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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: Spark am 04. März 2020, 03:26

Titel: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 04. März 2020, 03:26
Recht einer verhältnismäßigen Einflussnahme auf den Abgabentatbestand einer Vorzugslast?

Wie unschwer zu erkennen, zielt dieses auf die allgemeine Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 GG ab. Aber auch Artikel 3 Abs.1 GG ist hier mitbetroffen.

Die direkte Frage auf ein Recht einer verhältnismäßigen Einflussnahme auf den Abgabentatbestand einer Vorzugslast ist mir derzeit nicht bekannt. Aber müßte ein solches Recht nicht zwangsläufig existieren? Alleine schon um eine ausreichende Balance zwischen Rechten und Pflichten der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs.1 GG zu gewährleisten und auch, um eine Ungleichbehandlung i.V.m. Artikel 3 Abs.1 GG zu verhindern.

Wie jedem hier bekannt, gibt es beim Rundfunkbeitrag keine Rechte, nur eine Pflicht zur Zahlung dessen. Eine verhältnismäßige Einflussnahme auf den Abgabentatbestand existiert auch nicht.

Gibt es vielleicht vergleichbare Vorzugslasten, die genauso extrem ausgestaltet sind, wie der derzeitige Rundfunkbeitrag?


Edit "Bürger": Thread-Betreff noch präzisiert - hoffentlich ok so.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Bürger am 04. März 2020, 05:17
Ich halte die Fragestellung bzw. auch die Formulierung für sehr gut.

Sie drückt meines Erachtens - mit anderen Worten - das aus, was u.a. auch Dr. Hennecke(?) in seiner Streitschrift ausdrückt - siehe u.a. unter
Streitschrift von Dr. Frank Hennecke verfügbar
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22074.0.html

Die genaue Quelle und den genauen Wortlaut habe ich gerade nicht parat und bitte diesbezüglich um Hilfestellung.

Es muss demgemäß - sofern kein Anschluss- und Benutzungszwang besteht - eine (verhältnismäßige/ zumutbare) Möglichkeit geben, den Abgabentatbestand nicht zu verwirklichen.

Dies ist beim Rundfunkbeitrags-Ersatz-Abgabentatbestand "Wohnen" nicht gegeben - war es aber so gesehen auch bei der Zwischen-Station der "PC-Gebühr" schon nicht mehr.

Schließlich hatte auch Prof. Kirchhof in seinem Gutachten eine sog. "Widerlegbarkeit der Regelvermutung" als erforderlich erachtet. Nichts davon ist umgesetzt - siehe u.a. unter
Stellungnahme Prof. Kirchhof zur vom Gutachten abweichenden Gesetzgebung
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,10673.0.html
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,10673.msg72732.html#msg72732
wobei dies noch eine etwas andere Spur ist, als das
Recht einer verhältnismäßigen Einflussnahme auf den Abgabentatbestand einer Vorzugslast.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Zeitungsbezahler am 04. März 2020, 08:29
Es muss demgemäß - sofern kein Anschluss- und Benutzungszwang besteht - eine (verhältnismäßige/ zumutbare) Möglichkeit geben, den Abgabentatbestand nicht zu verwirklichen.

Sarkasmus ein:
Gibt es, du hast schließlich die Möglichkeit, obdachlos zu werden.
Sakasmus aus.

Dahingehend war ja Kirchhof I ja schon auf dem richtigen Weg, keine Geräte - kein Vorteil.
Davon ausgehend war auch das Verwaltungsgericht Berlin mit seiner 27.Kammer in Form eines "Musterurteils" dieser Ansicht, hat aber nichts genutzt, weil höhere Gerichte das anders sehen mußten...
Die Rechtsverbiegung von Kirchhof II mit dem Vorteil der Möglichkeit macht ja das Willkürurteil offensichtlich.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: seppl am 04. März 2020, 08:30
Wie ich anhand des Beispiels einer Studentin in ihrer Verhandlung
siehe
VERHANDLUNG VG Hamburg, Di 18.02.2020, 11:30 Uhr
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33312.msg204073.html#msg204073

versucht habe darzustellen, ist mit so einer Schuld, die nicht aus einer Willenserklärung, bzw. nicht aus eigener Verantwortung entsteht, die hoheitliche Einflussnahme auf die persönliche Lebensgestaltung auszuschliessen. Hier sind die Studiengebühren, die als Kredit zurückzuzahlen sind ein gutes Beispiel. Sie werden nicht als Last auf die Berechnung des Rundfunkbeitrags aufgerechnet, sonders als "Privatvergnügen" verbucht. Das geht nicht. Auch der Status der Alleinerziehenden ist finanziell so belastend, dass jedem normal denkenden Menschen klar sein muss, dass hier eigentlich Befreiungstatbestände bestehen. (Wenn der Rundfunkbeitrag nicht aus dieser Missachtung der Person nicht schon generell abgelehnt wird)

Ein anderes Beispiel, das ich heranziehe, ist der Häuslebauer, der - um sich einen Lebenstraum zu erfüllen - für den Bau oder Kauf von Eigentum hohe Kreditveträge abschliesst, die ihm im wirtschaftlichen Haushaltsbereich für mehr oder weniger lange Zeit nur wenig Spielraum lassen und es rechnerisch nur geht, wenn er jede mögliche für ihn unnötige Last weglassen kann. Dies wird ebenfalls nicht berücksichtigt, gehört aber zum unantastbaren Bereich der persönlichen Lebensgestaltung.

Das Urteil, dass Studenten die Möglichkeit gibt, sich auch aus anderen als behördlich belegten Finanzschwierigkeiten befreien lassen zu können geht bereits für diese Problematik in die richtige Richtung, nur nicht so weit, dass es die persönliche Lebensgestaltung nicht mehr beeinflusst. Die Studentin des Beispiels hat ja nicht aus Spaß geklagt. Man darf gespannt sein, welche Fälle mit der Zeit da noch auftauchen werden. Was für Studenten gilt, muss auch für andere Menschen gelten.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: PersonX am 04. März 2020, 09:34
Wie jedem hier bekannt, gibt es beim Rundfunkbeitrag keine Rechte, nur eine Pflicht zur Zahlung dessen. Eine verhältnismäßige Einflussnahme auf den Abgabentatbestand existiert auch nicht.

Nur weil die Rechte nicht schriftlich fixiert wurden im Rundfunkbeitragstaatsvertrag bzw. in den Zustimmungsgesetzen bedeutet das jedoch nicht, dass es keine gibt. Jeder hat, wenn der Staat vergessen hat, eine Beschwer dahin gehend zu erschaffen, dass der Rundfunkbeitrag nicht abgelehnt werden kann, das Recht entsprechend auch bereits aus Kostengründen gelten zu machen.
Darüber hatte das Bundesverfassungsgericht soweit ersichtlich auch keine Entscheidung getroffen, also ob das Recht dazu entfallen ist.

Bleibt halt festzustellen, wie genau die Erklärung aussehen muss, welche abgegeben wird. Tendenziell würde bei Fortsetzung der dann als Belästigung empfundenen Schreiben eine Unterlassungserklärung gefordert, nachdem erklärt wurde, das Recht entsprechend der nicht vorhanden Beschwer zu nutzen, dadurch dass der Abgabentatbestand -bereits aus Kostengründen- nicht realisiert wird.

Siehe
Streitschrift von Dr. Frank Hennecke verfügbar
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22074.0.html
dort unter
Zitat
4.4.3. Die Beschwer
Eine für die Grundrechtsverletzung erforderliche persönliche Beschwer des Bürgers als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde entfällt nicht schon dann, wenn er tatsächlich Rundfunk empfängt, dies auch will und zu einer angemessenen Zahlung bereit ist. Die Beschwer liegt nicht in einer Zahlungspflicht für empfangene Leistungen als solcher, sondern vielmehr darin, daß dem Bürger die grundrechtlich garantierte Freiheit genommen ist, den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk - auch zu seiner Kostenentlastung - abzulehnen.

Auf einen Antrag auf Befreiung kommt es in allen Fällen, wo der Abgabentatbestand durch Erklärung seiner Rechte nicht realisiert wird, nicht mehr an. Der Gesetzgeber will ja nur solche Personen befreien, welche für sich den Abgabentatbestand anerkennen.


Edit "Bürger":
Link und Zitat Dr. Hennecke zu "Beschwer" ergänzt.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 04. März 2020, 10:27
@PersonX
Wenn der Abgabentatbestand, welcher im privaten Bereich das Innehaben einer Wohnung ist, schon aus Kostengründen nicht realisiert wird, dann ist man ja eh obdachlos, also nicht beitragspflichtig, zumindest theoretisch.

Beim besten Willen, aber ich kann keine Rechte entdecken, welche einem die Rundfunkbeitragspflicht einräumen könnte oder würde. Vielleicht die Möglichkeit einer Programmbeschwerde? Die könnte ich aber auch einreichen wenn ich nicht beitragspflichtig wäre.

