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Allgemeines => Dies und Das! => Thema gestartet von: pinguin am 17. Mai 2020, 05:57

Titel: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pinguin am 17. Mai 2020, 05:57
Ausgehend von


BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 05. Mai 2020
- 2 BvR 859/15 -
, Link:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/rs20200505_2bvr085915.html

Zitat
10. Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte dürfen weder am Zustandekommen noch an Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung von Ultra-vires-Akten mitwirken. Das gilt grundsätzlich auch für die Bundesbank.

könnte die Frage aufkommen, was im Bereich landesrechtlichem Rundfunkrecht diese "ultra-vires" sein könnten?

Bspw. könnten sich Fragen stellen, ob,

wenn das zuständige Bundesgericht feststellt, daß die LRA "Unternehmen im Sinne des Kartellrechts" sind, (BGH KZR 31/14, Rnn. 2, 29 & 47)¹, sich die Landesbehörden aber darüber hinwegsetzen;

wenn das BVerfG entscheidet, daß das Unternehmensrecht der einfachen Ordnung für alle Unternehmen in gleicher Anwendung gilt, (BVerfG 2 BvE 2/11, Rn. 274)², sich die Landesbehörden aber darüber hinwegsetzen;

im jeweiligen Fall der entgegengesetzten Behandlung der LRA durch die Landesbehörden wegen Art. 31 GG ein Handeln dieser Landesbehörden außerhalb ihrer Kompetenzen vorliegt und dieses als "ultra-vires" zu bezeichnen wäre?

¹
BGH KZR 31/14 - Dt. ÖRR = Unternehmen im Sinne des Kartellrechts
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33155.msg203052.html#msg203052

²

Zitat
274 [...] Denn die Wettbewerbsordnung des einfachen Rechts gilt grundsätzlich für alle Unternehmen gleichermaßen und in gleicher Auslegung. [...]

BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 07. November 2017
- 2 BvE 2/11 -, Rn. (1-372),

http://www.bverfg.de/e/es20171107_2bve000211.html
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pjotre am 17. Mai 2020, 09:04
Dieser Fund in den vielen Urteils-Seiten - Dank an @pinguin . Es werden nun die folgenden Fakten geprüft und dazu können hier im Thread ja schon mal  k u r z e  Meinungen kommuniziert werden. Für Ausführliches müssten neue Threads gestaltet werden - aber sehr viel Vertiefung ins Recthssystem hinein ist ja vielleicht nicht gut machbar in einem Forum.

1. "ultra vires"? - Im aktuellen 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrag: Blanko-Vollmacht für die KEF
----------------------------------------------------------------
- Verabschiedungsverfahren weitgehend geschafft -

nämlich durch die KEF ist zu entscheiden, dass der vorgesehene Meldedatenabgleich alle 4 Jahre ab 2020 entgegen dem Gesetz möglicherweise nicht stattzufinden habe.
Verletzt wird der "Gesetzesvorbehalt" der DSGVO, zumal die KEF mangels Rechtsperson überhaupt nichts entscheiden darf und erst recht nicht hierfür, weil aufgabenfremd. Sie darf nur Meinungen zur Beitragshöhe bekunden - bekunden, ncht entscheiden - und das ist allas, basta.


2. Geplante landesrechtliche Einführung von Internet-Zensur ab 2020
----------------------------------------------------------------
- "Medienstaatsvertrag 2020" - gerade im Verabschiedungsverfahren -
obgleich dies Kompetenz des Bundes (und/oder EU) wäre
und außerdem unvereinbar mit Grundgestz, EU-Charta, Europäischer Menschenrechtskonvention.


3. Millionenfache Versendung durch die ARD-Anstalten
----------------------------------------------------------
- über die Nichtrechtsperson "Beitrags"-"Service", Köln -
von Mahnungen, Vollstreckungen usw. in automatisierter Verarbeitung,
obgleich es an der nötigen Rechtsgrundlage seit Inkrafttreten der DSGVO fehlt - übrigens auch bereits nach altem Recht fehlte.


4. Nichtanwendung der durch oberste Gerichte angeordneten
------------------------------------------------------------
Befreiung von schätzungswiese 4 Millionen "beihilfenlos funktionierenden Geringverdiener-Haushalten". Nichtpublizierung der Aktenzeichen aller dieser Entscheide auf der Entscheidübersicht der Website der Nicht-Rechtsperson "Beitrags"-"Service" - zumal nur die ARD-Landesanstalten ohnehin dafür im eigenen Namen Websites unterhalten dürften. 


5. usw. usw. usw.
-------------------------

6. Also: Inwieweit "ultra vires" auf all dies und viel mehr als Rechtsprinzip anwendbar ist,
------------------------------------
wäre zu prüfen - vielleicht in diesem Thread auch weitere Rechtsquellen - wieder ein Job mehr in unserer gemeinsamen Arbeit der Rechtsstaatsverteidiger.
 
Aber nochmals meine Meinung, diesen Thread sollten nicht durch lange Nabelschau-Meinungstexte verwässen. Allgemein Meinung, das ist ja ebenfalls wichtig, sollte dann aber maximal rund 10 Zeilen sein. 
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pinguin am 19. Mai 2020, 15:15
@Pjotre

Wir bleiben bitte mal in der Relation zwischen den Bestimmungen des Bundes, die national nur der Bund setzen darf, aber auch Auswirkung auf den Rundfunk haben, und den Bestimmungen der Länder für ihren Rundfunk und ihre Bürger, die nichtig sein könnten, wenn diese Landesbestimmungen Bereiche berühren, für die der Bund die Kompetenzen der Rechtsetzung hat.

