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Allgemeines => Dies und Das! => Thema gestartet von: pinguin am 04. Mai 2017, 11:15

Titel: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 04. Mai 2017, 11:15
Guten Morgen,

ein separates Thema fand ich dazu noch nicht, deshalb nun dieses hier.

Unlautere Geschäftspraktiken
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1431576724167&uri=LEGISSUM:l32011

Zitat
Unlautere Geschäftspraktiken sind Praktiken, die:
[...]
das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich beeinflussen können*.[...]

Aggressive Geschäftspraktiken
Verbraucher müssen ihre geschäftlichen Entscheidungen frei treffen können. Eine Geschäftspraxis gilt als aggressiv und unlauter, wenn sie durch Belästigung, Nötigung oder unzulässige Beeinflussung* die Wahlfreiheit des durchschnittlichen Verbrauchers beeinträchtigt und ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung drängt, die er sonst nicht getroffen hätte. [...]

Damit ist doch schon alles gesagt?

Welcher vom ÖRR zur Zahlung des Rundfunkbeitrages genötigte Nicht-Rundfunkkonsument würde statt der Zahlung des abgepressten Rundfunkbeitrages lieber bspw. ein Zeitungsabo abschließen?

Obiges, verlinktes Dokument enthält freilich weiterführende Links zu relevanten Materialien.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: tigga am 04. Mai 2017, 15:45
Laut Koblenzer und Bölck (Veranstaltung in Berlin) sind diese "Geschäftspraktiken" aber keine im Sinne von echten Geschäften "Firma -> Bürger", sondern "laut Gesetz" festgelegte Abgaben. Deswegen werden auch alle Klagen abgewürgt, in denen steht, dass "Geschäfte zu Lasten Dritter" nichtig sind. Zumindest lese ich das so aus dem Zitat raus.

Ein anderes wäre es, wenn die Rundfunkanstalt in Person auf jeden einzelnen Bürger zukommt und dann versucht einen Vertrag zu schließen. Das könnte evtl. das zitierte tangieren. Wobei, wer sich dann immer noch auf die örRen einlässt, ist selbst schuld :D Hier könnte es eher darum gehen, dass z.b. wie im Fall von Vodafone (Versand von Werbung, die nach öffentlicher Zustellung einer Behörde aussieht) ebendiese Praktiken nicht gewollt sind und die Rechtsgeschäfte daraus gegen Europäisches Recht verstoßen.

Aber alles nur "rein logisch betrachtet mit einer gehörigen Portion Halbwissens"
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 05. Mai 2017, 07:07
Es kommt im europäischen Recht auf die Wirkung einer Regel an, hat der EuGH bereits nicht nur einmal in seinen Entscheidungen formuliert; allerdings müsste ich selber erst einmal danach suchen.

Und mit Blick auf die Wirkung ist festzustellen, daß Nichtrundfunkkonsumenten genötigt werden, Zahlungen für von ihnen nicht gewünschte Leistungen zu tätigen.

Der Verbraucher muß aber frei in seiner Entscheidung sein; elementare Forderung und Notwendigkeit für das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: drboe am 05. Mai 2017, 09:49
@pinguin: dennoch hat tigga recht. Andernfalls fielen auch sämtliche Steuern dem Verdikt zum Opfer, dass die Wahlfreiheit des durchschnittlichen Verbrauchers beeinträchtigt wird und man ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung drängt, die er sonst nicht getroffen hätte. Es gibt wohl wenige die freiwillig Mehrwert- bzw. Umsatzsteuern, Versicherungssteuern, Gewerbesteuern, Grundsteuern, Grunderwerbssteuern, Kapitalertragssteuern, Lohn-/Einkommenssteuern, Solidaritätszuschlag etc. freiwillig zahlen würden. Und wenn man Wahlfreiheit hätte beim "Anbieter für Besteuerung", für welchen Dienstleister sollte/würde man sich entscheiden? Egal in welchem Staat man sich niederlässt, auf freiwillige Steuerzahlungen setzt wohl kein Land.

M. Boettcher
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: Mallewitsch am 05. Mai 2017, 10:54
Hm, EU-Recht...will es kurz machen (falls ich hier im falschen Zimmer bin, bitte verschieben):

Wie verhält es sich bspw. mit der Diskriminierung der Inländer (vgl. MAUT. Wenn ich auf die Schnelle richtig verstehe, musste wegen Diskriminierung der Ausländer nachgebessert werden):

Der dtsch. Rundfunk wird per Satelit und www. planetarisch verbreitet, nur innerhalb der (zur Makulatur erstarrten) Landesgrenzen muss dafür bezahlt werden. Allein in Europa haben sicherlich 300.000.000 Menschen gratis Zugriff auf die Programme. Aber nur die in der BRD lebenden Michel und Michelinen müssen dafür zahlen. Ich empfange den Quatsch in Israel, Spanien, in Südafrika, den USA und auch am Nordpol oder auf Mikronesien. Gratis. Inzwischen kann ich den Unsinn über den Wolken im Flugzeug glotzen oder mitten auf dem Indischen Ozean.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 05. Mai 2017, 14:30
@drboe

Steuern werden nicht für etwas Bestimmtes erhoben, sondern auf Basis von Eigentum an etwas Bestimmtem, Einkommen etc.

Der Steuerzahlung ist auch nur dann Steuerzahler, wenn er die allgemeinen Kriterien, die zur Steuerzahlung führen, erfüllt; sonst ist er kein Steuerzahler. Das gilt auch für die Mehrwertsteuer; kaufst Du nix, zahlst Du keine.

Das ist auch ein wesentlicher Grund, weshalb national der Betrag "Rundfunkbeitrag" heißt und nicht "Rundfunksteuer". Von den Belangen um die Steuerhoheit mal abgesehen.

Der Verbraucher in der EU hat die Freiheit, zu kaufen und zu verkaufen, wie es ihm im Rahmen des Rechtsgefüges zugestanden wird, und nur im Rahmen dieses Rechtsgefüges sind Steuerzahlungen fällig.

Nehmen wir den Besitz an Grund und Boden; die Pflicht, derartiges zu besitzen, hast Du nicht, bist damit als Verbraucher frei in Deiner Entscheidung, selbiges zu besitzen oder nicht, und zahlst Grundsteuer nur im Falle des Besitzes an Grund und Boden.

Als Verbraucher hast Du aber in jedem Falle zuvor die freie Entscheidung darüber, ob Du Grund und Boden erwirbst oder nicht.

Und genau darauf kommt es an.

Für die EU sind auch die ÖRR bloße Unternehmen im audio-visuellen Sektor, bloße Unternehmen neben vielen anderen Unternehmen.

Und als Unternehmen unterstehen sie sämtlichen europäischen Wettbewerbs-, Steuer- und Handelsbestimmungen, da sie grundsätzlich im EU-Binnenmarkt tätig sind. EU-Generalanwälte gehen regelmäßig davon aus, daß im Zweifelsfalle der Handel zwischen den Mitgliedstaaten immer gefährdet wird, wenn ein Unternehmen im EU-Binnenmarkt agiert.

Wo ist die Handlungsfreiheit des mündigen Bürgers, der sich als Verbraucher gegen den Rundfunk als Medium ausspricht, sich dafür auf die Seite der gedruckten Printmedien stellt und dann dennoch für den von ihm nicht genutzten Rundfunk zahlen soll?

Auch hier in diesem Thema sei daran erinnert; daß gemäß EGMR eine Rundfunkgebühr eine Steuer ist, wenn sie alle zu zahlen haben.

Im Europa des EuGH sind es Steuermittel, aus denen der Rundfunkbetrag entrichtet wird; im Europa des EGMR sind es gar direkt Steuern. Siehe separates Thema im Europathema:
[Übersicht] EU-Recht
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,20730.0.html
in Verbindung mit
Für EGMR wie EuGH ist eine Rundfunkgebühr eine Steuer
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22224.0.html

Entweder ist es eine Steuer auf Basis der für alle Steuern geltenden Bestimmungen, aus Sicht der EU ist es eine, oder es ist keine Steuer, dann müssen ebenfalls die allgemeinen Bestimmungen, wie sie für alle Nichtsteuern gelten, eingehalten werden.

In jedem Fall steht am Anfang aber die freie Entscheidung des Verbrauchers.

Wenn dem Verbraucher suggeriert wird, daß der von ihm abverlangte Betrag keine Steuer ist, er aber allternativ auch keine freie Entscheidung darüber hat, ob er diesen Betrag leisten möchte oder nicht, sind die Vorgänge darum ein eindeutiges Zeichen für unlautere Geschäftspraktiken alleine oder in Folge des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung.

Warum, bitteschön, meinst Du denn, wurden seitens der EU in zeitlich durchaus passender Folge entsprechende Richtlinien und Verordnungen erlassen, die allesamt wunderbar gegen den dt. ÖRR verwendet werden können?

Angefangen von den Richtlinien über audio-visuelle Mediendienste, insbesondere 2010/13/EU mit dem Erwägungsgrund 82, wonach die Bestimmungen über unlautere Geschäftspraktiken gelten sollen.

RICHTLINIE 2010/13/EU [...] zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste)
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1440190481646&uri=CELEX:02010L0013-20100505

Zitat
(82)

    Abgesehen von den Praktiken, die unter die vorliegende Richtlinie fallen, gilt die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern ( 26 ) für unlautere Geschäftspraktiken, darunter auch für irreführende und aggressive Praktiken in audiovisuellen Mediendiensten.[...] 
 

