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Allgemeines => Dies und Das! => Thema gestartet von: pinguin am 28. Oktober 2021, 14:27

Titel: BVerfG 2 BvR 1144/21 - Effektiver gerichtlicher Schutz ist ein Grundrecht
Beitrag von: pinguin am 28. Oktober 2021, 14:27
BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. September 2021
- 2 BvR 1144/21 -, Rn. 1-25,

http://www.bverfg.de/e/rk20210923_2bvr114421.html

Rn. 13
Zitat
a) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert dem Einzelnen bei Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt effektiven Rechtsschutz als Grundrecht (vgl. BVerfGE 129, 1 <20>; BVerfGK 18, 74 <80>) und damit einen Anspruch auf eine auch tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 40, 272 <275>; 84, 34 <49>), ohne den gerichtlichen Kontrollauftrag zu verabsolutieren (vgl. BVerfGE 116, 1 <18 ff.>).

Rn. 14
Zitat
Als Grundrecht findet Art. 19 Abs. 4 GG auf Gebietskörperschaften und deren Organe jedoch grundsätzlich keine Anwendung (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Mai 2007 - 2 BvR 695/07 -, Rn. 22 f.; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18 -, Rn. 19).

Rn. 15
Zitat
Zwar gelten die Grundrechte nach Art. 19 Abs. 3 GG auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Dies gilt jedoch grundsätzlich nicht für inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts (vgl. BVerfGE 21, 362 <368 f.>; 68, 193 <205 ff.>; 85, 360 <385>; BVerfGK 13, 276 <276>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Januar 2007 - 1 BvR 1949/05 -, Rn. 15; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18 -, Rn. 20), weil es mit dem Wesen der Grundrechte nicht vereinbar wäre, wenn der Staat über Art. 19 Abs. 3 GG selbst zum Teilhaber oder Nutznießer der Grundrechte würde (sog. Konfusionsargument; vgl. BVerfGE 39, 302 <314>; BVerfGK 13, 276 <277>). Sein Handeln dient der Erfüllung öffentlicher Aufgaben und vollzieht sich nicht in Wahrnehmung unabgeleiteter ursprünglicher Freiheit, sondern aufgrund von Kompetenzen, die vom positiven Recht zugeordnet und inhaltlich bemessen und begrenzt werden. Kompetenzzuweisungen und die Entscheidung aus ihnen resultierender Konflikte sind nicht Gegenstand der Grundrechte. Sie fallen daher auch nicht in den Schutzbereich der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 39, 302 <312 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Februar 2006 - 2 BvR 575/05 -, Rn. 12; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18 -, Rn. 20).

Einerseits bestätigt das BVerfG seine Rechtsprechung, daß die Grundrechte nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten, andererseits kommt es zur Auffassung, daß das Recht natürlicher Personen auf eine effektive gerichtliche Prüfung ein Grundrecht darstellt, daß der Staat nicht zu begrenzen und das Gericht zu realisieren hat.

Wo immer also in der Vergangenheit Gerichte auf Klagen der Bürger*innen nicht hinreichend eingegangen sind, ist dieses bereits verfassungswidrig und bundesverfassungsgerichtlich angreifbar.
Titel: Re: BVerfG 2 BvR 1144/21 - Effektiver gerichtlicher Schutz ist ein Grundrecht
Beitrag von: pjotre am 28. Oktober 2021, 20:11
Wichtig ist dies für Anfechtung aller bisherigen VG-Entscheide und sogar die ARD-Widerspruchsbescheide, soweit wirre Textbaustein-Konglomerate.


Alles kann durch eine neue VG-Klage gegen alles seit 2013 angefochten werden,
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weil "Scheinbeschlüsse", "Scheinbescheide" - was das ist, kann man googeln.
Die Nichtigkeit ist belegt durch eine Petition hiergegen, eine allgemeine Problematik, über die bald durch Abgeordnete aller Fraktionen des Bundestags beraten werden wird, sodann Beschluss durch die über 700 Volksvertreter. 


Das erste VG-Pilotverfahren in diesem Sinn ist bereits anhängig,
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weitere sind in Vorbereitung durch / für die Teilnehmer an den Landesverfassungsbeschwerden gegen den Medienstaatsvertrag (Zensur usw.) und gegen alle Rundfunkabgabe seit 2013.

Damit wird im Prinzip alles Vollstreckungsrecht der Rundfunkabgabe unterbrochen. Wie gut das funktioniert, bleibe offen und soll einstweilen nicht kommuniziert werden, bis mehrere Pilotverfahren vorliegen.


Hier im Forum kann dies nicht näher kommuniziert werden,
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weil von Mitnutzern eine kleine frei bestimmbare Spende einzubringen ist für die viele Arbeit für die mit einzureichenden Studien / Fachgutachten.
Das braucht niemand unbedingt, mit den vorstehenden Hinweisen kann jeder es selber in Angriff nehmen.

Titel: Re: BVerfG 2 BvR 1144/21 - Effektiver gerichtlicher Schutz ist ein Grundrecht
Beitrag von: pinguin am 28. Oktober 2021, 23:20
@pjotre

Eine gerichtliche Entscheidung der Fachgerichtsbarkeit ist verfassungswidrig, wenn sie nicht jeden einzelnen Klagepunkt behandelt, da es dann am "effektiven gerichtlichen Schutz" fehlt?

