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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: JanRo am 31. August 2020, 15:43

Titel: Befreiung für Studenten trotz abgelehnten BAföG-Bescheides?
Beitrag von: JanRo am 31. August 2020, 15:43
Das System der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit beruht nach den Ausführungen des BVerwG (Urt. v. 30.10.2019, Az. 6 C 10.18, BVerwG Rn. 21) darauf, dass nur demjenigen einen Anspruch auf Befreiung zugestanden wird, dessen Bedürftigkeit am Maßstab der bungesgesetzlichen Regelungen durch eine staatliche Sozialbehörde geprüft und in deren Bescheid bestätigt wird. Mit diesem System sollen schwierige Berechnungen zur Feststellung der Bedürftigkeit auf Seiten der LRAen vermieden werden, indem aus Gründen der Verwaltungsvereinachfung an die bundesgesetzgeberischen Wertungen für den Bezug von Sozialleistungen angeknüpft und diese zur Grundlage der Reichweite einer Befreiung von der geltenden Beitragspflicht gemacht wird.

Im Falle einer Person A wurde während des Studiums BAföG beantragt, welches aber wegen zu hohen Einkommens eines Elternteils verwehrt wurde.

So ein BAföG Bescheid prüft in mehreren Schritten die formalen Voraussetzungen zum Empfang von Leistungen nach dem BAföG.

Dabei wird u.a. auch zunächst die Bedürftigkeit festgestellt: Steht dem Antragsteller überhaupt BAföG zu (hier positiv, da Student)? In welcher Höhe steht ihm der Bedarf zu (monatlicher Grundbedarf: 649,00 Euro, § 13 Abs. 1 Nr. 2; Abs. 2 Nr. 2 BAföG [spezifisch für die Person A])? Gibt es anzurechnendes Einkommen/ Vermögenswerte (in diesem Falle negativ)? Haben die Eltern Vermögenswerte, die anrechenbar sind (in diesem Falle positiv)?

In den weiteren Schritten wird dann das Einkommen der Eltern geprüft. Ist dieses voll anzurechnen, so ist der Grundbedarf als Unterhaltsanspruch ggü. dem betr. Elternteil(en) einforderbar.

Es liegt aber trotzdem folgende Konstellation vor:
- Das Einkommen wurde durch eine staatliche Sozialbehörde geprüft (BAföG-Leistungen sind Sozialleistungen gem. 68 Abs. 1 Nr. 1 SGB I --> BAföG-Amt eine Sozialbehörde; darüber hinaus auch, systematisch an anderer Stelle, als Befreiungsgrund in § 4 Abs. 1 Nr. 5 RBStV genannt.
- Es wurde eine Bedürftigkeit positiv festgestellt (Es gibt einen Grundbedarf und kein verwertbares Einkommen oder Vermögen)

Der Unterhaltsanspruch ist rechtstechnisch nicht geeignet, Geldmittel für z.B. Rundfunkbeiträge, zusätzlich zum Grundbedarf, einzufordern.

So argumentiert Person A derzeit in einem Antrag an den SWR, welcher persönlich am 24.07. bei der zust. Gemeinschaftseinrichtung eingereicht wurde.

Geht diese Argumentation so durch, dann können sich bundesweit auch Studenten befreien lassen, denen das BAföG wegen zu hohen elterlichen Einkommens abgelehnt wurde.

Sieht da jemand Fehler drinne? (Ich habe die Suchfunktion bemüht und kein Thema gefunden, dass sich so damit beschäftigt - falls doch bitte ich um entspr. Hinweis)

Edit "Markus KA":
In fiktiven Fällen könnte es ein Vorteil gewesen sein, dass ein abgelehnter BAföG-Bescheid vorgelegen und diesen als Anlage zum Befreiungsantrag beigefügt haben könnte. Ebenso könnte die Möglichkeit vorliegen in einem gerichtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe zu erhalten.
Hierzu Querverweise zu themenverwandte Beiträge:

Härtefall mit rechtskräft. Urteil > Wiederaufgreifen bzgl. BVerwG 6 C 10.18?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=32456.0
Titel: Re: Befreiung für Studenten trotz abgelehnten BAföG-Bescheides?
Beitrag von: art18GG am 01. September 2020, 13:54
Nach gegebener Rechtslage ist das Problem wahrscheinlich noch komplizierter, weil der Elternteil, der den Unterhalt zahlt, wohl selbst schon Inhaber einer Wohnung ist. Da dieser Elternteil die Miete für die Studentenwohnung zahlt, also auf indirekte oder direkte Weise der Mieter ist, gilt hier unter Umständen auch die Befreiungsmöglichkeit für Inhaber von Zeitwohnungen. Es gilt jedoch im § 2 RBStV folgendes:
Zitat
Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die
  • dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder
  • im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist.
Der Mieter und die gemeldete Person müssen in dem Fall von Studenten ohne BAFÖG nicht ein und dieselbe Person sein. Was gilt dann also?
Titel: Re: Befreiung für Studenten trotz abgelehnten BAföG-Bescheides?
Beitrag von: drboe am 01. September 2020, 14:08
Falls mit "zust. Gemeinschaftseinrichtung" der sogn. Beitragsservice germeint ist: auf eine Brieffreundschaft mit dem sollte man verzichten und sich besser direkt an die zuständige Landesrundfunkanstalt (LRA) wenden.

