Guten TagX!
IPSO IURE!
https://de.wikipedia.org/wiki/Ipso_iure
Es liegt auf der Hand, dass nach den Entscheidungen des EuGH vom 07. Dezember 2023 in den Rechtssachen C-634/21 sowie C-6/22 und C 64/22 von einer Löschungspflicht der Datenbank (privater Bereich) des Zentralen Beitragsservice (ZBS) auszugehen ist. Diese Datenbank wurde mit dem Ziel der rechtswidrigen Massendatenverarbeitung aufgebaut (Projekt DV 2005).
Daran ändert auch die Einführung des § 10 a RBStV durch die „Landesgesetzgeber“, die erst zum 01.06.2020 die Bescheidung im vollautomatischen Verfahren - als Ausnahme vom Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen zugelassen haben (Art. 22 Abs. 2 lit. b DSGVO) - nicht das Geringste.
Der Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidung hat seit Einführung der Richtlinie 95/46/EG in der gesamten Europäischen Union Geltung und wurde 1995 in Art. 15 der RL 95/46/EG durch Sekundärrecht der Union kodifiziert.
Mit seiner Entscheidung COSTA-E.N.E.L (EuGH Slg 1964, 1251 [1270]) hat der EuGH unter Verweis auf die Notwendigkeit der einheitlichen Gestaltung des Europarechts den Vorrang des Unionsrechtes vor nationalem Recht klargestellt. Mit der Entscheidung Simmenthal-II (EuGH Slg.1978, 629) führte der EuGH unmissverständlich aus:
Das staatliche Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, ist gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede — auch spätere — entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet läßt, ohne daß es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müßte.
Art. 288 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AUEV) Absatz 2 besagt, dass „die Richtlinie ist für jeden Mitgliedsstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichem Stellen die Wahl und Form der Mittel.“
Gemäß Art. 32 Abs. 1 RL 95/46/EG war Art. 15 RL 95/46/EG innerhalb der dreijährigen Frist in nationales Recht zu transformieren. Dies ist mit § 6 a BDSG alte Fassung (a.F.) sowie entsprechender landesgesetzlicher Regelungen (z.B. § 15 a Verbot automatisierter Einzelentscheidungen des BlnDSG a.F.) geschehen. Danach waren vollständig automatisierte Einzelfallentscheidungen nur durch Gesetz zulässig, welches die Wahrung der berechtigten Interessen des Betroffenen sicherstellt.
Mit der Kodifizierung des Rechtssatzes des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidung und Umsetzung in nationales Recht (BDSG a.F., BlnDSG a.F.) ist dieser Rechtssatz Bestandteil der Rechtsordnung geworden und stellt damit auch eine Konkretisierung des Grundrechtes auf Datenschutz (z.B. Art. 33 Verfassung von Berlin) dar.
Soweit die nationale Rechtsprechung bislang von einer „Heilungsmöglichkeit“ durch Widerspruchsentscheidung ausgeht (z.B. VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 13.11.2020, Az. 2 S 2134/201) ist festzustellen, dass eine „Heilung“ vollautomatisierter Einzelentscheidungen, die auf keiner gesetzlichen Grundlage beruhen, völlig ausgeschlossen ist. Bereits die Gedankenführung der Verwaltungsgerichte, dass ein nichtgesetzliches Verfahren - unter Verstoß gegen Art. 22 I DSGVO und zwar in erheblicher Streubreite (Massenverfahren) - durch Widerspruchsentscheidung und somit mit dem Ziel der bewussten Umgehung des Rechtssatzes des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen, heilbar wäre, ist völlig abwegig.
Der EuGH führt in seiner Entscheidung Rechtssache C-634/21 vom 7. Dezember 2023 unmissverständlich aus:
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Im vorliegenden Fall weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass nur § 31 BDSG eine nationale Rechtsgrundlage im Sinne von Art. 22 Abs. 2 Buchst. b DSGVO darstellen könnte. Bezüglich der Vereinbarkeit dieses § 31 BDSG mit dem Unionsrecht bestehen für dieses Gericht aber durchgreifende Bedenken. Sollte diese Bestimmung als mit dem Unionsrecht unvereinbar angesehen werden, würde die SCHUFA nicht nur ohne Rechtsgrundlage handeln, sondern verstieße ipso iure gegen das in Art. 22 Abs. 1 DSGVO aufgestellte Verbot.