Wenn es kein Recht einer verhältnismäßigen Einflussnahme auf den Abgabentatbestand einer Vorzugslast gibt, was unterscheidet diese dann noch von einer Steuer?
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: PersonX am 04. März 2020, 10:59
Nein, das Innehaben der Wohnung ist laut Bundesverfassungsgericht nicht der Abgabentatbestand

BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. (1-157),

http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html
Zitat
L e i t s ä t z e
[...]
3. Die Landesgesetzgeber durften die Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich an das Innehaben von Wohnungen in der Annahme anknüpfen, das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werde typischerweise in der Wohnung in Anspruch genommen. Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen kommt es nicht an.
[...]
> Die Wohnung ist der Anknüpfpunkt ;) "...in der Annahme anknüpfen..."

Zitat
L e i t s ä t z e
1. Das Grundgesetz steht der Erhebung von Vorzugslasten in Form von Beiträgen nicht entgegen, die diejenigen an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung beteiligen, die von ihr - potentiell - einen Nutzen haben.
[...]
> Abgabetatbestand für die "Erhebung von Vorzugslasten in Form von Beiträgen" -> der "von ihr - potentiell - einen Nutzen" haben.

Wird das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht in Anspruch genommen:

-> Jeder kann somit erklären, das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird nicht in Anspruch genommen. Insbesondere bereits aus Kostengründen nicht.
-> Es kann auch erklärt werden, dass Programmangebot wird nicht in Anspruch genommen, weil es keinen - insbesondere keinen potentiell finanziellen - Nutzen hat.
-> Der Vorteil für den Bürger bei einer Vorzugslast soll ein finanzieller sein, welchen er realisieren kann, wenn er das für sich gewünschte Angebot sonst zu einem sehr viel schlechteren Preis erwerben müsste.
-> Das setzt jedoch voraus, dass der Bürger bereit ist auch andere Angebote realisieren zu wollen. -> Es kann jedoch kein Vorteil entstehen, wenn das nicht der Fall ist.

-> Darüber hat das Bundesverfassungsgericht schlicht keine Entscheidung gefällt.

Ergänzend kann erklärt werden, dass das duale Rundfunkangebot -bereits aus Kostengründen- nicht in Anspruch genommen wird.

-> Sofern "-bereits aus Kostengründen-" weggelassen wird, sollte deutlicher gemacht werden, dass es am fehlenden Vorteil liegt.

Würde eine Person U ein Rundfunkangebot sich wünschen und dieses auf dem freien Markt nicht finden oder es dort zu teuer sein, dann hätte sie vielleicht einen finanziellen Vorteil, wenn durch die staatliche Maßnahme eine Vorzugslasten in Form von Beiträgen realisiert würde, wenn diese Maßnahme das Angebot liefern kann.

-> Besteht bereits der Wunsch nicht, ein Angebot auf dem freien Markt zu suchen, dann kann die staatliche Maßnahme auch keinen "finanziellen" Vorteil liefern.

-> Die Vorzugslast soll aber genau das, sie soll einen "finanziellen" Vorteil abschöpfen.

am Rand ein Lesetip -> "Finanzverfassungsrecht Sommersemester 2019"

gleich die erste Seite der PDF

https://www.jura.uni-bonn.de/fileadmin/Fachbereich_Rechtswissenschaft/Einrichtungen/Lehrstuehle/Gaerditz/Vorlesung/FinanzverfR/Finanzverfassungsrecht-AP3a.pdf (https://www.jura.uni-bonn.de/fileadmin/Fachbereich_Rechtswissenschaft/Einrichtungen/Lehrstuehle/Gaerditz/Vorlesung/FinanzverfR/Finanzverfassungsrecht-AP3a.pdf)

Zitat
1 VerfGE108, 186 (216); 108, 1 (17); 97, 332 (345); 93, 319 (343f.); 92, 91 (115).
2 Siehe BVerfGE97, 332 ff.

Insbesondere sollten wohl auch nochmal Urteile gesichtet werden

BVerfGE 108, 186 - Informationspflichten bei Sonderabgaben
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv108186.html
die RTF Zeilenversion -> dort ab 216 suchen und lesen

http://sorminiserv.unibe.ch:8080/tools/ainfo.exe?Command=DownloadWithPages&Name=bv108186 (http://sorminiserv.unibe.ch:8080/tools/ainfo.exe?Command=DownloadWithPages&Name=bv108186)

Zitat
[...] Sonderabgaben im engeren Sinn zeichnen sich dadurch aus, dass der Gesetzgeber Kompetenzen außerhalb der Finanzverfassung in Anspruch nimmt, obwohl weder ein Gegenleistungsverhältnis noch ähnlich unterscheidungskräftige besondere Belastungsgründe eine Konkurrenz der Abgabe zur Steuer ausschließen. Sonderabgaben schaffen trotz ihrer Ähnlichkeit mit den ebenfalls "voraussetzungslos" erhobenen Steuern neben diesen und außerhalb der Grundsätze steuergerechter Verteilung der Gemeinlasten zusätzliche Sonderlasten und gefährden in den Fällen organisatorischer Ausgliederung des Abgabenaufkommens und seiner Verwendung aus dem Kreislauf staatlicher Einnahmen und Ausgaben zugleich das Budgetrecht des Parlaments. Wegen dieser Gefährdungen der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen sowie des parlamentarischen Budgetrechts unterliegen Sonderabgaben engen Grenzen und müssen deshalb gegenüber den Steuern seltene Ausnahmen bleiben (vgl. BVerfGE 55, 274 [308]; 82, 159 [181]; 91, 186 [203 f.]; 92, 91 [113]; 98, 83 [100]; 101, 141 [147]). Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen für Sonderabgaben mit Finanzierungszweck entwickelt, deren Erfüllung die Vereinbarkeit der Sonderabgaben mit den grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung sicherstellen soll. Sie gelten für den Bund wie für die Länder (vgl. BVerfGE 92, 91 [115 f.], im Anschluss an BVerfGE 67, 256 [285 f.]; BVerfGE 101, 141 [148]): Der Gesetzgeber darf sich 218:der Abgabe nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Mit einer Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe belegt werden, die in einer spezifischen Beziehung zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck steht. Das Abgabenaufkommen muss gruppennützig verwendet werden (BVerfGE 75, 108 [147 f.]; vgl. aus der stRspr näher BVerfGE 55, 274 [305 ff.]; 67, 256 [275 ff.]; 82, 159 [179 ff.]).
Die Bindung zulässiger Sonderabgaben an einen besonderen Sachzweck hat die Rechtsprechung durch Prüfungs- und Anpassungspflichten des Gesetzgebers verstärkt: Soll eine Aufgabe auf längere Zeit durch Erhebung einer Sonderabgabe finanziert werden, so ist der Gesetzgeber gehalten, in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen, ob seine ursprüngliche Entscheidung für den Einsatz des Mittels "Sonderabgabe" aufrechtzuerhalten oder ob sie wegen veränderter Umstände, vor allem wegen Wegfalls des Finanzierungszwecks oder Zielerreichung, zu ändern oder aufzuheben ist (BVerfGE 82, 159 [181]; vgl. auch bereits BVerfGE 55, 274 [308]).
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Besucher am 04. März 2020, 12:03
Recht einer verhältnismäßigen Einflussnahme auf den Abgabentatbestand einer Vorzugslast?

Wie unschwer zu erkennen, zielt dieses auf die allgemeine Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 GG ab. Aber auch Artikel 3 Abs.1 GG ist hier mitbetroffen.

Die direkte Frage auf ein Recht einer verhältnismäßigen Einflussnahme auf den Abgabentatbestand einer Vorzugslast ist mir derzeit nicht bekannt. Aber müßte ein solches Recht nicht zwangsläufig existieren?
...
Wie jedem hier bekannt, gibt es beim Rundfunkbeitrag keine Rechte, nur eine Pflicht zur Zahlung dessen. Eine verhältnismäßige Einflussnahme auf den Abgabentatbestand existiert auch nicht.
...

Als nicht verhältnismäßige Einflussnahme auf den Abgabentatbestand wäre sicher der Verzicht auf eine Wohnung anzusehen - wird ein Dach über dem Kopf doch bekanntlich (wenn auch nicht notwendigerweise von allen Verwaltungsrichtern :->>>) als elementares Kennzeichen einer menschenwürdigen Existenz betrachtet.

Im Rechtswesen wird ja des Öfteren gern auch mit Vergleichen gearbeitet.  Vergleiche / Beispiele / Gedankenexperimente , oder auch mal das Pferd von anderwärts aufzuzäumen erlauben es manchmal, sich besser oder weiter über das Wesen oder Unwesen von Bestimmungen klarzuwerden. Und je radikaler so ein Beispiel ist, umso weniger Möglichkeiten für die aktuell ja öfter mal sehr beliebte gerichtliche »Problemlösungsstrategie«, die entscheidenden Punkte notfalls in vierfachen Schachtelsätzen mit 5 Negationen nacheinander wegzuschwurbeln.