RICHTLINIE 2005/29/EG [...] über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1493988323745&uri=CELEX:32005L0029

Zitat
Artikel 15

    Änderung der Richtlinien 97/7/EG und 2002/65/EG

    1.
       

    Artikel 9 der Richtlinie 97/7/EG erhält folgende Fassung:

    „Artikel 9

    Unbestellte Waren oder Dienstleistungen

    Angesichts des in der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (10) festgelegten Verbots von Praktiken bezüglich unbestellter Waren oder Dienstleistungen treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um den Verbraucher von jedweder Gegenleistung für den Fall zu befreien, dass unbestellte Waren geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht wurden, wobei das Ausbleiben einer Reaktion nicht als Zustimmung gilt.

    2.
       

    Artikel 9 der Richtlinie 2002/65/EG erhält folgende Fassung:

    „Artikel 9

    Angesichts des in der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (11) festgelegten Verbots von Praktiken bezüglich unbestellter Waren oder Dienstleistungen und unbeschadet der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die stillschweigende Verlängerung von Fernabsatzverträgen, soweit danach eine stillschweigende Verlängerung möglich ist, treffen die Mitgliedstaaten Maßnahmen, um die Verbraucher für den Fall, dass unbestellte Waren geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht wurden, von jeder Verpflichtung zu befreien, wobei das Ausbleiben einer Antwort nicht als Zustimmung gilt.
Im Falle der nichtbestellten Ware oder Dienstleistung ist der Verbraucher von jeder Gegenleistung zu befreien.

Es sind zwar "nur" Erwägungsgründe; aber es wird jeweils davon geschrieben, daß diese Verbote zum Inhalt haben

    Artikel 9 der Richtlinie 97/7/EG erhält folgende Fassung
Zitat
    Angesichts des in der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (10) festgelegten Verbots von Praktiken bezüglich unbestellter Waren oder Dienstleistungen[...]

    Artikel 9 der Richtlinie 2002/65/EG erhält folgende Fassung
   
Zitat
Angesichts des in der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (11) festgelegten Verbots von Praktiken bezüglich unbestellter Waren oder Dienstleistungen[...]

   
Zitat
(10)   

    Es muss sichergestellt werden, dass diese Richtlinie insbesondere in Fällen, in denen Einzelvorschriften über unlautere Geschäftspraktiken in speziellen Sektoren anwendbar sind auf das geltende Gemeinschaftsrecht abgestimmt ist. Diese Richtlinie ändert daher die Richtlinie 84/450/EWG, die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (4), die Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (5) und die Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher (6). Diese Richtlinie gilt dementsprechend nur insoweit, als keine spezifischen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts vorliegen, die spezielle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, wie etwa Informationsanforderungen oder Regeln darüber, wie dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind. Sie bietet den Verbrauchern in den Fällen Schutz, in denen es keine spezifischen sektoralen Vorschriften auf Gemeinschaftsebene gibt, und untersagt es Gewerbetreibenden, eine Fehlvorstellung von der Art ihrer Produkte zu wecken. Dies ist besonders wichtig bei komplexen Produkten mit einem hohen Risikograd für die Verbraucher, wie etwa bestimmten Finanzdienstleistungen. Diese Richtlinie ergänzt somit den gemeinschaftlichen Besitzstand in Bezug auf Geschäftspraktiken, die den wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schaden.

   
Zitat
(11)   

    Das hohe Maß an Konvergenz, das die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften durch diese Richtlinie hervorbringt, schafft ein hohes allgemeines Verbraucherschutzniveau. Diese Richtlinie stellt ein einziges generelles Verbot jener unlauteren Geschäftspraktiken auf, die das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers beeinträchtigen. Sie stellt außerdem Regeln über aggressive Geschäftspraktiken auf, die gegenwärtig auf Gemeinschaftsebene nicht geregelt sind.

Da die EU alle Unternehmen gleich behandelt, die Bestimmungen über unbestellte Waren und Dienstleistungen auch im Bereich Rundfunk gelten, gelten sie auch für den dt. ÖRR; folglich ist auch der dt. ÖRR "bloß" Gewerbetreibender, weil kein grundlegender Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk besteht. Sie alle agieren nach gleichen EU-Bestimmungen.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: tigga am 05. Mai 2017, 17:10
Entweder ist es eine Steuer auf Basis der für alle Steuern geltenden Bestimmungen, aus Sicht der EU ist es eine, oder es ist keine Steuer, dann müssen ebenfalls die allgemeinen Bestimmungen, wie sie für alle Nichtsteuern gelten, eingehalten werden.

In jedem Fall steht am Anfang aber die freie Entscheidung des Verbrauchers.
Ich hoffe, ich habe jetzt nicht falsch gekürzt. Kurz: nein.

Lang:
Wenn es eine Steuer ist, dann greift die Regelung nicht - kein Vertrag, kein Geschäftsverhältnis.
Wenn es keine Steuer ist, aber wie eine Steuer erhoben wird, ist die Regelung ebenfalls hinfällig, da unerlaubte Leistungen rechtswidrig sind und somit das Gesetz/die Verordnung nicht greifen kann (hierzu wieder die Erläuterungen von Prof. Dr. Koblenzer beim Rundfunk-Marsch in Berlin). Sie greift nur bei tatsächlichen Vorgängen. Genau das ist jetzt die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts. Was dort festgestellt wird, ist entscheidend: entweder Fall 1 oder Fall 2. Da der Rundfunk ein Sonderrecht genießt (hinfällig in der heutigen Zeit), können (mMn) die Verordnungen und Gesetze auch auf EU-Ebene nicht direkt 1:1 angewandt werden.

Außerdem, wie war das noch mal örRen und LRAen? LRA ist eine "Behörde", örR nicht? Oder irgendwie sowas in der Art? Bin der Meinung hier im Forum irgendwann mal darüber gelesen zu haben, dass es wohl doch einen Unterschied gibt. Dass beides jeweils gleich heißt, macht die Unterscheidung wohl etwas schwieriger für einen Laien (mich ^^). Die Behörden nehmen dabei ja nicht am Binnenmarkt der EU teil, sondern es sind die Unternehmen. Da aber ein Unternehmen nicht gleichzeitig eine Behörde sein darf und "die Behörde" die Rundfunkbeiträge erhebt, gilt das oben zitierte schlicht nicht, da es eben nur für Unternehmen Gültigkeit besitzt.
[scheiße ist das kompliziert... gibts da nicht n flow-chart zu, was was ist und wie es aufgeteilt ist? :-\ mit mehr Infos würde ich mich opfern sowas bereit zu stellen ^^]
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 05. Mai 2017, 19:25
@tigga

Gemäß der Definition in der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die kraft Erwägungsgrund 82 der Richtlinie 2010/13/EU über audio-visuelle Mediendienste zwischen Unternehmen und Verbrauchern auch im Bereich Rundfunk gelten soll, wird Folgendes bestimmt:

Zitat
Artikel 2

Definitionen
[...]
b)   

„Gewerbetreibender“ jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt;

Soweit eine LRA eine juristische Person ist und in ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, ist sie "Gewerbetreibender".

Es ist nun völlig egal, ob die Tätigkeit der LRA national als gewerbliche Tätigkeit behandelt wird oder nicht, eine berufliche Tätigkeit ist es in jedem Falle; damit ist die LRA ein Gewerbetreibender.

Gleiches gilt dann für den BS; egal, ob legal eigenständig oder nicht, handelt auch dieser beruflich.

Der EuGH-Entscheidung, daß eine Medienanstalt eine Behörde sei, (siehe bereits verlinktes Thema "[Übersicht] EU-Recht"), ist eindeutig zu entnehmen, daß der BS keine Behörde, bspw., sein kann, da er nicht durch ein Gesetz geschaffen wurde.

Der BS wird in keinem der Rundfunkstaatsverträge namentlich genannt; wird also nicht vom Gesetzgeber per Gesetz geschaffen. Vielmehr ist der BS lediglich eine Kooperationsstelle aller LRA zwecks der Verwaltung der vom Rundfunknutzer eingesammelten finanziellen Mittel.

Da der BS also nicht vom Gesetzgeber geschaffen wurde, ist er keine Behörde und hat damit auch keinerlei hoheitliche Befugnisse gegenüber Personen.

Siehe oben, der EuGH sagt, wer durch Gesetz geschaffen wird und (!) nach einem Gesetz handelt, kann nur Behörde sein.

Keine LRA wurde durch Gesetz geschaffen.

Ein Vertrag ist per se kein Gesetz.

Ein Gesetz durchläuft den vollständigen Rechtssetzungsprozess.

Ein Vertrag, der nicht den vollständigen Gesetzgebungsprozess durchläuft, erfüllt u. U. nicht die Voraussetzungen, um als Gesetz gültig zu sein.

Wäre eine LRA eine Behörde, wäre sie im europäischen Binnenmarkt im Wettbewerb zur privaten Wirtschaft, was nicht funktionieren kann.

Eine LRA mag zwar öffentlich-rechtlich organisiert sein, also in Eigentum des Staates stehend, (wo ist der Gründungsakt?), wie die DB AG, aber ohne jede hoheitliche Befugnis, weil jemand, der in Wettbewerb zu anderen steht, keine hoheitlichen Befugnisse haben darf; keine. Siehe Körperschaftssteuergesetz, wonach ein Betrieb gewerblicher Art nicht mit einem Hoheitsbetrieb zusammengefasst werden darf.

Ein "Betrieb gewerblicher Art" -> "Gewerbetreibender" -> Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken.