Eine angebliche „heilende Widerspruchsentscheidung" stehen in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden europäischen Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen des Datenschutzes der Europäischen Union, dass es unerträglich wäre, diese nicht als nichtig anzusehen. Insbesondere auch deshalb, da die beklagten Landesrundfunkanstalten bewusst und gezielt den Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen missachteten und das gemeinsame europäische Datenschutzrecht in der Union mit Füßen treten. Die erkennenden Verwaltungsgerichte haben schon die Gefahren eines vollautomatischen Massenverfahrens verkannt. Der EuGH stellt in seiner Entscheidung Rechtssache C-634/21 vom 7. Dezember 2023 klar:
57
Diese höheren Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer automatisierten Entscheidungsfindung sowie die zusätzlichen Informationspflichten des Verantwortlichen und die damit verbundenen zusätzlichen Auskunftsrechte der betroffenen Person erklären sich aus dem Zweck, den Art. 22 DSGVO verfolgt und der darin besteht, Personen vor den besonderen Risiken für ihre Rechte und Freiheiten zu schützen, die mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten – einschließlich Profiling – verbunden sind.
In den vorliegenden Lebenssachverhalten sendet die Datenverarbeitungsanlage die errechneten „Festsetzungsbescheide“ elektronisch an einen privaten Druckdienstleister, dessen computergesteuerte Druck- und Kuvertierungsanlage die „Festsetzungsbescheide“ im Massendruckverfahren ausdruckt und kuvertiert.
Damit steht auch fest, dass es sich bei den „Festsetzungsbescheiden“ um elektronische Dokumente i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.07.2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (eIDAS Verordnung) handelt, da die Datenverarbeitungsanlage die vollautomatisch errechneten Festsetzungsbescheide elektronisch an einen privaten Druckdienstleister sendet. Damit fehlt schon die qualifizierte elektronische Signatur auf sämtlichen Festsetzungsbescheiden. Im Anschluss werden die massenhaft ausgedruckten „Festsetzungsbescheide“ auf Paletten gelagert und zur Post verbracht bzw. von dieser abgeholt.
Sinn und Zweck vollautomatischer Verwaltungsakte ist es, durch zeitgleiche Rechenoperationen massenhaft eine Vielzahl von Bescheiden „BSD“ vollautomatisch abzuwickeln. Aus den Historien der Teilnehmerkonten ergibt sich, dass in einer Vielzahl von Fällen (Massenverfahren), der Programmablauf GIM „Geschäftsvorfälle 401“, „Formbrief 318“ im Massenverfahren als elektronische „BSD“ (Bescheide) abwickelt. Aufgrund der Bezeichnung „Intern“ ist schon fraglich, ob der ZBS (Rechenzentrum) überhaupt mit Außenwirkung handeln will. Es spricht einiges dafür, dass der damals eingeführte Programmablauf (Projekt DV 2005) anders geplant war und die „Geschäftsvorfälle“ als Erinnerung „Intern“ an die jeweiligen Landesrundfunkanstalten i.S.d. Gebührenstaatsvertrages elektronisch, als „Erinnerung / Vorlage“ für den menschlichen Sachbearbeiter, übermittelt werden sollten. Der menschliche Sachbearbeiter sollte dann die Einzelfallentscheidung nach rechtlicher Prüfung und Ausübung seines Ermessens treffen. Da eine Vollautomatisierung kostengünstiger ist, wurde der menschliche Sachbearbeiter „ausgeschaltet“.
Die Datenverarbeitungsanlage des ZBS folgt einzig und allein dem implementierten Programmablauf. Sie kennt keine menschliche Ermessensausübung sondern nur „true and false“.
Die bislang erkennenden Verwaltungsgerichte verkennen völlig, dass eine „heilende Wirkung“ durch Widerspruchsentscheidung nicht möglich ist, wenn
a) die Datenverarbeitung großer Mengen personenbezogener Daten (Massenverfahren) ohne gesetzliche Grundlage erfolgt und
b) damit die Verarbeitung unrechtmäßig erfolge und somit eine Löschungspflicht besteht (Art. 12 lit. b RL 95/46/EG, Art. 20 Abs. 2 BDSG a.F., § 17 Abs. 3 Satz 2 BlnDSG a.F. jetzt Art. 17 DSGVO).
