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Allgemeines => Dies und Das! => Thema gestartet von: pinguin am 26. Juli 2020, 13:00

Titel: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: pinguin am 26. Juli 2020, 13:00
Nachstehend verlinktes Thema mit dem Beitrag von User Bürger
Antrag auf Einstellung der Vollstreckung beim VG Karlsruhe
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33977.msg206877.html#msg206877
läßt den Wunsch aufkommen, die Qualität der juristischen Ausbildung grundlegend zu klären und damit zu prüfen, ob nicht dringender Bedarf daran besteht, bestimmte Aspekte der juristischen Ausbildung im Sinne eines Staates des Rechts zu verbessern, denn der teilsweise unwürdige Umgang um den Rundfunkbeitrag herum läßt doch wohl erhebliche Defizite erkennen?

Die Entscheidungen des BVerfG sind gemäß §31 BVerfG bindend und dürften von allen Gerichten, Richtern und Richterinnen nicht mißachtet werden, auch nicht in Belangen des Landesrechts:
Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG)
§ 31 BVerfGG

https://www.gesetze-im-internet.de/bverfgg/__31.html
Zitat
(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.
(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

***

Wer wagt sich an die Prüfung der Qualität der juristischen Ausbildung und, weil's dazu gehört, an die Lernbereitschaft wie -fähigkeit der Studenten und Studentinnen?
(Hinweis: Wer nebenbei jobben muß, um sich durchzubringen, wird sich kaum auf's Studium konzentrieren können).


***Edit "Bürger": Ungeeignete Beispiele/ Nebendiskussionen heraufbeschwörende Beispiele entfernt. Bitte wenn, dann gesicherte Beispiele.
Danke für das Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: drboe am 26. Juli 2020, 15:57
Es stellt sich die Frage, ob man mögliche Qualitätsdefizite der Ausbildung und der Rechtsprechung nicht zunächst an banaleren Entscheidungen als solchen des BVerfG festmachen sollte. Wobei die Unterscheidung zwischen Mängeln der Ausbildung und Willkür der Rechtsanwendung wohl fließend sind, wenn Richter z. B. eine Zustellfiktion einfacher Briefe wortreich vertreten und den Beleg der Nichtzustellung dem Bürger auferlegen bzw. seine Aussagen als nicht zutreffende Schutzbehauptung werten, obwohl es längst höchstrichterliche Urteile und solche des BVerfG gibt, die dies Problem zu Gunsten des Bürgers und zu Ungunsten der Behörden entschieden haben - siehe dazu u.a. unter
Antrag auf Einstellung der Vollstreckung beim VG Karlsruhe
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33977.0
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33977.msg206676.html#msg206676
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33977.msg206877.html#msg206877

Ich halte die dortige Entscheidung des VG für reine Willkür, nicht für ein Ausbildungs- oder Qualitätsproblem, da aus dem Text der Entscheidung deutlich wird, dass dem Gericht die Urteile bekannt sind, die dem Kläger recht geben. Das Gericht will die aber nicht zu seinen Gunsten berücksichtigen, und macht stattdessen unzulässige Annahmen zum Wahrheitsgehalt des Vortrags des Klägers. Ob der Kläger lügt oder die Wahrheit sagt, lässt sich letztlich nur vermuten. Die Rundfunkanstalt hätte durch eine einfache Maßnahme dafür sorgen können, dass es solcher Spekulationen nicht bedarf. Da sie diese versäumte, muss sie m. E. mit dem für sie ungünstigen Ergebnis leben. Das Gericht entscheidet aber bewusst falsch, was den Kläger dann zwingt, sein Recht in der nächsten Instanz zu suchen. Folge: unnötig höhere Kosten, Beschäftigungstherapie für Richter.

M. Boettcher
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: Blackhand am 27. Juli 2020, 13:03
kp, ob die Ausbildungsqualität eine entscheidende Rolle spielt.

Aber eine Justizreform ist bitter nötig, das System stinkt zum Himmel. Der Rundfunkbeitrag deckt es halt nur am besten auf. Solch eine Reform ist u.U. sogar wichtiger als die Abschaffung der Zwangsfinanzierung, denn diese ist evtl. nur ein Symptom, das Justizsystem ist eine Mitursache.

Und Verfassungsrichter mit Parteibuch sollte es eigtl. selbstverständlich nicht geben.
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: hankhug am 27. Juli 2020, 23:48
Es sollte auch kein Vorschlagsrecht des Bundestags für die Besetzung des BVerfG geben.

M.E. ist die Qualität der juristischen Ausbildung nur einer von mehreren Aspekten.

Das größere Problem ist m.E. die nicht vorhandene Qualitätssicherung an Gerichten. Fehlentscheidungen werden nicht erkannt, aber -selbst wenn-  nur selten korrigiert und gar nicht sanktioniert.
Selbst bei vorsätzlichen Fehlentscheidungen -und von deren Existenz gehe ich mittlerweile bei dem Rundfunkbeitragsthema aus- muss ein Richter nichts befürchten, denn er kann sich der Kollegenhilfe der oberen Instanzen sicher sein.
Wie oft wurde z.B. einer Anhörungsrüge nach §152a VwGO stattgegeben?

