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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: seppl am 01. September 2018, 10:58

Titel: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: seppl am 01. September 2018, 10:58
Kurz zum Gesamtschuldverhältnis (im weiteren "GSV") allgemein:
In einem GSV schulden mehrere Personen einem Gläubiger eine Leistung. Um dem bei Problemen bei der Abwicklung benachteiligten Gläubiger einen Ausgleich zu verschaffen, sieht das Gesetz vor, dass er sich (soweit nichts anderes bestimmt ist) die gesamte Leistung von einem der Schuldner holen kann. Damit ist der Fall zwischen der Gesamtschuldnerschaft (im weiteren "GSS") und dem Gläubiger dann erledigt. Geregelt wird im GSV aber auch, wie der Zahler nun innerhalb der Schuldnerschaft an den Ausgleich kommt, hat er ja für die anderen mitgezahlt. Die Anteile kann er im Zweifel von dem/ den Anderen einklagen, denn über allem steht die Prämisse, dass jeder nur für seine eigene Schuld haftbar gemacht werden kann (wichtig!).

Es gibt nun 2 Arten der gesamtschuldnerischen Verbindung:
- die zivilrechtliche, in der die Schuldner sich persönlich dazu bereiterklären, füreinander einzustehen, also nach eigenem Willen ihre Privatautonomie einschränken wollen, um die Gesamtschuld begleichen zu können und
- die gesetzliche, in der der Gesetzgeber diese Privatautonomie über den Willen der Beteiligten einschränkt.

Bei der zivilrechtlichen GSS ist der Gläubiger raus aus dem Spiel. Die Schuldner wissen bei Vertragsabschluss, dass er sich das Geld holen kann, wie er will. Regressforderungen können daher nur innerhalb der Gesamtgläubigerschaft gestellt werden. Um die Teilschulden auseinanderzudividieren muss der Zahlende notfalls auf eigene Kosten gegen die anderen Gesamtschuldner klagen.

Bei der gesetzlichen Gesamtschuld (wie hier beim Rundfunkbeitrag) heißt das aber nun keinesfalls, dass durch die Gesetzgebung die Prämisse "jeder für sich selbst" aufgehoben ist. Der Grundsatz steht über allen gemeinschaftlichen Schuldverhältnissen und ist grundrechtlich festgelegt.

Für Abgaben an die öffentliche Hand und somit für gesetzlich vorgeschriebene Abgaben gibt es die Abgabenordnung (AO). Nach dieser richtet sich auch der RB (§ 2 (3) RBStV) Auf die Gesamtschuldnerschaft nach § 44 AO wird verwiesen.

Verlangt die öffentliche Hand (hier: die Landesrundfunkanstalt) nun den Gesamtbeitrag nach der Regelung der AO § 44 Gesamtschuldnerschaft von einem der Beteiligten, konnte dieser der Vorschrift nicht persönlich nach eigenem Willen zustimmen (wie im Privatvertrag). Um dieser so erstmal grundrechtswidrigen Forderung der öffentlichen Hand an eine natürliche Person Abhilfe zu schaffen, verweist der § 44 AO auf die  §§ 268 bis 280 AO. Diese verschaffen den gesetzlichen Gesamtschuldnern sozusagen im Nachgang die Möglichkeit, ihre schuldnerische Privatautonomie wieder herzustellen. Es muss einen Antrag auf Beschränkung auf den eigenen Anteil geben. In der AO wird nur von Steuern gesprochen. Um grundrechtliche Forderungen an eine Abgabe einzuhalten, gilt dies aber für alle gesetzlich bestimmten Gesamtschulden.

Für den Rundfunkbeitrag gibt es die Möglichkeit, der Beschränkung auf den eigenen Anteil noch nicht. Aus "gutem" Grund: Wenn versucht wird, aufzuteilen, wird festgestellt, dass
1) Die Gesamtschuld in vielen oder sogar in den meisten Fällen nicht eindeutig aufteilbar ist
2) Völlig abwegige Regelungen zur Aufteilung seitens des Beitragsservices herrschen, die mit der Gesamtschuldregelung nicht vereinbar sind
3) Die LRAen Gelder einziehen, die gesetzlich nicht festgelegt sind und damit Mehreinnahmen generieren.
4) Der Zahler eines Beitrags für die Zweitwohnung mit mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag belastet wird.

Ziemlich genau vor einem Jahr wurde die Frage zur Aufteilung dem NDR über "FragdenStaat" gestellt. Es kam bis heute keine Antwort. Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit wurde eingeschaltet und hat (was selten vorkommt) bem NDR explizit nachgefragt. Nichts.
§268 AO Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung auf den eigenen Rundfunkbeitragsanteil
https://fragdenstaat.de/anfrage/268-ao-antrag-auf-beschrankung-der-vollstreckung-auf-den-eigenen-rundfunkbeitragsanteil/#nachricht-76133
Natürlich muss der NDR nicht antworten, er unterliegt nicht dem HambTranspG.  aber verboten ist das Antworten auch nicht, wenn es nichts zu verstecken gibt.

