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Autor Thema: Urteilsrezension OVG Berlin, Az. 8 B 117.96  (Gelesen 2995 mal)

K
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Urteilsrezension OVG Berlin, Az. 8 B 117.96
Autor: 15. Januar 2016, 13:26
Liebe Freunde der hartnäckigen Zahlungsverweigerung,

wir Zahlungsverweigerer schlagen uns mit vielen Urteilen herum, immer in der Hoffnung auf einen "lucky punch". Mancher "lucky punch" ist uns dabei bekanntlich schon gelungen. Man denke etwa

  • an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.07.1971 (Az. 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68), in der das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass es sich bei der Rundfunkgebühr nicht um eine Gegenleistung handelt, sondern um das Mittel zur Finanzierung der Gesamtveranstaltung;
  • an den Beschluss des BFH vom 14.02.2008 (Az. X B 11/08), in dem das Gericht bekräftigt, dass der Empfänger eines Verwaltungsakts den Zugang nicht substantiiert bestreiten muss und der Anscheinsbeweis nicht als Zugangsnachweis ausreichend ist - nach derartiger Rechtsprechung kann man im Hahn/Vesting übrigens lange suchen;
  • an den Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 09.09.2015 (Az. 5 T 162/15), in dem das Gericht mit detaillierter Begründung die Erkennbarkeit der Vollstreckungsbehörde verneint.

Heute möchte ich Euch einen möglicherweise weiteren "lucky punch" vorstellen.

Wie Ihr sicherlich wisst, müssen alle die gleiche, pauschale Beitragshöhe zahlen. Von Ausnahmen aufgrund schwerster körperlicher Gebrechen sei an dieser Stelle abgesehen. Der gesunde Hausverstand sagt einem, dass es schlichtweg ungerecht ist, von jemandem mit einem Einkommen von 15.000 Euro pro Jahr (oder gar noch geringer) den gleichen Betrag zu fordern wie von jemandem mit einem Einkommen von 60.000, 80.000, 100.000 oder gar höher. Geschieht dies dennoch, muss man zu Recht zu dem Schluss kommen, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf dem Rücken der großen Masse der Geringverdiener finanziert. Gerecht wäre es daher, den Beitrag zumindest nach den Einkommensverhältnissen zu bemessen.

Nun habe ich ein Urteil des OVG Berlin vom 19.11.1996 (Az. 8 B 117.96) gefunden, in welchem es darum geht, dass ein Bürger Berlins die Rundfunkgebühr nicht zahlen wollte. Zur damaligen Zeit gab es unterschiedliche Gebührensätze, nämlich für die westdeutschen Bundesländer einerseits und einen verminderten Gebührensatz für die ostdeutschen Bundesländer andererseits.

Begründet wurde diese Differenzierung mit den unterschiedlichen Einkommensverhältnissen.

Der Streit zwischen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem Berliner Bürger entfachte sich nämlich deshalb, weil der Bürger lediglich den verminderten Gebührensatz zahlte. Vor Gericht verlor er trotzdem, weil das OVG Berlin eine (sogar pauschale) Differenzierung nach der Einkommenssituation als verfassungskonform betrachtete.

Man sieht hieran einmal mehr die vollkommene Verdorbenheit des deutschen Justizwesens. Damals spielten Einkommensunterschiede bei der Bemessung der Abgabenhöhe eine Rolle. Sie wurden berücksichtigt. Heute spielen sie keine Rolle - und jeder muss unterschiedslos den gleichen Betrag zahlen, weil sich die Höhe bekanntlich für jeden unabhängig von seiner Einkommenssituation "im Rahmen des Zumutbaren" (Bayerischer Verfassungsgerichtshof v. 15.05.2014, Az. 8-VII-12, 24-VII-12) bewegt. Damals waren es umgerechnet 36,50 Euro für drei Monate, heute sind es 52,50 Euro, also über 43 Prozent mehr.

Das gesamte Urteil des OVG Berlin stelle ich in der unmittelbar folgenden Antwort zur Lektüre zur Verfügung.