Der EuGH führt in seiner Entscheidung Rechtssache C-6/22 und C 64/22 vom 7. Dezember 2023 aus:
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Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die betroffene Person nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO, auf den sich das vorlegende Gericht bezieht, das Recht hat, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und dass der Verantwortliche verpflichtet ist, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, wenn die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden.
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Sollte das vorlegende Gericht nach seiner Beurteilung der Rechtmäßigkeit der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verarbeitung personenbezogener Daten zu dem Ergebnis gelangen, dass diese Verarbeitung nicht rechtmäßig ist, wäre daher nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung der Verantwortliche, im vorliegenden Fall die SCHUFA, verpflichtet, die betreffenden Daten unverzüglich zu löschen. Dies wäre, wie in Rn. 99 des vorliegenden Urteils festgestellt, bei einer Verarbeitung der in Rede stehenden personenbezogenen Daten, die nach Ablauf der Frist von sechs Monaten für die Speicherung der Daten im öffentlichen Insolvenzregister erfolgt, der Fall.
Es besteht seitens des ZBS eine Löschungspflicht. Unerheblich dabei ist, ob die Datenbank „Wohnungsinhaber i.S.d. RBStV“ erfasst, da diese Datenbank mit dem Ziel errichtet wurde, massenhaft gegen den Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen zu verstoßen. Von einem "berechtigtem Interesse" kann daher überhaupt nicht die Rede sein. Der ZBS kann auch nicht anführen, die Verletzung des Rechtssatzes des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidung hätte die Entscheidung in der Sache („Wohnungsinhaberschaft“) nicht beeinflusst. Es liegen bereits erhebliche Zweifel an der ausreichenden Datengrundlage vor. In den Lebenssachverhalten der sog. Direktanmeldung, „Geschäftsvorfall 780“, bei denen der Programmablauf GIM durch elektronischen Formbrief 140 „sich selbst gegenüber die Anmeldung bestätigt“, kommt es in 55 % der Fälle zu einer Einspeisung von personenbezogenen Meldedaten in die Datenbank des ZBS, obwohl für die Wohnung bereits ein Beitragskonto besteht. Der Evaluierungsbericht der Länder vom 29. April 2019 führt aus (zu § 14 Abs. 9 a RBStV a.F.):
Unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte des Beitragsservice aus dem letzten Meldedatenabgleich (2013/2014) sowie den bisherigen Erkenntnissen aus dem Meldedatenabgleich 2018 ist laut Zulieferung der Landesrundfunkanstalten damit zu rechnen, dass ca. 55 % der Anmeldungen wieder abgemeldet werden müssen.
Das vollautomatisierte Verfahren der personenbezogenen Verarbeitung von Meldedaten durch den ZBS ist unbestreitbar erheblich mängelbehaftet. Auch handelt es sich bei der sog. „Direktanmeldung“ um eine verbotene automatisierte Einzelfallentscheidung. Es ist nämlich unerheblich, ob Verwaltungsakte vorliegen. Entscheidend ist alleine die Folge der vollautomatischen Einzelfallentscheidung für die Betroffenen.
Darüberhinaus ist festzustellen, dass der RBStV kein Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung ist. Die durch den RBStV an die jeweils zuständige Landesrundfunkanstalt zugewiesen Aufgaben sind abschließend aufgezählt. Von daher können Aufgaben auch nur in diesem Umfang an die gemeinsame Stelle § 10 Abs. 7 RBStV und somit an den ZBS zugewiesen werden. § 10 Abs. 7 RBStV ermächtigt die Landesrundfunkanstalt i.S.d. RBStV nun nicht dazu, Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen i.S.v. § 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO zu treffen (soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt wird).
Damit haben die „Landesgesetzgeber“ es mit Einführung des § 10 a RBStV schon versäumt, angemessene Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person (Art. 22 Abs. 2 lit. b DSGVO zweiter Halbsatz) zu regeln. Es bestehen daher erhebliche Zweifel, dass § 10 a RBStV als Ausnahme vom Verbot des unionsrechtsweiten Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen herangezogen werden kann.
Vorliegend ist auch genau das Gegenteil der Fall, da die Landesrundfunkanstalten im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren vor Einführung des § 10 a RBStV darauf hingewirkt haben, dass die VwGO in einer Weise ausgelegt wird, die zu einer Umgehung des Rechtssatzes des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen führte und somit eine Rechtsschutzlücke schaffte (EuGH Rechtssache C-634/21 vom 7. Dezember 2023, Rdnr. 61). § 10 a RBStV dient auch somit nicht der „Klarstellung“, sondern dazu, ein seit Jahren unrechtmäßig durchgeführtes Verfahren der Massenbescheidung „zu heilen“.