Ein Tatbestand, dem sich kein Mensch entziehen kann, wäre doch etwa das Atmen. Was könnnte denn etwa den Staat legitimieren (oder es ihm verbieten), bspw. den aus seiner Sicht von ihm durch seine Umweltpolitik dem Bürger ermöglichten »Vorteil« des Atmens halbwegs sauberer Luft über einen Atembeitrag vom Bürger finanzieren zu lassen (statt z. B. die die Umwelt verschmutzende Industrie direkt oder indirekt blechen zu lassen, die wiederum den Politikern dann u. a. bessere Bestechungsgelder / besser vergütete Posten zukommen lassen könnte :->>>)?
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 04. März 2020, 13:31
Zitat aus Streitschrift von Dr. F. Hennecke, 3. Auflage Seite 26:
Zitat
Die Möglichkeit des tatsächlichen Rundfunkempfangs ist aber im Gesetz als Abgabentatbestand mit keinem Wort normiert; Abgabentatbestand ist ausschließlich, ausdrücklich und erklärtermaßen die Wohnung des Bürgers. §2 Abs. 1 LG RBStV regelt diesen Tatbestand mit erschreckender Deutlichkeit.
Die rigiden und perfektionierten Anzeigepflichten, Auskunftsrechte und Datennutzungsrechte der §§ 8, 9, 11 und 14 der Beitragsgesetze dienen der Ermittlung genau dieses Tatbestandes und der Verwaltung der Ergebnisse.

Man sollte eigentlich davon ausgehen können, dass auch das Bundesverfassungsgericht an das Gesetz, hier das Grundgesetz, gebunden ist.

Zitat Artikel 20 Abs. 3 GG:
Zitat
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_02-245124

Im RBStV ist die Wohnung des Bürgers eindeutig als Abgabentatbestand definiert. Ein weiterer Abgabentatbestand, wie es Dr. Hennecke schon richtig anmerkte, wurde im Gesetz nicht normiert. Schon gar nicht die bloße Möglichkeit eines Rundfunkempfangs.
Wenn die Richter in Karlsruhe der Auffassung sind, dass sie Artikel 20 Abs. 3 GG einfach ignorieren können, ist das einzig deren Problem.

Der Auslöser für die Zahlungspflicht ist im privaten Bereich laut RBStV nun einmal die Wohnung. Habe ich keine Wohnung, bin ich auch nicht beitragspflichtig.
Und es gibt keine verhältnismäßige Möglichkeit diesen Auslöser der Zahlungspflicht nicht zu verwirklichen.

Es gibt drei Möglichkeiten, aber keine davon kann man auch nur annähernd als verhältnismäßig bezeichnen.
1. Auswandern in ein anderes Land, also den Geltungsbereich des RBStV zu verlassen.
2. Aufgabe der Wohnung, also sich ein schickes Plätzchen unter einer Brücke suchen.
3. Ein dauerhafter Umzug in eine 2 m lange Holzkiste, ca. 3 m unter der Erdoberfläche.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Besucher am 04. März 2020, 13:48
Ist das...

...

Man sollte eigentlich davon ausgehen können, dass auch das Bundesverfassungsgericht an das Gesetz, hier das Grundgesetz, gebunden ist.

...
Wenn die Richter in Karlsruhe der Auffassung sind, dass sie Artikel 20 Abs. 3 GG einfach ignorieren können, ist das einzig deren Problem.

Der Auslöser für die Zahlungspflicht ist im privaten Bereich laut RBStV nun einmal die Wohnung. Habe ich keine Wohnung, bin ich auch nicht beitragspflichtig.
Und es gibt keine verhältnismäßige Möglichkeit diesen Auslöser der Zahlungspflicht nicht zu verwirklichen.

Es gibt drei Möglichkeiten, aber keine davon kann man auch nur annähernd als verhältnismäßig bezeichnen.
1. Auswandern in ein anderes Land, also den Geltungsbereich des RBStV zu verlassen.
2. Aufgabe der Wohnung, also sich ein schickes Plätzchen unter einer Brücke suchen.
3. Ein dauerhafter Umzug in eine 2 m lange Holzkiste, ca. 3 m unter der Erdoberfläche.

...denn tatsächlich so, wenn man sich die beschriebenen Implikationen ansieht? Solange die Frage nicht geklärt ist, ob die bisherigen (direkt abgewiesenen oder abschlägig beschiednen) Klagen auf europarechtlicher Ebene denn wirklich alles richtig gemacht hatten (in dem Sinn, dass der EGMR kein Revisionsgericht ist), ist nicht auszuschließen, dass das in Ri. Grundrechtecharta oder EMRK nicht doch noch eine gewisse Virulenz entfalten könnte.

PS: Punkt 3 Deiner Aufzählung ist nur bedingt zutreffend. Konrad Duden hatte im lt. Jahr noch Bekanntschaft mit dem »Beitragsservice« gemacht. Der (oder andere zuständige Herrschaften) hatte bloß entweder keinen Leiterwagen zur Verfügung (oder die war zu kurz), um des auf einer Wolke sitzenden Herrn Duden habhaft werden zu können. Sonst wäre der garantiert auch in Beugehaft gelandet :->>>>.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: pinguin am 04. März 2020, 14:41
@Spark

Die Rundfunkverträge sind Landesrecht, dem das Bundesrecht übergeordnet ist; das BVerfG bemißt das Landesrecht am Bundesrecht, nicht umgekehrt.

Leider wurde bislang noch immer nicht verinnerlicht, welche Kriterien das BVerfG für die bundesrechtliche Abgabeart "Beitrag" aufgestellt hat; auf Grund des Finanzmonopoles des Bundes hat es keine landesrechtliche Abgabeart "Beitrag".

Was das Land hier meint oder Landesgerichte hier deuten, ist bundesrechtlich völlig ohne Belang; das BVerfG orientiert sich gemäß Art. 20 Abs 3 GG freilich an Recht und Gesetz, nur tun dieses weder Länder noch deren Gemeinden, solange sie sich über die von Europa und Bund aufgestellten Rahmenkriterien hinwegsetzen.

Bitte berücksichtige, daß jede Gemeinde kraft der "Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung", (=völkerrechtlicher Vertrag des Bundes = Bundesrecht), absolut selbst dafür verantwortlich ist, daß auch ihr gesetzte Bundes- und Europarecht einzuhalten und folglich auch in letztlich alleiniger Staatshaftung steht, wenn sie sich über diese Rahmenbestimmungen hinwegsetzt und Unternehmen wie Bürger belastet, die bei korrekter Rechtsanwendung nicht belastet würden.

Erneut wird daran erinnert:

Zitat
Rn. 169 - BVerfG - 2 BvG 1/60, 2 BvG 2/60
[...] Aus dem Verfassungsgrundsatz der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten kann sich weiter die Pflicht der Länder zur Beachtung von völkerrechtlichen Verträgen des Bundes ergeben (BVerfGE 6, 309 [328, 361 f.]). Unter Umständen kann schließlich ein Land mit Rücksicht auf seine Pflicht zur Bundestreue verpflichtet sein, im Wege der Kommunalaufsicht gegen Gemeinden einzuschreiten, die durch ihre Maßnahmen in eine ausschließliche Bundeskompetenz eingreifen (BVerfGE 8, 122 [138 ff.]). Auch bei der Wahrnehmung der Bundeskompetenzen auf dem Gebiet des Rundfunks ist, wie oben dargelegt (vgl. I 4 d und D II 7 b), der Satz vom bundesfreundlichen Verhalten von grundsätzlicher Bedeutung. 

BVerfGE 12, 205 - 1. Rundfunkentscheidung - Begriff "Rundfunk"
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31178.msg193852.html#msg193852

Desweiteren bitte die im nachstehend verlinkten Thema zitierte Aussage des BVerfG zur Völkerrechtsdurchbrechung beachten; welches hier nicht auch noch separat wiederholt werden soll:

Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22126.msg204130.html#msg204130


Edit "Bürger": Können wir mal bitte eng am und mit konkretem Bezug zur Eingangsfrage und damit am eigentlichen Kern-Thema bleiben? Danke.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 04. März 2020, 17:46
Um wieder auf die Eingangsfrage zurückzukommen, die vielleicht doch etwas missglückt ist.
Mir geht es um den "Auslöser der Beitragspflicht". Bisher bin ich davon ausgegangen, dass es sich dabei um den Abgabetatbestand handelt. Sollte das aber nicht die richtige Bezeichnung sein, dann bleibe ich bei "Auslöser der Beitragspflicht".
Und laut RBStV ist der "Auslöser der Beitragspflicht" nun einmal die Wohnung.

Und die Frage, die ich mir stelle ist, ob es nicht ein Recht auf eine realistische Möglichkeit gibt, diesen "Auslöser der Beitragspflicht" nicht zu verwirklichen. Etwas, das beim Rundfunkbeitrag nicht gegeben ist.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Bürger am 04. März 2020, 18:28
Statt hier - wie oben leider bereits geschehen - in dies und das und allgemeines abzudriften, sollte nach Rechtsprechung zu genau diesem Aspekt der "Nichtverwirklichung" des "Abgabentatbestandes" bzw. "Abgabenauslösers" gesucht werden. Danke.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: pinguin am 04. März 2020, 18:46
Und laut RBStV ist der "Auslöser der Beitragspflicht" nun einmal die Wohnung.
Aber nicht nach höherrangigem Bundesrecht, wonach die Abgabeart "Beitrag" zwingend mit dem Interesse an der durch diese Abgabe finanzierten Dienstleistung verknüpft ist.