Vielleicht wäre ein Ansatz, juristische Expertensysteme an Gerichten zur nachvollziehbaren EDV basierten Entscheidungsunterstützung zu etablieren. Die Frage ist natürlich, ob sich die juristische Komplexität da ausreichend abbilden lässt.
Die Links im Internet, die ich dazu gefunden habe, verweisen z.T. auf über 30 Jahre alte Studien. Der aktuelle Stand wäre da mal interessant...
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: Miklap am 30. Juli 2020, 10:57
[...] läßt den Wunsch aufkommen, die Qualität der juristischen Ausbildung grundlegend zu klären und damit zu prüfen, ob nicht dringender Bedarf daran besteht, bestimmte Aspekte der juristischen Ausbildung im Sinne eines Staates des Rechts zu verbessern, denn der teilsweise unwürdige Umgang um den Rundfunkbeitrag herum läßt doch wohl erhebliche Defizite erkennen?

Die Entscheidungen des BVerfG sind gemäß §31 BVerfG bindend und dürften von allen Gerichten, Richtern und Richterinnen nicht mißachtet werden, auch nicht in Belangen des Landesrechts.

Wer wagt sich an die Prüfung der Qualität der juristischen Ausbildung

Ich darf nochmal daran erinnern:

Deutsche Richter im Digitalen Daten Sumpf
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19676.msg202684.html#msg202684

Z.B. Zitat vom Richter Udo Hochschild, Verwaltungsgericht Dresden:
Zitat
In  Deutschland  ist  die  Justiz  fremdbestimmt.  Sie  wird  von  einer  anderen  Staatsgewalt  –  der  Exekutive  –  gesteuert, an  deren  Spitze  die  Regierung  steht


BTW: habe ich die o.g. Willkür (nicht nur !!!) durch drei Instanzen i.S. Arbeitsrecht erlebt und wurde eines besseren belehrt...

Diejenige die tatsächlich noch glauben, dass man in einem Rechtsstaat lebt und/oder sich an eine Verfassung (Grundrecht?!) berufen kann,
die sollen halt weiterträumen... 

"Qualität der juristischen Ausbildung"? ::) dass ich nicht lache!

"Ich  schwöre,  das  Richteramt  getreu  dem  Grundgesetz  für  die  Bundesrepublik  Deutschlandund getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen,
so wahr mir GOTT helfe.“


HA HA HA  ;D ;D 
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: seppl am 30. Juli 2020, 12:44
Zur sachlichen Thematik "Gewaltenteilung" - die auch die juristische Ausbildung und Arbeit in Deutschland beeinflusst, verweise ich auf die Seite
Idee und Wirklichkeit der Gewaltenteilung in Deutschland
https://www.gewaltenteilung.de/

Nichts, was in der Verfassung steht wird allein dadurch Realität, dass es in der Verfassung steht. Es muss auch in die Praxis umgesetzt werden...
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: pjotre am 05. September 2020, 12:13
Die Bürger erwarten von Gerichten "absolute Gerechtigkeit".
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Die Bürger haben Humor?  ;D
 ... wird so gemäß Schul-Richtlinien durch die Lehrer*(klicks)*innen gelehrt? Ausbildungsfabriken für das Herstellen von staatsgläubigen Untertanen?
Darüber kann der Lesekundige über "Rechtsphilosophie, Staatsphilosophie etc." nur schmunzeln?
Wieder einmal ein Blick hinter die Kulissen der "Gerechtigkeitsware-Lieferanten" (aka "Gerichte"):   :police:
Zitat
Gut ausgebildete Bewerber bleiben fern, insbesondere in Ostdeutschland. So fiel die Quote der Proberichter mit Prädikat in Sachsen-Anhalt von 80 Prozent im Jahr 2016 auf nur noch 30 Prozent im Jahr 2019 – obwohl die Zahl der Bewerber für eine Stelle in der Justiz gegen den Trend gewachsen ist. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg lagen die Quoten im Vorjahr bei 38 beziehungsweise 37 Prozent; als eine der wenigen Verwaltungen legte Potsdam schon einen Zwischenstand für 2020 vor: Nur jeder vierte neueingestellte Richter oder Staatsanwalt kann ein Prädikatsexamen vorweisen.

Weiterlesen: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/der-justiz-gehen-die-top-juristen-aus-16938240.html
Leider am 5. September 2020 - 12 h bereits hinter der Zahlungsbarriere. Bedauerlich, wie die FAZ zunehmend ihre Zitierfähigkeit und damit die eigene Breitenwirkung reduziert: "Dahinter steckt immer ein unschlauer Kopf"?


Wie so oft bei komplexen Themen sind die allerwichtigsten Infos in den Leserkommentaren. Beispielsweise:
Zitat
Ein weiteres großes Problem ist, das über Jahre (fast) nur noch Frauen eingestellt wurden, von denen ein guter Teil alsbald in Elternzeit geht, während die Stelle freigehalten und nicht besetzt wird. Dies führt dazu, das an manchen Gerichten 30% der Richter fehlen und die Kollegen deren Dezernate mit übernehmen müssen. Die Qualität der Schriftsätze vieler Anwälte ist mittlerweile unterirdisch, es wird erwartet, das die Richter deren Arbeit erledigen. Digital? Eildienst?

Also, die zahlreichen Leserkommentare von fachlich hohem Niveau belegen noch mehr als der Bericht eine haarsträubende Qualifikationsmangel-Sitution der Gerichte. Jura ist ein Paukerei-Studium - Wissensmenge im Kopf ist wichtig. Noten sind bei Juristen also tatsächlich ziemlich aussagekräftig.