Da § 10 a RBStV aber nur „Bescheide“ betrifft, verstößt die „Direktanmeldung“ des ZBS weiterhin IPSO IURE gegen das in Art. 22 Abs. 1 DSGVO aufgestellte Verbot (Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelentscheidung).
Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Landesrundfunkanstalten auf Errichtung „staatsferner Aufsichtsbehörden i.S.d. DSGVO“ hinwirkten. Ohne jeden Zweifel dienen diese dem Ziel, das unrechtmäßige Massenverfahren beim ZBS zu schützen. Auch die Einschränkung der DSGVO-Auskunftsrechte mit Einführung des 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrages (§ 8 Abs. 8 letzter Satz RBStV) diente diesem Ziel.
Isch habe fertisch, mit diese ZBS-Flasche leer!
1
VGH Baden-Württemberg, 13.11.2020 - 2 S 2134/20
Heilung eines Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheides im Widerspruchsverfahren
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=VGH%20Baden-W%FCrttemberg&Datum=13.11.2020&Aktenzeichen=2%20S%202134/20
Edit "Bürger": "§ 73 Abs. 2 Nr. 3 VwGO" geä. in "§ 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO". Bitte um Hinweis, falls noch Korrekturbedarf bestehen sollte. Danke.
Guten TagX.
Ich bedanke mich für das Lob, die Korrektur und möchte noch auf folgendes hinweisen:
Meine Texte sind für jede Frau und jeden Mann. Ihr könnt die benutzen wie ihr wollt.
Denkt bitte daran: ich bin kein Volljurist. Meine rechtlichen Ausführungen sind also „laienhaftes“ Werk.
Bezüglich der bisherigen Argumentation der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur vollautomatisierten Bescheiderstellung des ZBS noch einige Anmerkungen:
Die „Heilungswirkung“ eines Widerspruchsbescheides zielte darauf ab
… nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden ...
(Art. 22 Abs. 1 DSGVO) zu verneinen.
Dazu wurde anfangs behauptet es sei nicht erwiesen, dass die Festsetzungsbescheide vollautomatisch erlassen wurden. Diese Behauptung wurde – nicht zuletzt durch die Arbeit dieses Forums – widerlegt.
Der Vater des UnfuXbeitraX, Herr SWR-JustiZar a.D. Dr. Eicher erkannte dann, dass diese Festsetzungsbescheide allesamt gegen den Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen verstoßen und wirkte auf die Einführung des § 10 a RBStV hin.
Bis zum in Kraft treten des § 10 a RBStV (01.06.2020) wurde dann die „Heilungsthese“ vom VGH BW – auf Zuruf des SWR - entwickelt.
D.h. das Vorverfahren / Widerspruchsverfahren „heilt“ die VERBOTENE VOLLAUTOMATISCHE DATENVERARBEITUNG!
Dazu sagt fiktive Person Reiner Zufall: „Diese Heilung geschieht rein zufällig! Frechheit Bodenlose!“
Denn es gibt bzw. gab doch tatsächlich Bundesländer1, da ist ein Vorverfahren §§ 68 ff. VwGO nicht zwingend vorgeschrieben. Es liegt also eine landesgesetzliche Regelung i.S.v. § 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO vor.
So z.B. im Freistaat Bayern:
Art. 12 Widerspruchsverfahren BayAGVwGO
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayAGVwGO-12
§ 12 Abs. 1 Nr. 4 ByAGVwGO besagt:
(1) Gegen einen nur an ihn gerichteten Verwaltungsakt kann der Betroffene
...
Nr. 4
in den Bereichen des Ausbildungs- und Studienförderungsrechts, des Heimrechts, des Kinder- und Jugendhilferechts, der Kinder-, Jugend- und Familienförderung, des Kriegsopferfürsorgerechts, des Schwerbehindertenrechts, des Unterhaltsvorschussrechts, des Wohngeldrechts, des Rundfunkabgabenrechts und im Rahmen der Förderungen nach dem Europäischen Sozialfonds (ESF-Förderung), soweit jeweils der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist,
entweder Widerspruch einlegen oder unmittelbar Klage erheben. ...