Eine LRA ist also nicht nur nach europäischem Recht ein "Gewerbetreibender", sondern auf Grund der europäischen Definition national auch als "Betrieb gewerblicher Art" zu behandeln und hat damit keinerlei hoheitliche Befugnisse.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: drboe am 06. Mai 2017, 10:46
Zitat
Steuern werden nicht für etwas Bestimmtes erhoben, sondern auf Basis von Eigentum an etwas Bestimmtem, Einkommen etc.

Das ist zwar für die meisten Fälle so, in dieser Allgemeinheit jedoch nicht richtig. Eine Abgabe, die einen definierten Zweck erfüllt, entweder weil eine spezielle Sache finanziert werden soll oder man regelnd in die Wirtschaft oder Gesellschaft eingreifen will, kann durchaus als Steuer etabliert werden. So wird ein Teil der Mineralölsteuer für den Strassenbau verwendet, es gibt eine Ökosteuer auf Strom und mit dem sogn. Solidaritätszuschlag wird der "Aufbau Ost" finanziert. Auch Kurtaxen sind zweckgebundene Steuern und die derzeit geplante Maut wird dies auch werden. Bei allen genannten Fällen handelt es sich also einwandfrei um Steuern, die definitiv "für etwas Bestimmtes" erhoben werden. Die Aussage, dass eine Steuer nicht für bestimmte Ziele erhoben wird, ist also falsch. Und umgekehrt ist es eben nicht so, dass der sogn. Rundfunkbeitrag keine Steuer ist, da er der Finanzierung des ÖR-Rundfunks dient. Wäre das nämlich so, wie die Anstalten in den Ablehnungsbescheiden behaupten, wären Klagen vor dem BVerfG aussichtslos. Glücklicher Weise sind aber Zwecksteuern durchaus mit der Abgabenordnung verträglich. Exakt dies habe ich in meiner Klage geschrieben und bisher hat da keiner widersprochen.  8)

M. Boettcher
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: Frühlingserwachen am 06. Mai 2017, 11:34
Wann hast Du Deine Klage eingereicht?
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 07. Mai 2017, 19:42
@drboe

In diesem Thema geht es um unlautere Geschäftspraktiken, nicht um Steuern; daß es hier einen für viele evtl. nicht sichtbaren Zusammenhang hat, wird aber nicht bestritten.

Schauen wir uns die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken einmal genauer an.

Im Anhang 1 zu dieser Richtlinie wird definiert, was grundsätzlich als unlautere Geschäftspraktik zu gelten hat:

Alles, was evtl. nicht für ÖRR, LRA und BS gilt, ist aus diesem Zitat herausgenommen.

Zitat
ANHANG I

GESCHÄFTSPRAKTIKEN, DIE UNTER ALLEN UMSTÄNDEN ALS UNLAUTER GELTEN

Irreführende Geschäftspraktiken
[...]

2.
Die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung.
[...]

4.
Die Behauptung, dass ein Gewerbetreibender (einschließlich seiner Geschäftspraktiken) oder ein Produkt von einer öffentlichen oder privaten Stelle bestätigt, gebilligt oder genehmigt worden sei, obwohl dies nicht der Fall ist, oder die Aufstellung einer solchen Behauptung, ohne dass den Bedingungen für die Bestätigung, Billigung oder Genehmigung entsprochen wird.
[...]

6.
Aufforderung zum Kauf von Produkten zu einem bestimmten Preis und dann
a)
Weigerung, dem Verbraucher den beworbenen Artikel zu zeigen,
oder
b)
Weigerung, Bestellungen dafür anzunehmen oder innerhalb einer vertretbaren Zeit zu liefern,

oder
c)
Vorführung eines fehlerhaften Exemplars

in der Absicht, stattdessen ein anderes Produkt abzusetzen („bait-and-switch“-Technik).

7.
Falsche Behauptung, dass das Produkt nur eine sehr begrenzte Zeit oder nur eine sehr begrenzte Zeit zu bestimmten Bedingungen verfügbar sein werde, um so den Verbraucher zu einer sofortigen Entscheidung zu verleiten, so dass er weder Zeit noch Gelegenheit hat, eine informierte Entscheidung zu treffen.
[...]

9.
Behauptung oder anderweitige Herbeiführung des Eindrucks, ein Produkt könne rechtmäßig verkauft werden, obgleich dies nicht der Fall ist.

10.
Den Verbrauchern gesetzlich zugestandene Rechte werden als Besonderheit des Angebots des Gewerbetreibenden präsentiert.

11.
Es werden redaktionelle Inhalte in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung eingesetzt und der Gewerbetreibende hat diese Verkaufsförderung bezahlt, ohne dass dies aus dem Inhalt oder aus für den Verbraucher klar erkennbaren Bildern und Tönen eindeutig hervorgehen würde (als Information getarnte Werbung). Die Richtlinie 89/552/EWG (1) bleibt davon unberührt.
[...]
13.
Werbung für ein Produkt, das einem Produkt eines bestimmten Herstellers ähnlich ist, in einer Weise, die den Verbraucher absichtlich dazu verleitet, zu glauben, das Produkt sei von jenem Hersteller hergestellt worden, obwohl dies nicht der Fall ist.
[...]
18.
Erteilung sachlich falscher Informationen über die Marktbedingungen oder die Möglichkeit, das Produkt zu finden, mit dem Ziel, den Verbraucher dazu zu bewegen, das Produkt zu weniger günstigen Bedingungen als den normalen Marktbedingungen zu kaufen.
[...]
20.
Ein Produkt wird als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder Ähnliches beschrieben, obwohl der Verbraucher weitere Kosten als die Kosten zu tragen hat, die im Rahmen des Eingehens auf die Geschäftspraktik und für die Abholung oder Lieferung der Ware unvermeidbar sind.

21.
Werbematerialien wird eine Rechnung oder ein ähnliches Dokument mit einer Zahlungsaufforderung beigefügt, die dem Verbraucher den Eindruck vermitteln, dass er das beworbene Produkt bereits bestellt hat, obwohl dies nicht der Fall ist.

22.
Fälschliche Behauptung oder Erweckung des Eindrucks, dass der Händler nicht für die Zwecke seines Handels, Geschäfts, Gewerbes oder Berufs handelt, oder fälschliches Auftreten als Verbraucher.
[...]

Aggressive Geschäftspraktiken

25.
Nichtbeachtung der Aufforderung des Verbrauchers bei persönlichen Besuchen in dessen Wohnung, diese zu verlassen bzw. nicht zurückzukehren, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen dies nach dem nationalen Recht gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen.

26.
Kunden werden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telehaben die sicherlich noch nichts gehört.fon, Fax, E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien geworben, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Verhalten nach den nationalen Rechtsvorschriften gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen. Dies gilt unbeschadet des Artikels 10 der Richtlinie 97/7/EG sowie der Richtlinien 95/46/EG (2) und 2002/58/EG.
[...]
28.
Einbeziehung einer direkten Aufforderung an Kinder in eine Werbung, die beworbenen Produkte zu kaufen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene zu überreden, die beworbenen Produkte für sie zu kaufen. Diese Bestimmung gilt unbeschadet des Artikels 16 der Richtlinie 89/552/EWG über die Ausübung der Fernsehtätigkeit.

29.
Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oder späteren Bezahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der Gewebetreibende geliefert, der Verbraucher aber nicht bestellt hat (unbestellte Waren oder Dienstleistungen); ausgenommen hiervon sind Produkte, bei denen es sich um Ersatzlieferungen gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 97/7/EG handelt.

30.
Ausdrücklicher Hinweis gegenüber dem Verbraucher, dass Arbeitsplatz oder Lebensunterhalt des Gewerbetreibenden gefährdet sind, falls der Verbraucher das Produkt oder die Dienstleistung nicht erwirbt.
[...]

Es bleibt also eine Menge übrig, was man beim unwürdigen "Spiel" LRA & BS gegen die Bürger der Bundesrepublik Deutschland beachten könnte, wenn man wollte.

Der "Gewerbetreibende", Definition siehe eingangs der Richtlinie, bzw. Post vom 05. Mai 2017, 19:25, darf außer mittels regulärer Werbung nicht auf den Verbraucher verkaufsfördern einwirken.

Es ist im europäischen Recht egal, ob ein "Gewerbetreibender" national Unternehmen oder Behörde ist, ob "Betrieb gewerblicher Art" oder "Betrieb hoheitlicher Art"; wer am europäischen Binnenmarkt als Handelnde, als dem Bürger ein Angebot unterbreitende Person auftritt, ist grundsätzlich "Gewerbetreibender" und damit den Reglungen der Bestimmungen über unlautere Geschäftspraktiken unterworfen.

Eine LRA unterbreitet Angebote; siehe Art 11a des Rundfunkstaatsvertrages; ergo sind LRA "Gewerbetreibende"; BS als Teil der LRA zwangsweise ebenso.

Nehmen wir mal den Fall, siehe Ziffer 21 des zitierten Anhang 1; Infopost darf keine Rechnungen o.ä. enthalten.

Alles, was also im Innern nach Rechnung und Co ausschaut, muß außen ordentlich frankiert sein und darf nicht als Infopost wirken.

Oder nehmen wir mal Ziffer 26 des zitierten Anhanges 1;

Zitat
Kunden werden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über ...  für den Fernabsatz geeignete Medien geworben, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Verhalten nach den nationalen Rechtsvorschriften gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen.
Da es keine vertragliche Verpflichtung hat, ist ein Vorgehen, wie von LRA und BS erfolgt, mit dieser Richtlinie nicht vereinbar.

