Der Thread soll aktuell bereits entschiedene Petitionen mitsamt deren Sachverhalt aufgreifen.
Aufgrund der Darstellungen könnte sich (auch für die Zukunft) entnehmen lassen, wo sich weitere Lücken, Schwächen, Ungereimtheiten, Ungerechtigkeiten und sogar handfeste Rechtsverstöße beim Rundfunkbeitrag und dessen Vollzug zeigen.
Bitte aus den aufgezeigten Petitionen nicht abschweifen und gegebenenfalls einen eigenen Beitrag mit Verweis auf den hiesigen Beitrag oder Thread eröffnen. Vielen Dank für die Berücksichtigung!15. Petition 16/3042 betr. Rundfunkbeitrag (Landtag Baden-Württemberg), ausgegeben 18.07.2019
Der Petent tritt für eine Befreiung von der Pflicht zur Bezahlung des Rundfunkbeitrags von Personen, die Leistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) erhalten, ein. Als Begründung führt der Petent an, dass Bezieher von Förderung nach dem AFBG auch unter Berücksichtigung der Hinzuver-dienstfreigrenze ein Einkommen unterhalb des Existenzminimums hätten. Eine Ungleichbehandlung mit anderen Personen, die unterhalb des Existenzminimums lebten, sei verfassungswidrig. Dies habe das Bundesverfassungsgericht für den Rundfunkgebührenstaatsvertrag festgestellt. Diese Rechtsprechung sei aber auf den jetzt geltenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrag übertragbar. Seit dem 1. Januar 2013 wird der Rundfunkbeitrag wohnungs- und nicht mehr wie zuvor gerätebezogen erhoben. Das bedeutet, dass im Grundsatz für jede Wohnung ein Rundfunkbeitrag in Höhe von derzeit 17,50 Euro monatlich zu entrichten ist, unabhängig davon, ob dort Geräte zum Empfang bereit gehalten werden und unabhängig davon, wie viele Personen dort wohnen. Rechtsgrundlage hierfür ist der sogenannte Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, der von allen Regierungschefinnen und -chefs der Länder unterzeichnet und anschließend durch alle Landtage ratifiziert worden ist. Ausnahmen von diesem Grundsatz ergeben sich seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 für Zweitwohnungen. Im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) sind auch nach neuer Gesetzeslage in § 4 Befreiungs- und Ermäßigungsmöglichkeiten aus finanziellen oder gesundheitlichen Gründen vorgesehen.
So werden als sozial bedürftig anerkannte Personen, denen bestimmte Sozialleistungen gewährt werden und zu denen etwa Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II gehören, unter den in § 4 Absatz 1RBStV genannten Voraussetzungen auf Antrag von der Beitragspflicht befreit. Dort genannt sind auch nicht bei den Eltern wohnende Empfänger von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, Empfänger von Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 114, 115 Nr. 2 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches oder nach dem Dritten Kapitel, Dritter Abschnitt, Dritter Unterabschnitt des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches sowie Empfänger von Ausbildungsgeld nach den §§ 122 ff. des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches. In diesen Fällen muss allerdings jeweils ein Leistungsbescheid einer staatlichen Behörde vorliegen, die vorher konkret die Bedürftigkeit der oder des Betroffenen geprüft und entsprechend durch Bewilligungsbescheid bestätigt hat. Bezieher von Leistungen nach dem AFBG sind im Katalog des § 4 Absatz 1 RBStV nicht genannt. Danach ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für diesen Personenkreis nicht möglich. Der im Gesetz genannte Katalog ist abschließend. Eine Befreiung über die sogenannte Härtefallklausel des § 4 Absatz 6 RBStV ist ebenfalls nicht möglich. Ein solcher Härtefall liegt nach der Gesetzesbegründung insbesondere vor, wenn, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann. Eine vergleichbare Bedürftigkeit zwischen Empfängern von Leistungen nach dem AFBG und den in § 4 Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 RBStV genannten Fällen wie zum Beispiel BAföG-Empfängern, liegt jedoch nicht vor. So verweist zwar § 10 Absatz 2 AFBG für den Umfang der Förderung auf das BAföG, stellt aber gleichzeitig klar, dass sich der dort genannte monatliche Unterhaltsbedarf für Empfänger von Leistungen nach dem AFBG um mindestens 60 Euro erhöht. Auch bei der Frage, in welcher Höhe Vermögen anrechnungsfrei bleibt, bestehen Unterschiede. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Empfänger von Leistungen nach dem AFBG anders als BAföG-Empfänger normalerweise bereits eine Ausbildung abgeschlossen haben. Danach liegt in der bestehenden Regelung kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. Wegen dieser fehlenden Vergleichbarkeit hat der Gesetzgeber den vom Petenten angesprochenen Personenkreis bewusst schon nicht in den 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (i. F. RÄStV) und nunmehr mit dem 15. RÄStV auch nicht in den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag aufgenommen.