In Fleißarbeit (äh, copyandpaste  ::) ) wurden nun alle über FragdenStaat erreichbaren LRAen angeschrieben:
SWR
https://fragdenstaat.de/anfrage/268-ao-antrag-auf-beschrankung-der-vollstreckung-auf-den-eigenen-rundfunkbeitragsanteil-2/
HR
https://fragdenstaat.de/anfrage/268-ao-antrag-auf-beschrankung-der-vollstreckung-auf-den-eigenen-rundfunkbeitragsanteil-3/
MDR
https://fragdenstaat.de/anfrage/268-ao-antrag-auf-beschrankung-der-vollstreckung-auf-den-eigenen-rundfunkbeitragsanteil-1/
RBB
https://fragdenstaat.de/anfrage/268-ao-antrag-auf-beschrankung-der-vollstreckung-auf-den-eigenen-rundfunkbeitragsanteil-5/
RB
https://fragdenstaat.de/anfrage/268-ao-antrag-auf-beschrankung-der-vollstreckung-auf-den-eigenen-rundfunkbeitragsanteil-4/

Desweiteren wurde die Hamburgische Bürgerschaft auch mal wieder mit einer Eingabe beschäftigt (s. Anhang)

und die Finanzbehörde Hamburg als Vollstreckungsorgan darf sich die Frage auch anschauen:
https://fragdenstaat.de/anfrage/268-ao-antrag-auf-beschrankung-der-vollstreckung-auf-den-eigenen-rundfunkbeitragsanteil-6/

Auf Antworten darf man gespannt sein...

Anm.Mod. seppl: leider wurden die Anfragen bis auf die erste an den NDR vorerst bei "FragdenStaat" als Spam gekennzeichnet und nicht abgesendet (Danke für den Hinweis an "karlsruhe"!) Anfrage, warum das passiert ist, läuft ...) Anfragen an die Finanzbehörde Hamburg, an den BR, HR, MDR, RBB, SR, RB, SWR und an die Hamburgische Behörde für Kultur und Medien wurden zwischenzeitlich als Fax zugestellt.

Mit der Arbeit an der Rechtswidrigkeit der Ausführung der Gesamtschuldnerregelung soll die "Verwaltungsvereinfachung" (sprich: Beschiss am Bürger, der sich in Rechtssachen nicht auskennt) auffliegen, die nicht nur der Vereinfachung dient. Sie dient auch der Verschleierung von ungerechtfertigten Mehreinnahmen.

Sollte eine Beschränkung auf den eigenen Anteil des RB möglich werden, so wird er in seiner jetzigen Form zwar gesetzestreuer, aber gleichzeitig auch unverwaltbar. Sollte er so beibehalten werden wie er ist, bleibt er verfassungswidrig in einer staatsgrundlegenden Sache: Der Privatautonomie der Bürger.

Ein Gesamtschuldverhältnis im geschützten Bereich der Wohnung durch die öffentliche Hand zu installieren, ist meines Erachtens zudem ebenfalls grundrechtswidrig. Im Bereich des Zusammenwohnens hat der Staat keine Rechte, in die Finanzregelung der Bewohner untereinander ohne deren Einverständnis einzugreifen. Auch wenn immer behauptet wird, die Bewohner können sich den Beitrag ja nach eigenem Gusto aufteilen, herrscht darüber die Gesamtschuldnerregelung des BGB, die durchsetzbar sein muss. (Sonst braucht es keine Gesetze mehr - oder es handelt sich nicht um eine Gesamtschuld, was dann wiederum der Regelung im RBStV widersprechen würde.)

Ein Tip zum Abschluss:
Die LRA formlos um eine Beschränkung auf den eigenen Anteil nach § 268 AO auffordern. Man benötige diese für die Streitwertbestimmung der Klage. (Beschränkung auf den eigenen Anteil geht allerdings nicht mehr bei Beiträgen, die bereits gezahlt wurden: § 269 AO (2) Satz 2) Es wird keine Antwort kommen, aber das Gericht hat dann die Nuss zu knacken, den Streitwert zu bestimmen.


Weitere Beiträge zum Thema siehe Link-Sammlung unter
[Übersicht] Gesamtschuldnerschaft
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29680.0.html
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: Knax am 01. September 2018, 22:43
Das Thema der Gesamtschuldnerschaft ist tatsächlich ein heißes Eisen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es hat schon seinen Grund, warum bisher immer Einzelpersonen in den Festsetzungsbescheiden benannt wurden. Die Problematik hat man vorausgesehen. Schon die Gesetzesbegründung enthält die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk genehme Lösung des Problems. Mundgerecht für die Richter vorformuliert.

Du hast schon Recht mit Deinen Argumenten, seppl. Aber wie das halt so ist: Die besten Argumente nutzen nichts, wenn sie vor Gericht einfach ignoriert werden. Dass dies im Falle des Rundfunkbeitrags geschieht, haben wir ja bereits bemerkt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk pickt sich aus allen Rosinen die besten raus. So wird es auch bezüglich der Gesamtschuldnerschaft ausgehen.

Ein Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld kann frühestens gestellt werden, nachdem das Leistungsgebot gegenüber den Gesamtschuldnern abgegeben wurde. Dabei gibt es jedoch zwei Probleme. Zum einen enthalten die Festsetzungsbescheide keine Leistungsgebote. Und auch wenn sie Leistungsgebote enthielten, so sind diese falsch, weil sie nur auf einen einzelnen Schuldner lauten. Das Leistungsgebot muss inhaltlich korrekt sein. Ist dies nicht der Fall, muss dagegen Widerspruch erhoben werden mit dem Inhalt, dass es sich um eine Gesamtschuldnerschaft handelt. Möglicherweise ist genau dies der Grund, warum die Festsetzungsbescheide keine Leistungsgebote enthalten.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: seppl am 01. September 2018, 22:52
Du hast schon Recht mit Deinen Argumenten, seppl. Aber wie das halt so ist: Die besten Argumente nutzen nichts, wenn sie vor Gericht einfach ignoriert werden.
Wurde denn die Aufteilung der Gesamtschuld schon jemals von einem Kläger vor Gericht gefordert? Wenn sie ignoriert wurden, muss das ja schon mal auf den Tisch gekommen sein. Von Wem? Und wie vorgebracht?
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: Knax am 01. September 2018, 23:02
Wurde denn die Aufteilung der Gesamtschuld schon jemals von einem Kläger vor Gericht gefordert? Wenn sie ignoriert wurden, muss das ja schon mal auf den Tisch gekommen sein. Von Wem? Und wie vorgebracht?