Wenn weder Behörden, noch Gerichte die Befugnis haben, außerhalb ihrer Kompetenzen tätig zu werden, und dieses wurde ja nun durch das Bundesverfassungsgericht eindeutig definiert, ist jede Maßnahme der Behörden und Gerichte nichtig, die sich eben außerhalb der ihnen zugewiesenen Kompetenzen bewegt.

----------
Wir wissen, daß nur der Bund der Wirtschaft ob der Einheitlichkeit im Bunde das Recht setzen darf;

BVerfGE 135, 155 - 234 -> Recht der Wirtschaft -> Bundeskompetenz
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,30237.msg189350.html#msg189350

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wir wissen, daß Länder und Gemeinden keine Befugnis haben, sich über die völkerrechtlichen Verträge des Bundes hinwegzusetzen und dieses auch gerade für den Bereich Medien incl. Rundfunk gilt;

BVerfGE 12, 205 - 1. Rundfunkentscheidung - Begriff "Rundfunk"
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31178.msg193852.html#msg193852

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wir wissen, daß innerhalb der EU keine Maßnahme rechtens ist, die sich über den Art. 10 EMRK hinwegsetzt, denn dieses europäische Grundrecht garantiert jeder Person die Nichteinmischung in ihre individuelle Meinungs- und Informationsfreiheit, manifestiert mit "without interference by public authority".

Zitat
Zu Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
41. [...] daß in der Gemeinschaft keine Maßnahmen als Rechtens anerkannt werden können, die mit der Beachtung der so anerkannten und gewährleisteten Menschenrechte unvereinbar sind. [...]

Rechtssache C-260/89
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:61989CJ0260

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Die lokalen, staatlichen Rundfunkhelfer handeln außerhalb der ihnen übertragenen Kompetenzen, so sie sich über die vom Bund gesetzten Normen hinwegsetzen; und dieses tun sie mit der Mißachtung der EMRK, weil Bundesrecht, wie auch mit der Mißachtung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, weil Bundesrecht, da die Kommunen mit diesem Regelwerk gemäß dessen Artikel 3 auf das Recht verpflichtet sind, in dessen Rahmen sie allein handeln dürfen.

Internat. Vertragsrecht: Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,26534.msg166828.html#msg166828

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Wo der Bürger frei ist, ist der Staat maximal gebunden, nämlich an sein eigenes Recht.

BVerfG 1 BvR 699/06 - Absolute Bindung des Staates an sein eigenes Recht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31023.msg193064.html#msg193064

Wir haben also mannigfaltige Kompetenzüberschreitungen der Behörden, oder siehst Du das anders?
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pjotre am 20. Mai 2020, 11:46
 @pjotre hatte so einen komischen Traum. Ihm träumte, in einem Schriftsatz Folgendes gelesen zu haben:
Zitat
U. Kernproblem: "ultra vires".

U1. Die nun einmal bisher federführende Staatskanzlei Rheinland-Pfalz ist durch die Abhängigkeit der Politik von den Talkshow-Herrschaften und der Nachrichten-"Filterung" usw. von "ARD, ZDF etc." verwöhnt worden:
Alles Erdenkliche von "ultra vires" konnte nicht zuletzt durch politischen Druck aufrechterhalten werden, obgleich ja wohl unzulässig? - Denkaufgaben:

a) Eine Medien-"'Steuer", also "ultra vires" für Landesrecht, wird trickreich "Beitrag" genannt, und sogar das Bundesverfassungsgericht hat diese Unzulässigkeit abgenickt - ? (15. RÄndStV)

b) Die KEF wird zur Treuhänderin über den Meldedatenabgleich-Aussetzung (23. RÄndStV), hat dafür aber weder Auftrag noch Rechtsperson noch Verfahrensregeln?

c) Im vorgesehenen "Medienstaatsvertrag 2020"wird Kontrolle des in Deutschland seh-erlaubten Internets ausgestaltet, obgleich Bundeskompetenz und zudem landesrechtliche Einschränkung von bundesrechtlich garantierten Grundrechten ohne die nötige Autorisierung durch Bundesrecht?

d) Die Beitragsforderungen sind unzulässig in der Eigenbilanz der Nicht-Rechtsperson "Beitrags"-"Service" statt in 9 Unterbuchhaltungen der ARD-Anstalten? Zudem ist in dortiger Bilanzierung die Wertberichtigung mit Rückstellung verwechselnd falsch-verbucht gewesen jedenfalls 2013-2020? Für Vollstreckungen unterbleiben Abtretungen / Rückabtretungen?

d) Der Nichtrechtsperson "Beitrags"-"Service", Köln, wird erlaubt, unzulässig im Außenverhältnis aufzutreten, beispielsweise durch millionenfache Mahnungen und Vollstreckungen, die wegen diverser Formvorstöße allesamt als nichtig einzustufen sein dürften, dies auch schon vor dem DSGVO-Inkrafttreten?

e) Das umfassendste existierende faktisch bundesrechtliche Bürger-Kontrollsystem "völlig am Recht vorbei"? Bundesweites Bürger- und Betriebsstättenregister, obgleich nach Bundesrecht unzulässig?

f) Meldedatenabgleich, obgleich Bundeskompetenz. Da hilft auch die List mit der "Annexkompetenz" nicht, weil nur für "rundfunkrechtlich" auf Datenrecht erstreckbar, nicht beim betrieblichen Aktivitätsbereich für den Meldedatenabgleich?

... und... und... und... und...
Mit Rücksicht auf die Geduld des Lesers bleibt ihm hier eine zwei Seiten lange Liste erspart. 



U2. In Sachen "ultra vires" hier ein paar Entscheide.
Etwas ungeordnet und ohne Vertiefung - nur, um das Problem bewusst zu machen, weil es das zentrale Problem ist, was man bei der federführenden Staatskanzlei Rheinland-Pfalz ja einmal einer Vertiefung zuführen könnte:?