In Schritsätzen von hier, die auch bei obersten Gerichten landen,
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ist längst das Problem in Sachen Rundfunkabgabe aufgezeigt: Pseudo-Jura aus der Textbaustein-Anklick-Fabrik - ARD-Juristen und Callcenter und Gerichte - der generalisierte "Phrasomat". Jeder kupfert vom anderen ab, weil die durch schlechte Gesetze erzeugte Fallmenge für denkende Analyse keine Zeit mehr lässt.
Das Ergebnis sind dann sogenannte "Urteile" aus der Textbaustein-Serienproduktion, die wir so sehr zu kennen und lieben gelernt haben.  >:(

Ob richtig oder falsch, wird schon gar nicht mehr gesichtet.
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Man "übernimmt" blindlings möglicherweise und oft gravierende Rechtsfehler, weil für mehr, für richterliche Pflicht der juristische Wahrheitsprüfung der Quellenaussage, die Zeit nicht reicht. Zwei von hier begleitete Verfahren bei obersten Gerichten kreisen um diesen Kern der Entscheidungfehler in Sachen Rundfunkabgabe. ... hübsche Spannung, wie das ausgehen wird... wohl 2020...2021.
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: drboe am 05. September 2020, 13:51
Die Bürger erwarten von Gerichten "absolute Gerechtigkeit".

M. E. erwarten Bürger, die klagen, vor allem, dass sie bzw. ihre Vorstellung von dem, was "richtig" ist, bestätigt wird. Wer verklagt wird, hofft nicht selten das Gleiche, fürchtet zum Teil aber einen negativen Ausgang. Wer einer Straftat beschuldigt wird und weiß, dass er sich schuldig gemacht hat, hofft, dass er leidlich glimpflich davon kommt, andere, die von ihrer Unschuld überzeugt sind, fürchten, dass dies das Gericht anders sieht. Absolut ist wohl nie eine Entscheidung von Gerichten, man erhält ein Urteil, mehr nicht. Ob das gerecht oder ungerecht ist bzw. der Grad der Gerechtigkeit, mag strittig sein; Gerechtigkeit scheint aber nicht primäres Ziel von Gerichtsverfahren zu sein. Interessenausgleich dürfte es eher treffen.

Mir, als Mensch mit mathematischer und naturwissenschaftlicher Ausbildung, erscheinen Argumente, Begründungen, Schlußfolgerungen, Gesetze etc. von Juristen oft nicht logisch bzw. nicht klar genug und geben m. E. oft zuviel Raum für Interpretation. Kann ich dies zum Teil noch auf die Unschärfe der Sprache zurückführen, so muss ich im Fall, dass selten klare und eindeutige Gesetzesformulierungen von Gerichten im Wege der "Auslegung" in ihr Gegenteil verkehrt werden, leider Absicht unterstellen. Das für mich klarste Beispiel dafür ist die Entscheidung des BVerfG zum Ersatzdienst, dessen Dauer nach GG die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen darf. Dessen ungeachtet hat das Gericht eine haarsträubende Begründung dafür geliefert, warum der Ersatzdienst doch länger als der Wehrdienst sein darf. Ein rein politisches Urteil, mit dem das BVerfG den Wünschen der Parteien nach Disziplinierung der Wehrpflichtigen entsprach. Spätestens seit dem rangieren Juristen, insbesondere die des BVerfG, auf meiner persönlichen Wertschätzungsskala an letzter Stelle.

M. Boettcher
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: pjotre am 05. September 2020, 19:13
@drboe:

Die linguistische Komponente der Jura:
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(intern archiviert: "1129 aus S209" )
FAZ 2003-09-22 S. 39: "Secualmoral frisch abgepackt"
Der FAZ-Titel ist irreführend. Es ist Besprechung des Buches: Nicola Rowe, "Sprachlicher Wandel".
Dass also ein Gesetzestext bleibt, die darin verwendeten Worte sich aber wandeln: Der Begriffsumfang ändert sich. Wie kann die Rechtsprechung dann mit diesem Gesetz umgehen?

Die Naturwissenschaften sind damit kaum belastet. Dass sich das Ur-Kilogramm minimalst ändert, dem ist man ja wohl inzwischen beigekommen? Aber Jura-Begriffe sind noch harmlos gegen Politologie: Für "Soziaismus" gibt es über 1000 unterschiedliche Definitionen. Also ist es ein Begriff, den man intelligenterweise in Erörterung nicht verwenden sollte, weil jeder andere beim Hören vor seinem inneren Auge einen anderen Begriffsumfang denkt.


Beispiel nun für uns: "Rundfunkrecht" meinte ursprünglich nur "Radiosender-Recht".
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Später blieb es umgangssprachlich ähnlich, aber in der Jura steht das Wort "Rundfunk" nun in erster Linie für: "Fernsehsender-Recht".
Und nun kommt skandalöse Rechtsverletzung - mit dem in diesen Monaten kommenden Medienstaatsvertrag kommt der Begriff "rundfunk-ähnlich" hinzu - mit folgenden 3 Effekten:
- a) angeblich erstreckt die Finanzgarantie "Rundfunk" sich auch auf "rundfunk-ähnlich".
- b) Das Internet gilt als "rundfunk-ähnlich".
- c) Ergo dürfen die 8 Milliarden Euro nun in alle Zukunft kassiert werden - unter Umwandlung ARD, ZDF in einen Internet-Konzern.

Es sind durchaus Verfahren hiergegen anhängig,
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von hier begleitet, koordiniert.


Nun zu @drboe - die Logik-Qualität der Jura:
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(intern archiviert: "1130 aus S209" )
Tagesspiegel 2006-11-18 S. 32: "Der Richter und sein Rechner - In China beurteilt ein Computerprogramm Straftaten - und fällt vollautomatisch Gerichtsurteile." Ja, inklusive bis zu "lebenslang". Nur Delikte mit Todesstrafe sind ausgeklammert.

