Bildquelle: https://gez-boykott.de/ablage/presselogo/multipolar.pngmultipolar, 05.03.2020
Simulierter JournalismusVon einer umfassenden Berichterstattung waren deutsche Medien in der ersten Woche der Anhörungen zur Auslieferung von Julian Assange weit entfernt. Statt authentischen Schilderungen der Auseinandersetzung im Gerichtssaal präsentierte man eine Fassade von Journalismus – zusammenkopiertes Halbwissen, vorgetragen in selbstbewusstem Tonfall.Von PAUL SCHREYER
Das eigentlich Wesentliche, nicht weniger als ein Skandal, der sich gleich am ersten Tag der Anhörungen vor Gericht ereignete, und über den eine öffentliche Diskussion dringend nötig wäre, wurde von den Vertretern des Mainstreams nicht einmal zur Kenntnis genommen. Berichtet hat davon nicht die BBC, die New York Times oder der Spiegel, sondern ein Privatmann, der ehemalige britische Diplomat Craig Murray, der als unabhängiger Prozessbeobachter das Verfahren um die Auslieferung von Julian Assange begleitet, und dessen Bericht vor wenigen Tagen in deutscher Übersetzung bei Multipolar veröffentlicht wurde.
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ARD und ZDF – ein Totalausfall
Für die ARD Tagesschau berichtete gegen Mittag der Korrespondent Sven Lohmann live, mit Regenschirm, vom Vorplatz des Gerichtsgebäudes. Er schilderte die allgemeinen Umstände des Falles, hatte aber offenbar keinen Schimmer vom aktuellen Geschehen im Gerichtssaal. Seinen Bericht schloss er mit den Worten, viele Journalisten seien „mit großem Interesse bei diesem Prozess, weil es sich am Ende auch gegen sie selbst richten und ihre Arbeit einschränken könnte.“
Doch ganz so groß war das Interesse bei der ARD offenbar nicht, denn es folgte lediglich ein einziger (!) weiterer kurzer Online-Beitrag, der eine halbe Stunde später veröffentlicht wurde, und in dem die Tagesschau einfach die Position der Anklage einkopierte, hingegen kein Wort über die Argumentation der Verteidiger verlor, geschweige denn zu dem sich in Widersprüche verstrickenden Staatsanwalt. Die Tagesschau-Ausgabe um 20 Uhr klammerte den Fall komplett aus, in den später gesendeten Tagesthemen gab es eine 40-sekündige Kurzmeldung. Das war alles, was der Tagesschau-Zuschauer in dieser Woche über den Prozess gegen Assange erfuhr.
Die ZDF-Nachrichten präsentierten den Fall in ähnlicher Weise. Online brachte man am frühen Abend unter der Überschrift „Menschen in Gefahr gebracht – US-Anwalt macht Assange Vorwürfe“ eine Kurzmeldung („Quelle: dpa“), in der lediglich die Anklage und für den Leser anonym bleibende „Unterstützer“ Assanges zitiert wurden, nicht aber die an diesem Tag wesentlichen Stimmen, nämlich die der Anwälte der Verteidigung.
In der heute-Sendung um 19 Uhr präsentierte der Sender – der wie die ARD ein Kamerateam vor das Gerichtsgebäude geschickt hatte – zudem noch eine Falschinformation: Das Gericht habe zunächst nur die Anträge der US-Seite gehört, Assanges Anwälte würden erst am folgenden Tag ihre Argumente vorlegen. Die ZDF-Journalisten hatten offenbar nicht die geringste Ahnung, was drinnen passierte. Claus Klebers später am Abend gesendetes heute-journal verbannte das Thema komplett aus der Sendung. Die gesamte übrige Woche schwieg das ZDF das Thema dann konsequent tot – so dass die Zuschauer von der juristischen Position der Verteidiger, geschweige denn dem weiteren Verlauf des Verfahrens überhaupt nichts erfuhren.