Es gibt im Freistaat Bayern aktuell zwei Entscheidungen des VGH (Oberverwaltungsgericht) die sich mit § 10 a RBStV befassen:
Eines mit durchgeführtem Vor-/Widerspruchsverfahren:
VGH Bayern, 26.01.2021 - 7 ZB 20.2029
Keine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus Gewissensgründen - Erlass des Festsetzungsbescheids in einem vollständig automatisierten Verfahren
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=VGH%20Bayern&Datum=26.01.2021&Aktenzeichen=7%20ZB%2020.2029
2. Für davor liegende Zeiträume ist eine eventuelle Unzulässigkeit des Erlasses eines Festsetzungsbescheids in einem vollständig automatisierten Verfahren unbeachtlich, wenn der Festsetzungsbescheid im Widerspruchsverfahren durch einen Mitarbeiter der zuständigen Landesrundfunkanstalt überprüft worden ist und im Anschluss ein unterschriebener Widerspruchsbescheid erlassen wurde. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
und eines bei dem der Kläger sofort gegen den Bescheid Klage erhob (sog. Sprungklage):
VGH Bayern, 12.12.2022 - 7 ZB 20.1120
RBStV § 10a; Art. 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 S. 2, 37 Abs. 5 BayVwVfG.
Festsetzungsbescheid für rückständige Rundfunkbeiträge
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=VGH%20Bayern&Datum=12.12.2022&Aktenzeichen=7%20ZB%2020.1120
Jetzt war in diesem Verfahren eine „Heilung“ nicht möglich, da kein Vor-/Widerspruchsverfahren durchgeführt wurde.
Der VGH führt ab RdNr. 33 aus:
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(2) Mit seinem Einwand, der Festsetzungsbescheid sei rechtswidrig, da es an einer Rechtsgrundlage für den „automatisierten Bescheidserlass“ gefehlt habe, dringt der Kläger ebenfalls nicht durch.
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d) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers folgt dies nicht aus dem zum 1. Juni 2020 in Kraft getretenen § 10a RBStV, der vorsieht, dass die zuständige Landesrundfunkanstalt rundfunkbeitragsrechtliche Bescheide vollständig automatisiert erlassen kann, sofern weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum besteht. Anders als der Kläger meint, bedeutet diese Rechtsänderung nicht zwingend, dass der automatisierte Erlass von Festsetzungsbescheiden vor dem 1. Juni 2020 rechtwidrig war. Denn die Vorschrift wurde - wie auch § 35a VwVfG - vom Gesetzgeber lediglich zur Klarstellung eingefügt. In der Gesetzesbegründung zu § 10a RBStV heißt es dazu (LT-Drs. 18/4703):
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„§ 10 a ermächtigt die zuständige Landesrundfunkanstalt dazu, rundfunkbeitragsrechtliche Bescheide vollständig automatisiert zu erlassen, sofern weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum besteht. Mit der Einführung des § 35 a VwVfG hat der Bundesgesetzgeber klargestellt, dass der vollständig automatisierte Erlass von Verwaltungsakten möglich ist. Der Bundesgesetzgeber sieht den Einsatz automatisierter Einrichtungen beim Erlass von Verwaltungsakten vor allem bei einfach strukturierten Verfahren mit geringerem Aufwand als notwendig und sinnvoll an (BT-Drs. 18/8434, S. 122) und geht von einem gesteigerten Bedürfnis nach moderner Informationstechnik in diesem Bereich aus. Bei Verfahren im Bereich des Beitragseinzugs handelt es sich um geeignete Verfahren für eine vollständig automatisierte Bearbeitung. Die Grundlage der Bescheide sind in der Regel einfach strukturierte Sachverhalte, ohne dass ein Ermessen auszuüben ist.“
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Soweit der Kläger der Gesetzesbegründung eine „erhebliche Indizwirkung“ dahingehend zuschreibt, dass vor Einführung des § 10a RBStV keine Rechtsgrundlage für den Erlass automatisierter Bescheide bestand und „daher mit § 10a RBStV eine solche Regelung eingeführt werden muss“, legt er schon nicht dar, aus welcher Formulierung der Gesetzesbegründung er diesen Schluss ziehen will. Offen bleibt auch, warum der vom Kläger gezogene Schluss vor dem Hintergrund zwingend ist, dass § 10a RBStV erst knapp 3,5 Jahre nach § 35a VwVfG eingeführt wurde.