Eines der fachgerichtlichen Beispiele für die Nichtbeachtung von Klagepunkten in Belangen Rundfunkbeitrag ist die damals auch hier im Forum diskutierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes?

BVerwG 6 B 38.18 - Vereinbarkeit des [...] Rundfunkbeitrag mit Unionsrecht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=26862.0

Am EuGH ist man hier genauer, da jede Vorlagefrage entweder beantwortet wird oder dargelegt wird, warum sie unzulässig ist.
Titel: Re: BVerfG 2 BvR 1144/21 - Effektiver gerichtlicher Schutz ist ein Grundrecht
Beitrag von: Besucher am 29. Oktober 2021, 11:25
So wie Du es beschreibst...

@pjotre

Eine gerichtliche Entscheidung der Fachgerichtsbarkeit ist verfassungswidrig, wenn sie nicht jeden einzelnen Klagepunkt behandelt, da es dann am "effektiven gerichtlichen Schutz" fehlt?

...

Am EuGH ist man hier genauer, da jede Vorlagefrage entweder beantwortet wird oder dargelegt wird, warum sie unzulässig ist.

...besteht dann ein beinahe himmelweiter Unterschied zwischen dem, was im benannten Zusammenhang am EuGH passieren mag, und was sich wohl mit schöner Regelmäßigkeit an dt. Gerichten abspielt. Da wird nämlich - auch wenn es positive Ausnahmen geben mag - oft genug schlicht auf Deinen Einleitungssatz gesch.....

Ist aber auch kein Wunder - & das dürfte das große Problem der deutschen Justiz darstellen (illustriert durch den bekannten plakativen Satz, den sich selbst der kleinste Richter als Selbstbild & Mantra zu eigen machen kann, dass sich über ihm nur der berühmte »Blaue Himmel« befinde).

Anders - nämlich am berühmten, mit obiger Problemlage sicher eng verwandten Grundsatz des berühmten »Anspruchs auf rechtliches Gehör« - verdeutlicht: Das Gericht ist nach Gesetzeslage zwar zur Gewährung »Rechtlichen Gehörs« verpflichtet - aber niemand anderes als das dieser Pflicht unterliegende Gericht selbst entscheidet, ob es das, was ein Betroffener zu sagen hat, für »wesentlich« hält (vllt. besser: halten will) oder nicht und dann ungestraft schlicht kommentarlos übergehen kann. Inzwischen ist ja bekanntlich selbst an manchem Höchstgericht der Lack ab. Könnte man also auch als Witz ansehen, wenn man bedenkt, dass es bzgl. »ob« & »wie« damit einzig an den gerichtsbesetzenden Personen und im schlechtesten Fall deren nicht geahndeter Willkür hängt.

Jedenfalls also ein Beispiel für das berühmte »selbstreferentielle System« - mit einem Status ähnlich dem lieben Gott - & das sich dann auch genau so benimmt. Auch das dürfte zum desaströsen Bild beitragen, das sich aus Umfragen der jüngeren Vergangenheit bzgl. des stetig schwindenden Bürgervertrauens in die deutsche Gerichtsbarkeit ergeben hat.

Titel: Re: BVerfG 2 BvR 1144/21 - Effektiver gerichtlicher Schutz ist ein Grundrecht
Beitrag von: art18GG am 29. Oktober 2021, 14:53
Zum effektive Rechtsschutz gehört, dass es überhaupt einen Rechtsweg, d. h. einen Zugang zu den Gerichten, gibt. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass viele Menschen, die Opfer einer Direktanmeldung durch den Beitragsservice geworden sind, gar keine Möglichkeit hatten effektiv gegen den RBStV vorzugehen, weshalb es aus meiner Sicht auch weiterhin fragwürdig bleibt, ob später ergangene vollständig automatisierte Festsetzungsbescheide diesen fehlenden Rechtsweg geheilt haben; zumal wir heute wissen, dass diese Bescheide selbst keine ausreichende gesetzlich Grundlage hatten. Daher verweise ich in diesem Kontext mal auf die folgende interessante Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes:

BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 05. Dezember 2001
- 2 BvR 527/99 -, Rn. 1-48,
http://www.bverfg.de/e/rs20011205_2bvr052799.html

Leitsatz daraus:
Zitat
Ein Freiheitsverlust durch Inhaftierung (hier: Abschiebungshaft) indiziert ein Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen, das ein von Art. 19 Abs. 4 GG umfasstes Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch dann begründet, wenn die Maßnahme erledigt ist.
Die Gewährung von Rechtsschutz kann hier weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon abhängen, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden kann (Ergänzung zu BVerfGE 96, 27).
Titel: Re: BVerfG 2 BvR 1144/21 - Effektiver gerichtlicher Schutz ist ein Grundrecht
Beitrag von: pinguin am 29. Oktober 2021, 16:20
...besteht dann ein beinahe himmelweiter Unterschied zwischen dem, was im benannten Zusammenhang am EuGH passieren mag, und was sich wohl mit schöner Regelmäßigkeit an dt. Gerichten abspielt.
Am EuGH besteht eine höhere Verantwortung, da seine Entscheidungen üblicherweise rechtlich nicht mehr angreifbar sind; ob die Tiefe einer Entscheidungs-Begründung demnächst gelockert wird, wenn nationale Richter u. U. nicht mehr an Entscheidungen betreffs ihres nationalen Unionslandes beteiligt sind, wird abzuwarten sein.