 


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 15. Januar 2016, 23:54 von Bürger«

K
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Unterschiedliche Rundfunkgebührenhöhe in alten und neuen Bundesländern; Tilgungsbestimmung in einer Satzung
 
Orientierungssatz

1. Die differenzierende Gestaltung der Rundfunkgebühr in den alten und den neuen Bundesländern ist rechtmäßig.
2. Unbedenkliche Tilgungsbestimmung in einer Satzung, die dem Leistungsbestimmungsrecht des Schuldners nach BGB § 366 Abs 1 vorgeht.

Verfahrensgang

vorgehend VG Berlin, 13. Mai 1996, Az: 27 A 273.93

Tatbestand

Der Kläger betrieb als selbständiger Unternehmer ein Taxigewerbe; den Wohnsitz hat er im früheren Westteil Berlins.

Der Kläger hat ein privat genutztes Hörfunk- und Fernsehgerät, für welches er unter der Nr. 205392841 Gebühren entrichtet und hatte ein gewerblich genutztes (Autoradio in der Taxe) mit der Nr. 35044055.

Der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag bemißt die Gebühren ab Januar 1992 mit 8,25 DM (Grundgebühr) und 15,55 (Fernsehgebühr), die in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für drei Monate zu entrichten sind (DM 71,40). - Für die sogenannten neuen Länder, einschließlich des ehemaligen Berlin-Ost, galt ein verminderter Gebührensatz von 6,00 DM (Grundgebühr) sowie 13,00 DM (Fernsehgebühr) monatlich.

Der Kläger zahlte ab Januar 1992 für seine privat genutzten Geräte nur den verminderten Betrag (57,00 DM statt 71,40 DM), ebenso für das gewerblich genutzte Radio (18,00 statt 24,75 DM). Der Beklagte erinnerte ihn.

Zwischen dem Kläger und der Gebühreneinzugszentrale der Länder sowie dem Beklagten entspann sich ein Briefwechsel. Die GEZ mahnte den Kläger. Dieser berief sich darauf, die in "(seinem) Falle fälligen Gebühren" bezögen sich "auf die gesamte Stadt". Die Unterschiede der Gebührensätze verstießen gegen das Gleichheitsprinzip. Es gebe für alle Bewohner Berlins dieselben Programme und die Taxi-Unternehmen übten in Berlin zum gleichen Tarif ihr Gewerbe aus. Der Beklagte erläuterte, der Gesetzgeber passe die Gebühren in den neuen Ländern schrittweise an. Er habe dabei "sicher zwei Dinge berücksichtigt", nämlich, daß dort bereits 1991 die Gebühren erhöht worden seien und in manchen Bereichen (Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern) das ZDF nicht oder nur in verminderter Qualität empfangen werden könne. Nachdem der Beklagte den Kläger auch an die Gebühren des 4. Quartals 1992 erinnert hatte, setzte er mit Bescheiden vom 3. Februar 1993 rückständige Gebühren einschließlich Säumniszuschläge für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1992 fest: für die privat genutzten Geräte 67,60 (Säumniszuschlag 5,00 DM), für das gewerblich genutzte 29,75 DM (inklusive Zuschlag). Der die privat genutzten Empfangsgeräte betreffende Bescheid enthält den Berechnungsvermerk, "Zahlungseingang vom 13. November 1992 DM 57,00 davon auf Zeitraum ab 10.92 zugeordnet + 8,80". - Seinerzeit hatten sich Rückstände von 3 x 14,40 = 43,20 bzw. 3 x 6,75 = 20,25 DM gebildet.

Den Widerspruch des Klägers (er habe keine "Rückstände") wies der Beklagte durch Bescheid vom 10. Mai 1993, der mit einfacher Post versandt wurde, zurück.

Der Kläger hat am 17. Juni 1993 Klage erhoben, ohne diese zu begründen.

