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Allgemeines => Dies und Das! => Thema gestartet von: pinguin am 19. Mai 2021, 02:04

Titel: BFH VIII B 38/20 - FG muß alle Prozessakten berücksichtigen
Beitrag von: pinguin am 19. Mai 2021, 02:04
Beschluss vom 04. Februar 2021, VIII B 38/20

Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens bei der Entscheidungsfindung
https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202150055/

Rn. 3
Zitat
1. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gesamtergebnis des Verfahrens umfasst den gesamten durch das Klagebegehren begrenzten und durch die Sachaufklärung des Gerichts und die Mitverantwortung der Beteiligten konkretisierten Prozessstoff. Insbesondere verpflichtet § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO das Gericht, den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16.07.2019 - X B 114/18, BFH/NV 2019, 1127, Rz 21; vom 05.06.2020 - VIII B 38/19, BFH/NV 2020, 1267, Rz 3).

Rn. 4
Zitat
2. Das FG hat den aktenkundigen und festgestellten Umstand, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids 2009 vom 17.12.2014 unter Hinweis auf eine inhaltliche Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen am gleichen Tag per Telefax widerrufen und erst nach inhaltlicher Prüfung der Einwände der Körperschaftsteuerstelle am 19.12.2014 einen (auch hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen) unveränderten Bescheid für das Streitjahr 2009 erlassen hat, bei seiner Entscheidungsfindung nicht hinreichend berücksichtigt. Hierin liegt ein Verstoß gegen die Vorgaben aus § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO, der zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Streitfalls an das FG führt (§ 116 Abs. 6 FGO).

Im Land Berlin sind die FG in Sachen Rundfunkbeitrag zuständig? Insofern müsste das FG auch evtl. in den Prozessunterlagen enthaltene grundrechtliche Aussagen in seine Entscheidungsfindung einbeziehen?
Titel: Re: BFH VIII B 38/20 - FG muß alle Prozessakten berücksichtigen
Beitrag von: pjotre am 19. Mai 2021, 15:59
Die allgemeine Bedeutung:
Hier wird das allgemeine Prinzip des rechtlichen Gehörs einmal mehr gedeutet im Sinn: Alles Bürgervorbrringen ist im Entscheid zu berücksichtigen.

Dies als allgemeines Prinzip gilt analog für alle Gerichte mit Ermittlungspflicht - Finanzgerichte, Verwaltungsgerichte, Strafgerichte.

Der Fund von @pinguin ist vorgemerkt für Einbringung im entsprechenden Abschnitt der 800 Seiten Anlage zu Verfassungsbeschwerden. Denn wie wir wissen, in VG-Verfahren in Sachen Rundfunkabgabe werden umfangreiche vielschichtige Klägeranträge einfach irgendwie unbearbeitet gelassen, dies auch seitens der ARD-Mitarbeiter. Auch für diese gilt das Prinzip der Pflicht des rechtlichen Gehörs.