(1) Wir wissen, daß nur der Bund der Wirtschaft ob der Einheitlichkeit im Bunde das Recht setzen darf;
BVerfGE 135, 155 - 234 -> Recht der Wirtschaft -> Bundeskompetenz

(2) Wir wissen, dass Bundesländer und Kommunen keine Befugnis haben, sich über völkerrechtliche Verträge des Bundes hinwegzusetzen. Derartige Verträge gelten auch und wesentlich für den Bereich "Medien" (einschließlich "Rundfunk", was auch immer man als "Rundfunk" definieren mag):
BVerfGE 12, 205 - 1. Rundfunkentscheidung - Begriff "Rundfunk"

(3) Wir wissen, daß innerhalb der EU keine Maßnahme rechtens ist, die sich über den Art. 10 EMRK hinwegsetzt. Denn dieses "europäische Grundrecht" (gemeint: für mehr als nur die EU) garantiert jeder Person die Nichteinmischung in ihre individuelle Meinungs- und Informationsfreiheit, manifestiert mit "without interference by public authority".
Hinsichtlich Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
In der Rechtssache C-260/89 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:61989CJ0260
Zitat: "41. [...] dass in der Gemeinschaft keine Maßnahmen als Rechtens anerkannt werden können, die mit der Beachtung der so anerkannten und gewährleisteten Menschenrechte unvereinbar sind. [...]"

(4) Die regionalen und lokaen "staatlichen 'Rundfunk'-Helfer handeln außerhalb der ihnen übertragenen Kompetenzen, soweit und sofern sie sich über die vom Bund gesetzten Normen hinwegsetzen.
Dies tun sie mit der Missachtung der EMRK, weil (auch) Bundesrecht,
wie auch mit der Missachtung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, weil (auch) Bundesrecht, da die Kommunen mit diesem Regelwerk gemäß dessen Artikel 3 auf das Recht verpflichtet sind, in dessen Rahmen sie allein handeln dürfen.
Näheres: Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung

(5) Wo der Bürger frei ist, ist der Staat maximal gebunden, nämlich an sein eigenes Recht.
BVerfG 1 BvR 699/06 - Absolute Bindung des Staates an sein eigenes Recht
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pinguin am 21. Mai 2020, 10:44
Diese aktuelle "Ultra-Vires"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist auch deshalb nicht so verkehrt, weil sich bislang fast kein Bundesgericht mit dieser speziellen Thematik zu befassen hatte; beim Bundesverwaltungsericht, zumindest, soweit es online verfügbar gestellt wurde, sind nur 2 Entscheidungen einsehbar, die diesen konkreten Sachverhalt allerdings nur am Rande behandeln und auch beim Bundesverfassungsgericht hat es nur Entscheidungen mit Bezug zum europäischen Rahmen.

Mit dieser Klarheit, wie sie aus Leitsatz 10 der aktuellen EZB-Entscheidung hervorgeht, wurde offenbar noch keine Entscheidung zur "Ultra-Vires"-Spezifikation verkündet.
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pjotre am 21. Mai 2020, 11:45
Schon wieder so ein komischer Traum, in dem mir jetzt auch noch dieser Schriftsatztext begegnete:
Zitat
UBV2. In Sachen "ultra vires" hier ein paar Entscheide.
Etwas ungeordnet und ohne Vertiefung - nur, um das Problem bewusst zu machen, weil es das zentrale Problem ist, was man bei der federführenden Staatskanzlei Rheinland-Pfalz ja einmal einer Vertiefung zuführen könnte?

1.a) Bundesbank-Urteil vom 5. Mai 2020:

BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 05. Mai 2020- 2 BvR 859/15
Link: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/rs20200505_2bvr085915.html
"10. Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte dürfen weder am Zustandekommen noch an Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung von Ultra-vires-Akten mitwirken. Das gilt grundsätzlich auch für die Bundesbank."

1.b) Dieses Urteil so wichtig, weil sich bislang fast kein Bundesgericht mit dieser speziellen Thematik zu befassen hatte? Es noch nie derart klar ausgesprochen wurde? Beim Bundesverwaltungsericht, zumindest, soweit es online verfügbar gestellt wurde, sind nur 2 Entscheidungen einsehbar, die diesen konkreten Sachverhalt allerdings nur am Rande behandeln. Auch beim Bundesverfassungsgericht gibt es nur Entscheidungen mit Bezug zum europäischen Rahmen.

2.a) Wikipedia: Nur englischsprachig ist die volle Anwendungsbreite ersichtlich.
Allerdings deckt die Rechtslage "Veruntreuung" in allen Rechtsordnungenbereits einiges davon ab, ohne die lateinische Bezeichnung "ultra vires" zu verwenden.
So kognitiv vorgerüstet lese man: https://de.wikipedia.org/wiki/Ultra-vires-Akt

2.b) Und sodann englischsprachig: https://en.wikipedia.org/wiki/Ultra_vires
Nach Stand 2020-05-21: 3 Haupttypen:
(T1) "Companies and other legal persons sometimes have limited legal capacity to act, and attempts to engage in activities beyond their legal capacity may be ultra vires.[3] Most countries have restricted the doctrine of ultra vires in relation to companies by statute."
(T2) "Similarly, statutory and governmental bodies may have limits upon the acts and activities which they legally engage in,."
(T3) "Subordinate legislation which is purported passed without the proper legal authority may be invalid as beyond the powers of the authority which issued it."

2.c) Typ (T3) ist es, was In Sachen "die federführenden Gesetzemacher in Rheinland-Pfalz" (brav befolgt von 15 anderen Landesregierungen) insbesondere seit 2010 als ausschlaggebend behauptet werden könnte: Seit der Einführung "Beitrag", "Meldedatenabgleich" und so weiter, ab 2013 wird hemmungslos "ultra vires" gewagt?
Mit der Höherwertung dieses Rechtskonzeptes für das deutsche Verfassungsrecht seit 5. Mail 2020 wurde hiergegen eine weitere Waffe gewonnen, die es nun gezielt einzusetzen gilt.

