Danke @pinguin für das Auffinden und Einstellen dieser wichtigen Entscheidung. Daß dem Richtervorbehalt aus Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG nicht nur eine Genehmigungs-, sondern auch eine Kontrollfunktion zukommt, ist in der zitierten Entscheidung in unmißverständlicher Deutlichkeit ausgeführt.
Daß diese Kontrollfunktion in gleichem Umfang auch einem Richter obliegt, der über den Antrag eines Gläubigers auf Erlaß eines Haftbefehls zur Vollstreckung der Erzwingungshaft zu entscheiden hat, hat der
BGH im Beschluß v. 14.08.2008, Az. I ZB 10/07 eindeutig klargestellt:
Leitsatz:
Wird beim Amtsgericht nach § 208 Abs. 8 AO die Anordnung der Haft zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beantragt, hat der Richter sämtliche Voraussetzungen für die Anordnung der Erzwingungshaft und damit auch das Bestehen der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und das Vorliegen eines Haftgrunds zu überprüfen.
aus den Entscheidungsgründen:
Weitgehend Einigkeit besteht, dass das Gericht jedenfalls das Vorliegen eines Haftgrundes prüfen muss (so OLG Köln Rpfleger 2000, 461; LG Kassel DGVZ 1996, 27; LG Hamburg Rpfleger 1997, 173, 174; LG Dresden Rpfleger 1999, 501; LG Potsdam Rpfleger 2000, 558; LG Detmold Rpfleger 2001, 507; LG Braunschweig Rpfleger 2001, 506; LG Köln MDR 2004, 355; LG Stendal DGVZ 2003, 188; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand Juni 2002, § 284 AO Rdn. 98; Klein/ Brockmeyer, Abgabenordnung, 9. Aufl., § 284 AO Rdn. 17; Kruse in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Stand August 2006, § 284 AO Rdn. 33; v. Wedelstädt/Lemaire, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 18. Aufl., § 284 AO Rdn. 25; MünchKomm.ZPO/Eickmann, 3. Aufl., § 901 Rdn. 4; Musielak/Voit, ZPO, 6. Aufl., § 901 Rdn. 7; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 901 Rdn. 4). Wie das Beschwerdegericht geht die wohl überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum davon aus, dass das Amtsgericht darüber hinaus das Bestehen einer Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu prüfen hat (so OLG Köln Rpfleger 2000, 461 [anders noch OLG Köln OLG-Rep. 1993, 278]; LG Hamburg Rpfleger 1997, 173, 174; LG Dresden Rpfleger 1999, 501; LG Potsdam Rpfleger 2000, 558; LG Braunschweig Rpfleger 2001, 506; LG Köln MDR 2004, 355; LG Stendal DGVZ 2003, 188; Klein/Brockmeyer aaO § 284 AO Rdn. 17; Kruse in Tipke/Kruse aaO § 284 AO Rdn. 33; v. Wedelstädt/Lemaire aaO § 284 AO Rdn. 25; Musielak/Voit aaO § 901 Rdn. 7; a.A. LG Kassel DGVZ 1996, 27; LG Detmold Rpfleger 2001, 507; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler aaO § 284 AO Rdn. 99; MünchKomm.ZPO/Eickmann aaO § 901 Rdn. 4). Der Senat teilt diese Auffassung.
Die Anordnung der Erzwingungshaft ist nach § 208 Abs. 8 AO i.V. mit § 901 ZPO dem Richter vorbehalten. Diese Regelung ist bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung so zu verstehen, dass das Amtsgericht das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen für die Anordnung der Erzwingungshaft und damit auch das Bestehen der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und das Vorliegen eines Haftgrundes zu überprüfen hat. Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG der Richter zu entscheiden. Diese Bestimmung regelt zwar nicht, unter welchen Voraussetzungen der Richter eine Freiheitsentziehung anordnen darf. Maßgeblich sind insoweit die einfachgesetzlichen Bestimmungen, die gemäß Art. 104 Abs. 2 Satz 4 GG das Nähere regeln. Das sind im Streitfall die § 208 AO, § 901 ZPO. Aus dem Sinn und Zweck des Richtervorbehalts folgt jedoch, dass die Einschaltung und die Entscheidung des Richters nicht nur eine Formsache sein, sondern gewährleisten soll, dass der unabhängige und neutrale Richter selbst umfassend prüft und entscheidet, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung gegeben sind (vgl. zu Art. 13 Abs. 2 GG BVerfGE 57, 346, 355 f.; 83, 24, 33).
Ein Verwaltungsakt entfaltet im Zivilprozess zwar grundsätzlich Tatbestandswirkung, so dass nicht nur der Erlass des Bescheids als solcher, sondern auch sein Ausspruch von den Zivilgerichten hinzunehmen und ihren Entscheidungen zugrunde zu legen ist (BGH, Urt. v. 19.10.2007 - V ZR 42/07 Tz. 17, juris m.w.N.). Die Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts, mit dem die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung angeordnet wird, kann das um Anordnung der Erzwingungshaft ersuchte Amtsgericht jedoch nicht an der nach Art. 104 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich gebotenen eigenständigen Prüfung hindern, ob der Schuldner nach den Vorschriften der Abgabenordnung zur eidesstattlichen Versicherung verpflichtet ist.
Entsprechendes gilt für die Prüfung, ob ein Haftgrund besteht. Selbst wenn der Antrag der Vollstreckungsbehörde an das zuständige Amtsgericht zur Anordnung der Haft zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als Verwaltungsakt anzusehen wäre (so BFH BStBl II 1985, 197; MüllerEiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler aaO § 284 AO Rdn. 95; a.A. FG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 8.7.1999 - 1 U 112/99, juris; Klein/Brockmeyer aaO § 284 AO Rdn. 17; Kruse in Tipke/Kruse aaO § 284 AO Rdn. 32), wäre das Amtsgericht aus den dargelegten Gründen nicht an die Beurteilung der Vollstreckungsbehörde gebunden, dass ein Haftgrund vorliegt.
Diese Worte sind eindeutig.
Jetzt bleibt nur noch die Frage, ob es eine eindeutige Rechtsprechung zu der Frage gibt, ob durch eine willentlich unterlassene vollständige Prüfung der Voraussetzungen für den Erlaß des Haftbefehls der Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllt wird.
Bitte zur Wahrung der Übersichtlichkeit hierzu keine Diskussion, sondern nur Hinweise / Links auf entsprechende gerichtliche Entscheidungen.