Begründung: Damit die Justiz nicht korruptiv gekauft werden kann: Computer zuverlässiger als menschliche Richter? -  Software-Details: Siehe im Artikel.

Die "Logik der juristischen Schlussformen" war übrigens @pjotre 's Kernthema beim Jurastudium. Ein umgekehrtes analoges Angebot der automatisierten Schriftsatzerstellung gegen die Rundfunkabgabe - proprietäre Software - war 2016 im Internet angeboten, fand aber keine Anwender. Schriftsatz-Automatisierung wird aktuell mit Angeboten in etwas anderer Weise vollzogen.
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: Roggi am 05. September 2020, 21:48
Eine ähnlich wichtige und das hiesige Thema tangierende Frage zu Richtern gibt es unter
Werden Richter der Landesverfassungsgerichte korrekt bezahlt? Immer Ehrenamt?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33882.0
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: seppl am 06. September 2020, 11:06
Spätestens seit dem rangieren Juristen, insbesondere die des BVerfG, auf meiner persönlichen Wertschätzungsskala an letzter Stelle.
Das entspricht in etwa der Einstellung Friedrich Wilhelms I, der die Robe der Juristen bei Gericht einführte:
Zitat
Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, daß die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt.
https://www.roben-shop.de/blog/die-geschichte-der-robe/  :D


Edit "Bürger" @alle:
Bitte keine Vertiefung von Wertschätzungsfragen, sondern bitte ausschließlich, eng und zielgerichtet zum eigentlichen Kern-Thema dieses Threads diskutieren, welches da lautet
Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
allerdings bitte auch konkret zum eigentlichen Forum-Thema "Rundfunkbeitrag".
Sofern das Thema unerquicklich bleibt, bleibt die Schließung des Threads vorbehalten, denn das Forum kann kein Jura-Forum oder Jura-Ausbildungs-Forum ersetzen.
Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: gez-verweigerer78 am 30. September 2020, 13:42
Also ich denke, die Qualität der juristischen Ausbildung in Deutschland schwankt wahrscheinlich sehr, je nach dem wie qualitativ die Lehrenden an Universitäten, Hochschulen etc. sind. Vielleicht überschätze ich das auch, aber ich denke ein Jura-Student an LMU erfährt eine gar andere Ausbildung als z. B. ein Jura-Student an der Universität Siegen oder einer vergleichsweise kleinen Universität. Sicher haben kleine Universitäten auch gute Professoren, aber die Qualität dieser misst sich mit der Qualität der Universität selbst.
Aber dieses Phänomen beobachte ich für beinah jeden Studiengang. Es wird immer Unterschiede in der Ausbildung von Berufen an Universitäten geben (spreche ausschließlich hiervon), da teilweise ganz andere Inhalte behandelt werden oder die Art und Weise wie sie behandelt und vertieft oder ausgelassen werden eine entscheidende Rolle spielt.
Nicht zuletzt natürlich auch die praktische Erfahrung. Ein Jurist, der schon viele Fälle bearbeitet hat und bei großen Anwaltskanzleien etc. präsent sein durfte wird unter Umständen auch eine andere Fortbildung erleben, als ein Jurist, der weder Fälle noch bekannte Anwaltskanzleien mit seiner Anwesenheit beglücken durfte   8)
Das sind aber nur meine Einschätzungen, ich gebe hierfür keine Gewähr ;)

LG
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: Blackhand am 30. September 2020, 14:28
Mir, als Mensch mit mathematischer und naturwissenschaftlicher Ausbildung, erscheinen Argumente, Begründungen, Schlußfolgerungen, Gesetze etc. von Juristen oft nicht logisch bzw. nicht klar genug und geben m. E. oft zuviel Raum für Interpretation. Kann ich dies zum Teil noch auf die Unschärfe der Sprache zurückführen, so muss ich im Fall, dass selten klare und eindeutige Gesetzesformulierungen von Gerichten im Wege der "Auslegung" in ihr Gegenteil verkehrt werden, leider Absicht unterstellen. Das für mich klarste Beispiel dafür ist die Entscheidung des BVerfG zum Ersatzdienst, dessen Dauer nach GG die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen darf. Dessen ungeachtet hat das Gericht eine haarsträubende Begründung dafür geliefert, warum der Ersatzdienst doch länger als der Wehrdienst sein darf. Ein rein politisches Urteil, mit dem das BVerfG den Wünschen der Parteien nach Disziplinierung der Wehrpflichtigen entsprach. Spätestens seit dem rangieren Juristen, insbesondere die des BVerfG, auf meiner persönlichen Wertschätzungsskala an letzter Stelle.

Dito, als mathematisch/naturwissenschaftlicher Akademiker hat man einen Sinn für logisch konsistente Strukturen und merkt vor allem beim Rechtsweg gegen den Beitrag wie unvollkommen unser Justiz- und Gesetzessystem doch ist. Ich formuliere es so, dass "Definitionslücken" im Gesetz von den Richtern mit Willkür gefüllt werden, was dann m.E. zu schwach für einen rechtskräftigen Beschluss/Urteil ist. Da hat man als Naturwissenschaftler schon Vorteile sich juristisch persönlich zu wehren. Einfach nur noch peinlich, was sich Richter hier leisten, ohne Sinn für logische Konsistenz. Kein Wunder, dass man sich bei so wenig Durchblick lieber nach Autoritäten von oben richtet, welche auch kaum mehr Plan haben. Diese Berufssparte beschädigt ihr Ansehen immer mehr selbst.