3. "ARD, ZDF etc." sind "Unternehmen im Sinne des Kartellrechts"
So der Entscheid BGH KZR 31/14, Rnn. 2, 29 & 47
- so dürften sich Landesbehörden nicht darüber hinwegsetzen.

3.1. Unternehmensrecht glt für alle Unternehmen: Auch für "ARD, ZDF etc.".
BVerfG : Das Unternehmensrecht der einfachen Ordnung gilt für alle Unternehmen in gleicher Anwendung gilt: BVerfG 2 BvE 2/11, Rn. 274
Wenn aber die Landesbehörden sich darüber hinwegsetzen?

3.2. Abweichendes Handeln der Landesbehörden:
Sofern Landesbehörden sich nicht an die Anwendungspflicht gemäß Artikel 31 GG halten wollen? Wenn ein Handeln dieser Landesbehörden außerhalb ihrer Kompetenzen vorliegt und dieses als "ultra-vires" zu bezeichnen wäre?
BGH KZR 31/14 - "ARD, ZDF etc. sind Unternehmen im Sinne des Kartellrechts"

3.3. Wettbewerbsordnung ist zu berücksichtigen:
--- 274 [...] Denn die Wettbewerbsordnung des einfachen Rechts gilt grundsätzlich für alle Unternehmen gleichermaßen und in gleicher Auslegung. [...]
BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 07. November 2017 - 2 BvE 2/11 -, Rn. (1-372),
http://www.bverfg.de/e/es20171107_2bve000211.html

Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pjotre am 21. Mai 2020, 12:12
Ganz vergessen, mir begegnete im Traum auch folgender komische Text im Schriftsatz eines Bürgers:
Zitat
 
3. Staatskanzleien, die derartige "ultra-vires"-Gesetze den Abgeordneten bundesweit übereinstimmend zum "Abnicken unter Fraktionszwang" vorschlagen:

Auch dies Handeln der Landesregierungen ("Verfassungsorgane") dürfte ja bereits "ultra vires" sein. Bei der Suche, wie man ein Gesetz schon vor seiner Verabschiedung mit einer Verfassungsbeschwerde bedenken kann:
(gegen vorgesehenes Internet-Zensursystem ab 2021 "Medienstaatsvertrag 2020"):
Diesbezüglich wäre nun also eine weitere Rechtsgrundlage verfügbar. Das wird noch zu verknüpfen sein mit einigen Artikeln des Grundgesetzes: Demokratieprinzip, Kompetenzverteilung Bund / Länder, Informationsfreiheit gegen Internet-Zensur, "keine Strafe ohne Gesetz" (bundesrechtliches Gesetz!), Anspruch auf rechtliches Gehör (und weiteres).

Man beachte im EZB-Entscheid des Bundesverfassungsgerichts:
""10. Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte dürfen weder am Zustandekommen noch an Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung von Ultra-vires-Akten mitwirken."
Die Landesregierungen sind "Verfassungsorgane". Vorbereitung von "Fraktionszwang-Abnickerei" ist nach hier bestehender Meinung subsumierbar unter: "Zustandekommen", "Umsetzung", "Operationalisierung".
 
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pinguin am 21. Mai 2020, 13:05
Hier nur als Info, nicht zur Diskussion:
Überblick über die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder bietet Wiki:

Verfassungsorgan
https://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungsorgan

Da die Landesregierung ein Verfassungsorgan auf Landesebene darstellt, ist sie gleichsam selbst nicht befugt, sich über Bundesrecht hinwegzusetzen, also an "Ultra-Vires"-Akten mitzuwirken und zudem insbesondere nicht befugt, die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zu mißachten.

Die völkerrechtlichen Verträge des Bundes sind damit kraft §31 GG; (siehe Entscheidung BVerfG 2 BvN 1/95, Rn. 60), auch für die Landesregierungen selbst, weil Verfassungsorgan, absolut bindend, da §31 BVerfGG die Bindung an die Entscheidungen des BVerfG auch für Verfassungsorgane zwingend festschreibt.
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: ope23 am 21. Mai 2020, 14:14
Zum besseren Verständnis: Ist es im Zusammenhang mit Barzahlung nicht schon ein Ultra-Vires-Akt, wenn eine Rundfunksatzung sich über das Bundesbankgesetz und anscheinend sogar über einschlägiges EU-Recht hinwegsetzen darf und das auch so polizeilich durchgesetzt wird?

Das gerne vorgebrachte Gegengift (gegen vermeintliche Ultra-Vires-Akte) von seiten der örr Winkeladvokaten gehorsamer Juristen ist die Wendung "spezialgesetzlich".

Kann eine spezialgesetzliche Norm einfach so eine allgemeingesetzliche Norm "überschreiben"? Ist das z.B. aber dann zulässig, wenn beide Normen vom selben Normgeber stammen, und somit kein Ultra-Vires vorliegt, weil der Normgeber ja sich selbst überstimmt?

Kann erst allenfalls dann von einem Ultra-Vires-Akt gesprochen werden, wenn niederrangige Normen höherrangige Normen "überschreiben" sollen und dafür keine gesetzliche Grundlage vorhanden ist? Wer kann dann eine solche gesetzliche Grundlage herstellen? Der höherrangige Normgeber oder ein drittes Organ?

(Als ein solches drittes Organ hat das Bunderverfassungsgericht am 18.7.2018 gehandelt. Die begangenen und möglichen Rechtsbrüche, die im Urteilstext rechtfertigt werden, sind Legion.)