Oder nehmen wir auch mal Ziffer 29; bitte selber lesen.

Erwägungsgrund 25 für diese Richtlinie heißt übrigens:

Zitat
(25)
Diese Richtlinie achtet die insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Grundrechte und Grundsätze —

Damit sind die Bestimmungen auch des Art 11 zur Meinungs- und Informationsfreiheit ohne behördliche Eingriffe einzuhalten; gleichfalls Art 8 zum Schutz personenbezogener Daten, Art 7 zum Schutz des Privat- und Familienlebens, welches den Schutz der Kommunikation beinhaltet, und Art 4 wie Art 18. Und dann hat es ja noch Art 41 mit dem Recht auf eine gute Verwaltung.

Ja, hallo? "Gute Verwaltung" und "Leisten von Amtshilfe gegenüber einer Nichtbehörde"? Soll das wirklich Zeichen für eine "gute Verwaltung" sein?

Zu Ziffer 2 des zitierten Anhang 1 benannter Richtlinie:

Dürfen die Markenzeichen von LRA und Co. so überhaupt verwendet werden, wie sie dem Verbraucher gegenüber verwendet werden? Marken, die ja ohne Frage Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnliches, (wohl eher: Ähnliches), sein können, dürfen nur zu den mit der Markenerteilung genehmigten Aktivitäten verwendet werden.

Wird also die Frage sein, ob ein Markenzeichen hoheitlich verwendet werden darf? Eine mögliche Antwort tendiert zum Nein. ???

Eine Marke ist ja eher ein geschäftliches Zeichen, ein Merkmal für ein Unternehmen, und teuer. (Mißbrauch kostet künftig das Dreifache des Basispreises für eine Marke; siehe altertümlichem Ablaßhandel, wonach sie sich von fast allem auch freikaufen können).

National darf ein "Betrieb gewerblicher Art" kraft Körperschaftssteuergesetz, (Bundesrecht, vom Land nicht auszuhebeln), nicht mit einem "Betrieb hoheitlicher Art" zusammengefasst werden; eine Marke darf also national nicht von einem "Betrieb hoheitlicher Art" verwendet werden. ???

Das Verwenden einer Marke ist national also immer Zeichen eines als "Betrieb gewerblicher Art" zu behandelnden Unternehmens; damit verliert es aber, ebenfalls national, jede evtl. hoheitliche Befugnis, weil es kraft Körperschaftssteuergesetz nicht mit einem "Betrieb hoheitlicher Art" zusammengefasst werden darf.

Nur national?
Es wird also auch zu untersuchen sein, ob das Verwenden einer europäisch registrierten Marke an das Unternehmertum, gleich welcher Rechtsform, gebunden ist. Später, nicht jetzt.

Intern wird derzeit zudem der Frage nachgegangen, ob es einem im Binnenmarkt der EU agierenden Unternehmen, gleich welcher Rechtsform, überhaupt erlaubt sein kann, im EU-Binnenmarkt hoheitlich aufzutreten.

Der EuGH wird sich dazu bis Ende 2018 in seinen Entscheidungen gründlich damit befassen. (Spezifische Fragen dazu werden nicht beantwortet).
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: tigga am 07. Mai 2017, 20:19
Dennoch bleibts dabei:
Die Beiträge werden von "einer Behörde" (welche das ist, weiß ich immer noch nicht) erhoben, die Rundfunkanstalten nehmen aber als Unternehmen teil am Binnenmarkt. Insofern greifen diese Geschäftspraktiken hier gar nicht, weil es eben nicht auf die Behördentätigkeit angewandt werden darf. Die Unternehmen erheben aber keine Rundfunkbeiträge.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 08. Mai 2017, 20:28
Und dennoch bleibt es dabei; im Binnenmarkt der Europäischen Union muß der Verbraucher die freie Entscheidung darüber haben, welche Waren oder Dienstleistungen er bestellt und folglich im Falle des Nichtzurücksendens alleine zu bezahlen hat.

Es ist Zeichen für eine unlautere Geschäftspraxis, dem rundfunknichtnutzenden Verbraucher zu suggerieren, er müsste für die bloße Möglichkeit des Nutzenkönnens der Dienstleistung "Rundfunk" bezahlen.

Dem Staat bleibt im Rechtsgefüge der Europäischen Union die Möglichkeit der Steuererhebung, um Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu finanzieren.

Es darf allerdings hinterfragt werden, ob die Dienstleistung "Rundfunk" wirklich noch von derart allgemeinem Interesse ist, daß auch rundfunknichtnutzende Verbraucher zur Finanzierung dieser Dienstleistung herangezogen werden; mein Interesse an der Dienstleistung "Rundfunk" tendiert als Teil der Allgemeinheit gegen Null.

Es wird zu berücksichtigen sein, daß der Regelbetrieb eines Unternehmens nicht mittels staatlicher Beihilfen finanziert werden darf.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: drboe am 09. Mai 2017, 09:02
@tigga: so einfach ist es denn doch nicht. Die "Unternehmen"' d. h. der ÖRR erheben sehr wohl die Beiträge. Dieses Recht wurde ihnen von den Landesgesetzgebern explizit eingeräumt. Zwar legen Gesetzgeber die Höhe der Abgaben fest, die "Unternehmen" sind also wirtschaftlich nicht ganz frei, aber das sind z. B. Taxi-Unternehmen diesbezüglich auch nicht. Zudem lässt sich das Verhältnis von ÖR-Anstalten zu den zuständigen Gesetzgebern mit "symbiotisch" noch zurückhaltend beschreiben. Jedenfalls ist nicht bekannt, dass die Festlegung durch die Politik die Sender in ihrem Expansions- und Versorgungsstreben bisher ernsthaft gehindert hat.
Ich denke, dass der Gesetzgeber über eine Steuerfinanzierung des Rundfunks wenigstens einen Teil der Probleme hätte vermeiden können. Ob ein entsprechender Wechsel der Finanzierung angesichts diverser privater Sender überhaupt noch möglich ist, wäre zu prüfen. Vermutlich wäre es nicht möglich ohne erhebliche Beschränkungen dessen, was Sender, Politik und Bundesgerichte heute unter Grundversorgung verstehen.
Die unklare Zwittergestalt der ÖR-Sender von Unternehmen einerseits und Behörde andererseits muss m. E. in jeden Fall beendet werden. Derzeit nutzen die Anstalten jeweils die Vorteile des jeweiligen Anteils und stehen damit nicht selten außerhalb jeden Rechts. Behörde ja, Kontrolle und Transparenz nein. Unternehmen ja, ziviler Prozessweg nein. usw. usf.

M. Boettcher
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: Kurt am 09. Mai 2017, 09:43
[...]. der ÖRR erheben sehr wohl die Beiträge. Dieses Recht wurde ihnen von den Landesgesetzgebern explizit eingeräumt. [...]

Wahrscheinlich sehe ich so langsam den Wald vor lauter Bäumen nicht (mehr).

Wo ist o.a. nachzulesen? Quelle?

Gruß
Kurt
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: drboe am 09. Mai 2017, 16:23
Zitat
RBStV §2(3) ... Die Landesrundfunkanstalt kann von einem anderen als dem bisher in Anspruch genommenen Beitragsschuldner für eine Wohnung für zurückliegende Zeiträume keinen oder nur einen ermäßigten Beitrag erheben, ...

Wer von einem anderen einen (ermäßigten) Beitrag erheben kann, kann das sinngemäß auch von dem einen.

Zitat
RBStV §10(2) Der Rundfunkbeitrag ist an die zuständige Landesrundfunkanstalt als Schickschuld zu entrichten. ...

Das jeder Zahlungspflichtige die Zahlung auf eigenes Risiko zu leisten hat, heißt ja nicht, dass die LRA nicht selbst selbst kassiert. - Doppelte Verneinung = die LRA kassieren. Das Gesetz (= sogn. Rundfunkbeitragsstaatsvertrag) legt den Kreis der Zahlungspflichtigen (uns alle) und die Begünstigten (die LRA) der sogn. Beiträge fest. Der Geldstrom geht direkt von uns an den ÖRR. Die LRA zahlen dann die Anteile an das ZDF, quasi eine Umbuchung.

Zitat
RBStV §9(2) Die zuständige Landesrundfunkanstalt wird ermächtigt, Einzelheiten des Verfahrens
1. der Anzeigepflicht,
2. zur Leistung des Rundfunkbeitrags, zur Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht oder zu deren Ermäßigung,
3. der Erfüllung von Auskunfts- und Nachweispflichten,
4. der Kontrolle der Beitragspflicht,
5. der Erhebung von Zinsen, Kosten und Säumniszuschlägen und
6.in den übrigen in diesem Staatsvertrag genannten Fällen

durch Satzung zu regeln

Soll heißen: hier habt ihr einen Freibrief für das Inkasso der Beiträge, finanzielle Sanktionen und die damit verbundenen, legal möglichen Schikanen.

Zitat
RBStV §10(7) Jede Landesrundfunkanstalt nimmt die ihr nach diesem Staatsvertrag zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahr. Die Landesrundfunkanstalt ist ermächtigt, einzelne Tätigkeiten bei der Durchführung des Beitragseinzugs und der Ermittlung von Beitragsschuldnern auf Dritte zu übertragen und das Nähere durch die Satzung nach § 9 Absatz 2 zu regeln. Die Landesrundfunkanstalt kann eine Übertragung von Tätigkeiten auf Dritte nach Satz 2 ausschließen, die durch Erfolgshonorare oder auf Provisionsbasis vergütet werden.