Der Beklagte hat vorgetragen: Die unterschiedliche Gebührenhöhe verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz, der keine schematische, sondern eine angemessene Gleichbehandlung vorsehe. Wegen der unterschiedlichen Einkommensverhältnisse sei es gerechtfertigt, wie in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens vorübergehend unterschiedliche Bestimmungen beizubehalten. - Die Zahlungen des Klägers seien mit seinen Schulden verrechnet worden. Von den für die privat genutzten Geräte erbrachten DM 57 seien die geschuldeten 43,20 DM und der Säumniszuschlag abgezogen worden, so daß auf die Gebührenschuld von 71,40 DM (Oktober bis Dezember 1992) lediglich 8,80 DM hätten angerechnet werden können. Der verbliebene Gebührenrückstand, zuzüglich eines weiteren Säumniszuschlages, bilde den streitgegenständlich festgesetzten Betrag. Die Zahlung für das gewerblich genutzte Hörfunkgerät von 18,00 DM sei mit der alten Schuld von 20,25 DM verrechnet worden, so daß der fällige Gesamtbetrag von 24,75 DM (Oktober bis Dezember 1992) festgesetzt worden sei (dazu Säumnisgebühr). - Die Verrechnung sei in seiner, des Beklagten, Satzung über das Verfahren zur Leistung von Rundfunkgebühren vorgesehen (§ 6). Danach würden Zahlungen zunächst auf die Kosten im Zusammenhang mit rückständigen Gebühren und dann auf die jeweils älteste Gebührenschuld angerechnet. Ermächtigungsgrundlage der Satzung sei der Rundfunkgebührenstaatsvertrag, der die Landesrundfunkanstalten befuge, Einzelheiten des Verfahrens zur Leistung der Rundfunkgebühren durch Satzung zu regeln (§ 4 Abs. 7). Die wegen des durch EDV gesteuerten Massenverfahrens erforderliche Verrechnungsregelung stelle keinen unzulässigen Verstoß gegen die Freiheit der Tilgungsbestimmung des Schuldners dar. Sie könne im öffentlichen Recht "durch Satzung wie im Privatrecht durch vertragliche Vereinbarung abbedungen werden". Das verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Die Tilgungsfolge sei vorweg und verbindlich festgelegt. Der Kläger habe gewußt, auf welche Schuld er mit seiner Zahlung geleistet habe. Das hätten ihm auch die Zahlungserinnerungen verdeutlicht.

Das Verwaltungsgericht hat am 13. Mai 1996 mündlich verhandelt. Der Kläger hat dabei einen Schriftsatz überreicht, mit dem er seinen Vortrag zur Verletzung
des Gleichheitssatzes wiederholt.

Das Verwaltungsgericht hat der gegen die Gebührenbescheide insgesamt gerichteten Klage durch Urteil vom 13. Mai 1996 partiell stattgegeben, nämlich hinsichtlich der Säumniszuschläge, weil der Kläger nicht gerade für den Festsetzungszeitraum erinnert worden sei (§ 7 Abs. 1, 2 der Satzung), und wegen Unzulässigkeit der Verrechnung, denn die Satzung sei insoweit durch den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag nicht gedeckt.

Der Senat hat auf Beschwerde des Beklagten die Berufung zugelassen.

