Autor: 17. April 2016, 16:54
Bildquelle: http://www.heise.de/tp/icons/menu/tp.pngheise/Telepolis, 15.04.2016
Medien:
Vom Thema Vertrauen und Glaubwürdigkeit ist nur Gerede übriggebliebenvon Marcus Klöckner
Der Soziologe und Publizist Stefan Schulz über die Glaubwürdigkeitskrise der Medien
Harmlose Leitartikel, Nachrichtensendungen, die auf die Verlautbarungen der Bundesregierungen warten bevor sie berichten, Hausbesuche bei Hasskommentatoren als einzig reflexives Element im deutschen Journalismus: Der ehemalige FAZ-Journalist Stefan Schulz hat sich intensiv mit der Berichterstattung in Deutschland auseinandergesetzt.
Seinen Einblick und seine Einschätzungen in Sachen Journalismus und Medien hat der Soziologe und Publizist im aktuellen Buch "Redaktionsschluss" zusammengefasst. Mit einem analytischen Blick geht er darin auch der Frage nach, welche Folgen der "digitale Wandel" für unsere Gesellschaft mit sich bringt. Im Interview mit Telepolis legt er unter anderem dar, warum vom Thema Vertrauen und Glaubwürdigkeit im Hinblick auf die Medien nichts übriggeblieben ist - "außer Gerede". [..]
[..]Vertrauen steht in einem engen Zusammenhang mit Glaubwürdigkeit. In Ihrem Buch gibt es ein Kapitel mit der Überschrift: "Was vom Vertrauen übrig bleibt". Was ist denn übriggeblieben?
Stefan Schulz: Thomas Bellut, der Intendant des ZDF, hat vergangenen Sommer in einem Text für die F.A.Z. geschrieben, es gebe "keinen Hinweis für eine grundlegende Glaubwürdigkeitskrise" der Medien. Peter Frey, der Chefredakteur des ZDF, sah im Frühling des Vorjahres eine "Renaissance der Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Nachrichten". Elmar Theveßen, der Nachrichtenchef des ZDF, sagte in einem Gespräch für "Die Zeit", die "Mehrheit der Menschen" fahre im "Slalom um die Nachrichten herum". Claus Kleber, Erster Moderator des heute-journals, sah bei einer Vorlesung in Tübingen, die Deutschen unter vierzig "unversorgt von einer anständigen Nachrichtenversorgung". Vom Thema Vertrauen und Glaubwürdigkeit ist nichts übriggeblieben - außer Gerede.[..]
[..]Wie bewerten Sie denn die großen Nachrichtenformate der Öffentlich-Rechtlichen, zum Beispiel die ZDF-heute-Sendungen? Können diese Ihrem Glaubwürdigkeitsanspruch gerecht werden?
Stefan Schulz: Ich habe in den vergangenen Monaten seit April 2015 bis auf wenige Ausnahmen alle heute-journals und Tagesthemen gesehen und gemeinsam mit dem Berliner Journalisten Tilo Jung in einem inzwischen hundert Ausgaben umfassenden Podcast besprochen. Zwei Mal hatten wir Elmar Theveßen zu Gast, um auch über die Arbeit der Redaktionen zu sprechen.
Mein Fazit, mein Ratschlag, lautet: Fernseher aus! Die 800 ertrunken Flüchtlinge, mit denen im Sommer 2015 die "Flüchtlingskrise" begann, wurden per Kurzmeldung abgehandelt. In der 15 Minuten langen heute-Sendung an Heiligabend wurden 55 Todesfälle, unter anderem ertrunkene Kinder und verbrannte Babys, und 132 Schwerverletzte weggemeldet. Der letzte Beitrag der Sendung befasste sich dann in Form einer Reportage aus einem Dresdener Einkaufszentrum mit der Frage, warum Männer hierzulande ihre Weihnachtsgeschenke eher spät kaufen. Das ist das typische Format. [..]
[..]In Ihrem Buch finden sich zwei interessante Zahlen: "Der Nachrichtenchef des ZDF, Elmar Theveßen, verfügt über 86 Millionen Euro Budget im Jahr. Im Vergleich dazu bezahlte das ZDF für die Übertragungsrechte der Champions-League-Saison 2014/15 fünfzig Millionen Euro." Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?
Stefan Schulz: Die Antwort auf die Frage hat der ehemalige Leiter des ZDF-Studios Bonn, Wolfgang Herles, vergangenen Herbst bei einer Veranstaltung in der Bundespressekonferenz gegeben. Es sagte, es gehe im Fernsehen ausschließlich um Unterhaltung. Das ZDF gibt insgesamt übrigens mehr Geld für Fußball als für Nachrichten aus. 86 Millionen Euro für ein Jahr Nachrichten sind viel Geld. Aber ein einzelner Monat Fußballweltmeisterschaft ist den Öffentlich-Rechtlichen dreimal so viel wert. [..]
Weiterlesen auf: http://www.heise.de/tp/artikel/47/47942/2.html
-
IP logged
»Letzte Änderung: 17. April 2016, 17:09 von ChrisLPZ«