Ich vermeine zu sehen, dass sich der Begriff "Ultra Vires" auch irgendwo im Wortnetz "spezial-/allgemeingesetzlich" und "Normenhierarchie" verfängt.
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: Profät Di Abolo am 21. Mai 2020, 14:55
Guten TagX,

rein fiktiv und "laienhaft" natürlich:

Ultra-vires-Akt; Wiki; Link
https://de.wikipedia.org/wiki/Ultra-vires-Akt

Zitat
Ultra vires („jenseits der Gewalten“) bezeichnet im anglo-amerikanischen Rechtskreis die Beschränkung der Rechtsfähigkeit von juristischen Personen auf ihre jeweiligen Aufgaben und Zwecke. Bei der Mangold-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes beispielsweise wurde zunächst von einem Ultra-vires-Akt ausgegangen, was das deutsche Bundesverfassungsgericht jedoch verneinte.[1] Hingegen stellte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 5. Mai 2020 fest, dass ein Ultra-vires-Akt beim Staatsanleihekaufprogramm (Public Sector Purchase Programme – PSPP) durch den Europäischen Gerichtshof stattgefunden habe.[2]

[1]; Link:
http://www.lexexakt.de/index.php/glossar/ultravires.php

Zitat
Mit "ultra vires" wird eine aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammende Lehre bezeichnet, derzufolge die Rechtsfähigkeit von juristischer Personen auf ihre jeweiligen Aufgaben und Zwecke beschränkt ist.

Vom BGH in Deutschland für juristische Personen des öffentlichen Rechtes anerkannt (BGHZ 20, 119).

Von einem Ultra-vires-Akt wird demzufolge gesprochen, wenn eine getroffene Entscheidung außerhalb der Kompetenzen der entscheidenden Stelle liegt. Dies wurde z.B. für die Mangold-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vertreten, aber vom Bundesverfassungsgericht verneint.

BGH, 28.02.1956 - I ZR 84/54; Link:
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BGH&Datum=28.02.1956&Aktenzeichen=I%20ZR%2084/54

Zitat
36

Ob eine solche Beurteilung in gleicher Weise für juristische Personen des Privatrechts zutrifft, wenn
deren Satzungen Beschränkungen ihrer Aufgabenbereiche enthalten, kann hier dahingestellt
bleiben. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind jedenfalls grundsätzlich nur im Rahmen
des ihnen durch Gesetz oder Satzung zugewiesenen Aufgaben- und Wirkungsbereichs zu einem
rechtswirksamen Handeln befugt. Sie können nur innerhalb des durch ihre Zwecke und Aufgaben
bestimmten, sachlich und räumlich beschränkten Lebenskreises handeln. Außerhalb ihres
Funktionsbereichs liegende Handlungen entbehren schlechthin der Rechtswirksamkeit. Für diese
Beurteilung ist allein die objektiv gegebene Rechtslage maßgebend (Forsthoff, Lehrbuch des
Verwaltungsrechts 3. Aufl. S. 374 f; Rosin, Das Recht der öffentlichen Genossenschaft, 1886 S. 92
ff; Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung 1887, S. 630 ff; Gierke,
Deutsches Privatrecht, 1. Bd, 1895 S. 518 ff; Dernburg, Lehrbuch des Preußischen Privatrechts, 1.
Band, 5. Aufl. 1894, S. 111; Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., 1928,
S. 108; Zeitschrift für Bergrecht 1, 640; Schlegelberger, Grenzen der Rechtsfähigkeit preußischer
Wassergenossenschaften, Reichsverwaltungsblatt Bd. 51, 1930, S. 90 ff; Lassar, Zur Lehre von der
beschränkten Handlungsfähigkeit öffentlichrechtlicher juristischer Personen nach preußischem
Recht, VerwArch Bd. 38 S. 31 ff).

Bei der "Ultra-Vires-Kontrolle" ist auch zwischen der Kontrolle im Verwaltungsrecht und der Kontrolle des Handelns von EU-Organen zu unterscheiden (hierzu auch Solange I und II BVerfG mal lesen).

Zum Umfang und den Grenzen der Ultra-Vires-Kontrolle:

BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 06. Juli 2010
- 2 BvR 2661/06 -, Rn. (1-116),
http://www.bverfg.de/e/rs20100706_2bvr266106.html

Zitat
Leitsätze

zum Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Juli 2010

- 2 BvR 2661/06 -

1.
a) Eine Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht kommt nur in Betracht, wenn ein Kompetenzverstoß der europäischen Organe hinreichend qualifiziert ist. Das setzt voraus, dass das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führt.
b) Vor der Annahme eines Ultra-vires-Akts ist dem Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV die Gelegenheit zur Vertragsauslegung sowie zur Entscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der fraglichen Handlungen zu geben, soweit er die aufgeworfenen Fragen noch nicht geklärt hat.
2.
Zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes ist zu erwägen, in Konstellationen der rückwirkenden Nichtanwendbarkeit eines Gesetzes infolge einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union innerstaatlich eine Entschädigung dafür zu gewähren, dass ein Betroffener auf die gesetzliche Regelung vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat.
3.
Nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht stellt einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind. Dieser Willkürmaßstab wird auch angelegt, wenn eine Verletzung von Art. 267 Abs. 3 AEUV in Rede steht (Bestätigung von BVerfGE 82, 159 <194>).

Eine "Ultra-Vires-Kontrolle" bei der Anwendung von Bundesrecht vs. Landesrecht oder bei Überschreitung der Gesetzgebungskompetenz der Länder gibt es im Sinne der "Ultra-Vires-Kontrolle" des BVerfG´tes nicht.