Der Beklagte trägt im wesentlichen vor: Seine satzungsrechtliche Bestimmung über die Verrechnung sei nicht nichtig. Insbesondere werde jene von der in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage im Rundfunkgebührenstaatsvertrag gedeckt. Dieser befuge dazu, Einzelheiten des Verfahrens zur Leistung der Rundfunkgebühren zu regeln (Artikel 5 Abs. 5 RGebStV 1975, jetzt § 4 Abs. 7 RGebStV 1991). Dazu gehöre die Verrechnung. Jene Vorschrift befasse sich nicht nur mit den Pflichten des Gebührenschuldners. Sie erwähne auch Säumniszuschläge. Wäre es richtig, daß die Behandlung von Gebührenschulden nur an anderer Stelle des RGebStV erfaßt sei, wären Säumniszuschläge, die Schulden voraussetzten, nicht bei den Regeln zur Leistung von Gebühren erwähnt worden. Die Satzung verstoße auch nicht gegen "höherrangiges Recht", insbesondere das Leistungsbestimmungsrecht des Schuldners (§ 366 BGB analog). Die Tilgungsfolge sei in Einklang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben satzungsrechtlich festgelegt. Die Regelung sei auch nicht unverhältnismäßig. Sie diene der Erleichterung des Zahlungsverkehrs in einem EDV-Massenverfahren mit relativ geringfügigen Beträgen; während andere Gläubiger, welche Zahlungen von Kunden nicht, teilweise oder verspätet erhielten, ihre Leistungen zurückhalten könnten, um ein weiteres Ansteigen der Forderungen zu verhindern, sei das gegenüber Rundfunkteilnehmern nicht möglich, da ihnen der Empfang nicht vorenthalten werden dürfe. Zwar könne die GEZ anhand des vom überweisenden Institut mitgelieferten Datums den Eingang der Zahlung erkennen. Da es sich aber um das Weiterleitungsdatum des Geldinstituts handle, könne es für die Zahlung auf einen bestimmten Fälligkeitstermin nicht herangezogen werden, insbesondere nicht, wenn der Teilnehmer so spät zahle, daß inzwischen die Gebühr für einen weiteren Zeitraum fällig geworden sei. Bestimmungen des Teilnehmers selbst könne die GEZ wegen der Menge der Zahlungen und der maschinellen Verarbeitung nicht erkennen (Beweis für das Verfahren der GEZ: Zeugnis von deren Geschäftsführer; Augenscheinseinnahme). Endlich liege die Verrechnung im Interesse des Teilnehmers. Würde die Zahlung auf die jeweils jüngste Schuld bezogen, liefe er wegen der Rückstände Gefahr, mit einem Vollstreckungsverfahren überzogen zu werden. Die regelmäßigen Zahlungsaufforderungen der GEZ gewährleisteten, daß er durchgehend über seinen "Kontostand" informiert sei. - Er, der Beklagte, verbuche Zahlungen für Teilnehmerkonten ausnahmslos nach dem in der Satzung vorgeschriebenen Verrechnungsprinzip; die Zuordnung auf etwaige Kosten, Säumniszuschläge und rückständige Gebühren nehme das EDV-System der GEZ automatisch vor. Gebührenbescheide ergingen aus finanziellen und Praktikabilitätsgründen nur, wenn der Teilnehmer länger als vier Wochen mit Gebühren in Rückstand sei und/bzw. die Rückstände den Betrag von drei Grundgebühren (nach § 1 RfinStV 1991: 24,75 DM) überstiegen. Sie und Erinnerungen erlasse er ebenfalls nicht solange "zu dem betreffenden Teilnehmerkonto Korrespondenz (eingehe)". So sei auch im Fall des Klägers praktiziert worden. Obwohl schon im Mai 1992 die Erheblichkeitsschwelle überschritten gewesen sei, habe man wegen des Briefwechsels noch keinen Gebührenbescheid erlassen. Den Gebührenbescheid vom 4. November 1992 habe der Kläger bestandskräftig werden lassen. Seine Zahlung vom 13. November 1992 sei mit der durch jenen Bescheid festgesetzten Gebühr verrechnet und der streitgegenständliche Bescheid vom 3. Februar 1993 erlassen worden.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat Anschlußberufung eingelegt und beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Gebührenbescheide des Beklagten vom 3. Februar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 10. Mai 1993 aufzuheben.

Der Kläger verfolgt sein bisheriges Anliegen argumentativ weiter und bemerkt ergänzend: Er habe keinen Gebührenbescheid bestandskräftig werden lassen, sondern jeweils Widerspruch bei der GEZ bzw. im vorliegenden Fall Klage erhoben.

Der Verwaltungsvorgang hat vorgelegen und ist zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.


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Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten ist begründet; der Anschlußberufung des Klägers kann nicht stattgegeben werden.

Die Klage richtet sich gegen den richtigen Beklagten. Die angefochtenen Bescheide sind - noch - hinreichend als solche des Beklagten (und nicht von der GEZ erlassen) erkennbar.

Sie sind rechtmäßig.

Daß der Beklagte sich beim Fertigen der Bescheide verwaltungstechnisch der GEZ bedient, ist im Hinblick auf die zuletzt klarer gefaßte Ermächtigungsgrundlage (s. § 7 Abs. 3 Satz 2 RGebStV 1991 gegenüber Art. 8 Abs. 3 RGebStV 1975, jeweils i.V.m. dem Zustimmungsgesetz des Landes Berlin) unbedenklich.