Der Rundfunkbeitrag finanziert den Rundfunk, nicht die Wohnung.

Siehe hierzu auch:

BVerfG 1 BvR 1675/16 - Rundfunkbeitrag ist eine Sonderabgabe
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33318.msg203645.html#msg203645

und zur Erinnerung:
BVerfG - 2 BvN 1/95 - bereits einfaches Bundesrecht bricht Landesrecht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31000.msg193010.html#msg193010
Zitat
Auszug Rn. 60
[...] Können die sich in ihrem Regelungsbereich überschneidenden Normen bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen, so bricht Bundesrecht jeder Rangordnung eine landesrechtliche Regelung auch dann, wenn sie Bestandteil des Landesverfassungsrechts ist [...]


Edit "Bürger":
Nochmals die eindringliche Bitte, die Eingangsfrage zu verinnerlichen. Es geht hier nicht darum, was der "Anknüpfungspunkt" oder "Auslöser der Beitragspflicht" nach "höherrangigem Recht" sein "sollte", sondern darum, dass es im "real existierenden" RBStV manifestierte "Anküpfungspunkt"/ "Auslöser der Beitragspflicht" das "Innehaben der Wohnung" ist - und in dieser Pauschalität und "Unausweichlichkeit" mglw. unverhältnismäßig und aus diesem(!) Grunde unzulässig ist, weil gemutmaßt wird, dass es ein Recht geben müsse, den "Abgabentatbestand"/ "Anknüpfungspunkt"/ "Auslöser der Beitragspflicht" in verhältnismäßiger Weise "vermeiden" zu können.
Bitte also nochmals Besinnung auf die eigentliche Frage hier
Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Danke für allerseitiges Verständnis und nunmehrige konsequente Berücksichtigung.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 06. März 2020, 17:18
Der Rundfunkbeitrag finanziert den Rundfunk, nicht die Wohnung.

@pinguin
Ich bin zwar ein juristischer Grünschnabel, aber hoffentlich doch kein kompletter Dummkopf. ;D Dass der Rundfunkbeitrag nicht für die Wohnung zu entrichten ist, ist sogar mir schon aufgefallen. ;) Aber der Rundfunkbeitrag ist wegen der Wohnung zu entrichten.

Die eigentliche Frage läßt sich leider nicht mit einem einfachen "Ja" oder "Nein" beantworten. Ich stecke da auch noch etwas fest, und daher hatte ich gehofft, durch die Fragestellung einige neue Impulse zu erhalten. Aber je mehr ich darüber nachdenke, wird mir auch bewusst, dass es wesentlich komplexer ist, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

Eines kann man aber schon einmal als Tatsache festhalten - eine kleine Reise durch die Zeit verdeutlicht dieses sehr gut. Die Einflußnahme auf den Auslöser der Zahlungspflicht wurde immer unverhältnismäßiger:

> Gehen wir zurück zu Zeiten der Rundfunkgebühr, und ich meine damit die Zeit vor der Einführung des dualen Rundfunksystems.
Ein Verzicht auf den Besitz von Empfangsgeräten reichte aus, um keiner Zahlungspflicht zu unterliegen. Kein besonders großes Opfer.

> Dann kam das duale Rundfunksystem und aus der ehemaligen Rundfunkgebühr wurde eigentlich schon ein Beitrag.
Der Verzicht auf den Besitz von Empfangsgeräten bedeutete auch weiterhin keiner Zahlungspflicht zu unterliegen. Aber das Opfer wurde schon größer, denn es bedeutete auch, dass man auf einen nicht unerheblichen Teil des Rundfunks - den privaten Rundfunk - verzichten mußte.

> Mit Einführung der sogn. PC-Gebühr konnte man dann schon von einer richtigen Unverhältnismäßigkeit sprechen.
Der Verzicht auf den Besitz von Rundfunkempfangsgeräten und obendrein eines PCs bedeutete nicht nur vom privaten Rundfunk abgeschnitten zu sein. Nein, es bedeutete auch den Verzicht auf den Zugang zum Internet. Bedenkt man alleine die Entwicklung und Rolle des Internets im beruflichen und wirtschaftlichen Bereich, dann kann von einem verhältnismäßigen Opfer wahrlich nicht mehr gesprochen werden.

> Und was haben wir nun seit Anfang 2013? Dafür fallen einem eigentlich schon gar keine passenden Worte mehr ein. Und was wird als nächstes kommen?


Aber das ist eigentlich nur ein Teilaspekt der ganzen Problematik, denn wie schon erwähnt, ist es weitaus komplexer.
Hinzu kommen noch die Grundrechtseingriffe, die auch von den höchsten Gerichten nicht bestritten werden. Erinnert sei hier nur an die Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes von März 2016. Beispielsweise bezüglich der Informationsfreiheit nach Artikel 5 Abs.1 Satz 1 GG. Eine Hinderung des Zuganges zu anderen Informationsquellen sei "hinzunehmen", hieß es dort. Oder die von @Lev zitierte Randnummer 11 der Urteile, welche einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs.1 GG gar bestätigen.

Was aber bei der aktuellen Rundfunkbeitragspflicht komplett fehlt, ist eine irgendwie geartete Kompensation für die Grundrechtseingriffe. Es gibt sie schlicht nicht mehr. Vor dem 18.07.2018 war diese aber noch Bestandteil der Rechtsordnung. Auch andere, bis dahin gültige Kriterien wurden einfach verworfen.
Der Bürger wurde quasi komplett entrechtet. Und wer jetzt argumentiert, die Gegenleistung und Kompensation wäre ja die Möglichkeit des Rundfunkempfangs, der hat immer noch nicht geschnallt, was hier wirklich abgeht.

Als Ausgleich für die Möglichkeit des Rundfunkempfanges dient ausschließlich der aktuelle Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,50 Euro, nicht mehr und nicht weniger.
Aber in Wirklichkeit ist der Rundfunkbeitrag um ein Vielfaches höher, und mit Geld gar nicht aufzuwiegen, denn die Grundrechtseingriffe lassen sich nicht in einem Geldwert ausdrücken.

Daher bin ich der Auffassung, dass es zumindest eine verhältnismäßige und realistische Möglichkeit geben muß, den Abgabentatbestand nicht zu erfüllen.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Eisbert am 06. März 2020, 22:56
Was aber bei der aktuellen Rundfunkbeitragspflicht komplett fehlt, ist eine irgendwie geartete Kompensation für die Grundrechtseingriffe. Es gibt sie schlicht nicht mehr. Vor dem 18.07.2018 war diese aber noch Bestandteil der Rechtsordnung. Auch andere, bis dahin gültige Kriterien wurden einfach verworfen.
Was heißt das?
Wurde es aus dem Rechtskatalog gestrichen oder nur ignoriert, weil sonst das Gebilde des Rundfunkbeitrages seine Rechtsgültigkeit verlieren würde?


Edit "Bürger":
Ich befürchte, die Frage nach der "Kompensation für die Grundrechtseingriffe" wäre eine umfangreiche, über das hiesige Kern-Thema hinausgehende eigenständige Frage, welche hier bitte nicht vertieft werden sollte.
Bitte die eigentliche Eingangsfrage/ Kern-Frage im Fokus behalten, welche da lautet
Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 03. April 2020, 00:28
In Verbindung mit der Eingangsfrage und den ganzen Umständen rund um den Rundfunkbeitrag drängt sich mir noch eine zusätzliche Frage auf:

Inwieweit beeinträchtigt die 2013 eingeführte Beitragspflicht zur Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks die Stellung einer natürlichen Person als Rechtssubjekt und wie weit darf diese Beeinträchtigung mittels einer Vorzugslast gehen um noch rechtsstaatlichen Prinzipien zu genügen?
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: hankhug am 03. April 2020, 01:43
Für die Beantwortung der Eingangsfrage ist doch der Leitsatz 2 des BVerfG-Urteils vom18.07.2018, der als Leitsatz auch Gesetzeswirkung hat, relevant:
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. (1-157),
http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html
Zitat
2. Auch eine unbestimmte Vielzahl oder gar alle Bürgerinnen und Bürger können zu Beiträgen herangezogen werden, sofern ihnen jeweils ein Vorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann und soweit dessen Nutzung realistischerweise möglich erscheint."
Und weiter Leitsatz 3, der ebenfalls Gesetzeswirkung hat:
Zitat
3. Die Landesgesetzgeber durften die Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich an das Innehaben von Wohnungen in der Annahme anknüpfen, das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werde typischerweise in der Wohnung in Anspruch genommen. Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen kommt es nicht an.
Damit hat das BVerfG die komplette Abgabenordnung auf den Kopf gestellt und dem Gesetzgeber Wahlfreiheit zwischen Steuer und Abgabe ermöglicht - siehe dazu u.a. auch Cornils unter
Matthias Cornils: Kommentar zum "Rundfunkbeitrags"-Urteil BVerfG vom 18.07.2018
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=31951.0

Mit dieser Rechtsfortbildung haben die werten BVerfG-Richter ja gerade jegliche historische Rechtsprechung sowie die gesamte Finanzverfassung aus den Angeln gehoben.