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(b) Unabhängig davon geht die Argumentation des Klägers fehl, der bayerische Landesgesetzgeber habe § 10a RBStV zwingend einführen müssen, um die Rechtswidrigkeit automatisiert erlassener Festsetzungsbescheide zu verhindern. Zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids am 6. April 2018 war weder im Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz noch in sonstigen landesrechtlichen Vorschriften eine dem § 35a VwVfG entsprechende Vorschrift vorhanden. Anders als in sechs anderen Bundesländern, in denen seit März 2018 sukzessive ein § 35a in das jeweilige Landesverwaltungsverfahrensgesetz eingefügt wurde (Nordrhein-Westfalen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Saarland, Baden-Württemberg, beginnend mit Nordrhein-Westfalen zum 30.3.2018 bis Baden-Württemberg zum 17.2.2021), existiert in Bayern keine Vorschrift, die für eine vollständig automatisierte Erstellung rundfunkbeitragsrechtlicher Festsetzungsbescheide ausdrücklich eine besondere Rechtsgrundlage verlangt (BayVGH, B.v. 26.1.2021 - 7 ZB 20.2029 - juris Rn. 9). § 10a RBStV dient in Bayern somit lediglich der Klarstellung. Leitbild des auf Erlass eines „mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassenen Verwaltungsakts“ gerichteten Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 37 Abs. 5 VwVfG bzw. Art. 37 Abs. 5 BayVwVfG war, dass die Automatisierung der Entscheidungsfindung erst nach der Erfassung, Bewertung und Verifizierung des für die Entscheidungsfindung relevanten Sachverhalts einsetzt und so letztlich auf die Rechtsanwendungs- bzw. Subsumtionsstufe und die Bescheidformulierung begrenzt ist (vgl. für die gleichlautende Vorschrift des Bundesrechts Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35a Rn. 20). Schon zum Zeitpunkt des Entstehens des Verwaltungsverfahrensgesetzes - und vor allem vor Einfügung des § 35a VwVfG in das Bundesrecht - wurden einige Verwaltungsakte „vollautomatisiert“, d.h. ohne jegliches menschliche Zutun, erlassen. Diese Verwaltungsakte wurden dennoch als Verwaltungsakte gewertet, die - zulässigerweise - mit Hilfe automatisierter Einrichtungen erlassen wurden (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. Rn. 22). Dies betraf etwa vollautomatisierte Verkehrseinrichtungen (z.B. Ampeln) oder auch Fälle, in denen aufgrund der Behörde vorliegender Daten automatisch Abgabenbescheide gegenüber den der Behörde ebenfalls bekannten Abgabenschuldnern erlassen wurden. Rundfunkbeitragsrechtliche Festsetzungsbescheide wurden aufgrund des im Regelfall einfachen Sachverhalts und der einfach strukturierten gesetzlichen Voraussetzungen bereits lange vor Einfügung des § 10a RBStV maschinell erstellt und höchstrichterlich überprüft, ohne dass es insoweit zu einer Beanstandung gekommen wäre (vgl. beispielweise BVerwG, U.v. 30.10.2019 - 6 C 10.18 - BVerwGE 167, 20).
Das ist natürlich völliger Unfug und dieser „Beschluss“ wird in die Rechtsgeschichte als VGH-Art. 22 DSGVO-Ampel-Beschluss eingehen. Dass nun die Ampel keine personenbezogenen Daten verarbeitet ist ja nun offensichtlich nicht der Fall. Von daher brauchen die Richter am VGH Bayern auch nicht prüfen, ob § 37 StVO eine Rechtsvorschrift i.S.v. Art. 22 Abs. 2 lit. b DSGVO darstellt. Sollte der VGH Bayern hieran Zweifel haben, einfach eine PM an mich schreiben. Ich wäre bereit diese meine laienhafte These am VG München durch Feststellungsklage zu beweisen.
Dass nun dem § 10 a RBStV eine „Klarstellungsfunktion“ zukommt, ist unter folgendem Gesichtspunkt zweifelfrei der Fall:
Keine Rechtsvorschrift i.S.v. Art. 22 Abs. 2 lit b DSGVO = VERBOTEN!