Die Zahlungen von Bafög liegen zwischen einem Mindestbetrag und 100%. In der Regel dürften die Zahlungen unter 100% liegen. Die gegen die Eltern vorhandenen Unterhaltsansprüche dürften bei gutwilliger Einigung oft nur so hoch ausfallen, dass in der Summe aus Bafög und elterlicher Zuzahlung der BaföG-Höchstsatz erreicht wird. Es ist nicht einsehbar, warum ein Student, der auf  Zuwendungen der Eltern angewiesen ist und diese in Höhe von 100 Prozent des BaföG-Höchstsatzes erhält, schlechter gestellt sein soll als jemand, der diese Geldsumme vom Staat erhält. Insofern sollte man nicht locker lassen mit der Forderung nach Erlass des sogn. Rundfunkbeitrags.

Hilfsweise könnte man darauf verweisen, dass Pfändungsversuche bei jemandem, der über Mittel unter der Pfändungsgrenze verfügt, nicht gepfändet werden kann. Dies ist allerdings wohl nur die zweitbeste Möglichkeit, da ohne den Zahlungsverzicht der LRA am Ende des Studiums vermutlich nachgezahlt werden müsste. Insofern sollte man das nur als letztes Mittel in Betracht ziehen.

M. Boettcher
Titel: Re: Befreiung für Studenten trotz abgelehnten BAföG-Bescheides?
Beitrag von: JanRo am 01. September 2020, 14:22
Danke für die Antwort.

Person A ist selbst Mieter dieser Wohnung. Er hat selbst den Mietvertrag unterschrieben; die Eltern tauchen - zumindest formal - nirgenswo außerhalb des BAföG-Bescheids auf. Ist sowas schonmal durchgegangen? Denn die Argumentation ist ja dann, dass es drauf ankommt, von wem das Geld kommt (also Elternteil -> zahlt Miete -> quasi Mieter).

Der abgelehnte BAföG-Bescheid wurde dem fiktiven Befreiungsantrag beigefügt. Beim Wiederaufgreifungsthreat wurde § 51 VwVfG herangezogen. Im Falle von Person A wurde § 48 LVwVfG BW herangezogen, weil die entsprechenden VAs bereits bestandskräftig wurden. Gegen einen entsprechenden Ablehnungsbescheid würde dann entsprechende Klage eingereicht werden.

@drboe: In der Vergangenheit wurden entspr. Schreiben an die LRA an den BS weitergeleitet. Ich halte das auch für unproblematisch, wenn die Antwort in Bescheidform kommt.
Aber genau das ist die Argumentation: Man steht als Student schlechter dar, wenn der Beitrag erhoben wird, nur weil das Geld nicht vom Staat kommt.

Edit "Markus KA":
Bitte das Thema
Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG [Diskussion]
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=32126.0
in diesem Thread nicht weiter vertiefen, der da lautet:
Befreiung für Studenten trotz abgelehnten BAföG-Bescheides?“.
Danke für das Verständnis und die zukünftige konsequente Berücksichtigung.


Titel: Re: Befreiung für Studenten trotz abgelehnten BAföG-Bescheides?
Beitrag von: art18GG am 01. September 2020, 15:51
Als Nicht-Nutzer von Rundfunk und Fernsehen bin ich eigentlich kein Freund der Befreiung der Inhaber von Zweitwohnung, weil diese Befreiung aus meiner Sicht lediglich eine Form von Mengenrabatt für Vielkonsumenten der Rundfunkempfangsmöglichkeit ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in seinen Urteilen vom 18. Juli 2018 (1 BvR 1675/16 u. a.) eindeutig festgelegt, dass ein Wohnungsinhaber lediglich mit einem Rundfunkbeitrag belastete werden darf. Es ist nach dieser Entscheidung also verfassungswidrig, dass die unterhaltzahlenden Eltern über ein sich im Studium befindendes Kind zur Zahlung eines weiteren Rundfunkbeitrages gezwungen werden. Bei meiner Argumentation spielt es dann keine Rolle, wer die Miete direkt zahlt, sondern geht es vielmehr darum, ob es verfassungsrechtlich erlaubt ist, deine Eltern über die gegebene Situation zur Zahlung eines zweiten Rundfunkbeitrages zu zwingen. Aus meiner Sicht ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hier sehr eindeutig, während es in anderen Punkten viele Fragen offen lässt.