Mit Leitsatz 2 (ich erinnere, das ist hiermit Gesetz) stellt sich die Frage ja gar nicht mehr, ob man eine verhältnismäßige Einflussnahme auf den Abgabentatbestand haben muss.
Laut diesem "Gesetz" muss man dem Bürger diese Einflussnahme nicht mehr zugestehen.

Die Frage ist also m.E. eher, ob diese Rechtsfortbildung durch das BVerfG zulässig ist, d.h. wo sind die Grenzen des Richterrechts? Und selbst wenn eine Grenzüberschreitung (anhand welcher Kriterien?) nachgewiesen würde, wem will man das erzählen? Dem BVerfG?
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 03. April 2020, 04:58
@hankhug
Man könnte das natürlich in die Leitsätze hinein interpretieren, aber genau das ist der springende Punkt (oder auch das hüpfende Komma). Wenn ich mich recht erinnere, dann war der Punkt der Eingangsfrage auch Thema einer der verhandelten Verfassungsbeschwerden, welche von RA Boelck betreut wurde. Aber das BVerfG hat sich in seiner Begründung mit keinem Wort dazu geäußert. Warum nicht? Es hätte doch einfach auf irgendwelche früheren Entscheidungen oder auch diverse Kommentare verweisen können, das machen Gerichte doch immer gerne.

Oder liegt es vielleicht im Bereich des Möglichen, dass dieser Punkt noch nie Gegenstand einer Verhandlung war? Zumindest hätte das BVerfG dann die Möglichkeit gehabt, diesbezüglich Klartext zu sprechen, hat es aber nicht.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: hankhug am 03. April 2020, 12:21
Soweit ich mich erinnere, haben alle drei verhandelten Verfassungsbeschwerden der Privatleute bemängelt, dass die Unwiderlegbarkeit der Rundfunknutzungsvermutung ein unzulässiger Grundrechtseingriff ist.

Und aus meiner Sicht hat da das BVerfG auch in seinen Leitsätzen 1-3 Klartext gesprochen:
1.)" ...Der mit der Erhebung des Rundfunkbeitrags ausgeglichene Vorteil liegt in der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können.".
Dass bestimmte Bürger das nicht als Vorteil sehen, ist dem BVerfG egal. Das BVerfG legt quasi fest, dass jeder diesen Vorteil hat.
2.) "Alle Bürger können zu Beiträgen herangezogen werden." (Originaltext verkürzt)
Dass das fundamental im Gegensatz zu bisheriger Rechtsprechung steht und faktisch die Grenze zwischen Steuer und Beitrag aufhebt, ist dem BVerfG egal.
3.)" ...Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen kommt es nicht an."
Der damit verbundene eklatante Grundrechtseingriff ist dem BVerfG egal.

Das Recht einer verhältnismäßigen Einflussnahme auf den Vorzugslast-Abgabentatbestand wird hier also vom BVerfG m.E. offiziell aberkannt. Beim Rundfunkbeitrag hört eben die Rechtsstaatlichkeit auf. Dass sich da ein paar Querulanten nicht damit abfinden können, ist allein deren Problem... 8)
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: marga am 03. April 2020, 12:57
Recht einer verhältnismäßigen Einflussnahme auf den Abgabentatbestand einer Vorzugslast?
(...)
Gibt es vielleicht vergleichbare Vorzugslasten, die genauso extrem ausgestaltet sind, wie der derzeitige Rundfunkbeitrag?
(...)

Solange die CDU/CSU und die SPD die Positionen der Richter am Bundesverfassungsgericht bestimmen, wird der derzeitige Rundfunkbeitrag so behandelt wie das Parteibuch es vorschreibt.
Für vergleichbare Vorzugslasten zu suchen, wird sich wohl nichts finden.
Der Rundfunkzwangsbeitrag ist einmalig.

Zitat
Während über das genaue Zustandekommen des für die Erstbesetzung des Bundesverfassungsgerichts zwischen Regierung und Opposition gefundenen Kompromisses Unklarheit besteht,[1] ist es spätestens seit der ersten Ergänzungswahl politische Praxis, dass sich Union und SPD gegenseitig das Besetzungsrecht für die freiwerdenden Sitze zugestehen.[2] Gelegentlich wurde dabei das Vorschlagsrecht an die FDP bzw. an Bündnis 90/Grüne abgetreten.
Hervorhebungen nicht im Original!
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Richter_des_Bundesverfassungsgerichts?fbclid=IwAR0ubwTfNFy9-_dDsNHs12Na2fU8yeuKRjDOlcw0-PXR7VCO9gvkPNNeZX4


Edit "Bürger": Vorsorgliche Bitte, die Richterzusammensetzung hier nicht zu vertiefen und auch nicht immer wiederholt auszuführen bzw. allenfalls gut aufbereiteten eigenständigen Thread dazu mit aussagekräftigem Thread-Betreff verfassen und dann nur noch kurz dorthin querzuverweisen.
Hier bitte nur noch zum eigentlichen Kern-Thema dieses Threads, welches da lautet
Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Danke für das Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 19. Mai 2020, 00:13
Einige weitere Gedanken, die mich bezüglich der Eingangsfrage, auch i.V. mit Artikel 3 Abs.1 GG, beschäftigen:
Es heißt, dass nach Artikel 3 Abs. 1 GG wesentlich Ungleiches nicht gleich behandelt werden darf, und umgekehrt. Der Gesetzgeber bestimmt einen Vorteil einer staatlich erbrachten Leistung, welcher von einer bestimmten Personengruppe, die diesen Vorteil aus der Leistung haben soll, mit einem Beitrag abzugelten ist.
Als Beispiel seien hier einmal die Straßenausbaubeiträge genannt, von welchen "nur" ein bestimmter Personenkreis betroffen ist.

Dieser Personenkreis ist recht überschaubar, denn es dürfte sich um Anlieger der auszubauenden Straße handeln. Personen, deren Wohnsitze 100 km oder weiter von dieser Straße entfernt liegen, würden wohl kaum zu dem Beitrag herangezogen*.

Beim sogenannten Runfunkbeitrag bestimmt der Gesetzgeber pauschal einen Vorteil für alle volljährigen Bundesbürger. Der Punkt der Volljährigkeit geht auch schon eindeutig aus dem LG RBStV hervor. Bei einer volljährigen Person handelt es sich um einen mündigen Bürger mit Selbstbestimmungsrecht, es sei denn, dass bestimmte Umstände dieses verhindern, aber lassen wir den Punkt einmal beiseite.

Ich habe jetzt nicht die genaue Zahl, aber es dürfte so ca. 70 Millionen volljährige Bürger/innen geben. Ist es überhaupt realistisch möglich, für einen so großen Personenkreis pauschal einen Vorteil zu definieren? Und wie weit reicht eigentlich die Befugnis des Gesetzgebers, über den Kopf des Bürgers hinweg zu entscheiden, was für den Bürger ein Vorteil ist und was nicht? Wo endet da das Selbstbestimmungsrecht eines mündigen Bürgers?

Bei einer so großen Zahl von Personen kann man schon fast mit Sicherheit davon ausgehen, dass der sogenannte Vorteil für einen nicht unerheblichen Teil dieser Personen in Wirklichkeit einen Nachteil darstellt.
Der Nachteil liegt hier darin, dass diese Personen mit dem gleichen Beitrag belastet werden wie die Personen, die aus der staatlichen Leistung wirklich einen Vorteil ziehen.
Ist dieses wirklich noch mit Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar? Es handelt sich hier um wesentlich Ungleiches, was einfach gleich behandelt wird.
Müßte es nicht alleine schon deshalb, und um den Anforderungen des Artikel 3 Abs. 1 GG zu genügen, für den benachteilten Kreis der Personen eine verhältnismäßige Einflußmöglichkeit auf den Abgabentatbestand (oder meinetwegen auch Zahlungsauslöser) geben?

Vergleicht man die aktuelle Situation des Rundfunkbeitrags mit den Straßenausbaubeiträgen, dann werden auch die Personen, deren Wohnsitz 100 km oder weiter von der auzubauenden Straße entfernt liegt mit dem gleichen Beitrag belastet, wie die eigentlichen Anlieger der auszubauenden Straße.

*Anm. Mod. seppl: Die Straßenausbaubeiträge sind meines Wissens nach nicht wohnsitz- sondern eigentumsabhängig. Das ist ein Gedankenfehler, der hier dann in der Erörterung wesentlich Ungleiches gleich behandelt!
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 19. Mai 2020, 10:53
@seppl
Danke für den Hinweis.;)
Nun, ich bin kein Grundstücksbesitzer und daher mit den Feinheiten nicht ganz so vertraut.
Daher hier ein Beispiel, um zu verdeutlichen, was ich meine.
Nehmen wir eine Büroangestellte, wohnhaft in Berlin zur Miete und keine Grundstücksbesitzerin.
Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Büroangestellte zu einem Beitrag für den Ausbau einer Straße in München herangezogen wird? Eine Straße, welche sie vielleicht noch nie gesehen hat oder gar von ihrer Existenz weiß, und die sie womöglich auch niemals in ihrem Leben sehen wird. Und welchen Vorteil hätte sie von dem Ausbau dieser Straße persönlich?

