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Allgemeines => Dies und Das! => Thema gestartet von: pinguin am 24. April 2023, 20:21

Titel: EuGH C-775/21 - Bloße Medientechnik genügt nicht für Nutzungsvermutung
Beitrag von: pinguin am 24. April 2023, 20:21
Eine aktuell vom EuGH veröffentlichte Entscheidung, die zwar primär das Urheberrecht betrifft, bei der aber klargestellt wird, daß aus dem bloßen Vorhandensein von Medientechnik und entsprechender Software nicht auf dessen Nutzung geschlossen werden darf.

Urheberrechtlich zählt jedenfalls alleine die tatsächliche öffentliche Wiedergabe eines geschützten Werkes; inwieweit sich Aussagen der Entscheidung auf die Belange des ÖRR übertragen lassen, wäre zu prüfen.

Wenn aber schon das Vorhandensein von Technik keine Rolle spielt und es allein auf die konkrete Nutzung ankommt, kann es unionsrechtlich nur irrelevant sein, ob die Möglichkeit der Nutzung gegeben wäre, da diese ja ebenfalls keine konkrete Nutzung darstellt.

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)
20. April 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Geistiges Eigentum – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29/EG – Art. 3 Abs. 1 – Öffentliche Wiedergabe – Begriff – Ausstrahlung von Musikwerken als Hintergrundmusik – Richtlinie 2006/115/EG – Art. 8 Abs. 2 – Angemessene Vergütung – Bloße Bereitstellung der Einrichtungen – Lautsprecheranlagen an Bord von Zügen und Luftfahrzeugen – Vermutung der öffentlichen Wiedergabe“

In den verbundenen Rechtssachen C-775/21 und C-826/21

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=272688&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=2045224

Zitat
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass die Ausstrahlung eines Musikwerks als Hintergrundmusik in einem Personenbeförderungsmittel eine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

2.      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums sind dahin auszulegen, dass die Einrichtung einer Lautsprecheranlage und gegebenenfalls einer Software an Bord eines Beförderungsmittels, die die Ausstrahlung von Hintergrundmusik ermöglichen, keine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.

3.      Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte entgegensteht, wonach das Vorhandensein von Lautsprechersystemen in Beförderungsmitteln eine widerlegliche Vermutung der öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken begründet.

Zitat
68      Würde nämlich der bloße Umstand, dass die Nutzung einer Lautsprecheranlage und gegebenenfalls einer Software erforderlich ist, damit die Öffentlichkeit das Werk tatsächlich empfangen kann, automatisch dazu führen, dass das Tätigwerden des Betreibers dieser Einrichtung als „Handlung der Wiedergabe“ einzustufen wäre, würde jede „Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken“ eine solche Handlung darstellen, und zwar auch dann, wenn solche Einrichtungen nach den die Tätigkeit des Beförderungsunternehmens regelnden nationalen Rechtsvorschriften vorgeschrieben sind; dies schließt der 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 jedoch explizit aus (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando, C-682/18 und C-683/18, EU:C:2021:503, Rn. 79).

69      In Anbetracht dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass es keine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 darstellt, wenn an Bord eines Beförderungsmittels eine Lautsprecheranlage und gegebenenfalls eine Software zur Verfügung stehen, die die Ausstrahlung von Hintergrundmusik ermöglichen, da es sich um eine bloße Bereitstellung von Einrichtungen handelt, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken.

Anbei noch die Pressemitteilung; einen Schlußantrag hat es nicht.

Die Ausstrahlung eines Musikwerks als Hintergrundmusik in einem Personenbeförderungsmittel stellt eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Unionsrechts dar
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2023-04/cp230062de.pdf