Das heißt: das Inkasso macht ihr (die LRA) selbst bzw. die von euch etablierte nicht rechtsfähige öffentlich-rechtliche Verwaltungsgemeinschaft. Das mit den Rechten und Pflichten ist etwas putzig. Die LRA haben nämlich jede Menge Rechte, die Wohnungs- und Betriebsinhaber überwiegend Pflichten. Zudem sind noch die Eigentümer von Wohnungen und Grundstücken zu Blockwartdiensten verpflichtet. Schöne, neue Welt.

Nebenbei: ich bin kein großer Freund der hier im Forum teils ziemlich ausufernder Nebenkriegsschauplätze. Hier werden nat. viele nützliche Informationen zusammengetragen, man sollte sich aber strategisch zunächst auf das Wesentliche und die jeweils nächsten Schritte konzentrieren. Im Grunde kann man derzeit warten, bis sich das BVerfG endlich bequemt ein Urteil zu sprechen. Ist das Urteil für uns nicht befriedigend, so sollten wir alle gemeinsam (finanziell) in der Lage sein die Mittel aufbringen das Ganze auf EU-Ebene weiter zu verfolgen. Bezüglich der dann nötigen Argumente können wir dann vermutlich hier in einen ziemlich großen Topf greifen. Ist das Urteil des BVerfG aber für die Politik und den ÖRR wider Erwarten ein Desaster, so wird man erleben, wie schnell die Landesfürsten ein geändertes Gesetz aus dem Hut zaubern können. Das BVerfG würde ja die kritschen Punkte heraus arbeiten was die Länder in die Lage versetzt den Staatsvertrag zügig anzupassen.

M. Boettcher
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 20. Mai 2017, 21:48
@drboe

Vor dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag hat es noch den Rundfunkstaatsvertrag als von LRA, BS und Co. einzuhaltendes Vertragswerk.

Auch wenn der Rundfunkstaatsvertrag primär nicht das Verhältnis zwischen LRA und Bürger regelt, so liefert er dem Bürger doch darüber Definitionen des Gesetzgebers, was seitens des Gesetzgebers Rundfunk und damit beitragspflichtig ist.

Der Gesetzgeber ist mit LRA, BS und Co. nicht identisch.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: drboe am 21. Mai 2017, 12:22
@pinguin: ich habe nicht behauptet, dass die LRA oder der BS mit dem Gesetzgeber identisch sind. Und was die Definition von Rundfunk angeht, so würden die Politiker wohl selbst das Klopfen auf Wasserleitungen als "Rundfunk" bezeichnen, um damit dem Moloch ÖR-Anstalten weitere Einnahmen und sich selbst fortwährende öffentliche Präsenz zu sichern. 8)

M. Boettcher
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 21. Mai 2017, 17:31
@drboe

Das, was Rundfunk ist, ist doch klar definiert?

Siehe Rundfunkstaatsvertrag.

Zitat
§ 2
Begriffsbestimmungen

(1) Rundfunk ist ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. Der Begriff schließt Angebote ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind. Telemedien sind alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes sind, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen oder telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach Satz 1 und 2 sind. 

(2) Im Sinne dieses Staatsvertrages ist

    Rundfunkprogramm eine nach einem Sendeplan zeitlich geordnete Folge von Inhalten,
    Sendung ein inhaltlich zusammenhängender, geschlossener, zeitlich begrenzter Teil eines Rundfunkprogramms,
    Vollprogramm ein Rundfunkprogramm mit vielfältigen Inhalten, in welchem Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden,
    Spartenprogramm ein Rundfunkprogramm mit im wesentlichen gleichartigen Inhalten,
    Satellitenfensterprogramm ein zeitlich begrenztes Rundfunkprogramm, mit bundesweiter Verbreitung im Rahmen eines weiterreichenden Programms (Hauptprogramm),
    Regionalfensterprogramm ein zeitlich und räumlich begrenztes Rundfunkprogramm mit im wesentlichen regionalen Inhalten im Rahmen eines Hauptprogramms,
    Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Rundfunk von einem öffentlich-rechtlichen oder einem privaten Veranstalter oder einer natürlichen Person entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern. § 7 Abs. 9 bleibt unberührt,
    Schleichwerbung die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und mangels Kennzeichnung die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zweckes dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als zu Werbezwecken beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt,
    Sponsoring jeder Beitrag einer natürlichen oder juristischen Person oder einer Personenvereinigung, die an Rundfunktätigkeiten oder an der Produktion audiovisueller Werke nicht beteiligt ist, zur direkten oder indirekten Finanzierung einer Sendung, um den Namen, die Marke, das Erscheinungsbild der Person oder Personenvereinigung, ihre Tätigkeit oder ihre Leistungen zu fördern,
    Teleshopping die Sendung direkter Angebote an die Öffentlichkeit für den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt in Form von Teleshoppingkanälen, -fenstern und -spots,
    Produktplatzierung die gekennzeichnete Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken, Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung mit dem Ziel der Absatzförderung. Die kostenlose Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen ist Produktplatzierung, sofern die betreffende Ware oder Dienstleistung von bedeutendem Wert ist,
    Programmbouquet die Bündelung von Programmen und Diensten, die in digitaler Technik unter einem elektronischen Programmführer verbreitet werden,
    Anbieter einer Plattform, wer auf digitalen Übertragungskapazitäten oder digitalen Datenströmen Rundfunk und vergleichbare Telemedien (Telemedien, die an die Allgemeinheit gerichtet sind) auch von Dritten mit dem Ziel zusammenfasst, diese Angebote als Gesamtangebot zugänglich zu machen oder wer über die Auswahl für die Zusammenfassung entscheidet; Plattformanbieter ist nicht, wer Rundfunk oder vergleichbare Telemedien ausschließlich vermarktet,
    Rundfunkveranstalter, wer ein Rundfunkprogramm unter eigener inhaltlicher Verantwortung anbietet
    unter Information insbesondere Folgendes zu verstehen: Nachrichten und Zeitgeschehen, politische Information, Wirtschaft, Auslandsberichte, Religiöses, Sport, Regionales, Gesellschaftliches, Service und Zeitgeschichtliches,
    unter Bildung insbesondere Folged andere Länder,
    unter Kultur insbesondere Folgendes zu verstehen: Bühnenstücke, Musik, Fernsehspiele, Fernsehfilme und Hörspiele, bildende Kunst, Architektur, Philosophie und Religion, Literatur und Kino,
    unter Unterhaltung insbesondere Folgendes zu verstehen: Kabarett und Comedy, Filme, Serien, Shows, Talk-Shows, Spiele, Musik,
    unter sendungsbezogenen Telemedien zu verstehen: Angebote, die der Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten Sendung einschließlich Hintergrundinformationen dienen soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wird und diese Angebote thematisch und inhaltlich die Sendung unterstützend vertiefen und begleiten, ohne jedoch bereits ein eigenständiges neues oder verändertes Angebot nach § 11f Abs. 3 darzustellen,
    ein presseähnliches Angebot nicht nur elektronische Ausgaben von Printmedien, sondern alle journalistisch-redaktionell gestalteten Angebote, die nach Gestaltung und Inhalt Zeitungen oder Zeitschriften entsprechen.

(3) Kein Rundfunk sind Angebote, die

    jedenfalls weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden,
    zur unmittelbaren Wiedergabe aus Speichern von Empfangsgeräten bestimmt sind,
    ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen,
    nicht journalistisch-redaktionell gestaltet sind oder
    aus Sendungen bestehen, die jeweils gegen Einzelentgelt freigeschaltet werden.

Es ist auch Zeichen für eine unlautere Geschäftspraktik, wenn der Rundfunk einen Teil der für ihn maßgeblichen Bestimmungen nicht beachtet.

Der Rundfunkstaatsvertrag ist das Basiswerk, an den sich Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag und Rundfunkbeitragsstaatsvertrag anschließen.

Zitat
§ 12
Funktionsgerechte Finanzausstattung, Grundsatz des Finanzausgleichs
[...]
(2) [...] Der Umfang der Finanzausgleichsmasse und ihre Anpassung an den Rundfunkbeitrag bestimmen sich nach dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag.

Zitat
§ 14
Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
[...]
(4) Die Beitragsfestsetzung erfolgt durch Staatsvertrag.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: drboe am 22. Mai 2017, 15:32
@pinguin: Bitte justiere deinen Ironiedetektor neu  8)

Und ganz ernst: eine in einem Gesetz enthaltene Definition kann man ändern. Mehrheiten vorwiegend pekuniärer Interessen finden sich im Zweifel leicht. Und wenn das nicht reicht, dann interpretiert man den Gesetzestext bis kein Stein auf dem anderen bleibt. Kleines Beispiel: das BVerfG hat 1985 laut Spiegel die Gleichheit "20 = 15" in die Mathematik eingeführt und einen eindeutigen Gesetzestext in sein totales Gegenteil verwandelt. Siehe SPIEGEL 18/1985 unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13513989.html

Wer sich nun fragt, was das mit dem Rundfunkbeitrag zu tun hat: ich warne davor vom BVerfG die Lösung des Konflikts um den sogn. Rundfunkbeitrag zu erwarten. Das wird das Gericht vermutlich nicht leisten wollen, ggf. auch nicht können, weil das rütteln an einem der Machtgrundpfeiler der Republik nicht erwünscht ist. Ich betrachte daher auch die Möglichkeiten via EU-Recht als ziemlich begrenzt. Auf dem Papier spricht vieles für die eigene Position, gegen den sogn. Beitrag etc. Richtige Rechtsverdreher aber finden einen Weg aus tiefen Schwarz noch reineres Weiß und umgekehrt zu machen. Wir haben unser Pulver auf dem regulären Rechtsweg verschossen - die Wirkung ist praktisch Null, man wankt nicht einmal - und nur noch zwei "Kugeln" übrig (BVerfG, EUGH). Bis zu einer Entscheidung des BVerfG, ist alles hier eigentlich nur intellektueller Zeitvertreib. Das macht es nicht wertlos. Aber die Nagelprobe auch für dies Form kommt erst noch, nämlich dann, wenn das BVerfG geurteilt hat. Wollen wir dann noch vom EUGH ein Urteil, geben wir auf, oder sammeln wir so viele Mitstreiter, dass den nationalen Politikern der Arsch mit Grundeis geht?

