[...] Die acht Expertinnen und Experten, die im vergangenen Frühjahr berufen worden waren, schlagen eine Schärfung des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit einer stärkeren Orientierung an Gemeinwohl und Demokratie vor. Zudem soll aus der bisherigen Arbeitsgemeinschaft ARD eine zentrale ARD-Anstalt als Dachorganisation werden.
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Zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schlägt der Zukunftsrat vor, das bisherige Verfahren zu ändern. Künftig soll es hier eine am Medienbereich orientierte Indexierung geben, die automatisiert und weitgehend entpolitisiert festlegt, wie viel Geld die Anstalten bekommen.
[...] Das Rundfunksystem sei „ein eigenes System mit eigenen Verhaltensregeln“ – doch diese müssten sich nun ändern.
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Die Mitglieder des Zukunftrates sind:
Prof. Dr. Mark D. Cole, Professor für Medien- und Telekommunikationsrecht, Universität Luxemburg, und Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Europäisches Medienrecht
Maria Exner, Journalistin, Gründungsintendantin Publix, Haus für Journalismus & Öffentlichkeit, Berlin
Prof. Dr. Peter M. Huber, Professor für Öffentliches Recht und Staatsphilosophie, Ludwig-Maximilians-Universität München, Bundesverfassungsrichter a.D., Minister a.D.
Julia Jäkel, Aufsichtsrätin, Medienmanagerin, Hamburg
Prof. Dr. Nadine Klass, Professorin für Bürgerliches Recht, Recht des Geistigen Eigentums und Medienrecht sowie Zivilverfassungsrecht, Universität Mannheim und Co-Direktorin Institut für Urheber- und Medienrecht München
Prof. Bettina Reitz, Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film, München
Prof. Dr. Annika Sehl, Professorin für Journalistik mit dem Schwerpunkt Medienstrukturen und Gesellschaft, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Roger de Weck, Publizist, Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) a.D., Zürich
Pressemitteilung – Rat für die zukünftige Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
„Gemeinsamer Kraftakt nötig“
Zukunftsrat empfiehlt umfassende Reform der Öffentlich-Rechtlichen
Empfehlungen: Schärfung des Auftrags der Öffentlich-Rechtlichen / Reform der Gremien und Geschäftsleitungen / ARD-Anstalt statt Arbeitsgemeinschaft / Fokussierung der Landesrundfunkanstalten auf ihre Region / Gemeinsame technische Plattform für ARD, ZDF und Deutschlandradio / Weiterentwicklung der Führungskultur / Neues Finanzierungsmodell gemäß erbrachter Leistung
Berlin, 18. Januar 2024 – Nach neunmonatiger Arbeit hat der „Rat für die zukünftige Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ (Zukunftsrat) an diesem Donnerstag in Berlin seine Empfehlungen vorgelegt. Die acht Expertinnen und Experten machen in dem knapp 40-seitigen Bericht weitreichende Vorschläge für eine Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Der Zukunftsrat war im März 2023 von der Rundfunkkommission der Länder eingesetzt worden, um eine langfristige Perspektive für die Öffentlich-Rechtlichen „über das laufende Jahrzehnt hinaus“ zu entwickeln und damit die Akzeptanz zu sichern.
„Die Öffentlich-Rechtlichen sind eine Erfolgsgeschichte“, betont der Zukunftsrat im Abschlussbericht. Ihre Aufgabe wird in einer stärker fragmentierten Gesellschaft noch wichtiger und anspruchsvoller. Angesichts des schnellen Wandels von Medien und Gesellschaft reicht eine einfache Weiterführung aber nicht: „Erforderlich sind nicht bloß Veränderungen im System, sondern Umbauten des Systems.“
Entscheidend ist die Stärkung der Akzeptanz mit Blick auf den Dienst der Öffentlich-Rechtlichen an Demokratie und Gemeinwohl. Damit ARD, ZDF und Deutschlandradio in vielen Jahren auch von künftigen Generationen noch „weithin akzeptiert, genutzt und idealerweise gemocht werden“, ist „ein gemeinsamer Kraftakt aller Beteiligten nötig“.
„Die Öffentlich-Rechtlichen müssen digitaler und effizienter werden und ihren Angebotsauftrag besser erfüllen“, fasst der Zukunftsrat in seinem Bericht zusammen. Die Reformen als Ganzes ermöglichen mittelfristig deutliche strukturelle Einsparungen.