Man müsste bei einer Jurareform m.E. die Gesetzestexte von einer möglichst formalisierten Sprache ableiten. Das wäre dann mittels KI viel besser zu verarbeiten und auch für Otto Normalverbraucher zugänglicher zu machen und echter Bürokratieabbau. An sich wäre es an der Zeit mal mit jahrhundertelang inkonsistent gewucherten Gesetzen aufzuräumen und die juristische Ausbildung dementsprechend anzupassen. Eine schlankere, klarere Justiz wäre vermutlich auch weniger anfällig für Korruption.

Dann bräuchte man auch nicht so viele Juristen, insbesondere (auch heute schon völlig überrepräsentiert) in der Politik und könnte mehr Naturwissenschafter ranlassen, die auch etwas vom Problemlösen verstehen bzw. wären die Juristen dann auf diesem Gebiet nicht mehr solche Volldeppen.
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: Thejo am 05. Oktober 2020, 11:43
Sachlichkeit ist sicher wichtig, aber manchmal wundere ich mich darüber, wie viele Menschen zu glauben scheinen, gewisse "falsch laufende Dinge" in dieser Welt wären vielleicht "nur ein Versehen". Bzw. drückt man sich in seiner wohl formulierten Kritik darüber so freundlich passiv aus. Ab einen gewissen Punkt sollte es gestattet sein, grobe Fahrlässigkeit oder Machtmissbrauch nicht nur klar und deutlich als solchen anzuprangern, sondern auch korrigieren zu können.

Wir wurden alle in eine Welt hineingeboren, die anscheinend auf Jahrtausend alte Strukturen aufbaut. An irgendeiner Stelle in unserer Kindheit werden uns hier in der BRD deren Institutionen vorgestellt und uns glauben gemacht (oder "wir" wollen das selbst naiver Weise glauben), diese entsprächen einem Ideal. Dann "wundern wir" uns gute 30-50 Jahre, nur um letztendlich zu erkennen, dass diese Ideale praktisch niemals erreicht werden. Aus verschiedenen Gründen: Inkompetenz, menschliches Versagen und Absicht.

Absicht kann (sich überlagernde) eigen-motivierte oder fremdgesteuerte Ursachen haben: Neo-liberale Einflüsse, Bestechung, Lobbyismus, vorauseilender Gehorsam, Bedrohung (Angst), Täuschung, Machtstreben, Gier usw.

Selbst Inkompetenz kann von Außen gewollt sein und stellt für mich dann eine Form von System-Sabotage dar.
Ich glaube immer fester daran, dass wir hier über "kompromittierte Systeme" sprechen. Bzw. muss man sich fragen, ob der Entwurf dieser Systeme nicht schon ein Täuschungsversuch gegenüber der Bevölkerung war.

Während einige der Akteure, seien es Richter oder Journalisten/Moderatoren, vermutlich hinter einem anderen System als "unserer Idee von freier Demokratie für alle Menschen" stehen, sind andere einfach nur eifrige oder ängstliche Mitläufer oder werden "auf Linie" gebracht. Bsp. was ist aus "den Grünen" geworden? Wo sind "die Piraten" hin? Ein Dr. Sprißler vs. allen anderen Richtern...

Werden Gesetze so schwammig formuliert, weil man's nicht besser hin bekommt (Inkompetenz - gar Unmöglichkeit?) oder weil es so beabsichtigt ist, eben um Raum für Auslegung zu lassen? Besonders, wenn es um (macht- und geldgierige) Individuen geht, die sich vor den "niederen Pöbel" bevorteilen wollen.

Um die Kurve zur Themenfrage "Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?" zu bekommen:

Wir enden sicher immer mit einer mehr oder minder gesunden Mischung aus Inkompetenz trotz einer "guten" Ausbildung.
Und gutwilligen Hochtalentierten - die ggf. von Seiten "der Mächtigen" auf Linie gebracht werden, bzw. Jene, die schon die Machtinteressen vertreten. Und dem einen oder anderen menschlichen Fehler, den man bereit ist, einzugestehen und zu korrigieren oder aus Scham/Stolz (sei's persönlich oder gar Institutionell) auch nicht.

Und wenn es tatsächlich von einigen "Mächtigen" so gewollt ist (wie Rainer Mausfeld beschreibt), dass u.a. Jura und Politik nicht mehr durchschaubar sein sollen, weil man es immer weiter aufsplittet, verkompliziert, verunstaltet, unpersönlicher macht, niemand mehr darin angreifbar ist und zur Verantwortung gezogen werden kann, wer soll sich dann darin "gut ausbilden" lassen können, solch ein sabotiertes System weiterhin nach seinem "ursprünglichen Ideal" entsprechend zu vertreten? Das ist kaum möglich, oder?
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: pinguin am 05. Oktober 2020, 14:16
@Thejo
Wie wir kämen dann aber u. U. unweigerlich in eine Ost-West-Debatte, die hier nicht geführt werden soll, und zur Frage, wer u. U. wen "über den Tisch zieht" und warum.
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: drboe am 05. Oktober 2020, 15:42
Warum sollte die Frage der Qualität der juristischen Ausbildung eine Ost-West-Debatte auslösen? @Thejo hat m. E. keine Punkte aufgeführt, die eine solche zwingend nach sich ziehen. Was seine Skepsis an Zustand und Möglichkeiten der Demokratie angeht, so befindet @Thejo sich in relativ guter Gesellschaft. Zumal diese Diskussionen alles andere als neu sind. NB: Wer das Konzept der "repräsentativen Demokratie" für eine echte Demokratie hält, sollte sich einmal mit den Positionen von James Madison, einem der Gründerväter und 4. Präsident der USA, befassen. Der postulierte, dass eine Verfassung und eine Regierung dazu da sei, die Minderheit der Besitzenden vor der Mehrheit der Bürger zu schützen. Ähnlichkeiten mit den realen Machtverhältnissen in den "Demokratien" dieses Globus sind kaum zufällig.