Der Gebührentatbestand ist erfüllt. Der Kläger ist, wie er auch nicht in Frage stellt, für die privat genutzten Rundfunk- und Fernsehgeräte ebenso "gebührenpflichtig" (§ 2 Abs. 1 RGebStV, Zustimmungsgesetz vom 19. Dezember 1991 GVBl. 1991, 309 zum Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland, hier Artikel 4) wie für das Rundfunkgerät im gewerblich genutzten Kraftfahrzeug (§§ 2 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 RGebStV).

Der Beklagte hat die Höhe der "Rundfunkgebühren" wie vom Gesetz für Rundfunkgebühren in den sogenannten alten Bundesländern vorgesehen (§ 1 Abs. 1 RfinStV, Zustimmungsgesetz wie zitiert, jedoch zu Artikel 5 RStV) bemessen, jene zutreffend nicht nach dem vorübergehend gültigen niedrigeren Satz für Teilnehmer in den sogenannten neuen Bundesländern einschließlich des ehemaligen Berlin-Ost (§ 1 Abs. 2 RfinStV) festgesetzt. Der Kläger hatte und hat seinen Wohnsitz im ehemaligen Berlin-West. Daß er sein Taxigewerbe auch im "Ostteil" der Stadt ausübte und im gesamten Berlin fast durchweg dieselben Sender/Programme zu empfangen sind, ist nach dem Gesetz unerheblich.

Die landesrechtliche (siehe BVerwG DVBl. 1988, 734 zum RGebStV 1975) normative Regelung steht mit höherrangigem Recht in Einklang; der Vorlage (Artikel 100 Abs. 1 GG, 84 Abs. 2 Nr. 6 VvB in Verbindung mit den §§ 14 Nr. 10, 46 VerfGHG) bedarf es nicht. Die inzwischen ausgelaufene Differenzierung kollidierte nicht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bemessung von Rundfunk-"Gebühren".

Das gilt unabhängig davon, wie die "Rundfunkgebühren" in das System der öffentlichen Lasten einzuordnen sind (offen zuletzt BVerfGE 90, 60, 106 und BVerwG DVBl. 1988, 734).

Die ältere wissenschaftliche Auseinandersetzung (komprimiert referierend statt anderer Grupp, Grundfragen des Rundfunkgebührenrechts 1983 S. 41 f.; Hartstein-Ring-Kreile-Dörr-Stettner, RStV 2. Auflage 1995 § 11 Rdnr. 9; Hermann, Rundfunkrecht 1994 § 31 Rdnr. 39 ff.; Hesse, Rundfunkrecht 1990 S. 135 f.) muß nicht nachvollzogen werden. Jedenfalls handelt es sich um keine Gebühr im rechtstechnischen Sinn (zum Begriff etwa Kirchhof in Isensee-Kirchhof, Hand-
buch des Staatsrechts IV 1990 § 88 Rdnr. 181 ff., 185 ff.; Starck in von Mangoldt-Klein-Starck, GG I 3. Auflage 1985 Artikel 3 Abs. 1 Rdnr. 84; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz 1973 § 11). Der Senat betrachtet sie als Beitrag, der im Kontext der Finanzierung der Gesamtveranstaltung Rundfunk und damit der demokratischen Funktion des (öffentlichrechtlichen) Rundfunks zu sehen ist (Senatsurteil vom 31. Juli 1990 OVG 8 B 43.90). Diese die Grundsätze der "Rundfunkgebühr" strukturierende Maßgabe wird seit längerem vom BVerfG betont und vom neueren Schrifttum geteilt (s. z.B. BVerfGE 31, 314, 329 f., und 90, 60, 90 ff.; Bethge DÖV 1990, 629, 631; Hartstein pp. a.a.O. § 10 Rdnr. 13, § 11 Rdnrn. 7, 9; Hermann, a.a.O. § 31 Rdnr. 47; Selmer-Gersdorf DVBl. 1992, 79, 81, 87; Siekmann in Sachs, GG 1996 vor Artikel 104 a Rdnrn. 79, 81).