Auch aus den vom Petenten genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nichts anderes. Diese sind, wie der Petent selbst ausführt, zur alten Rechtslage und damit zu den sogenannten Rundfunkgebühren, hier § 6 des mittlerweile außer Kraft getretenen Rundfunkgebührenstaatsvertrags, ergangen. Gefordert wurde vom Verfassungsgericht jeweils, dass auf Antrag über die Härtefallregelung des damals geltenden § 6 Absatz 3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag eine Befreiung von der damals bestehenden Rundfunkgebührenpflicht erfolgen muss, wenn eine Person nur deshalb keine der im Gesetz genannten Sozialleistungen erhält, weil ihr Einkommen die dortigen Regelsätze übersteigt, dieser übersteigende Betrag aber geringer ist als die zu zahlenden Rundfunkgebühren. Hintergrund ist, dass Empfänger einer Sozialleistung durch zum Beispiel einen gewährten Zuschlag zu dieser Sozialleistung nicht schlechter gestellt sein sollen, als Empfänger, denen dieser Zuschlag nicht gewährt wurde. Der Gesetzgeber hat den Gedanken des Bundesverfas-sungsgerichts im neuen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag bereits Rechnung getragen. Dort ist nämlich ausdrücklich geregelt, dass eine Befreiung nach der sogenannten Härtefallklausel des § 4 Absatz 6 RBStV insbesondere erfolgt, wenn eine der im Gesetz aufgeführten Sozialleistungen von einer Behörde in einem Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags von derzeit 17,50 Euro monatlich überschreiten. Dieser Fall ist auch nicht mit dem vom Petenten vorgetragenen vergleichbar, da die Leistungen nach dem AFBG monatlich mindestens um 60 Euro höher liegen als die nach BAföG, mithin die Höhe des Rundfunkbeitrags deutlich übersteigen.
Beschlussempfehlung: Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Meine Anmerkung:Wieder wird nicht berücksichtigt, dass eigentlich nicht die monatliche Bedarfsgrenze der Sozialleistung ausschlaggebend sein kann/darf, sondern wenigstens die jährliche oder sogar mehrjährige Sozialleistung. Dann meinetwegen heruntergebrochen auf einen entsprechend modifizierten Bedarfsbetrag.
Schließlich werden regelmäßig z.B. zusätzliche einmalige Leistungen gewährt, wie Zuschüsse zur Erstwohnungsausstattung, Babybedarf, Krankheitszusatzkosten usw.
Die zusätzliche und aufgezwungene Zahlung eines Rundfunkbeitrags kann und darf außerdem nicht dazu führen, deswegen einen Sozialantrag stellen zu müssen. Das hat eine gesellschaftsspaltende Wirkung!
20. Petition 16/3183 betr. Rundfunkbeitrag, ausgegeben 18.07.2019
Der Petent bittet um Hilfe in einer Rundfunkbeitragsangelegenheit. Seit November 2017 habe er aufgrund eines Um- und Zusammenzugs Probleme mit dem ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice. Obwohl er entsprechende Meldungen auf dem Online-Portal des Beitragsservice vorgenommen habe, seien im Nachgang sowohl seine Tochter als auch er für nichtzutreffende Sachverhalte wegen Beitragsforderungen in Anspruch genommen worden. Auch seine Eltern seien betroffen. Hier habe der Beitragsservice das Bei-tragskonto der Eltern aufgelöst, das auf den Namen seines Vaters gelaufen sei. Anschließend sei seine Mutter wegen vermeintlich für den Haushalt rückständiger Rundfunkbeiträge in Anspruch genommen worden. Der ihn beziehungsweise der seine Eltern betreffende Sachverhalt habe bislang nicht geklärt werden können. Vom Beitragsservice erfolge keine Reaktion.