Für "RBS TV-Fälle" ist z.B. eine Prüfung angebracht, bei der gefragt wird, ob die "Leiterin der Landesrundfunkanstalt" durch "Einzelermächtigung" befugt war, den "Erlass" vollautomatischer Verwaltungsakte im Massenverfahren anzuordnen.
Eine "gesetzliche Einzelermächtigung" gab es vor dem 23. RÄS TV nicht.
Die Rechtsfolge ist dann, dass das Handeln der Landesrundfunkanstalt nicht eXistent ist (nichtig).

Die "(verwaltungsrechtliche)-Ultra-Vires-Kontrolle" erstreckt sich teilweise auf Satzungen von "Innungen".

OVG Lüneburg 8. Senat, Urteil vom 25.09.2014, 8 LC 23/14; Link:
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=MWRE140002843&st=null&showdoccase=1

Satzungsmäßige Einführung einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung durch eine Handwerksinnung

Zitat
45

Soweit diese Aufgaben Verwaltungsaufgaben sind (etwa nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3, 4, 6 und 8 bis 10 HwO), handelt die Innung als Teil der im weiteren Sinne staatlichen Verwaltung und kann hoheitliche Befugnisse in Anspruch nehmen. Im Übrigen, mithin soweit die Aufgaben auf die Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen der Innungsmitglieder gerichtet sind (etwa nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nrn. 1 und 2, Abs. 2 Nrn. 1 und 3 HwO), handelt die Innung als berufsständische Organisation (vgl. zu dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschl. v. 7.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, NVwZ 2002, 335, 336 ("zwei unterscheidbare Aufgabenkomplexe" (zur IHK)); Beschl. v. 31.10.1984 - 1 BvR 35/82 u.a. -, BVerfGE 68, 193, 208 ("Doppelnatur"); BVerwG, Urt. v. 26.4.2006 - BVerwG 6 C 19.05 -, BVerwGE 125, 384, 392; Bieback, Die öffentliche Körperschaft, 1976, S. 315 f.; Fröhler/Oberndorfer, Körperschaften des öffentlichen Rechts und Interessenvertretung, 1974, S. 32 f.; Leisner, Öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Körperschaftsrechtsform für Innungen, Kreishandwerkerschaften und Innungsverbände ?, in: GewArch 2011, 470, 472 f.; Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, 1981, S. 162 f. jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese rein funktionale (vgl. Schuppert, a.a.O., S. 163 f.) und durchaus mit praktischen Schwierigkeiten (vgl. hierzu Leisner, a.a.O., S. 472) verbundene Trennung nach Aufgabenfeldern betrifft den Status der Innung nicht. Sie handelt stets als Körperschaft des öffentlichen Rechts; nur als solche ist sie nach § 53 Satz 1 HwO konstituiert und nach § 53 Satz 2 HwO rechtsfähig (vgl. kritisch zur Verfassung der Innung als Körperschaft des öffentlichen Rechts: Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 15/1206, S. 38). Es begegnet von Verfassungs wegen auch keinen Bedenken, dass die Innung als Körperschaft des öffentlichen Rechts neben den Verwaltungsaufgaben auch die Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen der Innungsmitglieder wahrnimmt. Denn die Interessenvertretung oder besser: die "Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen" ist - im Vergleich zu (staatlichen) Verwaltungsaufgaben - nicht nur privatrechtlich verfassten Körperschaften vorbehalten; sie kann auch Aufgabe öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Wahrnehmung öffentlicher Belange sein (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.12.2001, a.a.O., S. 336 f.; Beschl. v. 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 u.a. -, BVerfGE 33, 125, 157; Beschl. v. 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 -, BVerfGE 15, 235, 241; BAG, Urt. v. 6.5.2003 - 1 AZR 241/02 -, juris Rn. 18; Fröhler/Oberndorfer, a.a.O., S. 9 f.; Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, 1986, a.a.O., S. 155 f.; Leisner, a.a.O., S. 472 f.). Folge dieser Verfassung als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, dass die Innung - unabhängig von dem Aufgabenfeld - nur im Rahmen der ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Befugnisse handeln kann (sogenannte ultra-vires-Lehre, vgl. BGH, Urt. v. 28.2.1956 - I ZR 84/54 -, BGHZ 20, 119, 124; Senatsurt. v. 11.3.2010 - 8 LB 9/08 -, NVwZ-RR 2010, 639, 641; Wolff, Die Ultra-vires-Lehre in der mittelbaren Staatsverwaltung, in: VerwArch 2014, 1 f.). Auch eine Befugnis zur Gestaltung der internen Rechtsverhältnisse durch Satzung kann allein auf staatlicher Verleihung beruhen. Mangels einer verfassungsrechtlichen Garantie der Satzungsautonomie einer Handwerksinnung (vgl. Kleine-Cosack, a.a.O., S. 77 f.) besteht diese allein nach Maßgabe und im Rahmen des staatlichen Rechts (vgl. Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 66 Rn. 26).

Die Berufung auf - das bereits jetzt legendäre - EZB-Urteil des BVerfG ist außerhalb des Handelns von EU-Organen nur sehr eingeschränkt möglich.

Eigentlich ist das EZB-Atombomben-Urteil ein Satz Backpfeifen für den EuGH und die EZB.

Einfach mal mehrfach Lesen.
Liest sich zwar echt schwer und Mensch braucht auch "Vorkenntnisse" zur Ultra-Vires-Kontrolle des BVerG´tes und dem "Rechts-Konflikt" zwischen BVerfG und EuGH (Grundgesetz / staatsverftragliche EU-Regelungen; Einzelermächtigungen), aber es lohnt sich.

Ick hoffe mein "laienhafter" BeitraX zu Ultra-Vires, die kleinen Viren sind die schlimmsten, ist hilfreich.

 :)
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pinguin am 21. Mai 2020, 15:09
@ope23

So, wie es hier verstanden wird, bedeutet "ultra-vires" das Handeln einer Behörde, eines Gerichtes wie auch eines Verfassungsorganes gegen die diesem Organ gegenüber zugestandenen gesetzlichen wie verfassungsrechtlichen Befugnisse.