Wahrscheinlich wurde so ein Antrag noch nie gestellt.

In meinem Fall geht es um Gesamtschuldnerschaft. Ich würde so einen Antrag stellen, wenn der Zeitpunkt kommt. Und ich werde über meine Erfahrungen berichten.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: Nichtgucker am 03. September 2018, 23:51
Zitat
Es muss einen Antrag auf Beschränkung auf den eigenen Anteil geben.

Als Wohnungsinhaber ist man Schuldner eines vollen Rundfunkbeitrages, sofern nicht ein anderer einen vollen Rundfunkbeitrag bereits zahlt (oder man aus anderen Gründen persönlich befreit ist).

Das Ganze könnte interessant werden, wenn jemand anderes einen halben Rundfunkbeitrag bereits laufend überweist. Dann könnte die Landesrundfunkanstalt darüberhinaus auch nur einen weiteren halben Rundfunkbeitrag beanspruchen. Ob die LRA sich aber auf eine Spaltung des Rundfunkbeitrages im Außenverhältnis einlässt, bleibt abzuwarten. Vermutlich wird sie dies mit der Begründung einer Verwaltungsvereinfachung, die allen Beitragszahlern durch weniger Kosten zu Gute kommt, nicht akzeptieren. Auch könnte mit Verhältnismäßigkeit argumentiert werden: Der Rundfunkbeitrag ist mit 17.50 Euro monatlich so gering, dass kein Anspruch auf eine Aufteilung besteht bzw. der damit verbundene Aufwand zusätzlich in Rechnung gestellt werden muss. Ähnlich verhält es sich ja mit Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz, bei dem Auskünfte mit der Erhebung von Gebühren verbunden werden können.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: seppl am 04. September 2018, 01:24
@Nichtgucker: Wie vorher beschrieben, gibt es einen eklatanten Unterschied zwischen der Abwicklung einer Gesamtschuld im Privaten und einer Gesetzlichen.
Es ist die Freiwilligkeit, eine übergeordnete Schuldnerverbindung einzugehen, die das Risiko beinhaltet, Schulden anderer Beteiligten tragen zu müssen.
Diese Aufhebung der Privatautonomie ist nicht durch Gesetz möglich. Eine Gesamtschuldforderung der öffentlichen Hand soll daher immer auf Antrag auf die einzelnen Gesamtschuldner aufteilbar sein.
Deshalb sehen sich steuerlich zusammenveranlagte Ehepaare bei Unklarheiten auch nicht vor einem Zivilgericht wieder, sondern stellen einen Antrag auf Aufteilung beim Finanzamt.
Die Geschichte, die vermittelt wird, dass sich die Zwangsbeitragsschuldner bei diesen Unklarheiten der Aufteilung vor einem Zivilgericht darüber streiten dürfen ist schlichtweg falsch. Ich glaube, dieses auch noch nie so direkt vom Beitragsservice gehört zu haben. Der Rundfunkbeitrag ist unstreitig eine Abgabe an die öffentliche Hand und muss dementsprechend nach AO behandelt werden (Aufteilungsmöglichkeit). Das würde auch keine Probleme geben, da Geldleistungen eigentlich immer rechnerisch aufteilbar sind. (Nur beim RB würde dann der Beschiss der selbstentwickelten Aufteilungen auffliegen, bzw. die Mär, dass jeder der Bewohner einen vollen RB schuldet)

Es kommt da auch nicht auf die Höhe der Zahlung an und auch nicht darauf, was der Beitragsservice davon hält. Auch Steuerzahlungen können sich im zweistelligen Bereich bewegen, deshalb ist ein Antrag auf Aufteilung trotzdem möglich.

Der tiefere Sinn der unterschiedlichen Behandlung ist eben, dass die öffentliche Hand nicht ohne Einwilligung der Beteiligten zusammenveranlagen darf. Jeder ist erstmal nur für seine eigene Schuld verantwortlich. Und die ist bei einem Mehrpersonenhaushalt eben nicht ein voller Rundfunkbeitrag pro Person.

Es ist eben nicht richtig, dass einer der Beteiligten einen vollen Rundfunkbeitrag schuldet. Er schuldet nur seinen Anteil und legt die Anteile der anderen mit der Zahlung des Gesamtbetrages aus! Das ist eben Kennzeichen der Gesamtschuldnerschaft des BGB. Alles andere kann sich nicht Gesamtschuldverhältnis nennen.

Sorry, aber der Beitragsservice lebt u.A. von den falschen Vorstellungen einer Gesamtschuldnerschaft wie der Deinigen: Der Verwechslung, Gleichstellung oder Vermischung von Privatvereinbarungen mit den Gesetzesregelungen der öffentlichen Hand.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: karlsruhe am 04. September 2018, 07:18
Ich fürchte, dass es auf diese Anfragen niemals Antworten geben wird,
denn unten kann man jeweils Folgendes lesen:

Zitat
Diese Anfrage wurde als Spam erkannt und die Nachrichten wurden nicht versendet.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: NiemalsGEZ am 04. September 2018, 07:43
Zitat
Ein Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld kann frühestens gestellt werden, nachdem das Leistungsgebot gegenüber den Gesamtschuldnern abgegeben wurde. Dabei gibt es jedoch zwei Probleme. Zum einen enthalten die Festsetzungsbescheide keine Leistungsgebote. Und auch wenn sie Leistungsgebote enthielten, so sind diese falsch, weil sie nur auf einen einzelnen Schuldner lauten. Das Leistungsgebot muss inhaltlich korrekt sein. Ist dies nicht der Fall, muss dagegen Widerspruch erhoben werden mit dem Inhalt, dass es sich um eine Gesamtschuldnerschaft handelt. Möglicherweise ist genau dies der Grund, warum die Festsetzungsbescheide keine Leistungsgebote enthalten.