Das veranschaulicht, warum das Bundesverfassungsgericht früher die Auffasung vertrat, dass sich der Kreis der mit einem Beitrag belasteten Personen deutlich von der Allgemeinheit unterscheiden soll.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: seppl am 19. Mai 2020, 13:11
Meiner Auffassung nach veranschaulicht das Beispiel deutlich, dass Abgaben immer an etwas Materielles (Hier: Grundeigentum als Vermögensgegenstand) gebunden sind. Der Straßenausbau steigert den Verkehrswert des Grundstücks. Das wird dem Eigentümer nicht geschenkt, sondern er muss anteilig dabei mitfinanzieren. Es hat direkt nix mit dem Komfort zu tun, den der Bewohner vermehrt hat, wenn er nicht mehr eine Buckelpiste langfahren muss. Den Komfort bezahlt er mit der erhöhten Miete, die der Eigentümer aufgrund der hier "gefühlten" Wertsteigerung verlangen kann. Das gehört aber zum freiwilligen Privatrecht und nicht zum Abgabenrecht. Der Eigentümer könnte das Grundstück zudem zu einem höheren Preis verkaufen, weil es nicht mehr in der Wallachei liegt, sondern besser erreicht werden kann. Das ist sein Vorteil.

Abgaben können nie getrennt von konkreten materiellen Sachverhalten unter Zwang erhoben werden. Dann ist sie einzig an die Existenz der Person gebunden. Die Person ist dann der Abgabengegenstand. Und als solcher darf in unserem Rechtsverständnis keiner behandelt werden.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Kunibert am 19. Mai 2020, 13:16
-> Besteht bereits der Wunsch nicht, ein Angebot auf dem freien Markt zu suchen, dann kann die staatliche Maßnahme auch keinen "finanziellen" Vorteil liefern.

-> Die Vorzugslast soll aber genau das, sie soll einen "finanziellen" Vorteil abschöpfen.

am Rand ein Lesetip -> "Finanzverfassungsrecht Sommersemester 2019"
gleich die erste Seite der PDF
https://www.jura.uni-bonn.de/fileadmin/Fachbereich_Rechtswissenschaft/Einrichtungen/Lehrstuehle/Gaerditz/Vorlesung/FinanzverfR/Finanzverfassungsrecht-AP3a.pdf

Aus der PDF
Zitat
Eine solche systemimmanente Rechtfertigung ist etwa bei Vorzugslasten (Beiträge, Gebühren) gegeben, da diese lediglich einen staatlichen Aufwand kompensieren bzw. staatlich gewährte Vorteile abschöpfen..
Zitat
Für Vorzugslasten gilt wie für alle Eingriffe das Übermaßverbot. Das Kostendeckungsprinzip ist demgegenüber nach hM nur einfachgesetzlich, nicht hingegen verfassungsrechtlich gewährleistet. Allerdings bedarf es stets eines hinreichenden Zurechnungsgrundes, der bei Vorzugslasten in dem gewährten Vorteil liegt. Übersteigt die Gebührenhöhe abstrakt die im Großen und Ganzen anfallenden Kosten deutlich, übernimmt sie verfassungswidrig die Funktion einer Steuer..

Der angebliche Vorteil laut
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. (1-157),
http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html
Zitat
Dies alles führt zu schwieriger werdender Trennbarkeit zwischen Fakten und Meinung, Inhalt und Werbung sowie zu neuen Unsicherheiten hinsichtlich  laubwürdigkeit von Quellen und Wertungen. Der einzelne Nutzer muss die erarbeitung und die massenmediale Bewertung übernehmen, die herkömmlich durch den Filter professioneller Selektionen und durch verantwortliches journalistisches Handeln erfolgt. Angesichts dieser Entwicklung wächst die Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden .

Damit ist der angebliche individuelle Vorteil beschrieben, der für jeden zutreffen soll:
Zitat
[...] durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden [...]

Unterhaltung bietet keine Fakten und beim Sport sind sorgfältig recherchierte Informationen in der Regel unerheblich.

Damit ist der Vorteil aus der Möglichkeit Sport und Unterhaltungsendungen zu empfangen auf einen kleineren Personenkreis begrenzt und nicht für jeden zutreffend. Ein Opernfan dürfte sich für den FC Wadenknicker eher nicht interessieren.

ARD und ZDF mögen einwenden, dass das zu ihrem Auftrag gehört. Das spielt aber insofern keine Rolle, weil es hier um den individuellen Vorteil geht, nicht um den Auftrag.

Der KEF Bericht ist was die Verwendung der Gebührengelder ziemlich intransparent. Immerhin:
Zitat
Für die Selbstkosten ergibt sich eine andere Rangfolge. Der finanziell bedeutendste Programmbereich ist im Ersten Programm der „Sport“ mit 461,8 Mio. €, gefolgt von „Politik und Gesellschaft“, „Fernsehspiel“, „Unterhaltung“ sowie „Spielfilm“. Die höchsten Selbstkosten pro Erstsendeminute wendet die ARD im Ersten Programm für das
Ressort „Fernsehspiel“ auf, gefolgt von „Sport“, „Spielfilm“, „Unterhaltung“ und „Religion“.
Zitat
Der finanziell bedeutendste Programmbereich ist beim ZDF der „Sport“ mit 368,0 Mio. €. Mit etwas
größerem Abstand folgen „Fernsehfilm I und II“, „Politik“ und „Aktuelles“. Die höchsten Selbst-
kosten pro Erstsendeminute wendet das ZDF für das Ressort „Fernsehfilm/Serie II“ auf, gefolgt von
„Fernsehfilm/Serie I“ und „Sport“.

Damit dürfte Beitrag für den angeblichen allgemeinen individuellen Vorteil mindestens um 100% zu hoch angesetzt sein.

Nochmal aus dem das Eingangszitat:
Zitat
Übersteigt die Gebührenhöhe abstrakt die im Großen und Ganzen anfallenden Kosten deutlich, übernimmt sie verfassungswidrig die Funktion einer Steuer..


Edit "Bürger":
Bitte hier keine abschweifende Vertiefung der Frage, was genau der angebliche "abzugeltende Vorteil" sein soll, sondern hier bitte nur zum eigentlichen Kern-Thema dieses Threads, welches da lautet
Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: frank6+6 am 19. Mai 2020, 19:47
Dieser Personenkreis ist recht überschaubar, denn es dürfte sich um Anlieger der auszubauenden Straße handeln. Personen, deren Wohnsitze 100 km oder weiter von dieser Straße entfernt liegen, würden wohl kaum zu dem Beitrag herangezogen*.


*Anm. Mod. seppl: Die Straßenausbaubeiträge sind meines Wissens nach nicht wohnsitz- sondern eigentumsabhängig. Das ist ein Gedankenfehler, der hier dann in der Erörterung wesentlich Ungleiches gleich behandelt!

Vorzugslast:
Zitat
Eine Vorzugslast ist eine Form der Kausalabgaben. Eine Person, die aus einer staatlichen Einrichtung einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil zieht, muss die sogenannte Vorzugslast zahlen, nämlich einen Beitrag an die Kosten dieser staatlichen Einrichtung.
 Ein konkretes Beispiel ist ein Beitrag an die Kosten der Abwasserreinigung oder ein Strassenbeitrag der Grundstückeigentümer.
Quelle: https://www.vimentis.ch/d/lexikon/68/Vorzugslast.html

Das ist eine Aussage bezüglich der Vorzugslast.
Wie seppl sagt, eigentumsabhängig für das Grundstück.

Die Beispiele beziehen sich meist auf Kommunen und der Grundstückseigentümer ist Mitglied in dieser Körperschaft.

Es ist nicht die Rede von Anstalten.
Wer oder was ist diese Staatliche Einrichtung?
Worin besteht dieser besondere wirtschaftliche Vorteil?
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: MichaelEngel am 20. Mai 2020, 08:00
Gibt es vielleicht vergleichbare Vorzugslasten, die genauso extrem ausgestaltet sind, wie der derzeitige Rundfunkbeitrag?

Die Abgaben zur Sozialversicherung sind irgendwie auch fragwürdig. Irgendwann in diesem Jahrtausend wurde der Krankenversicherungszwang eingeführt.

Aber der Zwang ist vielleicht nicht so unverhältnismäßig und man neigt, diese Abgaben eben zu akzeptieren (Akzeptanz). Ganz anders ist es mit Rundfunk.

Die erste Unverhältnismäßigkeit ist: Für Rundfunk, für Glotzen muss man zahlen, so viel zahlen, auch wenn man die Verblödung, Propaganda und Manipulation nicht wünscht. Rundfunk ist sehr, sehr wichtig: für Politiker. Sie machen den angeblichen, nicht existieren Vorteil zu etwas Wichtigeres als der Vorteil einer Sozialversicherung.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: ope23 am 20. Mai 2020, 11:03
Stimmt, die Krankenversicherung ist noch unentrinnbarer als der Rundfunkbeitrag: Auch Obdachlose müssen sich krankenversichern lassen. Seit 2007 (Beginn der allgemeinen KV-Pflicht) entsteht in Deutschland zwar ein anderes Desaster, nämlich Berge von Beitragsrückständen, aber das darf uns hier leider nicht kümmern.