Die Mitglieder des Zukunftsrats empfehlen:
• die Schärfung des Auftrags der Öffentlich-Rechtlichen – für eine stärkere Orientierung am Gemeinwohl und an der Demokratie, aber auch im Sinne von mehr Innovation, Unterscheidbarkeit und Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern;
• eine neue Organisation und zeitgemäße Gremien mit eindeutigen Verantwortlichkeiten und wirksamer Kontrolle. Das heißt für ARD, ZDF und
Deutschlandradio je einen Medienrat als Garanten, dass der Auftrag gut erfüllt wird; je einen kleineren, nach Fachexpertise besetzten Verwaltungsrat, der die oberste strategische Verantwortung trägt und die Kontrolle über die operative Geschäftsleitung hat; und kollegiale Geschäftsleitungen anstelle des bisherigen Intendantenmodells;
• die Schaffung einer ARD-Anstalt anstelle der bisherigen Arbeitsgemeinschaft ARD. Die neue ARD-Anstalt soll alle überregionalen Aufgaben (wie Mediatheken und Audiotheken, „Das Erste“, Verwaltung, Technologie) verantworten und die Arbeitsteilung in der ARD organisieren, um Mehrfachstrukturen abzubauen;
• eine starke Fokussierung der neun Landesrundfunkanstalten auf ihre Region, was Bürgernähe und Akzeptanz schafft; die Landesrundfunkanstalten haben zu diesem Zweck eine gesicherte Finanzierung;
• eine gemeinsame Tochtergesellschaft von ARD, ZDF und Deutschlandradio für die Entwicklung und den Betrieb einer einheitlichen Technologie für die digitalen Plattformen, um die Digitalisierung rasch und erfolgreich voranzutreiben und Mehrfachausgaben zu vermeiden;
• die Weiterentwicklung der Führungs- und Organisationskultur, unter anderem um den Veränderungsgeist in den Anstalten weiter zu unterstützen.
• ein neues Finanzierungsverfahren für ARD, ZDF und Deutschlandradio gemäß erbrachter Leistung – konkret: der vollumfänglichen Auftragserfüllung – anstelle der bisherigen Anmeldung eines Finanzbedarfs im Vorhinein.
Julia Jäkel, Vorsitzende des Zukunftsrats: „Wir wissen, dass wir von allen Beteiligten viel verlangen. Es wäre der am weitesten reichende Umbau seit Bestehen der Öffentlich-Rechtlichen. Wir haben ein Kraftpaket geschnürt. Mit Gestaltungslust und Wille werden die Öffentlich-Rechtlichen auch in Zukunft ihrem Auftrag gerecht werden können.“
Prof. Dr. Peter M. Huber, stv. Vorsitzender des Zukunftsrats: „Unser Blick richtet sich nicht auf aktuelle Debatten, sondern darauf, die Akzeptanz der Öffentlich-Rechtlichen auch in zehn Jahren und mehr zu sichern. Reformen sind der beste Garant für eine gute Zukunft von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Es ist deshalb jetzt die Zeit für Veränderungen.“
Die Empfehlungen im Einzelnen:
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"Die Media- und Audiotheken der Öffentlich-Rechtlichen konkurrieren mit internationalen Anbietern", begründet der "Zukunftsrat" seine Initiative. Größen wie Netflix setzten hier "gerade auch technisch und im Nutzungserlebnis" längst "höchste Standards". Trotz "mühsam erkämpfter Fortschritte" fehle es an einer durchgängigen Interoperabilität technischer Systeme bei ARD, ZDF und Deutschlandradio. Es sei nun aber angesichts der internationalen Konkurrenz im Streaming-Markt "unerlässlich, Größeneffekte zu nutzen. Es bedarf daher einer einheitlichen technologischen Infrastruktur für alle öffentlich-rechtlichen digitalen Plattformen."
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Mediatheken sollen sozialen Frieden stiften
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Streit ums Geld bleibt erhalten
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Die Höhe des Beitrags solle durch ein Modell ermittelt werden, "das Auftragserfüllung und Indexierung kombiniert", bringen die Experten vor. Bei einem reinen Indexansatz würden die Gebühren automatisch regelmäßig erhöht. [...]
Ernstgemeinte Frage: Woher kommt denn eigentlich auf einmal(?) diese ungeheure Bewegung in der Medienpolitik in Sachen örR?Vielleicht steht die innerunionsbezogene Glaubwürdigkeit des Bundes auf dem Spiel? Meinst Du wirklich, daß die anderen Unionsländer das alles nicht mitbekommen und alle Fans des dt. ÖRR, bzw., des Unionslandes Deutschland sind? Meinst Du wirklich, daß jene Unionsländer, die ihren ÖRR im Laufe der Jahre unionskonform umgebaut haben, auf ewig die Füße still halten?
Ich bekomme in der Tat nichts davon mit, was im politischen Europa abgeht.Man lese die Entscheidungen des EuGH und, wenn vorhanden, die jeweiligen Stellungnahmen der Generalanwälte; aus denen geht ein permanenter Widerstreit in der Auffassung von der nationalen Deutung der Unionsnormen hervor. In jeder Rechtssache, die in mehreren Sprachen publiziert wird, werden fast immer mehrere Unionsländer um Stellungnahme zum Inhalt der Rechtssache gebeten, (auch dann, wenn sie selber mit dem Rechtsstreit in der Sache nichts zu tun haben), und deren Aussagen lassen tief blicken. Man merkt die unterschiedliche Auffassung zwischen Ost und West genauso, wie zwischen Nord und Süd.