Wenn zum Recht der Gebühren und Beiträge fraglich sein mag, ob, vor allem jedoch, in welchem Maße sie wegen des Sozialstaatsprinzips (Artikel 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG, Artikel 22 Abs. 1 VvB) nach Leistungsfähigkeit des Nutzers abgestuft werden dürfen (Kirchhof, a.a.O. § 88 Rdnr. 203; Osterloh in Sachs a.a.O. Artikel 3 Rdnr. 173; Starck a.a.O. Artikel 3 Abs. 1 Rdnrn. 84, 90; Vogel in Isensee-Kirchhof a.a.O. § 87 Rdnr. 100; Wilke a.a.O. S. 323 f.; Wolff-Bachof-Stober, Verwaltungsrecht I 10. Auflage 1994 § 42 Rdnr. 26), wie insbesondere zum Kommunalabgabenrecht problematisiert wird (s. etwa Dahmen in Driehaus, Kommunalabgabenrecht § 4 Rdnr. 142; BVerwG VBlBW 1994, 347 f.; VGH Kassel NJW 1977, 452 ff. mit Anmerkung Vogel und Rezension Menger VerwArch 68 (1977), 389, 394 ff.), ist die entsprechende differenzierte Gestaltung der Rundfunkgebühren jedenfalls unbedenklich (zum Aspekt Gebührenermäßigung/Gebühren befreiung Hermann a.a.O. § 31 Rdnr. 49, 73 ff.). Der RfinStV bzw. das Zustimmungsgesetz stehen mit dem verfassungsrechtlichen Aequivalenzprinzip, hier primär dem allgemeinen Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG, 10 Abs. 1 und 2 VvB), in Einklang, aus dem unter dem Aspekt "Abgabengerechtigkeit" (BVerwG VBlBW 1994, 347) eine Sperre folgen könnte (dazu BVerwG a.a.O. S. 348 und DVBl. 1988, 734; Kirchhof a.a.O. § 88 Rdnr. 205; Osterloh a.a.O. Artikel 3 Rdnr. 172 ff.; Rüfner in BK, GG Artikel 3 Abs. 1 Rdnrn. 290 f.; Sachs in Isensee-Kirchhof, Staatsrecht V 1992 § 127 Rdnrn. 28 ff.; Siekmann a.a.O. vor Artikel 104 a Rdnrn. 67 ff.; Starck a.a.O. Artikel 3 Abs. 1 Rdnrn. 84, 87, 89; Vogel a.a.O. § 87 Rdnr. 97 f.). Die Staffelung der Gebühren trägt - wie zahlreiche andere vorübergehende Kostenregelungen - den Besonderheiten der Annäherung der Lebensverhältnisse in den sogenannten alten und neuen Ländern Rechnung, ist evident vernünftig. Jene sichern zudem angesichts der pauschal anzunehmenden geringeren Lohn- und Einkommensverhältnisse der Bürger in den neuen Bundesländern die demokratische Funktion der Rundfunkfreiheit (zur Relevanz von Artikel 5 Abs. 1 GG, 14 Abs. 2 VvB hier allgemein statt anderer Bethge DÖV 1990, 629, 631; Wilke a.a.O. S. 159 f.).

Im übrigen wird die Differenzierung durch die Rücksicht auf die in einigen der neuen Bundeslän dern schlechtere Empfangsqualität und -quantität legitimiert. Insofern wirkt sich die Natur der Abgabe als Beitrag zur Gesamtveranstaltung (öffentlich-rechtlicher) Rundfunk aus.

Der Beklagte hat bei der Festsetzung der Gebührenrückstände und der Säumniszuschläge eben so rechtmäßig gehandelt.

Beide Maßnahmen entsprechen seiner Satzung. Das liegt hinsichtlich der Verrechnung der geleisteten Beiträge (mit den Rückständen und Säumniszuschlägen) als Prinzip auf der Hand (§ 6 der Satzung vom 25. November 1975, Amtsblatt für Berlin 1975 S. 1974, jetzt § 7 der Satzung vom 25. November 1993, Amtsblatt 1994 S. 88), gilt jedoch auch für die Säumniszuschläge (§ 7 Satzung 1975, nun § 6 Satzung 1993 in veränderter Höhe). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob "fällige Gebühr" (§ 7 Abs. 1 Satz 1), an welche mit der Zuschlagsfolge (§ 7 Abs. 1 Satz 2) erinnert worden war (§ 7 Abs. 1 Satz 1), die des Quartals Juli bis September 1992 sein dürfte, denn wie inzwischen feststeht, war auch an die Rückstände des letzten Quartals 1992 erinnert worden.