Der EuGH führt in seiner Entscheidung vom 07. Dezember 2023, Rechtssache C-634/21 aus:
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Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 31 seiner Schlussanträge festgestellt hat, Art. 22 Abs. 1 DSGVO der betroffenen Person das „Recht“ verleiht, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden. Diese Bestimmung stellt ein grundsätzliches Verbot auf, dessen Verletzung von einer solchen Person nicht individuell geltend gemacht zu werden braucht.
53
Wie sich nämlich aus Art. 22 Abs. 2 DSGVO in Verbindung mit dem 71. Erwägungsgrund dieser Verordnung ergibt, ist der Erlass einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhenden Entscheidung nur in den in Art. 22 Abs. 2 genannten Fällen zulässig, d.h., wenn sie für den Abschluss oder die Erfüllung eines Vertrags zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen erforderlich ist (Buchst. a), wenn sie aufgrund von Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, denen der Verantwortliche unterliegt, zulässig ist (Buchst. b) oder wenn sie mit ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen Person erfolgt (Buchst. c).
54
Außerdem sieht Art. 22 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 3 DSGVO vor, dass angemessene Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person vorgesehen werden müssen. In den in Art. 22 Abs. 2 Buchst. a und c dieser Verordnung genannten Fällen gewährt der Verantwortliche der betroffenen Person mindestens das Recht auf Erwirkung des Eingreifens einer Person, auf Darlegung des eigenen Standpunkts und auf Anfechtung der Entscheidung.
55
Ferner dürfen nach Art. 22 Abs. 4 DSGVO automatisierte Entscheidungen im Einzelfall im Sinne von diesem Art. 22 nur in bestimmten Sonderfällen auf besonderen Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung beruhen.
Ganz offensichtlich ist der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht bekannt, dass nicht die Kläger bei der vollautomatisierten Datenverarbeitung beweispflichtig sind, sondern die Landesrundfunkanstalten. Diese haben in allen Einzelheiten darzulegen, dass die DSGVO beachtet wird.
1
Niedersachsen hat das Vorverfahren erst abgeschafft und dann wieder eingeführt
OVG Niedersachsen, 03.11.2009 - 4 LB 181/09
§ 8a Nds. AG VwGO; § 58 Abs. 1 VwGO
Beginn einer Rechtsmittelfrist nach Änderung der Rechtsbehelfsbelehrung für Niedersachsen; Rechtmäßigkeit einer Heranziehung zu Rundfunkgebühren
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OVG%20Niedersachsen&Datum=03.11.2009&Aktenzeichen=4%20LB%20181/09
Nochmal der Hinweis, dass § 10 a RBStV keine Regelungen i.S.v Art. 22 Abs. 2 lit. b zweiter Halbsatz DSGVO trifft:
und diese Rechtsvorschriften angemessene Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person enthalten
Dazu tritt noch die Tatsache, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den bisherigen Verfahren die VwGO in einer Weise ausgelegten, die der DSGVO völlig widerspricht.
Unter dem Strich bleibt folgendes:
Die Landesrundfunkanstalten führten bereits vor Jahren (Projekt DV2005) ein vollautomatisches "Verwaltungs-"Verfahren ein, dass zweifelsfrei den Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen missachtete.
Mit Einführung des wohnungsgebundenen Rundfunkbeitrages, dessen Ziel NUR DIE MASSENHAFTE VOLLAUTOMATISCHE VERARBEITUNG VON MELDEDATEN war, wurde ein regelmäßiger bundesweiter Meldedatenabgleich eingeführt, bei dem der ZBS wahllos personenbezogene Daten einspeist (s.o. 55 % Löschquote). Der ganze Quatsch mit BeitraXgerechtigkeit war nur eine riesige Nebelkerze.
Rechtsschutz gegen die unrechtmäßige vollautomatische Datenverarbeitung der GEZ / des ZBS war bislang bei unserer Verwaltungsrichterschaft nicht zu erlangen. Schon der Alte Fritz hatte so seine Probleme mit den "Advocati".
Die Geschichte der Robe
https://www.roben-shop.de/blog/die-geschichte-der-robe/
Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, daß die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt.
Super Rechtssprechung zu § 10 a RBStV!
Jut, dass ick jetzt weiß warum die Richterschaft eine Robe trägt!
Meine Glückwünsche!
:)
Simmenthal-II (EuGH Slg.1978, 629):
Das staatliche Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, ist gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede — auch spätere — entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet läßt, ohne daß es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müßte.