Das Leistungsgebot ist in der Regel mit einem Steuerbescheid verbunden. Der Rundfunkbeitrag ist jedoch keine Steuer. Deswegen braucht es auch kein Leistungsgebot. Die haben sich das schon ziemlich wasserdicht hingestrickt.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: seppl am 04. September 2018, 09:30
Das beschreibt die Formalitäten. Und als "wasserdicht" würde ich das nicht beschreiben. Das Wort trifft nicht die Vernebelungstaktik des Beitragsservice.  Rechtlich muss eine Gesamtschuld aufteilbar sein. Das ist halt so. Wenn das nirgendwo erkennbar wird, muss man notfalls das Gericht danach befragen.

Die Abgabenordnung beschreibt die Behandlung von Forderungen der öffentlichen Hand. Im RBStV wird darauf hingewiesen, dass die Gesamtschuld nach § 44 AO behandelt wird. Es ist daher egal, ob es eine Steuer oder was anderes ist.

Wasserdicht ist nur das Schweigen, das einem entgegenschlägt, wenn man die Fragen dazu stellt (siehe Eingangspost).
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: Knax am 04. September 2018, 18:44
Zitat
Der Rundfunkbeitrag ist jedoch keine Steuer. Deswegen braucht es auch kein Leistungsgebot.

Das sehe ich nicht so.

Die Beitragsfestsetzung ist ein feststellender Verwaltungsakt, denn er stellt nur fest, dass ein Beitragsschuldverhältnis besteht. Eine Beitragsfestsetzung kann nicht vollstreckt werden, weil in ihr keine Handlung angeordnet wird, die vollstreckt werden könnte.

Das Leistungsgebot ist ein eigenständiger Verwaltungsakt. Selbstverständlich kann er aus Zweckmäßigkeitsgründen gleichzeitig mit der Beitragsfestsetzung auf dem gleichen Papierdokument (Bescheid) stehen. Nichtsdestotrotz sind Beitragsfestsetzung und Leistungsgebote zwei eigenständige Verwaltungsakte. Erst das Leistungsgebot enthält eine behördliche Anordnung, die vollstreckbar ist, weil darin eine vollstreckbare Handlung angeordnet wird, nämlich beispielsweise: "Überweisen Sie den Rundfunkbeitrag in Höhe von ... Euro bis zum ... auf das genannte Konto." Während die Beitragsfestsetzung das Festsetzungsverfahren abschließt, leitet das Leistungsgebot das Erhebungsverfahren ein. Sollte das Erhebungsverfahren ohne Erfolg bleiben, schließt sich daran dann das Vollstreckungsverfahren an.

Dies sind allgemeingültige Verfahrensgrundsätze des Verwaltungsrechts. Es hat nichts damit zu tun, ob es sich um eine Steuer oder eine andere öffentliche Abgabe handelt.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: Nichtgucker am 04. September 2018, 21:32
Nachdem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass es mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar ist, dass ein Alleinstehender genau den gleichen Beitrag für eine Wohnung zu entrichten hat wie eine Person aus einer Großfamilie, deren Mitbewohner dann beitragsbefreit sind, glaube ich nicht, dass diese Großfamilie dann auch noch einen Anspruch auf eine Aufsplittung des Beitrages auf einzelne Personen durchsetzen kann. Das würde den Ansatz "eine Wohnung - ein Beitrag - ein Zahler" wieder zunichte machen und zu einer Kostensteigerung für alle Beitragszahler führen. Politisch wäre das überhaupt nicht mehr vermittelbar.

Selbst wenn sich die Judikative (Gerichte) der Idee der Beitragsaufteilung im Außenverhältnis anschließen würde, ist damit zu rechnen, dass ein solches Konstrukt schnell wieder durch die Exekutive (Erlasse und Verordnungen) oder die Legislative (Gesetze und Staatsverträge) beendet würde. Die herrschenden Parteien wollen den ÖRR und seine möglichst reibungslose Finanzierung über Zwangsbeiträge auf jeden Fall aufrecht erhalten.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: seppl am 04. September 2018, 21:53
Mein lieber @Nichtgucker!
Das mag ja alles in Zukunft so geschehen. Aber bitte lass uns doch erstmal was in die Richtung versuchen. Versuch macht kluch...

Wo hat das BVerfG den Satz
Zitat
..., dass es mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar ist, dass ein Alleinstehender genau den gleichen Beitrag für eine Wohnung zu entrichten hat wie eine Person aus einer Großfamilie, deren Mitbewohner dann beitragsbefreit sind,...
zumindest sinngemäß so formuliert?
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: Nichtgucker am 04. September 2018, 22:27
@ seppl

Gegen einen Versuch habe ich überhaupt nichts einzuwenden. Ich möchte nur nicht, dass zu große Hoffnungen geweckt werden, damit den Rundfunkbeitrag aus den Angeln zu heben. Da muss aus meiner Sicht tiefer an der Wurzel angesetzt werden ...