M. Boettcher
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 22. Mai 2017, 18:16
@pinguin: Bitte justiere deinen Ironiedetektor neu  8)
Es hat hier keinen, der justierfähig wäre.

Zitat
Und ganz ernst: eine in einem Gesetz enthaltene Definition kann man ändern.
Richtig; es darf aber bezweifelt werden, daß Deutschland derart viele Fans in der EU hat, daß die mal eben gemeinsame Bestimmungen zu ihren Ungunsten, aber zu Gunsten Deutschlands neu aufstellen.

Vergiß bitte nicht, daß alles(!) im Rahmenrecht der EU erfolgt, auch Rundfunk, und daher alles diesem Rahmenrecht zu entsprechend hat, soll es zukunftsfähig Bestand haben.

Auch wenn das Zitat aus dem nationalen Rundfunkstaatsvertrag war, ist es letztens doch in Anlehnung an die europäischen Bestimmungen, die ja im Rundfunkrecht selbst benannt werden.

Warum ist Deutschland, (schon wieder(?)), so derart naiv zu glauben, die anderen werden es schon gut mit Deutschland meinen?

Sind die letzten Kriege nicht Mahnung genug, stets hellwach zu sein?

Will Deutschland in und von Europa Schutz, muß es sich Europa in den von Europa geregelten Bereichen beugen! Binnenmarkt ist Europarecht!

Es reicht nicht, pro Europa zu reden, so löblich das ist, aber europäische Bestimmungen nicht einzuhalten. Das ist so, als würde man mit einer Zunge reden, die von einem anderen stammt.

Zitat
Kleines Beispiel: das BVerfG hat 1985 laut Spiegel die Gleichheit "20 = 15" in die Mathematik eingeführt und einen eindeutigen Gesetzestext in sein totales Gegenteil verwandelt. Siehe SPIEGEL 18/1985 unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13513989.html
Kannte ich gar nicht, war hier ja noch tiefster Osten.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: Kunibert am 22. Mai 2017, 23:25
Beim Rundfunkbeitrag wurden zu den bisherigen Nutzern auch die Nichtnutzer zur Finanzierung herangezogen.

Die neue Gruppe der Nichtnutzer lässt sich von der Gruppe der bisherigen Nutzer trennen, damit ist es eine neue Beihilfe.

Der EUGH wird wegen ARD&ZDF mit Sicherheit nicht seine bisherige Rechtsprechung ändern.

Das mag beim BVerwG noch nicht ganz angekommen sein.

Der Berichterstatter Prof. Dr. Andreas Paulus vom BVerfG ist Lehrstuhlinhaber für öffentliches Recht an der Universität Göttingen und Abteilungsdirektor für Allgemeines Völkerrecht am Institut für Völkerrecht und Europarecht.

Der ist mit Sicherheit nicht umsonst Berichterstatter.

Den  Damen und Herren in Karlsruhe ist mit Sicherheit bewusst, dass ihr Urteil
- erstens europarechtliche Konsequenzen hat und es
- zweitens nicht mehr revidiert werden kann, wenn es veröffentlicht wurde.

Oder mit anderen Worten:
Wenn das Kind in den Brunnen fallen sollte, ist es nicht sicher, ob man es ohne größere Blessuren wieder rausbekommt.

Es gibt jetzt drei Möglichkeiten
1) Das BverfG weist die Klagen ab (z.B. um die Finanzierung von ARD & ZDF sicherzustellen).
2) Das BverfG weist das BVerwG an, den EUGH anzurufen (so ist die Rechtslage).
3) Das BverfG erklärt den Rundfunkbeitrag rückwirkend für nichtig (Gründe dafür gibt's genug).


In den Fällen 1 und 2 stehen ARD&ZDF ohne genehmigte Beihilfe da, weil sie mit dem Rundfunkbeitrag aufgegeben wurde.

Wenn die EU Kommission und der EUGH bei ihrer bisherigen Verwaltungspraxis/Rechtsprechung bleiben, wovon auszugehen ist, dann müssen die Rundfunkbeiträge zurückgezahlt werden und die Beihilfen neu bewilligt werden.

Bleibt nur Fall 3, bei dem kein unmittelbares Ungemach droht.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: merco am 23. Mai 2017, 02:26
Zitat
Das mag beim BVervG noch nicht ganz angekommen sein.

ein VerwG einer bundesdeutschen Hauptstadt beruft sich aktuell zum Abschmettern im Kontext einer fiktiven Klage schon auf ein Urteil des BVerwG, und zwar auf
BVerwg Urteil 6 C 6/15, vom 18.3.2016, Rz. 51 ff
http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=180316U6C6.15.0

Zitat
"...
51
11. Die Einführung des Rundfunkbeitrags für den privaten Bereich nach §§ 2 ff. RBStV bedurfte nicht der Zustimmung der Kommission der Europäischen Union.
Nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 und 3 AEUV darf ein Mitgliedstaat eine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe nicht einführen oder umgestalten, bevor die Kommission einen das Feststellungsverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV abschließenden Beschluss erlassen hat.
Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Rundfunkgebühr hat Beihilfecharakter (Kommission, Entscheidung vom 24. April 2007 - K<2007> 1761).
Eine genehmigungsbedürftige Umgestaltung im Sinne von Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV liegt vor, wenn die ursprüngliche Finanzierungsregelung durch spätere Änderungen in ihrem Kern, d.h. hinsichtlich der Art des Vorteils, der Finanzierungsquelle, des Ziels der Beihilfe, des Kreises oder der Tätigkeitsbereiche der Begünstigten betroffen ist (vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ABl. 2009 C 257 S. 1 Rn. 31).

Diesen Satz verstehe ich "komischerweise" anders als das Gericht.
Der sehr geschätzte "EU-Experte" pinguin (Dank an dieser Stelle) erörterte das detailliert.

Gruss
merco
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: drboe am 23. Mai 2017, 10:05
@Kunibert:
Zitat
Es gibt jetzt drei Möglichkeiten
1) Das BverfG weist die Klagen ab (z.B. um die Finanzierung von ARD & ZDF sicherzustellen).
2) Das BverfG weist das BVerwG an, den EUGH anzurufen (so ist die Rechtslage).
3) Das BverfG erklärt den Rundfunkbeitrag rückwirkend für nichtig (Gründe dafür gibt's genug).

Du hast (mindestens) eine Möglichkeit übersehen. Ich präsentiere einmal 3 Ideen.

4) Das BVerfG erklärt den Rundfunkbeitrag für verfassungswidrig, räumt den Ländern zugleich eine Frist bis zur Änderung ein und gestattet bis zum Ablauf der Frist die Beitragserhebung nach dem verfassungswidrigen Gesetz.
5) wie 4, jedoch mit der Änderung, dass das BVerfG nur Teile des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags für verfassungswidrig erklärt. Auch hier könnte den Ländern eine großzügige Frist zur Korrektur eingeräumt werden, das Kassieren auf verfassungswidriger Basis weiter gehen. Die nur teilweise Verfassungswidrigkeit ist wohl wahrscheinlicher. Mit der Liste der Beanstandungen kann der Rundfunkbeitrag dann zügig geändert werden. Sollten die Änderungen nicht befriedigen, steht der nächste Marsch durch die Gerichte an.
6) wie 5, mit der Einschränkung, dass Verfassungswidrigkeit nur für die Abgabe der Betriebe festgestellt wird, die Wohnungsabgabe jedoch als verfassungskonform bezeichnet wird (auf die Begründung wäre ich gespannt).

Ob mit einem unbefriedigenden Beschluss, - Sicht der Kläger -, der Weg zum EUGH offen stünde, vermag ich nicht zu sagen. Eine Vorbereitung ist aber ggf. schon deshalb erforderlich, weil ÖR-Anstalten und die Länder vermutlich ihrerseits den EUGH anrufen könnten, wenn sie am sogn. Beitrag in der jetzigen Form festhalten wollen.

Eine Fristsetzung wie in 4 und 5 ist in der Vergangenheit schon mehrfach vorgekommen. Z. B. wurde im August 2010 vom Landesverfassungsgericht Schleswig-Holsteins das Wahlrecht als verfassungswidrig eingestuft. Dennoch konnte die in der Wahl von Oktober 2009 "siegreiche" CDU/FDP Koalition bis Mai 2012 das Land regieren (32 Monate), davon 20 Monate noch nach dem Richterspruch. Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 hatte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts §13a, §13b und §19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes für verfassungswidrig erklärt. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu treffen. Obwohl der Bundestag die Frist nicht einhielt, galten die Regeln weiter, auch über die Frist hinaus.

