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Autor Thema: Blick zurück: Aus der Schaum (Spiegel 2012)  (Gelesen 1792 mal)

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Blick zurück: Aus der Schaum (Spiegel 2012)
Autor: 16. April 2018, 09:25

Bildquelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/3/3e/Logo-der_spiegel.svg/320px-Logo-der_spiegel.svg.png

DER SPIEGEL 50/2012

Fernsehprogramme
Aus der Schaum

ARD und ZDF verlieren seit Jahren Zuschauer. Ihr finanzielles Polster bleibt jedoch üppig, weil sie ab 2013 auch von denen kassieren, die weder Radio noch TV besitzen. Helfen wird es nicht. Eine Reise durch ein System, das Ideen verhindert.

Von Brauck, Markus; Kühn, Alexander; Müller, Martin U.; Niggemeier, Stefan

Zitat
Der Vergleich mag ungerecht sein, unhistorisch, unangemessen und überhaupt gemein. Aber er trifft eine Stimmung. "Auch die DDR", sagt Bernd Höcker, "hat eine Mauer gebaut, um zu verhindern, dass ihr die Leute davonlaufen."

Die neue DDR, so sieht Gebührengegner Höcker das, sind ARD und ZDF und das Deutschlandradio, die öffentlich-rechtlichen Sender des Landes. Auch denen laufen die Leute davon.

Weil den Leuten das Programm nicht mehr gefällt. Weil ihnen die 17,98 Euro im Monat zu viel sind. Weil sie kaum noch fernsehen oder Radio hören, sondern fast nur noch im Internet unterwegs sind.

ARD, ZDF, GEZ, DDR - es ist schon erstaunlich, wie aufgeladen, beinahe hasserfüllt die Debatte geführt wird.

Höcker, ein kantiger Typ mit Theo-Waigel-Augenbrauen, ist ein verbissener Gegner des Systems. Seit Jahren verbreitet der Sozialökonom in seiner Freizeit in kleinen Büchern und auf seiner Website Tipps zur GEZ-Flucht.

Doch weglaufen funktioniert nicht mehr ab dem kommenden Jahr. Vom 1. Januar 2013 an muss per Gesetz und im Grundsatz jeder zahlen, unabhängig davon, ob er überhaupt Fernseher oder Radio im Haus hat; unabhängig davon, ob er seinen Fernseher am liebsten aus dem Fenster werfen möchte, weil er das Programm so furchtbar findet.

ARD und ZDF machen jeden zum Mitglied in einem Club, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Selbst die katholische Kirche ist da generöser gegenüber denen, die sie nicht mehr mögen. […]

War es wirklich ein guter Einfall, eine Art Fernsehsteuer exakt zu einer Zeit einzuführen, in der immer weniger Leute diese Programme überhaupt sehen wollen? Und sie keiner mehr sehen muss? […]

Während der Apparat damit beschäftigt ist, sich seine Milliarden für die Zukunft zu sichern, verliert das Programm, für das die Milliarden da sind, stetig an Bedeutung.
[…]

[…] ihnen widerfährt das Schicksal vieler Opportunisten: Die Zuschauer spüren die Absicht - und bleiben weg. […]

Olli Dittrich ist sauer
[…]
Volker Herres verliert
[…]
Christian Ulmen träumt
[…]
Norbert Himmler hofft
[…]
Ashwin Raman stört
[…]
Hermann Eicher mahnt
Wenn es ein Symbol gibt für dieses System, das teuer ist, aber unbeliebt, dann ist es die Gebühreneinzugszentrale in Köln-Bocklemünd. Es ist ein Ort, wie er behördenmäßiger nicht sein kann. Selbst die Kaffeekannen sind hier beschriftet (Abt. GRD), an Bürostuhllehnen von Mitarbeitern ist der Nachname aufetikettiert. Es gibt eine Vitrine, in der das erste Dienst-Handy ausgestellt ist.

Hier, wo bisher noch die ungeliebte Rundfunkgebühr kassiert wird, wird bald der neue Rundfunkbeitrag verwaltet. Die GEZ wird auch gleich umbenannt und soll Beitragsservice heißen.

In einem Konferenzraum bei der Noch-GEZ sitzt Hermann Eicher, er hat eine goldene Kette aus seiner Sakkotasche hängen, die offenbar zu einer Taschenuhr gehört. Eicher fuchtelt mit einer Mappe herum, auf der eine heile Familienwelt abgebildet ist: ein Opa, ein Pärchen, ein Kind. Sie sitzen im Wohnzimmer, schlürfen Kaffee, die Katze balanciert auf der Sofalehne. "Der neue Rundfunkbeitrag" steht unter dem Bild, und obendrüber prangt der Schriftzug: "Einfach. Für alle."

Eicher reicht das nicht. Er hätte gern eins draufgesetzt: Gleichzeitig mit der PR-Offensive wäre ihm eine Programm-Offensive wichtig gewesen. Er hätte gern gezeigt, wofür es sich lohnt, Gebühren zu bezahlen. "Der neue Rundfunkbeitrag allein wird keinen zu Begeisterungsstürmen hinreißen, das ist uns schon klar."

Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass er der Vater des neuen Rundfunkbeitrags ist. Doch ihm geht es nicht um PR-Geklingel, sondern um Grundlegenderes. "Es haben sich gerade viele jüngere Menschen aus der Welt der öffentlich-rechtlichen Sender verabschiedet", sagt er. Sicher seien auch ignorante Schwarzseher darunter. "Im Kern glaube ich aber, dass wir alle Kraft auf diejenigen verwenden müssen, die bei ARD und ZDF nicht mehr das finden, was sie möchten." Er blickt ernst: "Ansonsten wird die gesellschaftliche Akzeptanz, für etwas zu bezahlen, das man nicht nutzt, weiter zurückgehen, mag die Aufgabe auch noch so wichtig sein." Eicher ist im Hauptberuf Justitiar des SWR mit Büro in Mainz und kein Gebühren-Kettenhund, eher einer, der sich wirklich Sorgen macht um die Zukunft eines Systems, an das er glaubt.

Die neue Gebühr, die jetzt alle bezahlen müssen, die es sich leisten können, soll dafür sorgen, dass die Einnahmen nicht so schnell wegbrechen, wie es die Intendanten befürchtet haben. "Wären wir bei der alten Variante geblieben, hätten immer mehr Menschen Tricks und Wege angewendet, um nicht mehr bezahlen zu müssen", sagt Eicher. "Auch das muss uns natürlich zu denken geben."
Bisher ist der Protest zur Einführung des Rundfunkbeitrags noch verhalten. Doch Eicher, ganz Realist, ahnt, dass die eigentliche Bewährungsprobe erst noch kommt. "Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird den Gürtel deutlich enger schnallen müssen. Weniger Geld und Steigerung der Akzeptanz, das wird ein Drahtseilakt." Eicher lässt sich in den Stuhl zurückfallen. Ihm sind die Zweifel anzusehen, ob das gelingen kann.

Weiterlesen auf:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-90049024.html


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Zitat
Doch ihm geht es nicht um PR-Geklingel, sondern um Grundlegenderes.
.......
Er blickt ernst: "Ansonsten wird die gesellschaftliche Akzeptanz, für etwas zu bezahlen, das man nicht nutzt, weiter zurückgehen, mag die Aufgabe auch noch so wichtig sein."


Doch ihm geht es um Grundlegenderes.
Die gesellschaftliche Akzeptanz, für etwas zu bezahlen, das man nicht nutzt.

Wenn man zwischen den Zeilen liest, findet man sogar im Spiegel manchmal die Wahrheit.


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