Falls jemand aus Hamburg und Umgebung hier ist, der die Argumentation von seppl vor Gericht ausprobieren möchte, bitte ich darum, den Verhandlungstermin im Forumkalender einzustellen. Wir (seppl und ich) dürften dann wie bereits mehrfach geschehen auf der Zuschauerbank dabei sein.

Randnummer 16 aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes:

Zitat
Durch die Beitragsausgestaltung komme es zwar zu Ungleichbehandlungen von Alleinwohnenden gegenüber den Inhabern von Mehrpersonenwohnungen. Die Gesetzgeber seien jedoch nicht verpflichtet, die Beitragserhebung als Pro-Kopf-Beitrag auszugestalten, da bei der Anknüpfung an Wohnungen die Fluktuation der Wohnungsbewohner unerheblich sei und damit weniger Daten erhoben werden müssten (BVerwG, Urteil vom 18. März 2016 - 6 C 7.15 -, juris, Rn. 43 ff.; Urteil vom 25.Januar 2017-6C11.16-, juris, Rn.46ff.; Urteil vom 25.Januar 2017-6C15.16 -,juris, Rn. 46ff.). Die Gesetzgeber seien zu dem nicht gehalten, für Personen, die als Inhaber mehrerer Wohnungen als Beitragsschuldner zur Zahlung verpflichtet seien, im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag differenzierende Regelungen zu schaffen. Befreiungs- oder Ermäßigungsregelungen für Zweitwohnungsinhaber würden in ihrer Durchsetzung zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand führen, da kontinuierlich die personelle Fluktuation in den Wohnungen des Inhabers überwacht und Änderungen bei der Anzahl der beitragspflichtigen Mitbewohner nachverfolgt werden müssten (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2017 - 6 C 15.16 -, juris, Rn. 51 ff.).
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: MichaelEngel am 04. September 2018, 22:57
Die Antwort der Höchstrichter kann man vorhersagen.

EUR 17,50 für ein so tolles, unfangreiches, informatives, bildendes, Kultur bringendes, beratendes, unterhaltsames Programm ist billig und kann einer Person zugemutet werden. Mehr als EUR 17,50 ist schon teuer, und deswegen wurde die Abgabe bei mehrfachen Wohnungen gekippt.

Wenn also der "Beitragsservice" nach seiner Willkür einen beliebigen Bewohner einer Wohnung wählt und sich das Geld von ihm holt, eventuell durch Vollstreckung, dann ist es keine Verletzung des Gleichheitssatzes, dass die anderen eventuell nichts zu zahlen brauchen, aus dem selben Grund, dass das BVerfG keine Ungleichbehandlung bei Wohnungen mit verschiedener Anzahl von Bewohnern sah.

Nach diesem Schandurrteil gibt es keine Argumente mehr.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: hankhug am 04. September 2018, 23:58
Mehr als EUR 17,50 ist schon teuer, und deswegen wurde die Abgabe bei mehrfachen Wohnungen gekippt.
Und genau deswegen könnte ein fiktiver Beitragszahler (alleinlebend oder nichtalleinlebend) eine beliebige Anzahl von Nebenwohnsitzen (z.B. bei Familienangehörigen) beim Einwohnermeldeamt melden, die Zahlung des jeweiligen gesamtschuldnerischen Anteils nachweisen (Dauerauftrag an den Beitragszahler oder handschriftliche Quittungen) und dann eine Beitragsermäßigung unter Berücksichtigung aller im Binnenausgleich gezahlten gesamtschuldnerischen Anteile beantragen, so dass keine Person mehr als 100% zahlt. (siehe auch die Diskussion Thema: Befreiung für Zweitwohnung kann beantragt werden - Formular liegt nun vor, https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,28464.msg179275.html)

Mal schauen, was die LRA, VGe und dann in 5 Jahren wieder das BVerfG dazu sagen werden. Obwohl das BVerfG sich dazu in Rn111 bereits eindeutig geäußert hat. Wenn übrigens bei den VGen Verwaltungsschwierigkeiten als Ablehnungsgrund genannt würden, könnte man darauf verweisen, dass das BVerfG ja extra den personenbezogenen Beitrag schon als verfassungskonformen Ausweg eröffnet hat.
 
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: seppl am 05. September 2018, 00:51
Randnummer 16 aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes:
Zitat
Die Gesetzgeber seien jedoch nicht verpflichtet, die Beitragserhebung als Pro-Kopf-Beitrag auszugestalten, da bei der Anknüpfung an Wohnungen die Fluktuation der Wohnungsbewohner unerheblich sei und damit weniger Daten erhoben werden müssten

Der Gesetzgeber hat auch die steuerliche Zusammenveranlagung von Ehepaaren nicht als "Pro-Kopf-Abgabe" "ausgestaltet". Auch hier wird vergleichbar erst einmal angenommen, dass die meisten Ehepaare ihre Finanzen zusammen regeln. Ist dem nicht so, können sie, gesetzlich begründet, ihre Gesamtschuld splitten. Die Privatautonomie steht über allem!

Es wird überhaupt nicht von einer "Beitragsbefreiung der anderen Mitbewohner" gesagt. Das konstruiert der Beitragsservice gedanklich dort hinein. Dadurch wird das Ganze auch so unverständlich nebulös.
Die Ausgestaltung meint die Ausgestaltung als Gesamtschuldverhältnis bei mehreren Bewohnern und die muss sich nach dem Regelungen der Gesetze richten.
Ein Schuldverhältnis, bei dem nur einer schuldet ist definitiv kein Gesamtschuldverhältnis.
Der RBStV befreit natürliche Personen nach den Vorschriften des §4 RBStV. Und nicht grundsätzlich alle Bewohner bis auf einen.
 