Gegen eine mögliche auf Ost-West-Unterschiede fixierte Debatte spricht auch, dass die Zahl der Juristen, die schon vor 1990 aktiv waren, in Ost wie West stetig abnimmt, wie das ja auch in anderen Berufen zwangsläufig der Fall ist. Nostalgiker, die die Zeit vor 1990 als "die gute alte Zeit" verbrämen und sie sich womöglich zurück wünschen, gibt es in Ost wie West und in allen Berufen. Aber sind die noch der Maßstab bzw. muss man deren längst überholte Diskussionen wirklich führen? Für Mitbürger unter 50 müssen das doch Debatten von Zombies sein. Ich bezweifle, dass es heute ernsthafte Unterschiede in der Ausbildung künftiger Juristen gibt. - Die heute aktiven Juristen sind ja wohl kaum zu ändern. - Das die künftig aus dieser jungen Gruppe hervorgehenden späteren Richter besser sein werden als die heutigen, sie in geringerem Maße opportunistisch agieren werden, ist allerdings nicht zu erwarten, da sich das System an sich kaum verändert. Es sind aber die Richter, die neben der Politik einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung haben, nicht die "Wald- und Wiesenanwälte". Deutschlands Richter sind bekanntlich weniger unabhängig als es die Kriterien für eine Aufnahme in die EU erfordern. Wir würden heute also nicht Teil der EU werden. In den politischen Schönwetterreden anlässlich von Jubiläen hört sich der Status des Rechtswesens/Rechtsstaats natürlich oft anders an. Aber das kennt man ja.

M. Boettcher
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: volleasy am 06. Oktober 2020, 12:36
Vielleicht sollten hier einmal ein paar grundsätzliche "Irrtümer" aufgeklärt werden.

Gerechtigkeit ist zum einen etwas "privates" und "politisches". Dabei geht es um objektiven Ausgleich von subjektiven Empfinden. Ausgleich ist wiederum etwas berechenbares an Werte gebundenes Handeln.

Im Recht geht es darum, dem Recht genüge zu tun. Dieses bedeutet eine Endlichkeit innerhalb der Normen. Manchmal, wenn es um Rechtsfortbildung geht, wird der Endpunkt neu gesetzt.

Die Normen an sich sind erst einmal algorithmisch strukturiert, da sie ansonsten nicht innerhalb des Regelwerks terminieren könnten. Ausgenommen davon sind dogmatische Strukturen wie etwa Ordnungen (z.B. ZPO), diese Terminieren durch die Befürfnisse der Anwender.

Die Wurzel (root) wird dabei vom Gesetzgeber geschaffen, das Gesetz. Die Ausgestaltung wiederum erfolgt durch die Rechtsprechung. Dabei kann diese teleologisch oder auch wortwörtlich sein. Hierbei spiegelt sich die so genannte richterliche Freiheit der Entscheidung wieder. Diese unterliegt in sich nur dem eigenen Gewissen und ist nur durch objektive Willkür begrenzt. Wobei die Objektivität wiederum nur von seinesgleichen bestimmt wird, wobei die Entscheidung wiederum der richterlichen Freiheit.

Das Problem mit der hier gegenständlichen Ausbildung der Juristen liegt nicht in der Gestaltung des Studiums, dem Zeitaufwand oder der intellektuellen Herausforderung. Denn alle diese Punkte orientieren sich an der o.g. Anwendung des Erlernten. Vielmehr besteht das Problem in der fehlenden Kenntnis der zugrundeliegenden Metastrukturen. Mathe I, II und Stochastik sollten Pflicht sein.

Die Juristen sind nur die Bauern, die Aussaat und Ernte, das Wetter und den Marktpreis kennen.
Warum ein Samen keimt, welche genetischen Strukturen welchen Einfluß haben, wie der Zellstoffwechsel funktioniert oder welche Mineralieren metabolisiert werden, um welche biochemischen Prozesse hervorzurufen, all das wissen sie nicht.

Jedoch wird durch digitale Unterstützung und KI das System derzeit überrannt. Hat ein Anwalt früher 10 Schriftsätze in der Woche produziert, erlauben ihm aktuelle Systeme in dieser Zeit nun 100 oder 1000 bei Gericht einzureichen.

Das alte System jedoch verlangt es nun weiterhin vom Richter, den Berichtersattern oder anderen Beteiligten, den Sachverhalt zu prüfen, jedes Vorbringen zu berücksichtigen und dann eine Entscheidung zu fällen. An dieser Stelle wird jedem schnell klar, dass dieses nicht mehr funktioniert.

Urteilsbgründungen werden immer kürzer, Schriftsätze überhaupt nicht mehr gelesen und Grundsätzliches als Textbausteine blumig zum Aufblähen des Urteils oder Beschlusses eingefügt.

Die meisten hier kennen das wahrscheinlich bereits. ... zurückgewiesen ... wurde durch den Kläger nicht substatiiert dargelegt ... unter Berücksichtigung dieser durch den Gesetzgeber geforderten engen auszulegenden Anforderungen dringt das Vorbringen des Klägers in der Sache nicht durch ... im Übrigen wird auf die bereits im Verfahren xyz Begründungen verwiesen, (vergl. Holzkopf / Dummschädel und Neider Rn.84).

Letztlich steht man immer mit leeren Händen da - Anhörungsrüge kostenpflichtigt - Subsidaritätsprinzip - Befangenheit - Dienstaufsichtsbeschwerde - Gegendarstellung- Verfassungsklage - oder gleich Lottospielen (die Chancen auf Erfolg sind wahrscheinlich höher).

