2000/20 -, Rn. 1-37,

http://www.bverfg.de/e/rk20210808_2bvr200020.html

Rn. 20
Zitat
a) Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz enthält keine allgemeine Regelung zur Fähigkeit einer natürlichen Person, die erforderlichen Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Wegen der besonderen Eigenart der verfassungsgerichtlichen Verfahren können auch die Bestimmungen anderer Verfahrensordnungen, die hinsichtlich der Prozessfähigkeit häufig an die Geschäftsfähigkeit anknüpfen, nicht ohne weiteres analog angewandt werden (vgl. BVerfGE 1, 87 <88>; 10, 302 <306>; 19, 93 <100 f.>). Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde richtet sich die Verfahrensfähigkeit vielmehr nach der Ausgestaltung der in Anspruch genommenen Grundrechte und deren Beziehung auf das im Ausgangsverfahren streitige Rechtsverhältnis (vgl. BVerfGE 28, 243 <254>).

Rn. 22
Zitat
[...] Gemäß § 167 Abs. 3 FamFG ist der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat. Die für das (Unterbringungs-)Verfahren fachrechtlich angeordnete Prozessfähigkeit ist im vorliegenden Fall auf das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu übertragen. Ein effektiver Schutz der Grundrechte des Beschwerdeführers würde durch seine Eltern, welche die Unterbringung beantragt haben, mutmaßlich nicht gewährleistet.
Der Beschwerdeführer war 15J. und gemäß der zitierten Aussage befugt, selbst Verfassungsbeschwerde einzulegen.

Rn. 23
Zitat
2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.

Rn. 24
Zitat
a) Der Zugang zu einer gerichtlichen (Sach-)Entscheidung darf – vorbehaltlich verfassungsunmittelbarer Schranken – nicht ausgeschlossen, faktisch unmöglich gemacht oder in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 10, 264 <268>; 30, 1 <23 ff.>; 44, 302 <305>; 143, 216 <225 f. Rn. 21>). Auf die Gewährleistung eines dermaßen wirkungsvollen Rechtsschutzes hat der Einzelne einen verfassungsmäßigen Anspruch (BVerfGE 60, 253 <269>; 77, 275 <284>; 143, 216 <225 f. Rn. 21>; 149, 346 <363 Rn. 34>). Dieser verfassungsmäßige Anspruch verlangt überdies, dass ein gerichtlich gewährter Rechtsschutz sich an dem Rechtsschutzziel des Betroffenen orientiert und dem Willen des Betroffenen entspricht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Dezember 2015 - 1 BvR 3164/13 -, juris, Rn. 32). Legt ein Gericht Erklärungen in einer Weise aus, die das erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel ganz oder in wesentlichen Teilen außer Betracht lässt, und verstellt es sich dadurch die an sich gebotene Sachprüfung, so liegt darin eine Rechtswegverkürzung, die den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt (vgl. BVerfGK 10, 509 <513>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Februar 1997 - 2 BvR 2989/95 -, juris, Rn. 13; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Februar 2002 - 2 BvR 553/01 -, juris, Rn. 13; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Januar 2017 - 2 BvR 476/16 -, Rn. 12; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Januar 2021 - 1 BvR 2671/20 -, Rn. 23; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Februar 2021 - 2 BvR 1780/20 -, juris, Rn. 3).

Rn. 34
Zitat
cc) Die angefochtene Entscheidung beruht auch auf dem Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 86, 133 <147>; 131, 66 <85>). Hätte das Oberlandesgericht hinreichend ermittelt, welches Rechtsschutzziel der Beschwerdeführer verfolgte, hätte es den Antrag nicht mit dieser Begründung abgelehnt. Andere Gründe, das Feststellungsinteresse zu verneinen, sind nicht ersichtlich, sodass das Oberlandesgericht in der Sache über das Feststellungsbegehren hätte entscheiden müssen.


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