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: hankhug am 05. September 2018, 01:11
Im Übrigen gehört ja Rn16 noch zu dem Teil, in dem die völlig unmaßgebliche Sicht des BVerwG nochmal dargestellt wird. Das ist ja nicht die Urteilsbegründung des BVerfG, die erst ab Rn 45 losgeht.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: Nichtgucker am 05. September 2018, 07:00
Die Sicht des BVerwG ist nicht "völlig unmaßgeblich", sondern das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes bestätigt, in dem es die hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden verworfen hat.

Wäre das Bundesverfassungsgericht anderer Auffassung gewesen, hätte es dies in seinem Urteil ausgeführt und nicht nur die Passage aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zitiert.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: Housebrot am 05. September 2018, 07:36
Die Beitragsfestsetzung ist ein feststellender Verwaltungsakt, denn er stellt nur fest, dass ein Beitragsschuldverhältnis besteht. Eine Beitragsfestsetzung kann nicht vollstreckt werden, weil in ihr keine Handlung angeordnet wird, die vollstreckt werden könnte.

Sehr mutig formuliert........

Bisher steht auf meinen "Festsetzungbescheiden", sofern diese überhaupt bekanntgegeben worden sind, dass es sich um einen vollstreckbaren Titel handelt....

Das erklärt warscheinlich auch die massenhaften Zwangsvollstreckungen durch die Stadtkassen.... weil die Beitragsfestsetzung nicht vollstreckt werden kann.....

Lass mich bitte an Deinem Hintergrundwissen (und auch alle anderen hier) teilhaben.....

Grüße
Adonis
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: PersonX am 05. September 2018, 08:56

"dass es sich um einen vollstreckbaren Titel handelt"
ist zunächst eine Behauptung. Dieser kann entgegen getreten werden. Im Grunde wird das auf zwei Ebenen angegriffen. Die erste Ebene ist, dass in dem Schriftstück nichts steht was vollstreckbar ist. Die andere Ebene greift die Selbsttitulierung an, welche nicht gegeben ist durch Teilnahme am Wettbewerb. Beide Thermen werden im Forum an verschiedenen Stellen beleuchtet. Einen zusammenfassenden Blick kann dazu auch die Streitschrift vermitteln.

Leistungsgebot
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,18629.0.html (https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,18629.0.html)
Buch z.B. Lindner
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=22007.0

Wettbewerb alle Themen mit Bezug zu EuGH, Behörde


Streitschrift
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22074.msg167959.html#msg167959 (https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22074.msg167959.html#msg167959)
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: hankhug am 05. September 2018, 11:27
Die Sicht des BVerwG ist nicht "völlig unmaßgeblich", sondern das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes bestätigt, in dem es die hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden verworfen hat.
Wäre das Bundesverfassungsgericht anderer Auffassung gewesen, hätte es dies in seinem Urteil ausgeführt und nicht nur die Passage aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zitiert.
In den ersten Randnummern sind auch die Sichtweisen der Beschwerdeführer zitiert (alles jeweils im Konjunktiv), die ja erkennbar eine geringe Rolle für die Auffassung des BVerfG gespielt haben.
Das BverfG hat in seinem Urteil auch zum Teil völlig andere Begründungen als das BVerwG aufgeführt. Dass "die Fluktuation der Wohnungsbewohner unerheblich sei und damit weniger Daten erhoben werden müssten", stimmt erstens nicht (das erklärt der BS selbst auf seiner Website https://www.rundfunkbeitrag.de/buergerinnen_und_buerger/informationen/informationen_zum_meldedatenabgleich/fragen__und_antworten_zum_meldedatenabgleich_2018/index_ger.html) und ist zweitens vom BVerfG auch nicht als Begründung gegen den Personenbeitrag aufgeführt worden. Die Begründung des BVerfG war 'Schutz der Familie' und 'weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers'.
Aber jetzt sag ich dazu besser nichts mehr, sonst bekomme ich vom Threadmoderator wegen 'Abschweifung vom Thema' Ärger. ;)

Anm.Mod.seppl: Genau!  ;)
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: drboe am 05. September 2018, 12:26
Randnummer 16 aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes:

Zitat
Die Gesetzgeber seien zu dem nicht gehalten, für Personen, die als Inhaber mehrerer Wohnungen als Beitragsschuldner zur Zahlung verpflichtet seien, im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag differenzierende Regelungen zu schaffen. Befreiungs- oder Ermäßigungsregelungen für Zweitwohnungsinhaber würden in ihrer Durchsetzung zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand führen, da kontinuierlich die personelle Fluktuation in den Wohnungen des Inhabers überwacht und Änderungen bei der Anzahl der beitragspflichtigen Mitbewohner nachverfolgt werden müssten (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2017 - 6 C 15.16 -, juris, Rn. 51 ff.).

Dies ist die Position des BVerwG,  die das BVerfG hier zwar zitiert, letztlich aber als einzige Regelung des sogn. Rundfunkbeitragsstaatsvertrags gekippt hat:

Zitat von: BVerfG
Die Zustimmungsgesetze und Zustimmungsbeschlüsse der Länder zu Artikel 1 des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15. Dezember 2010 sind, soweit sie § 2 Absatz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (abgedruckt in der Anlage zu Artikel 1 des Gesetzes zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18. Oktober 2011 <Gesetzblatt für Baden-Württemberg Seiten 477, 478>) in Landesrecht überführen, mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar, als Inhaber mehrerer Wohnungen über den Beitrag für eine Wohnung hinaus zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen werden.