Also worum geht es im Recht? Es geht um die Wahrung des Gefühls in der Gesellschaft, das ein System besteht, welches letztendlich eine persönlich erfahrene Ungerechtigkeit beseitigen könnte.

Es handelt sich jedoch um das Instrument der Eliten zum Machterhalt. Dabei spielt die Staatsform im Übrigen keine Rolle.
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: Thejo am 06. Oktober 2020, 13:24
Semi-OT (doch für mich die Wurzel des Übels)

@Thejo - Wie wir kämen .. zur Frage, wer u. U. wen "über den Tisch zieht" und warum.

https://www.nytimes.com/2006/11/26/business/yourmoney/26every.html
“There’s class warfare, all right,” Mr. Buffett said, “but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning.”

Einer der Hauptgründe, warum "wir" uns hier gegen den örR und seinen Zwangsbeitrag positionieren, ist (wirtschaftlicher) Machtmissbrauch und Gier nach Geld. Die selbst redlich motivierte Politik in der BRD, als umsomehr in der "EU", sabotiert/untergräbt und natürlich auch ihren Weg in die Gesetzgebung und Rechtsprechung findet.

Es ist ein Tom Buhrow mit seinen mittlerweile schon 406.700 Euronen jährlich. Ein Claus Kleber mit angenommenen (von ihm jedoch, mWn, niemals vehement dementierten) 550.000+ Euronen. Es ist ein "örR" in der Summe mit 9+ Mrd. Budget, der nun wieder mal noch mehr Beiträge will, der "uns" über den Tisch zieht.

Warum? Weil sie es mit "uns" machen können vielleicht? Weil wir uns in so lustige Gespräche, wie: "Aber die Menschrechtscharta besagt doch..." verlieren, während ein "maximal pigmentierter" us-amerikanischer Präsident via Drohen Menschen in Ländern weit jenseits seiner eigener Nations Grenzen völlig unbestraft hat niedermetzeln lassen? Gar einen Friedensnobelpreis erhalten haben soll.

Deine bewundernswerten Bemühung um die EU-Rechtslage in allen Ehren, aber es sieht für mich so aus, dass es dort ein paar "Spieler" in einer Liga jenseits unserer idealisierten Politik gibt, denen das alles aber so was von scheißegal ist.
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: pinguin am 06. Oktober 2020, 16:09
dass es dort ein paar "Spieler" in einer Liga jenseits unserer idealisierten Politik gibt, denen das alles aber so was von scheißegal ist.
Du übersiehst aber gerade, daß Europa gerade auch von Deutschland aus mitgestaltet wird, denn freilich sind auch Bürger der Bundesrepublik Deutschland in den europäischen Gremien vertreten.

Europa ist es scheißegal, um bei Deinem Wortschatz zu bleiben, ob die eine Region innerhalb eines EU-Mitgliedslandes wirtschaftlich oder sonstwie über einer anderen Region des gleichen EU-Mitgliedslandes stehen möchte, denn Europa hat beide gleich zu behandeln; deshalb gelten die europäischen Grundrechte nicht nur für Potsdam, Paris oder Berlin, sondern auch für Köln. Scheißegal, ob die das wollen oder nicht.

Der Staat, egal, ob klein oder groß, hat sich aus dem Medienverhalten seiner Bürger vollständig herauszuhalten; genau dieses wurde seitens des Bundes als den Ländern übergeordneter nationaler Gesetzgeber auf europäischer Ebene als jeweiliges Mitgliedsland von Europarat, (Art. 10 EMRK),  und Europäischer Rat, (Art. 11 GrCh.), mit erarbeitet.

Es wird hier nochmals an Rn. 169 der 1. BVerfG-Rundfunkentscheidung erinnert; auch im Bereich Rundfunk haben die Länder nicht die Befugnis, sich über die Normen des Bundes hinwegzusetzen.

BVerfGE 12, 205 - 1. Rundfunkentscheidung - Begriff "Rundfunk"
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31178.msg193852.html#msg193852

mit dem Zitat

Zitat
Rn. 169 - mit einer Aussage zur Bundestreue der Länder
Zitat

   
Zitat
[...]Bei der Entscheidung über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen an öffentliche Bedienstete haben die Länder Bundestreue zu wahren und deshalb auf das gesamte Finanzgefüge von Bund und Ländern Rücksicht zu nehmen (BVerfGE 3, 52 [57]). Noch stärker tritt diese Rechtsschranke aus dem Gedanken der Bundestreue bei der Ausübung von Gesetzgebungsbefugnissen zu Tage: "Bleiben die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nicht auf den Raum des Landes begrenzt, so muß der Landesgesetzgeber Rücksicht auf die Interessen des Bundes und der übrigen Länder nehmen" (BVerfGE 4, 115 [140]). Aus dem Verfassungsgrundsatz der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten kann sich weiter die Pflicht der Länder zur Beachtung von völkerrechtlichen Verträgen des Bundes ergeben (BVerfGE 6, 309 [328, 361 f.]). Unter Umständen kann schließlich ein Land mit Rücksicht auf seine Pflicht zur Bundestreue verpflichtet sein, im Wege der Kommunalaufsicht gegen Gemeinden einzuschreiten, die durch ihre Maßnahmen in eine ausschließliche Bundeskompetenz eingreifen (BVerfGE 8, 122 [138 ff.]). Auch bei der Wahrnehmung der Bundeskompetenzen auf dem Gebiet des Rundfunks ist, wie oben dargelegt (vgl. I 4 d und D II 7 b), der Satz vom bundesfreundlichen Verhalten von grundsätzlicher Bedeutung.