Im Fall 6 könnten die Länder auf die Idee kommen, die Belastung der Betriebe zu beenden, den Fehlbetrag aber auf die Wohnungsabgabe umzulegen. Letztere dürfte den Löwenanteil bringen. Die dann vermutlich kräftige Erhöhung würde begründet werden mit dem Beschluss des BVerfG, ein idealer "Sündenbock" für das, was schon längst geplant ist. "Hier stehen wir, wir können nicht anders!"

Hintergrund meiner Überlegungen ist, dass ich das BVerfG nicht für den Erlöser halte, sondern für einen Teil des Problems. Die immer dreisteren Forderungen haben viel mit der sogn. Grundversorgung zu tun, die offenbar schrankenlos ist. Schuld daran ist m. E. das BVerfG. Insofern kann es gut sein, dass die europäische Karte - zwangsweise - gezogen werden muss.

M. Boettcher
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 23. Mai 2017, 11:24
@kunibert & @drboe

7) das BVerfG setzt alle Verfahren aus, legt jede weitere derzeitige oder auch künftige Zwangsvollstreckung gegenüber Rundfunknichtnutzern auf Eis, rügt alle bisherigen Verwaltungsgerichte, die sich zur Vorlage an den EuGH für unbefähigt hielten, legt den Sachverhalt selbst dem EuGH vor und entscheidet nach der Vorabentscheidung durch den EuGH, in dessen Rahmenvorgabe es ja dann entscheiden darf.

Wie die Entscheidung dann ausfallen würde, kann man den bisherigen Entscheidungen des BVerfG zu europäischem Recht ja auch entnehmen;

a.) läßt die EuGH-Entscheidungen einen Spielraum, ist das BVerfG befugt, das nationale Rundfunkrecht innerhalb dieses Spielraumes auf nationale Verfassungsübereinstimmung zu prüfen und dann entsprechend zu entscheiden;

b.) läßt die EuGH-Entscheidung keinen Spielraum zu weiterer Auslegung, ist die nationale Verfassungsbeschwerde evtl. nur darin begründet, daß die bisher damit befassten Verwaltungsgerichte es unterlassen haben, eine Vorlage an den EuGH durchzuführen, wozu sie verpflichtet sind, wenn europäisches Recht betroffen ist; siehe Entzug gesetzlicher Richter, und reichen alles mit ordentlicher Begründung zu dem jeweiligen letztinstanzlichen Gericht zurück, nicht ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß der EuGH-Entscheidung Folge zu leisten ist;

c.) das BVerfG könnte zudem anordnen, alle Richter in die europäisches Recht betreffende regelmäßige Weiterbildung zu schicken, als Pflichtveranstaltung;

d.) bei dem ganzen Wirrwar, den es ohne Zweifel im europäischen Rechtsgestrüpp hat, wird es auch national unabdingbar, sich weitestgehend darin zurechtzufinden, um nachfolgend Schaden von der Bundesrepublik Deutschland fernzuhalten;
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: Kunibert am 23. Mai 2017, 13:27
@drboe @pinguin

Das BVerfG war bisher mehr als wohlwollend, was ARD & ZDF anbelangt.

Deshalb wird das BVerfG nach meiner Einschätzung alles vermeiden, was eine Reduzierung der Finanzmittel für ARD & ZDF auch nur ansatzweise zur Folge haben könnte.

Bei der bisherigen Rechtslage bedeutet eine Befassung der EU-Kommission und / oder des EuGH eine ernsthafte Gefahr für die üppige Finanzierung von ARD & ZDF, wie der von mir hochgeschätzte Pinguin dankenswerterweise mehrfach herausgearbeitet hat.

Jeder zu Unrecht einkassierte Euro birgt die Gefahr einer Klage vor dem EuGH.  Und eine Klage reicht.

Das BVerfG wird daher jeden Weg vermeiden, bei der die EU-Kommission oder der EuGH mit dem Fall zu tun bekommen könnte.

Das BVerfG hat als Einzige die Macht, den Rundfunkbeitrag wieder verschwinden zu lassen.

Die Option 3  birgt daher die geringsten Risiken für ARD&ZDF.

Es geht hier nicht um die Rechte der Betroffenen.
Es geht hier um mehr als acht Milliarden Euro - jedes Jahr.

@merco.
Meiner Vermutung nach  berücksichtigen fiktive Verwaltungsgerichte in der Regel nur das, was man  vorgetragen hat.  Wenn man in einem fiktiven Fall belegen könnte, dass ein fiktives übergeordnetes Gericht irgendwelche imaginären Vorschriften nicht eingehalten hat, dann ist es möglich, dass das betreffende fiktive Verwaltungsgericht auf die Argumente eingeht, weil es auch selbst an diese imaginären Vorschriften gebunden ist. 
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 13. September 2018, 15:26
Was Neues vom EuGH; siehe auch im Thema:

Kleiner Ausflug zum Europarecht
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12861.0.html (http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12861.0.html)

------------------

Zitat
Die Vermarktung von SIM-Karten, die kostenpflichtige vorinstallierte und –aktivierte Dienste enthalten, stellt eine aggressive unlautere Geschäftspraxis dar, wenn der Verbraucher zuvor nicht entsprechend aufgeklärt wurde

Solch ein Verhalten stellt insbesondere eine "Lieferung unbestellter Waren und Dienstleistungen" dar, [...]

PRESSEMITTEILUNG NR. 130/18
Rechtssache C-54/17
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2018-09/cp180130de.pdf (https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2018-09/cp180130de.pdf)

"Lieferung unbestellter Waren und Dienstleistungen"; könnte man evtl. mal tiefer ergründen, was so alles damit gemeint sein könnte. Im vorliegenden Fall ist es jedenfalls sogar eine unlautere, aggressive Geschäftspraxis.

Nochmals an dieser Stelle zur Wiederholung:

Der Verbraucher muß im Rahmen des Rechtes der Europäischen Union zu jeder Zeit die freie Entscheidung darüber haben, welche Waren und Dienstleistungen er für sich in Anspruch nehmen will, bzw. bestelllt und folglich alleine zu bezahlen verpflichtet ist, bzw. werden kann.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: sky-gucker am 13. September 2018, 17:07
Ich versuche das mal für mich einzusortieren..

Wenn ich mein TV-Gerät einschalte und dann ARD/ZDF/MDR/WDR etc. empfangen werden, dann ist das für sich genommen erst mal i.O.
Wenn ich jetzt aber Geld dafür bezahlen soll, dass mein TV-Gerät etwas empfängt, was ich gar nicht möchte, dann ist das unlauter... richtig?

Gleiches gilt für Radioprogramme.

Das hieße ja dann, dass die höchstrichterlich umworbene Möglichkeit, den unerwünschten Rundfunk empfangen zu können, bereits unlauter ist in dem Moment, wo sie mich Geld kostet...

Interessanter Ansatz...
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: PersonX am 13. September 2018, 18:32
Das hieße ja dann, dass die höchstrichterlich umworbene Möglichkeit, den unerwünschten Rundfunk empfangen zu können, bereits unlauter ist in dem Moment, wo sie mich Geld kostet...
Interessanter Ansatz...
Auf gut Deutsch: Kern erfasst, denn das sagt Art 5 GG auch. Es besteht die freie Wahl. Art 5. GG hindert nicht, dass es einen oder viele Anbieter gibt und diese beliebig senden oder anbieten.
Aber in dem Moment, wo Geld verlangt wird ganz ohne Zustimmung und dadurch eine Beeinträchtigung der freien Wahl erfolgt - auch durch Mittelentzug - hört es auf.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: sky-gucker am 13. September 2018, 19:44
Nun ja...jetzt, nach dem Lesen des Urteils...

In einer möglichen Klage gg den Rundfunkbeitrag müsste man ja jetzt argumentieren, dass der durchschnittliche Inhaber einer Wohnung - durchschnittlich im Sinne von: jeder denkbare Bürger der EU, der eine Wohnung in D anmietet oder sich dorthin meldet - nicht Wissen kann, dass er gleichzeitig auch eine Dienstleistung "kauft", die er womöglich nicht haben möchte....

Puuhh, weit hergeholt, aber nachvollziehbar. Das Gegenargument würde/könnte lauten "Der Rundfunkbeitrag und die Anküpfung an die Wohnung ist geltendes nationales Recht und die Information darüber als Holschuld einzuholen..."

Aber dennoch, interessanter Ansatz.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 13. September 2018, 20:54
und die Information darüber als Holschuld einzuholen..."
Dann wird ein Blick in

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA
vom 31. Mai 2018(1 (http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=202425&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=727231#Footnote1))
Verbundene Rechtssachen C-54/17 und C-55/17
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=202425&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=727231 (http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=202425&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=727231)

interessant?

Zitat
j)      ‚unzulässige Beeinflussung‘ die Ausnutzung einer Machtposition gegenüber dem Verbraucher zur Ausübung von Druck, auch ohne die Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt;

Rn. 44
Zitat
Meines Erachtens sollte unter Umkehr der von dem vorlegenden Gericht vorgeschlagenen Reihenfolge zunächst geprüft werden, ob das streitige Verhalten unter den Begriff der „unbestellten Waren oder Dienstleistungen“ fällt. Sollte dies der Fall sein, wäre eine der beiden Voraussetzungen gegeben, um dieses Verhalten als „unter allen Umständen unlauter“ – um den in Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29 verwendeten Begriff zu gebrauchen, der auf die (schwarze) Liste der in Anhang I aufgeführten Praktiken verweist – einstufen zu können.  Verlangt der Lieferant darüber hinaus rechtswidrig eine Bezahlung für diesen Dienst, wäre die zweite der in dieser Liste geregelten Voraussetzungen erfüllt und die Prüfung, ob dieses Verhalten unter andere Bestimmungen der Richtlinie 2005/29 fällt, unnötig.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: sky-gucker am 13. September 2018, 21:04
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA
Das ist der gleiche, der auch im EUGH Verfahren wegen Beihilfe Rundfunkbeitrag usw. den Schlussantrag stellt?