M. Boettcher
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: MichaelEngel am 05. September 2018, 13:10
Ja, drboe, da steht geschrieben:

EUR 17,50 pro Monat dürfe man von einem einzelnen verlangen (für das tolle Programm, für das Glotzen der anderen in der Wohnung, oder auch für das absolute Nichts, wenn für die Höchstrichter das Nichts so wichtig wäre), erst etwas mehr als 17,50 sei verfassungswidrig (wahrscheinlich weil Richter, und Politiker so wie so, eine zweite Wohnung haben). 

EUR 17,50 pro Monat ist ja (für Richter und Politiker) nur ein Obolus. So lautete auch die alte Rechtsprechung: Rundfunknutzung war gratis (keine Gegenleistung für die Gebühr), die "Gebühr" war eine an der Verfassungswidrigkeit nahe Abgabe für den Gerätebesitz, sie sollte aber auf Grund der Informationsfreiheit nicht so hoch sein, dass Menschen wegen der Höhe die Geräte entsorgen).

EUR 17,50 sei also wenig (wenn ARD/ZDF/DRadio es verlangen, aber nicht wenn wir es nicht zahlen wollen), und es ist also kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, wenn nur einer in der Wohung es zahlt.

Es hat keinen Grund logisch, rational, argumentativ mit diesen Höchstrichter und sonstiger Richter zu argumentieren, ebenso mit Politikern, weil sie auf der Ebene des Gewaltmonopols des Gesetzgebers bei der Vollstreckung ihres breiten Gestaltungsspielraums (Willkür) argumentieren.

Wir können jetzt nur hoffen, dass der EuGH die Abgabe kippt.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: drboe am 05. September 2018, 15:26
@MichaelEngel: ich weiß nicht, wie du jetzt auf 17,50 € kommst und die als quasi oberste Grenze betrachten willst. Eine solche hat das BVerfG nicht definiert, wenn es verlangt, dass nicht zweimal von einer Person kassiert werden darf, wenn diese zwei Wohnungen besitzt. Du wirst noch erleben, dass der sogn. Rundfunkbeitrag deutlich höher werden wird als 17,50€.

Worum es mir mit obigem Hinweis ging und geht ist, dass man nicht Wiederholungen der Aussagen von anderen Gerichten als solche des BVerfG betrachtet. Anders würde man auch in einem erfolgreichen Urteil massenhaft Widersprüche entdecken, also gerade den größtmöglichen Erfolg in Grund und Boden reden.

Was @seppl hier im Thread zurecht aufspiesst, ist im Grunde einer von vielen Punkten, an denen man der Rundfunkfinanzierung Handlungs- und Verfahrensweisen ermöglicht, die sich außerhalb des Üblichen, der Norm bewegen. M. E. geschieht dies weitgehend ohne rationale Begründung, wobei es an nachvollziehbaren Begründungen rund um den ÖR-Rundfunk an vielen Stellen mangelt. Neben der irregulären Ausgestaltung der Gesamtschuldnerschaft, in der eine willkürlich festgelegte Person für alle in einer Wohnung in Anspruch genommen wird, ist das z. B. die Finanzierung der staatlichen Aufgabe der Medienanstalten aus "Rundfunkbeiträgen".

Die Willkür der angeblichen Gesamtschuldnerschaft wird besonders deutlich daran, dass mit der Festlegung des Zahlungspflichtigen die Daten alternativer Zahler qua Gesetz gelöscht werden müssen. So kommt es dazu, dass einer, ggf. der wirtschaftlich Schwächste einer Gruppe, das gesamte Repertoire gesetzlicher Zwangsmaßnahmen erleben und erleiden darf, während er nicht einmal über echte Druckmittel verfügt sich die Anteile von den übrigen Mitgliedern zurück zu holen. Einer wird dann wirtschaftlich benachteiligt. Weder die Gesetzgeber noch die Gerichte können so tun, als ob Wohnungsinhabergemeinschaften auch finanziell eine Gemeinschaft bilden. WGS sind Zweckverbünde, mit teils erheblicher Fluktuation, Paare keineswegs immer verheiratet oder einer davon von anderen wirtschaftlich abhängig. Die Zivilgesellschaft folgt schon lange nicht mehr den Idealen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, in dem z. B. das BGB entstand. Sollen etwa volljährige Kinder ihre Eltern verklagen, zahlende WG-Mitglieder die Nichtzahler, ein Mann bzw. eine Frau den Lebenspartner, die in der Wohnung lebende Großmutter den Enkel? * Selbst die 150% Verfechter ÖR-Rundfunks werden zugeben müssen, dass so etwas nicht im Sinne aller sein kann.

M. Boettcher

* Anmerkung1: Vielleicht wäre es eine Möglichkeit den sogn. Rundfunkbeitrag zu kippen, wenn man massenhaft völlig sinnlose Prozesse lostritt und einmal die Zivilgerichtsbarkeit lahm legt. Wenn sehr viele Leute, die den sogn. Rundfunkbeitrag zahlen, ihre Mit-Inhaber der Wohnung auf anteiligen Ausgleich verklagen, können schnell die Kapazitäten der Gerichte gesprengt werden. Warum aber sollte man das tun? Ganz einfach: weil man es kann!