Beim Krankenversicherungszwang hat man aber den sehr individuell zurechenbaren Vorteil, dass man für wenig Geld eine gute medizinische Versorgung erhält, und zweitens die Möglichkeit, die Beitragshöhe zu beeinflussen, die zudem von der Höhe des Einkommens abhängt. Ganz so, wie es sich für eine vernünftige Sozialabgabe gehört.

Wir wissen hier längst, dass der Rundfunkbeitrag in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung geradezu asozial ist.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: boykott2015 am 20. Mai 2020, 15:40
Wie Spark weiter oben beschrieben hat
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33427.msg204191.html#msg204191
hat man es mit der Zeit mit dem Verzicht auf den Besitz von Empfangsgeräten immer schwerer gemacht.

Beispiel:
Man kann das so vorstellen: umfassender Vorzugslast-Abgabentatbestand = alle Häuser in BRD + alle Unternehmen in BRD.
Jetzt fallen langsam einzelne Häuser und einzelne Unternehmen aus dieser Menge. Was passiert mit der Zahl im Beitragsbescheid, die in Rechnung gestellt wird?
Oder wie wird sich diese Zahl im Bescheid ändern, falls sogar alle Unternehmen in BRD aus der Menge wegen der Verfassungswidrigkeit des Betriebsstättenbeitrags rausfallen?

Die Politik hat die Rundfunkbeitragsbescheide mit Zahl drin einfach gefroren. Aus dem Grund folgt, dass umfassender Vorzugslast-Abgabentatbestand auf alle Fälle stabil gehalten wird.

BVerwG, Urteil vom 18.03.2016 - 6 C 6.15
https://www.bverwg.de/de/180316U6C6.15.0
Rz. 11
Zitat
Dies folgt daraus, dass eine unterstellte Verfassungswidrigkeit des Betriebsstättenbeitrags keine Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung der Bescheide über die Festsetzung des Haushaltsbeitrags hätte. In diesem Fall wären die Landesgesetzgeber gezwungen, denjenigen Teil des Beitragsaufkommens, der auf die Beiträge für Betriebsstätten entfällt, rückwirkend nach neuen Verteilungskriterien umzulegen. Auf deren Grundlagen müssten neue Rundfunkbeitragsbescheide ergehen.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: ope23 am 20. Mai 2020, 20:34
Die genannte Rn 11 des BVerwG-Urteils aus dem Jahr 2016 liest sich wie ein Freibrief:

Wenn im Jahre 2030 endlich nur noch aktiv Interessierte den Rundfunkbeitrag entrichteten, so würde der deutsche örR dann rückwirkend bis 2013 sämtliche Bescheide neu berechnen und erneut vollstrecken können.

Eigentlich könnte der deutsche örR ja jetzt schon wegen der entfallenden Zahlungen zum Stichwort "Zweitwohnung" alle Bescheide nachberechnen, was offenbar (noch) nicht erfolgt ist.

Damit könnte es Essig damit sein, auf die individuelle Höhe dieser merkwürdigen Vorzugslast Einfluss nehmen zu wollen - zehn Jahre später kommt die örtlich zuständige LRA um die Ecke und fordert Geld nach.

Angemerkt sei noch, dass das einstmals als "Wunder von Karlsruhe" bekannte Bundesverfassungsgericht eine Nichtigkeit des Rundfunkbeitrags schon deshalb ausgeschlossen hat, weil die Rückzahlung zu teuer kommen würde (BVerfG 18.7.2019, Rn 153) - und damit grundsätzlich bereit ist, Grundrechte einzuschränken, wenn die Wahrung dieser Grundrechte sonst zu teuer ist.


Edit "Bürger":
Vorsorgliche nochmalige Erinnerung/ Bitte der Konzentration auf das eigentliche Kern-Thema dieses Threads, welches da lautet
Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 09. Juli 2020, 13:03
Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluß gekommen, dass die Eingangsfrage etwas zu weit gefaßt wurde. Ein Vergleich mit anderen Vorzugslasten mag hier und da hilfreich sein, aber bei der aktuellen Rundfunkabgabe handelt es sich doch mehr um einen Sonderfall, berührt sie doch direkt die Grundrechte auf Informationsfreiheit und der freien Meinungsbildung nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

Nach meiner Auffassung ist das Recht auf eine verhältnismäßige Einflussnahme auf den Abgabentatbestand in Verbindung mit der Rundfunkabgabe sogar zwingend erforderlich.
Die Wohnung ist als Abgabentatbestand, oder von mir aus, als Anknüpfungspunkt (über die Begrifflichkeiten will ich mich jetzt nicht streiten) definitiv nicht geeignet. Und da widerspreche ich auch offen der Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes aus seinem Urteil vom 18.07.2018.

Die aktuelle Rundfunkabgabe steht im direkten Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers. Und mit Gesetzgeber meine ich in diesem Fall die Schöpfer unseres Grundgesetzes, dem Kern unserer Demokratie.
Dieser Wille manifestiert sich in einem Satz, den Dr. Hermann von Mangoldt am 11. Januar 1949 äußerte und der unmissverständlich ist:

Zitat
"Die Meinungsbildung muß aber absolut frei sein; sie findet keine Grenze."

Dieses Wort "absolut" unterstreicht mehr als deutlich das Wort "ungehindert" im späteren und dem heutigen Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes.
Jegliche Beeinflussung seiten des Staates ist schlicht unzulässig und unvereinbar mit dem Grundgesetz. Dieses findet auch seinen Ausdruck in dem Artikel 10 der EMRK, welches User @pinguin schon mehrfach hier im Forum dargelegt hat.

Der Staat mag ja einen Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunk für erforderlich erachten, aber seine Nutzung und auch seine Finanzierung kann nur auf freiwilliger Basis erfolgen, jedoch niemals zwangsweise wie es aktuell seit 2013 der Fall ist.
Und wenn die Einnahmen durch die Nutzer wirklich nicht ausreichen für die Finanzierung, dann müssen sie eben durch Steuern ergänzt werden.
Man wende jetzt nicht ein, das ginge wegen dem sogenannten Gebot der Staatsferne nicht. Dieses Argument wird immer gerne hervorgeholt, wenn es gerade passend ist. Ist das nicht der Fall, dann verschwindet es ganz schnell wieder in der Schublade. Wie beispielsweise bei dem Selbsttitulierungsrecht der Anstalten, oder wenn diese mal ganz nebenbei zu Behörden erklärt und mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet werden. Was für eine Heuchelei.

Wir erleben seit nun mehr als 30 Jahren eine immer größer werdende Aushölung des Grundrechtes auf die freie Meinungsbildung. Und es ist davon auszugehen, dass sich dieses in Zukunft noch verschärfen wird, Stichwort: Medienstaatsvertrag 2021.

Die Grundrechte der Informationsfreiheit und der freien Meinungsbildung sind essentieller Bestandteil des Artikel 5 unserers Grundgesetzes. Und die Gründungsväter unseres Grundgesetzes wußten sehr gut um die enorme Bedeutung dieser Grundrechte für unsere Demokratie. Ein Abgabensystem wie das derzeitige, wäre von ihnen niemals gutgeheißen worden.

Wenn sich die Funktionäre des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Politiker und auch die Richter, bis hin zum Bundesverfassungsgericht, von diesen Grundrechten abwenden wollen, bitte. Aber sie können nicht ernsthaft erwarten, oder gar fordern, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes es ihnen gleichtun.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 10. April 2021, 11:39
Einen weiteren wichtigen Punkt, den @seppl angeführt hat unter
Doppeltbelastung bereits versteuerten Einkommens durch den Rundfunkbeitrag
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35014.0
möchte ich noch hinzufügen, da er meiner Meinung nach durchaus zum Thema passt.

Beim sogenannten Rundfunkbeitrag handelt es sich um einen staatlichen (da per Gesetz) Eingriff in das bereits Abgaben-bereinigte Nettoeinkommen der Bürger.
Es wird also quasi eine Abgabe nachgeschoben. Noch dazu unabhängig von der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Was übrigens das oft genannte "Solidaritätsprinzip" ad absurdum führt, denn Solidarität bedeutet nach meiner bisherigen Erkenntnis, dass jemand etwas nach seinen individuellen Möglichkeiten zu einer Sache beiträgt. Da es sich beim Rundfunkbeitrag aber um eine pauschale Abgabe handelt, kann das Solidaritätsprinzip hier gar nicht greifen. (An dieser Stelle auch schöne Grüße an Frau K. Vernau.)
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 25. Dezember 2021, 21:05
Ich möchte dieses Thema nochmals hervorholen, weil ich hierin nach wie vor einen Knackpunkt dieser Abgabe sehe. Rechtssprechung diesbezüglich ist mir zwar immer noch nicht bekannt, aber leider ist mir auch ein Fehler, oder besser gesagt, ein Versäumnis bei der Erstellung des Themas unterlaufen.

Es hätte von Anfang an auch Artikel 1 Abs. 1 GG, die Menschenwürde, mit einbezogen werden müssen. Dieses hole ich hiermit nach.
Starten möchte ich mit einigen Zitaten zu Artikel 1 Abs. 1 GG. Auch wenn dieses von den Moderatoren jetzt vielleicht als zu starke Abweichung vom Kernthema interpretiert werden könnte, halte ich es für ein besseres Verständnis doch für wichtig.