Hmmmm... ein Bier noch, dann les ich das alles :)
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: noGez99 am 13. September 2018, 22:03
Na dann schenk Dir noch ein Bier ein!

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA vom 12. Mai 2016(1)
Rechtssache C?582/14
Kurz: Es geht darum ob IP-Adressen ein personenbezogenes Datum darstellen und damit ob sie gespeichert werden dürfen.
Zitat
78.      Daher komme ich zu einem ersten Ergebnis, dem zufolge Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass eine IP-Adresse, die ein Diensteanbieter im Zusammenhang mit einem Zugriff auf seine Internetseite speichert, für diesen ein personenbezogenes Datum darstellt, soweit ein Internetzugangsanbieter über das zur Identifizierung der betroffenen Person erforderliche Zusatzwissen verfügt.
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=178241&doclang=DE

Zitat
VI – Ergebnis

106. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen wie folgt zu antworten:

1.      Gemäß Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist eine dynamische IP-Adresse, über die ein Nutzer die Internetseite eines Telemedienanbieters aufgerufen hat, für Letzteren ein „personenbezogenes Datum“, soweit ein Internetzugangsanbieter über weitere zusätzlichen Daten verfügt, die in Verbindung mit der dynamischen IP-Adresse die Identifizierung des Nutzers ermöglichen.

2.      Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 ist dahin auszulegen, dass der Zweck, die Funktionsfähigkeit des Telemediums zu gewährleisten, grundsätzlich als ein berechtigtes Interesse anzusehen ist, dessen Verwirklichung die Verarbeitung dieses personenbezogenen Datums rechtfertigt, sofern ihm Vorrang gegenüber dem Interesse oder den Grundrechten der betroffenen Person zuerkannt worden ist. Eine nationale Rechtsvorschrift, die die Berücksichtigung dieses berechtigten Interesses nicht zulässt, ist mit dem genannten Artikel nicht vereinbar.
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=178241&doclang=DE

Das scheint mir alles recht Datenschutzfreundlich zu sein.

Mal sehen was beim Rundfunkbeitrag herauskommt
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: sky-gucker am 13. September 2018, 22:21
Hab auf Whiskey umgestellt - Irisch - EU-Mitglied ;)

Wer erkärt das jetzt alles dem Gerichtsvollzieher meiner Gemeinde???

btw. ich habe jetzt - man glaubt es kaum - einen Widerspruchsbescheid bekommen. Widerspruch auf einen Bescheid vom 02.01.2015 !!! Das ganze als Sammelbescheid, die unbgründeten Widersprüchen meines Anwalts (zu späteren Bescheiden) wurden gleich mit weg gemantrat (gibts das Wort?) naja egal - hab Dienstag n Termin mit Ihm - bis dahin hat er hoffentlich aufgehört die Bande auszulachen und hat was brauchbares im Angebot für die nächsten Schritte ...

Guckt alle mal Lieber Volleyball WM auf Sportdeutschland.tv - free - nicht ÖRR und garantiert spannend !!! ;)
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 14. September 2018, 06:21
das ist der gleiche der auch im EUGH Verfahren wegen Beihilfe Rundfunkbeitrag usw. den Schlussantrag stellt?
Ja.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 15. September 2018, 12:08
Mal noch eine Überlegung.

Der Rundfunkbeitrag küpft an die Wohnung an, in der sich üblicherweise Rundfunkempfangsgeräte befinden könnten;
der Rundfunkbeitrag knüpft an ein Fahrzeug an, in dem sich üblicherweise Rundfunkempfangseräte befinden könnten;

Der Verkauf, wie auch die Vermietung eines Fahrzeuges sind unlauter, wenn der Verkäufer nicht auf alle dadurch entstehenden Kosten hinweist? Siehe C-54/17, Rn. 44

Nehmen wir den Fall eines EU-Bürgers, der sich mangels ausreichender Sprachkenntnisse nicht mit den dt. Gepflogenheiten auskennt und folglich einer unlauteren Geschäftspraxis unterliegt, weil kaum ein PKW-Verkäufer bspw. auf die durch ein eingebautes Autoradio folgenden Zusatzkosten hinweist?

Nehmen wir den Spezialfall eines EU-Bürgers, der im Grenzbereich des benachbarten EU-Landes wohnt, sein Fahrzeug aber im anderen EU-Land, wo er bspw. arbeitet zugelassen hat? (Der umgekehrte Fall ist hier jedenfalls gängige Praxis, wo polnische EU-Bürger hier arbeiten und wohnen, aber ihre in Polen zugelassenen Fahrzeuge fahren, also ein in Polen ausgestelltes Kennzeichen dafür haben).

Man könnte davon ausgehen, dass, wenn die automatische Verbindung Rundfunkbeitrag / Wohnung kippt, auch die automatische Verbindung Rundfunkbeitrag / Fahrzeug kippt.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: sky-gucker am 15. September 2018, 12:23
Und noch ein Gedanke...

Was ist denn mit der technischen Gebäudeausstattung?
Wenn mein Haus kein Kabel/Satellit o.ä. hat, dann kann ich mir da 47 Empfangsgeräte hinstellen, die empfangen aber nichts.
Einzig ein Radio kann direkt empfangen.

Also der Kauf eines Radios könnte bereits unlauter sein, ebenso Anmietung/Kauf einer Wohnung, sofern denn das Gebäude eine Empfangseinrichtung besitzt...
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 15. September 2018, 18:27
ebenso die Anmietung/Kauf einer Wohnung, sofern denn das Gebäude eine Empfangseinrichtung besitzt...
Nur dann, wenn Du als Mieter/Käufer seitens der Vermieters/Verkäuferns nicht darüber informiert wirst.

Bspw. auch das hier:

Zitat
Die Hockeyapp wird in der tagesschau-App verwendet

Tagesschau-App trackt weiterhin trotz Deaktivierung
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,28636.msg180592.html#msg180592

Unlauter, wenn der Anbieter den Nutzer über diese zusätzliche in einer anderen App versteckte App  nicht informiert.
Titel: Re: Unlautere Geschäftspraktiken > EU-Recht
Beitrag von: pinguin am 23. Februar 2021, 12:12
Aus einem älteren Schlußantrag, in dem es um "Schneeballsysteme" geht.

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
ELEANOR SHARPSTON

vom 19. Dezember 2013(1)

Rechtssache C-515/12

http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=145882&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=6129539

Rn. 31
Zitat
Wenn eine Praxis unter die Schwarze Liste fällt, die in Anhang I angeführt ist, „ist“ sie (nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 5) „unter allen Umständen als unlauter anzusehen“. Es bedarf keiner Prüfung nach Art. 5 Abs. 2, ob die fragliche Praxis den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und ob sie das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers im Sinne dieser Bestimmung wesentlich beeinflussen würde. Anhang I enthält eine Liste dieser Praktiken, die unter allen Umständen als irreführend anzusehen sind. Dazu gehört offensichtlich jede Praxis, die ein Schneeballsystem nach Anhang I Nr. 14 ist. Die Praktiken der Schwarzen Liste gelten automatisch als unlautere Geschäftspraktiken, die nach Art. 5 Abs. 1 verboten sind(11).

Aus der dazugehörigen Entscheidung selber:

Rechtssache C-515/12
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=150284&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=6129539

Rn. 31
Zitat
Zum einen umfasst Anhang I der Richtlinie 2005/29 Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen unlauter sind und daher ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie als unlauter gelten können. Zum anderen können Praktiken, die nicht in diesem Anhang aufgeführt sind, nach einer Einzelfallprüfung ihrer Merkmale anhand der in diesen Art. 5 bis 9 genannten Kriterien für unlauter erklärt werden (Urteile Purely Creative u.a., C-428/11, EU:C:2012:651, Rn. 45 und Köck, EU:C:2013:14, Rn. 35)

Rn. 32
Zitat
Somit fallen nur die verbraucherschädlichsten Geschäftspraktiken unter ein absolutes Verbot, aber eine Praktik, die nicht in Anhang I der Richtlinie 2005/29 aufgeführt ist, kann dennoch verboten werden, wenn eine spezifische und konkrete Beurteilung auf ihre Unlauterkeit im Sinne der Art. 5 bis 9 dieser Richtlinie schließen lässt.

Rn. 23
Zitat
Demnach setzt die Qualifizierung als „Schneeballsystem“ im Sinne von Anhang I Nr. 14 der Richtlinie 2005/29 in erster Linie voraus, dass die Teilnehmer an einem solchen System einen finanziellen Beitrag entrichten.

Rn. 25
Zitat
Außerdem bestätigt der Wortlaut der meisten Sprachfassungen von Anhang I Nr. 14 der Richtlinie 2005/29, dass der Beitrag des Verbrauchers ein konstitutives Element eines Schneeballsystems im Sinne dieser Vorschrift ist.

Basiert die Finanzierung des dt. ÖRR auf einem verbotenen "Schneeballsystem"?