„Direkt aus dem Newskanal“
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Eine branchenumfassende Filterblase
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Weiterlesen auf: https://multipolar-magazin.de/artikel/simulierter-journalismusDanke an User drone für den Hinweis.Anmerkung (user "drone")(Das "Schlachtschiff" Tagesschau sinkt weiter, und keine/r hat's auf dem Radar - wie auch...?!)Wer sich für Journalismus(sic!) und die Berichte von Craig Murray zur Verhandlung von Julian Assange interessiert, wird hier fündig:
The Armoured Glass Box is an Instrument of Torture
von Craig Murray, 02.03.2020
https://www.craigmurray.org.uk/archives/2020/03/the-armoured-glass-box-is-an-instrument-of-torture/
Im Footer der obigen Seite finden sich (aktuell noch) die Einzelberichte zu den 4. Verhandlungstagen:
28.02.2020, Your Man in the Public Gallery – Assange Hearing Day Four
https://www.craigmurray.org.uk/archives/2020/02/your-man-in-the-public-gallery-assange-hearing-day-four/
27.02.2020, Your Man in the Public Gallery – The Assange Hearing Day 3
https://www.craigmurray.org.uk/archives/2020/02/your-man-in-the-public-gallery-the-assange-hearing-day-3/
26.02.2020, Your Man in the Public Gallery – Assange Hearing Day 2
https://www.craigmurray.org.uk/archives/2020/02/your-man-in-the-public-gallery-assange-hearing-day-2/
25.02.2020, Your Man in the Public Gallery – Assange Hearing Day 1
https://www.craigmurray.org.uk/archives/2020/02/your-man-in-the-public-gallery-assange-hearing-day-1/
03.03.2020, Der Prozess gegen Julian Assange – Tag 1
Deutsche Übersetzung des Beitrags von Murray vom 25.02.2020 (Day 1) durch die Redaktion von multipolar
https://multipolar-magazin.de/artikel/der-prozess-gegen-julian-assange-tag-1
Über den Autor: Craig Murray, Jahrgang 1958, ist Autor und Menschenrechtsaktivist. Von 1984 bis 2004 war er britischer Diplomat, zuletzt Botschafter in Usbekistan, sowie von 2007 bis 2010 Rektor der schottischen Universität Dundee.
Siehe zudem:Frank Castorf und 40331 weitere fordern "
JULIAN ASSANGE AUS DER HAFT ENTLASSEN"
Am 6. Februar stellten Günter Wallraff (Investigativjournalist), Sigmar Gabriel (Bundesaußenminister a.D.), Gerhart Baum (Bundesinnenminister a.D.) und Sevim Dagdelen (MdB) in der Bundespressekonferenz in Berlin den Appell "Julian Assange aus der Haft entlassen" vor, der von weit mehr als 100 Prominenten aus Politik, Wissenschaft, Kultur und Medien unterzeichnet wurde.
https://assange-helfen.de/Weitere Anmerkung:
multipolar-magazin.de ist das neue online-Magazin der Autoren Stefan Korinth, Paul Schreyer und Ulrich Teusch.
Ulrich Tausch beispielsweise ist u.a. Autor der lesenswerten Bücher
"Lückenpresse" und
"Der Krieg vor dem Krieg" in denen auch die ör-Anstalten hinsichtlich ihrer journalistischen Qualität nicht gut wegkommen.
Beide Bücher sind erschienen im Westend Verlag
https://www.westendverlag.de/autoren/ulrich_teusch/Letzte Anmerkung:Dies alles führt zu schwieriger werdender Trennbarkeit zwischen Fakten und Meinung, Inhalt und Werbung sowie zu neuen Unsicherheiten hinsichtlich Glaubwürdigkeit von Quellen und Wertungen. Der einzelne Nutzer muss die Verarbeitung und die massenmediale Bewertung übernehmen, die herkömmlich durch den Filter professioneller Selektionen und durch verantwortliches journalistisches Handeln erfolgt. Angesichts dieser Entwicklung wächst die Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zurücken, vielmehr ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden (vgl. dazu Brinkmann, ZUM 2013, S. 193 <195, 198>; Dörr/Holznagel/Picot, ZUM 2016, S. 920 <936 f., 940 f.>; Drexl, ZUM 2017, S. 529 <530 ff.>; Langbauer/Ripel, MMR 2015, S. 572 <573>; Milker, ZUM 2017, S. 216 <221>).
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/07/rs20180718_1bvr167516.htmlDiese Pressemeldung dient rein informativen Zwecken und bleibt für die Diskussion geschlossen, da aus Gründen der Übersicht, Thementreue und zielgerichteten Diskussion einer Vielzahl akuter und konkreter Probleme mit dem sog. "Rundfunkbeitrag" das Forum vertiefende Diskussionen zu diesem Thema nicht leisten kann.