Die Quelle aller Zitate lautet:
https://www.juraindividuell.de/pruefungsschemata/die-menschenwuerde-art-1-i-gg/
(Alle Hervorhebungen nachträglich vorgenommen.)
Zitat
Der in Art. 1 I GG verankerte Schutz der Menschenwürde steht nicht grundlos an erster Stelle des Grundgesetzes. Vielmehr hat der Schutz der Menschenwürde eine derart herausragende Rolle und Wichtigkeit, dass sie sich als alles beherrschende Aussage über alle Grundrechte legt und mittelbar auf diese einwirkt. Als oberstes Gut der Verfassung und höchster Rechtswert in unserem Staat kommt diesem Grundrecht eine Sonderstellung zu, so dass es in keinerlei Weise berührt werden darf. Aufgrund seiner Wichtigkeit unterliegt es nach Art. 79 III GG auch der Unabänderbarkeitsklausel.
Hier wird sehr deutlich der Stellenwert, den die Menschwürde in unserer Verfassung einnimmt, hervorgehoben.

Zitat
I. Schutzbereich

1. Persönlich

In persönlicher Hinsicht umfasst der Schutzbereich der Menschenwürde gem. Art. 1 I GG zunächst Jedermann, also alle Menschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes.
Hier wird sehr deutlich hervorgehoben, dass der Schutzbereich der Menschenwürde ausnahmslos für "Jedermann", also alle Bürger/innen dieses Landes besteht.

Zitat
2. Sachlich

Eine positive Umschreibung des sachlichen Schutzbereichs der Menschenwürde gem. Art. 1 I GG fällt wegen des umfassenden Schutzes sehr schwer, zumal die h.M. der Ansicht ist, dass der Begriff der Menschenwürde einer Auslegung entzogen ist, gleichzeitig aber ungenügende Kriterien zur Bestimmung der Menschenwürde liefert. Grundsätzlich müsse allerdings auf den sozialen Wert- und Achtungsanspruch abgestellt werden, der dem Menschen bereits wegen seines Menschseins an sich zukomme. Des Weiteren sei stets eine Einzelfallbetrachtung zur Bestimmung des sachlichen Schutzbereichs nötig. Anhaltspunkte für dessen vorliegen können dabei „der Eigenwert des Menschen schlechthin“ (Mitgifttheorie) oder „ die Würde aufgrund der Leistung der eigenen Identitätsbildung“ (sog. Leistungstheorie) sein. Am Sinnvollsten erscheint aber das Hervorheben des Schutzes vor Erniedrigung, Demütigung, Brandmarkung, Verfolgung oder Ächtung.
Hier sei besonders der Punkt der "Erniedrigung" hervorgehoben. Warum, wird hoffentlich später verständlich werden.

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II. Eingriff

Ein Eingriff in den Schutzbereich der Menschenwürde ist immer dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen in menschenverachtender Weise seine Menschqualität abgesprochen und er zum Objekt eines beliebigen Verhaltens degradiert wird.
Dieser Punkt ist i.V.m. der Rundfunkabgabe in der derzeitigen Ausgestaltung ganz besonders hervorzuheben.

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III. Rechtfertigung

1. Schranke


Laut Art. 1 I GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Diese Aussage ist hinsichtlich einer möglichen Einschränkbarkeit wörtlich zu nehmen. Die Menschenwürde unterliegt damit weder einer geschriebenen, noch ungeschriebenen Einschränkungsmöglichkeit. Ebenso existiert keine Eingriffsrechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht, weil Art. 1 GG als höchster und bedeutendster Verfassungswert alle anderen Rechte überwiegt. Eine Rechtfertigung eines Eingriffs in den Schutzbereich der Menschenwürde aus Art. 1 I GG wird damit niemals gelingen können.
Hier wird sehr deutlich, dass alle Argumentationen, welche einen Eingriff in die Menschenwürde, oder gar deren Verletzung zu rechtfertigen versuchen, praktisch zum Scheitern verurteilt sind.
Es mag ja sein, dass der öffentlich-rechtliche-Rundfunk Verfassungsrang genießt. Und es mag auch sein, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen Verfassungsrang genießt. Aber dennoch steht beides nicht über Artikel 1 GG.

Schauen wir noch einmal auf die Rundfunkabgabe in ihrer seit dem 01.01.2013 gültigen Ausgestaltung.


Auf Grund der zuvor aufgeführten Punkte, welche bei Weitem nicht vollständig sind, komme ich zu dem Schluß, dass i.V.m. der Rundfunkabgabe die Stellung eines jeden einzelnen Bürgers und jeder einzelnen Bürgerin als Rechtssubjekt nicht mehr gegeben ist.

Wie im zuvor Zitierten schon dargelegt, findet hier eine "Degradierung" zu einem reinen Objekt statt und damit auch ein Eingriff in den Schutzbereich der Menschenwürde.
Vielleicht wird jetzt meine zuvor gemachte Hervorhebung des Punktes der "Erniedrigung" besser verstanden.

Damit aber wäre die Rundfunkabgabe und auch die sie begründenden Landesgesetze nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung.
Auch die daraus resultierenden Folgen, wie Zwangsvollstreckungen und Beugehaft würden sich nach meinem Verständnis nicht mehr im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bewegen.

Vorsorglich sei angmerkt, dass es sich bei dem zuvor Aufgeführten nur um eine laienhafte Meinung handelt, nicht etwa um eine Behauptung. Somit dürfte es durch das Recht der freien Meinungsäußerung nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG durchaus gedeckt sein.
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: pinguin am 26. Dezember 2021, 05:53
Es mag ja sein, dass der öffentlich-rechtliche-Rundfunk Verfassungsrang genießt. Und es mag auch sein, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen Verfassungsrang genießt. Aber dennoch steht beides nicht über Artikel 1 GG.
Es ist fraglich, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk als solches Verfassungsrang hat, da er sich mit Ausnahme des Art 5 Abs 1 GG nicht in eigener Sache auf die Grundrechte berufen darf, da sich juristische Personen d.ö.R. überhaupt nur sehr eingeschränkt darauf berufen können und dieses auch für den ÖRR gilt.

BVerfG 1 BvR 341/93 - ÖRR nur Anspruch auf Art 5 Abs 1 GG
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33746.0

jurist. Personen d. öffentl. Rechts > kein Anspruch auf Grundrechte Art 1-17 GG
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=21498.0
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,21498.msg205542.html#msg205542
Titel: Re: Recht einer verhältnismäß. Einflussnahme auf Vorzugslast-Abgabentatbestand?
Beitrag von: Spark am 23. März 2023, 20:43
Ich habe jetzt zum Thema einige Aussagen von RA Bölck aus 2014 gefunden, aus einem Aufsatz, welcher damals auch hier im Forum thematisiert wurde.

Der Link zum entsprechenden Thread:

Aufsatz in Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Heft 5/2014 [Bölck] (07/2014)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=10385.0

Und ein weiterer Link zu einem Kommentar von @karlsruhe, welcher auch einige Zitate aus diesem Aufsatz enthält, die das Thema dieses Threads sehr trefflich widerspiegeln:

Aufsatz in Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Heft 5/2014 [Bölck] (07/2014)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,10385.msg71044.html#msg71044
Zitat von: Aufsatz in Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Heft 5/2014 (Bölck)
Zum verfassungsrechtlichen Erfordernis einer Abgabenregelung gehört es, dass die gesetzliche Regelung so gestaltet ist, dass man der Abgabenpflicht dadurch ausweichen kann, dass man den Tatbestand, der die Zahlungspflicht auslöst, nicht verwirklicht.
(…...für die Kfz-Steuer bedeutet dies beispielsweise, dass man kein Kfz hält.....)
Zitat von: Aufsatz in Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Heft 5/2014 (Bölck)
Hier ist es unrealistisch, den die Zahlungspflicht auslösenden Tatbestand nicht zu verwirklichen. Da dieser Tatbestand das Innehaben einer Wohnung, das Innehaben einer Betriebsstätte und das Innehaben eines gewerblich bzw. beruflich genutzten Kraftfahrzeugs ist, müsste man zur Nichtverwirklichung diese Tatbestandes seine Wohnung, seine Betriebsstätte oder sein gewerblich bzw. beruflich genutztes Kraftfahrzeug aufgeben.
Zitat von: Aufsatz in Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Heft 5/2014 (Bölck)
Wenn man auf diese Weise die Nichtverwirklichung des Abgabenbestands erreichen wollte, müsste die Bundesrepublik Deutschland ein wohnbevölkerungsloser und betriebsstättenloser Staat werden - es ist jedoch unrealistisch, dass dies geschehen wird. In eben diesem Unrealistischen liegt die Verfasssungswidrigkeit der Wohnungs- und Betriebsstättenabgabe.

Genau das, was Herr Bölck schon 2014 in seinem Aufsatz angesprochen hatte, war auch mein Gedankengang als ich diesen Thread gestartet habe.
Leider kannte ich den alten Thread noch nicht, da er vor meiner Zeit entstand.