Da die ÖRR keine Behörden sind, sondern "Unternehmen im Sinne des Kartellrechts", (siehe BGH KZR 31/14, Rnn. 2, 29 & 47 in gefestigter Rechtsprechung des für Wirtschaftsrecht zuständigen Bundesgerichts), gilt diese Aussage aus Leitsatz 10 der aktuellen EZB-Entscheidung für die Landesregierungen, die lokalen Stadtkassen, (bspw.), und sonstigen Landesbehörden, die für den Rundfunk gerne Helfer spielen, was sie nicht dürfen, wenn sie sich dabei außerhalb der ihnen entlang der Normenhierarchie gesetzten Grenzen bewegen.

Die hier zugrundeliegende BVerfG-Entscheidung richtet sich auch in Belangen des Rundfunks nicht an diesen, sondern eben an alle staatlichen Helfer.

Zum besseren Verständnis: Ist es im Zusammenhang mit Barzahlung nicht schon ein Ultra-Vires-Akt, wenn eine Rundfunksatzung sich über das Bundesbankgesetz und anscheinend sogar über einschlägiges EU-Recht hinwegsetzen darf und das auch so polizeilich durchgesetzt wird?
Man könnte dieses mit "Ja" beantworten, wenn es mittels einer "Behörde" realisiert wird; d.h., die Polizei dürfte sich dafür gar nicht einspannen lassen, denn sie ist ohne jeden Zweifel "Behörde", die nicht befugt ist, außerhalb ihrer Zuständigkeiten zu handeln, schon gar nicht auf Zuruf durch eine Nichtbehörde.

Zitat
Kann eine spezialgesetzliche Norm einfach so eine allgemeingesetzliche Norm "überschreiben"?
Ist im EU-Recht nicht anders; die "spezielle" Norm geht der "allgemeinen" Norm im Regelfalle  innerhalb derselben Normenebene vor, wenn es beide Regeln so vorsehen.

Die "spezielle" Norm des entlang der Normenhierarchie befindlichen niederen Rechts hebelt eine "allgemeine" Norm des entlang der Normenhierarchie befindlichen höheren Rechts regelmäßig weder innerhalb Europas noch im Bunde aus; umgekehrt hingegen immer, wenn das jeweils höhere Recht die Normgebungsbefugnis inne hat.

Für den Bund legt das Grundgesetz dieses anschaulich fest, mit BVerfG 2 BvN 1/95 in Auslegung des Art. 31 GG, und für Europa, damit letztens auch für den Bund und seine Regionen, sind die europäischen Verträge maßgebend.

Zitat
Ist das z.B. aber dann zulässig, wenn beide Normen vom selben Normgeber stammen, und somit kein Ultra-Vires vorliegt, weil der Normgeber ja sich selbst überstimmt?
"Ultra-vires" ist das Handeln außerhalb der zugestandenen Befugnisse; der Rang des Normgebers, (also Europa, Bund oder Land), ist hier zweitrangig.

Beispiel:
Welche Befugnisse hat die Stadtkasse?
Dieses wäre die erste Frage zur Klärung; jedes Tun, was sich außerhalb der Antwort auf diese Frage befindet, wäre "ultra-vires"; die zweite Frage wäre dann die nach dem Rang des Normgebers und, ob dieser dazu befugt ist/war, diese Norm zu setzen, auf der die Stadtkasse/Behörde ihr Tun gründet. Die dritte Frage wäre die nach weiteren Normen, die vorrangig oder parallel zum Handeln einer Stadtkasse/Behörde von dieser einzuhalten sind.

Für Europa ist auch seitens BVerfG wie EuGH gesetzt, daß Bundesrecht Landesrecht bricht und nationales Recht im konkreten Fall nicht angewendet werden darf, wenn europäisches Recht entgegensteht.

Leitsatz 10 der aktuellen EZB-Entscheidung steht diesem nicht entgegen, sondern verfestigt beide Aussagen in ihren Strukturen.

@Profät Di Abolo
Für rein nationale Belange hat es ja BVerfG 2 BvN 1/95 zur Tragweite des Art. 31 GG; auch hier wird ja klargestellt, was "ultra-vires" ist, nur eben nicht so genannt.

Sobald der Bund als Normgeber eine Regel aufstellt, ist jede gleichinhaltliche Regel eines Landes nichtig; auch diese Entscheidung ist es wert, mehrfach gelesen zu werden. Denn danach dürfen alle Landesgesetze die Bundesgesetze lediglich ergänzen, weil sie keine Norm enthalten dürfen, die der Bund bereits regelt.

Und dieser Leitsatz 10 aus der aktuellen EZB-Entscheidung ist eben allgemein gehalten und nicht nur auf europäische Belange bezogen.
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pjotre am 21. Mai 2020, 18:02
Hier sind wir noch sehr am Anfang der Gestaltung von neuen zusätzlichen Waffen.

Das angelsächsische Recht war vorab vorwiegend für privatrechtliche
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Unternehmen gedacht. Insoweit ist es aber bereits sehr aufgeweicht und kann wohl durch die Satzung ausgehebelt werden. .... Alles fast unwichtig für uns.


Für "öffentlich-rechtlich" im nationalen deutschen Recht, dafür  kommt das Rechtsprinzip
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in diversen Ausformungen vor, ohne so genannt zu werden. Beispielsweise dürften gemäß Haushaltsrecht nur die für eine Ausgabenposition definierten Zwecke finanziert werden.
Natürlich kann man das auch unter den abstrakten Begriff und Rechtsinistituts "ultra vires" fassen; das ist nur einfach im deutschen Recht nicht üblich.
Und natürlich kann man in Schriftsätzen pokern mit dem Entscheid des BVerfG - da kann man erst einmal Sachen stoppen durch den Überraschungseffekt.
Wenn Juristen etwas Verkehrtes vortragen, kann mas das oft erkennen an Benutzung von lateinischen Ausdrücken. Können wir auch - hat immer so seine gewisse Wirkung. - Und mehr?