Anmerkung 2: sollte sich bei einer Klage wie unter 1. bestätigen, dass es kein zivilrechtliches Druckmittel gibt Mitbewohner zum Ausgleich ihres Anteils am sogn. Rundfunkbeitrag zu zwingen, was ich vermute, so wäre ggf. ein weiterer Weg zum BVerfG eröffnet. Bejaht man die Verfassungswidrigkeit des Verfahrens der angeblichen Gesamtschuldnerschaft bei der Rundfunkfinanzierung, wäre der Gang zum BVerfG ja vermutlich das Ziel.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: seppl am 05. September 2018, 16:38
@drboe:
Sich untereinander zu verklagen ist in diesem Falle nicht nötig. Im Eingangspost hatte ich erwähnt, dass z.b. Ehepaare, bei denen beide steuerpflichtig sind, nicht genötigt werden können, diese Staatsbürgerpflicht bei gesamtschuldnerischen Streitigkeiten in Steuersachen  im privaten, zivilrechtlichen Rahmen ausführen zu müssen. Sie stellen einen Antrag beim Finanzamt auf Aufteilung nach §268 AO. Fertig.

Dieser Antrag muss nun auch beim Rundfunkbeitrag zu stellen sein, da Abgabe an die öffentliche Hand. Dafür muss man nicht mal klagen. Der Brief muss bloß vor Zahlung oder Vollstreckung der strittigen Summe bei der zuständigen Behörde eingehen. Ich würde sowohl Finanzamt (Hamburg: Finanzbehörde) und LRS (Hamburg: NDR) damit konfrontieren, da die Zuständigkeit da so ein bischen schwammig ist. Vom NDR wird es (meine Erfahrung) keine Antwort geben (Sand in den Kopf Taktik). Die Antwort der Finanzbehörde steht bei mir noch aus.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: drboe am 05. September 2018, 17:16
@seppl: der Antrag nach §268 AO wird aber vermutlich scheitern. Heißt es da doch

Zitat
Sind Personen Gesamtschuldner, weil sie zusammen zu einer Steuer vom Einkommen oder zur Vermögensteuer veranlagt worden sind, so kann jeder von ihnen beantragen, dass die Vollstreckung wegen dieser Steuern jeweils auf den Betrag beschränkt wird, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 bei einer Aufteilung der Steuern ergibt.

Das überaus politisch und systemkonform entscheidende Bundesverfassungsgericht hat ja festgestellt, dass es sich beim sogn. Rundfunkbeitrag nicht um eine Steuer sondern um einen Beitrag handelt. Schon gar nicht handelt es sich mithin nach Ansicht des BVerfG um eine Steuer vom Einkommen oder eine Vermögensteuer. Selbst wenn man Urteile präsentieren kann, die eine Beschränkung auf die aufgeführten Steuerarten als nicht abschließend betrachten, so greift mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die "Lex ÖRR", die da im Prinzip lautet: "was immer den Interessen des ÖR-Rundfunks dient, wird gemacht, was ihnen zu wider läuft abgelehnt!"  8) Eine reine Verwaltungsvereinfachung, da können die Interessen und Rechte des Bürgers schon mal hinten über kippen.

M. Boettcher

Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: MichaelEngel am 05. September 2018, 18:05
Mit etwas Einfühlungsvermögen kann man irgendwie die "Argumentation" der Hohen- und Höchstrichter verstehen, auch, was ich zu sagen wollte. Dazu etwas entpannter lesen, und nicht auf Wortlaut fixiert.

EUR 17,50  ist der Rundfunkbeitrag heute und gilt als Obolus. Und wenn Morgen EUR 100  oder 200 ist, dann wird er ebenso Obolus sein, weil eben die Hohen- und Höchstrichter es so sehen. Dann ist, einen der Bewohner mit EUR 100/Monat nach Willkür der GEZ zu belasten, nicht in Widerspruch mit dem Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber hat ja eine breite Gestaltungsfreiheit und ist auf wenig (oder nichts) gehalten.

"Außerhalb des üblichen" ist vielleicht die ganze Rechtsprechung bezüglich der Rundfunkabgabe, der arge Präzedenzfall wird aber früher oder später woanders gelten.

Was ich sagen wollte: rationale Argumentation hilft bei dieser "Justiz" nicht. Wir sind zu fixiert auf den Rundfunkbeitrag, das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Man kann klagen, um Gerichte zu belasten und so (gewaltfreien) Widerstand zu leisten, aber von ihnen keine echte Rechtsprehung erwarten.

Glaubt wirklich jemand, dass diese Hohe- und Höchstrichter ein Problem mit Widersprüchen hätten? Um die Rundfunkabgabe zu verteidigen, sagen sie heute etwas, morgen das Gegenteil, oder gleichzeitig etwas und das Gewgenteil: die Gesetze der Logik, der rationalen Argumentation sind aufgehoben, weil es hier ja um etwas "so Wichtiges" geht.
Titel: Re: Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags wg. Nichtteilbarkeit der Gesamtschuld
Beitrag von: seppl am 05. September 2018, 21:59
Das überaus politisch und systemkonform entscheidende Bundesverfassungsgericht hat ja festgestellt, dass es sich beim sogn. Rundfunkbeitrag nicht um eine Steuer sondern um einen Beitrag handelt.

Und ich habe festgestellt, dass nach § 2 RBStV die Gesamtschuldnerschaft des Rundfunkbeitrags nach § 44 AO haftet.

Es geht hier nicht um Steuer oder Beitrag, sondern um freiwillig oder gesetzlich bestimmt. Ist eine gesamtschuldnerische Abgabe gesetzlich festgelegt meist aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, muss den Einzelnen Schuldnern die Möglichkeit gegeben werden, ihre Privatautonomie wiederzuerlangen. Daher die nachträgliche Aufteilung.

Ich meine, es sollte erst einmal versucht werden, bevor man sich weiter den Kopf darüber zerbricht, warum es nicht klappen könnte.