Vom SWR wurde mitgeteilt, dass mittlerweile alle vomPetenten zur Verfügung gestellten Informationen verarbeitet worden seien. Für ihn werde nur noch ein Beitragskonto geführt, nämlich für die private Wohnung. Für das geschäftliche Beitragskonto habe der Petent erstmalig mit Schreiben vom 12. Juni 2018 mitgeteilt, dass es das Unternehmen nicht mehr gebe. Daraufhin sei das Beitragskonto nach den gesetzlichen Bestimmungen mit Ablauf des Monats Juni 2018 abgemeldet worden. Zudem sei der Petent über die Möglichkeit einer früheren Abmeldung informiert worden, sollte die Betriebsstätte schon zu einem früheren Zeitpunkt aufgegeben worden sein und geeignete Nachweise vorgelegt werden. Bislang seien keine weiteren Nachweise beigebracht worden.
Die Leiterin der beim SWR zuständigen Fachabteilung Beitragsservice hat mitgeteilt, dass sie es sehr bedauere, dass beim Petenten der Eindruck entstanden sei, dass die Kolleginnen und Kollegen beim Zentralen Beitragsservice keinen höflichen Umgangston pflegten. Hierfür bittet die Leiterin der Fachabteilung Beitragsservice um Entschuldigung und versichert, dass es ihnen stets ein großes Anliegen sei, Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern höflich und sachgerecht Auskunft zu geben, um die vorgebrachten Fragen zu klären. Dies sei auch in ihrem Interesse.
Zur etwas angespannten Kommunikation im Falle des Petenten könne möglicherweise beigetragen haben, dass es für den Petenten nicht ersichtlich gewesen sei, dass es dem Beitragsservice beziehungsweise dem SWR nicht möglich sei, allein aus den übermittelten Daten der Meldebehörden Schlüsse über die tatsächliche Wohnungssituation zu ziehen beziehungsweise nachzuvollziehen, welcher Familienstand dem zugrunde liege. Selbst im Falle desselben Familiennamens wisse der SWR nicht, ob es sich zum Beispiel um ein Ehepaar in einer gemeinsamen Wohnung (einmal beitragspflichtig) oder um einen Vater und seine volljährige Tochter oder seinen volljährigen Sohn handle, die oder der zwar im selben Haus wie die bereits bezahlenden Eltern lebte, dort aber eine eigene Wohnung innehabe und damit selbst beitragspflichtig sei.
Der Beitragsservice beziehungsweise der SWR sei demnach immer auf die aktive Aufklärung der Wohnungsinhaberinnen und Wohnungsinhaber angewiesen, um einen Sachverhalt korrekt darzustellen und festzustellen, ob für die Wohnung bereits Rundfunkbeiträge bezahlt würden oder nicht. Für den Fall, dass der Petent oder seine Eltern (ohne Vorlage einer Vollmacht können an dieser Stelle keine näheren Ausführungen zum Beitragskonto der Eltern gemacht werden) noch konkrete Fragen zu einem ihrer Beitragskonten haben, hat der SWR angeboten, dass diese sich direkt an die zuständige Fachabteilung des SWR wenden können.
Beschlussempfehlung: Die Petition wird mit der zwischenzeitlich erfolgten Kontenklärung für erledigt erklärt.
Meine Anmerkung:Unerträgliche Gängelung mehrerer Personen aufgrund zugegebenem strukturellem Vollzugsdefizit. Dadurch auch Verfassungswidrigkeit des einmaligen/zweimaligen/regelmäßigen Meldedatenabgleichs.
Link zum Dokument:
https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/6000/16_6481_D.pdfErste Petition: ab Seite 18
Zweite Petition: Seite 33
Bitte präsentiert gerne weitere Fundstücke. Ich gebe zu, ich habe noch nicht weiter gesucht, als bis bereits zu diesem ersten Fund.