Nach Satzungsrecht war die vom Kläger mit der Zahlung der niedrigeren "Gebühren" angesichts des vorangegangenen Schriftwechsels (u.a. seines Schreibens vom 25. Mai 1992) inzident vorgenommene Tilgungsbestimmung (Erfüllung der Gebührenpflicht des laufenden Quartals, nicht von Rückständen etc.) unwirksam. Zwar gilt das Bestimmungsrecht des Schuldners (§ 366 Abs. 1 BGB) auch im öffentlichen Recht (BGH NJW 1985, 3064, 3065; Heinrichs in Münchener Kommentar, BGB II 3. Auflage 1994 § 366 Rdnr. 6) und dann, wenn es im Kontext mehrerer Forderungen aus einem Dauerschuldverhältnis wahrgenommen wird (vgl. zu § 366 Abs. 1 BGB BGHZ 91, 375, 379); es kann inzident ausgeübt werden (Heinrichs in Palandt, BGB 55. Auflage 1996 § 366 Rdnr. 4). Aber die Satzung steht jener Befugnis des Gebührenschuldners entgegen.

Die Satzung ist mit diesem Regelungsgehalt wirksam (allgemein zur Ermächtigung und Satzungsgewalt der Rundfunkanstalten Grupp a.a.O. S. 54 f., der S. 63 hinsichtlich der Verrechnung keine Bedenken äußert). Sie wird von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt und verstößt auch sonst nicht gegen höherrangiges Recht (woran schon der 3. Senat dieses Gerichts im Urteil vom 25. August 1988 OVG 3 B 74.87 und das BVerwG im Beschluß vom 28. Januar 1987 BVerwG 7 B 6 und 9.87 keinen erkennbaren Zweifel hatten).

Der RGebStV (Artikel 5 Abs. 5 des Vertrages von 1974/1975, jetzt § 4 Abs. 7 des Vertrages von 1991) trägt die Regelung. Wenn er die "Einzelheiten ... des Verfahrens zur Leistung der Rundfunkgebühren", einschließlich von "Nachlässen bei längerfristiger Vorauszahlung" sowie Säumniszuschläge der Gestaltung durch Satzungen überantwortet, spricht der Text dafür, daß auch das Leistungs-Bestimmungsrecht davon umfaßt wird. Hiermit korrespondieren Sinn und Zweck; alle Details der Leistung, der Leistungsvorgang als solcher mit Konsequenzen von Leistungsdefiziten, sollen bzw. soll satzungsmäßig festgelegt werden dürfen. Die Systematik des RGebStV steht nicht entgegen bzw. begrenzt die Ermächtigung nicht hinsichtlich der Regelung gerade der Einzelheit Verrechnung. Die Norm (Artikel 5, jetzt § 4) regelt sowohl die Pflicht des Teilnehmers (u.a. Artikel 5 Abs. 1, 2) wie die Rechte der Anstalt (wie zuvor, ferner Artikel 5 Abs. 3, 4). Daß der RGebStV die Qualität als "Schickschuld" selbst und an anderer Stelle bestimmt (Artikel 8 Abs. 2 Satz 1, jetzt § 7 Abs. 3 Satz 1), ebenso die etwaige Rückforderung (Artikel 8 Abs. 4, nun § 7 Abs. 4), ändert daran ebensowenig wie, daß das bloße Vollstreckungsverfahren (Artikel 8 Abs. 5, § 7 Abs. 6) und jetzt der Leistungsbescheid (§ 7 Abs. 5) schon im RGebStV und speziell erfaßt sind, - zumal letztere gerade an die Entstehung und das Fortdauern des Gebührenanspruchs geknüpft sind, welche als Komplex vorab normiert werden (Artikel 5 Entstehen der Gebührenpflicht, verschiedene Arten der Beendigung, u.a. Leistung, Verjährung).