Falls es jemandem auffällt? "Rundfunk" ist bereits mit dieser Entscheidung national als "drahtlos" definiert.

Zitat
Rn. 81
Zitat

   
Zitat
b) Der Rundfunk (hier und im folgenden: Hörrundfunk und Fernsehrundfunk) bedient sich zur drahtlosen Übermittlung des Programms elektrischer Wellen, die durch Sender ausgestrahlt werden. [...]

Siehe das Thema:
Kann der "Inhalt" Rundfunk sein, wenn die "Technik" kein Rundfunk ist?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=34291.0
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: drboe am 06. Oktober 2020, 17:54
Europa ist es scheißegal, um bei Deinem Wortschatz zu bleiben, ob die eine Region innerhalb eines EU-Mitgliedslandes wirtschaftlich oder sonstwie über einer anderen Region des gleichen EU-Mitgliedslandes stehen möchte, denn Europa hat beide gleich zu behandeln; deshalb gelten die europäischen Grundrechte nicht nur für Potsdam, Paris oder Berlin, sondern auch für Köln. Scheißegal, ob die das wollen oder nicht.

@pinguin: Du solltest dir unbedingt einmal klar machen, wer oder was das von dir so viel beschworene "Europa" ist - ganz abgesehen davon, dass die EU, die du wohl eigentlich meinst, gar nicht identisch mit Europa ist. - Dein "Europa", bzw. besser die "Europäische Union", kurz EU, hat weder Gefühle noch entscheidet sie etwas oder "behandelt" irgendjemanden, weder gleich noch ungleich. Die EU ist eine Institution, sonst gar nichts!
Die Macht innerhalb dieser Institution haben Menschen; allerdings keineswegs alle Menschen, die in der EU leben bzw. Bürger eines der EU-Staaten sind. Es ist und bleibt eine verhältnismäßig kleine Clique von Menschen, die bestimmt, was in der EU gilt, was gemacht und was nicht gemacht wird. Der Ganove Juncker hat ja seinerzeit klar und deutlich erklärt, wie man in dieser Institution agiert, um schrittweise Dinge zu erreichen, die keineswegs im Sinne der Mehrheit in der EU sind bzw. sein müssen; im Gegenteil. Die deutschen Vertreter in der EU sind nicht nur "Mitgestalter", sie sind es, die mittels der wirtschaftlichen Dominanz die Richtung maßgeblich bestimmen, knallhart den Machtanspruch eines Möchtegern-Hegemon vertreten und oft genug ein Fortschrittshindernis darstellen. Die EU hat durchaus Vorteile für viele. Sie bietet aber darüber hinaus besonders viele und große Vorteile für sehr, sehr wenige, und dies meist zu Lasten von weit über 90% der Bürger. Die EU ist nicht das Heil und sollte realistisch mit ihren Vor- und Nachteilen, ihren Stärken und Schwächen betrachtet werden. Unabhängig davon müssen die allermeisten Probleme vor Ort gelöst werden, auch die Frage der Finanzierung und der Existenz des ÖR-Rundfunks. Ständig auf die EU zu verweisen bringt einen der Lösung von Problemen nicht näher, sondern schiebt sie in der Regel auf eine sehr lange Bank und zeitlich auf Sankt Nimmerlein.

M. Boettcher

PS: und ja, diese und andere Bemerkungen sind hier Off Topic.
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: Spark am 06. Oktober 2020, 18:36
Der Staat, egal, ob klein oder groß, hat sich aus dem Medienverhalten seiner Bürger vollständig herauszuhalten; genau dieses wurde seitens des Bundes als den Ländern übergeordneter nationaler Gesetzgeber auf europäischer Ebene als jeweiliges Mitgliedsland von Europarat, (Art. 10 EMRK), und Europäischer Rat, (Art. 11 GrCh.), mit erarbeitet.

Das ist die Theorie. In der Praxis aber versucht der Staat sich darüber hinwegzusetzen, aus welchen Gründen auch immer. Er testet kontinuierlich aus, wie weit er dabei gehen kann.
Und die Rechtsprechung wird die Bürger nicht davor schützen, im Gegenteil, sie ist daran sogar maßgeblich beteiligt.

Nehmen wir unser Thema Rundfunkrecht. Auf was stützen sich denn unsere Richter bei einer Urteilsfindung? Etwa auf bestehende Gesetze? Kennen sie diese überhaupt?
Die Gesetze sind nur eine äußere Fassade. Der wahre Inhalt der Gesetze wird aber nicht durch sie selbst bestimmt, sondern durch sogenannte Kommentare erst definiert. Und wer verfasst diese Kommentare im Rundfunkrecht hauptsächlich? Siehe u.a. unter
Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht - Die juristische Welt der Kommentare
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=20125.0

Ein Richter wird bei seinen Entscheidungen immer auch seine persönliche Situation mit einbeziehen. D.h., er wird schon sorgfältig abwägen, welche Konsequenzen ein Urteil für ihn möglicherweise haben könnte. Eigentlich sollte die sogenannte Unabhängigkeit der Richter gerade solche Erwägungen verhindern. Das scheint aber gerade nicht zu funktionieren.
Titel: Re: Wie qualitativ hochwertig ist die juristische Ausbildung in Deutschland?
Beitrag von: Mork vom Ork am 07. Oktober 2020, 01:04
@volleasy: Sehr gut analysiert! Du sprichst mir aus der Seele! Ich sehe das ganz genauso.