Die Satzung kollidiert nicht mit anderen Vorgaben des RGebStV. Insbesondere entleert sie keineswegs den Sinn- und Schutzgehalt der Verjährungsnorm (Artikel 5 Abs. 3, jetzt § 4 Abs. 4). Abgesehen von der Frage, ob der alsbald zu erwartende Gebührenbescheid die Verjährung nicht ohnehin unterbricht (dazu OVG Münster, Urteil vom 18. Januar 1985 4 A 1688.83), handelt es sich um unterschiedliche Aspekte der Gebührenschuld und behält die Verjährung ihr spezielles Anwendungsfeld. Daß die bei Verrechnung ganz oder teilweise erloschene ältere Schuld - ihren Fortbestand fingiert - relativ schnell "ansteigt", ist eine allgemeine Erscheinung und nicht gerade rundfunkgebührenrechtlich ausgeschlossen. Durchgreifende Bedenken wegen der Bestimmt-
heit von Abgaben sieht der Senat ebensowenig.

Die Satzung ist endlich nicht wegen des zitierten allgemeinen Rechtsgrundsatzes (Tilgungsrecht des Schuldners) oder des Verhältnismäßigkeitsprinzips unwirksam. Die Gestaltung des Rechtsgrundsatzes gibt im Grunde schon die Ermächtigung im RGebStV bzw. Zustimmungsgesetz frei. Jedenfalls besteht er nur mit der Maßgabe, daß er beschränkbar ist, nicht anders als er im Zivilrecht, dort gegebenenfalls durch Allgemeine Geschäftsbedingungen reduziert oder "abbedungen" werden kann (insoweit BGHZ 91, 375, 378 f., 380 f.; Heinrichs im MK a.a.O. § 366 Rdnr. 7 und im Palandt a.a.O. § 366 Rdnr. 5). Im öffentlichen Recht finden sich etwa Regeln zum Vorrang von Gebühren (s. BVerwG Buchholz 442.053 Nr. 1), die im Ergebnis wie eine Verrechnung wirken. Der Zweck, den Zahlungsverkehr im EDV-Massenverfahren zu erleichtern, korrespondiert mit den Normen zur "Verwaltung" der Rundfunkgebühren. Daß die Zuordnung von Leistungen auch anders erfolgen könnte, ist unerheblich. Schon eine beachtliche Zahl individueller Tilgungsbestimmungen, sollte sie den Leistungen der vermittelnden Bank etc. überhaupt entnommen werden können, würde erheblichen zusätzlichen Aufwand bedingen. Die Verrechnung kommt im übrigen den Interessen des Schuldners insoweit mittelbar zugute, als dieser nicht alsbald durch Vollstreckung von Rückständen betroffen wird.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1, 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Gründe vorliegt.


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Oh, ich war wohl noch nicht ganz ausgeschlafen.  ;)

Die korrekte Staffelung ist:

Mensch wohnt in Singlehaushalt -> Mensch soll 210 EUR jährlich Rundfunkzwangsabgabe entrichten
Mensch wohnt in 2-Personen-Haushalt -> Mensch soll 105 EUR jährlich Rundfunkzwangsabgabe entrichten
Mensch wohnt in 3-Personen-Haushalt -> Mensch soll 70 EUR jährlich Rundfunkzwangsabgabe entrichten
Mensch wohnt in 4-Personen-Haushalt -> Mensch soll 52,50 EUR jährlich Rundfunkzwangsabgabe entrichten

Mensch wohnt in 2-Personen-Haushalt und führt berufsbedingt etwas abseits einen eigenen Singlehaushalt -> Mensch soll 315 EUR jährlich Rundfunkzwangsabgabe entrichten
(Zum Vergleich: Das ist sechs mal so viel wie das, was ein Mensch, der in einem 4-Personen-Haushalt (z. B. WG) wohnt, zu entrichten hat!)

...


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Hallo Knax und vielen Dank für's Einstellen des Urteils!

Wie Ihr sicherlich wisst, müssen alle die gleiche, pauschale Beitragshöhe zahlen.

... stimmt so nicht ganz, siehe vorigen Beitrag ...


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