Brücke zum EU-Recht?
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Wir aber müssen etwas ganz bestimmtes wollen: Den vorgesehenen Meidenstaatsvertrag vor dem Verfassungsgericht angreifen, bevor er verabschiedet wurde. Das geht also so einfach mit "ultra vires" nicht.
... Also ist ein wenig zurück zu rudern...

Da müsste letztlich versucht werden, eine Brücke zum Europarecht herzustellen. Grübelaufgabe - könnte aber wohl gelingen.


Und jetzt kommt eine Besonderheit: Bayern-Rundfunk
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In Bayern gibt es laut Verfassung nur "öffentlich-rechtlichen" Rundfunk. Das Bundesverfassungsgericht hatte schon vor Jahren Bedenken geäußert.
Durch den vorgesehenen "Medienstaatsvertrag" wird die Bayersiche Landesmedienanstalt nun aber wegen bestimmter Entscheide in Bayern zum "öffentlich-rechtlichen Veranstalter des weltweiten Internets".
Jetzt muss die Verbindung zum EU-Recht vielleicht hier angekoppelt werden, Also eine weitere Grübelaufgabe.

Da hätte man eine Verfassungsbeschwerde, die hohe Aussicht auf Annahme hätte und da könnte man dann die anderen Sachen mit hinein packen.

 
Das "ultra vires" ist ein wenig "ultra vires" für eine Forumsdiskussion, aber wirklich sehr viel, was wir nun schon dafür hier beisammen haben. Deshalb habe ich hier also mal die Grübelaufgaben eingeklinkt.
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: Profät Di Abolo am 21. Mai 2020, 18:40
Guten TagX,

rein fiktiv natürlich.

Werter @pinguin, die Entscheidung BVerfGE 96, 345 - Landesverfassungsgerichte;
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Oktober 1997 - 2 BvN 1/95 -; Link:
https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv096345.html
betrifft die Prüfungskompetenz von Landesverfasungsgerichten, also das Verhältnis zwischen Bundesrecht (Bundesprozessrecht wie z.B. die VwGO oder das BVerfGG) und materiellem bzw. prozessualem Landesverfassungsrecht.

Zitat

1. Ein nach Art. 142 GG prinzipiell geltendes Landesgrundrecht wird gemäß Art. 31 GG von einfachem Bundesrecht jedenfalls insoweit nicht verdrängt, als Bundes- und Landesgrundrecht einen bestimmten Gegenstand in gleichem Sinn und mit gleichem Inhalt regeln und in diesem Sinne inhaltsgleich sind.    
2. Raum für die Anwendung der parallel mit den Grundrechten des Grundgesetzes verbürgten Grundrechte der Landesverfassung bleibt den Richtern eines Landes auch bei der Durchführung eines bundesrechtlich geregelten Verfahrens. Der Rechtsanwender trägt eine eigenständige Verantwortung für die Durchsetzung der subjektiven Verfassungsrechte.    
3. a) Die Kompetenz des Landes für seine Landesverfassungsgerichtsbarkeit erlaubt eine Regelung, nach der eine Verletzung mit dem Grundgesetz inhaltsgleicher subjektiver Landesverfassungsrechte durch ein Gericht des Landes bei der Durchführung des bundesrechtlich geregelten Verfahrens mit der Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht gerügt und die angegriffene Gerichtsentscheidung von diesem aufgehoben werden kann. Diese Regelung darf nicht weitergehen, als es zur Verwirklichung des Zwecks der Verfassungsbeschwerde unerläßlich ist. Nur insoweit wird die Reichweite der Bundeskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG durch die Landeskompetenz begrenzt.    
b) Die Landesverfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen der Gerichte eines Landes darf danach nur insoweit zugelassen werden, als ein von den Verfahrensordnungen des Bundes eröffneter Rechtsweg zuvor ordnungsgemäß ausgeschöpft wurde und die danach verbleibende Beschwer des Beschwerdeführers auf der Ausübung der Staatsgewalt des Landes -- und nicht auch der des Bundes -- beruht.    
4. a) Inhaltsgleich -- und damit zulässiger Prüfungsmaßstab für das Landesverfassungsgericht -- ist das entsprechende Landesgrundrecht nur,BVerfGE 96, 345 (345) BVerfGE 96, 345 (346)wenn es in dem zu entscheidenden Fall zu demselben Ergebnis wie das Grundgesetz führt.    
b) Bei der Prüfung dieser Vorfrage ist das Landesverfassungsgericht gemäß § 31 BVerfGG an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden und unterliegt der Vorlagepflicht gemäß Art. 100 Abs. 3 GG.    
5. Gegenstand einer Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 3 GG kann auch ein -- von den Gerichten abweichend beurteilter -- Rechtsmaßstab sein, der so weit gefaßt ist, daß er auch Geltung für weitere Fallgruppen hat, die bei dem vorlegenden Gericht zur Entscheidung anfallen können.


Der Sächsische VerfGH wollte von einer Entscheidung eines anderen Landesverfassungsgerichtes abweichen (DFR BVerfGE 96, 345 - Landesverfassungsgerichte; RdNr. 12; Hessischer Staatsgerichtshof).

Art. 100 Abs. 3 GG lautet:

Zitat
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Dieses Urteil nun zur Begründung der These "sobald der Bund als Normgeber eine Regel aufstellt, ist jede gleichinhaltliche Regel eines Landes nichtig" halte icke daher für "sehr gewagt".

Das Leitsatz 10 des BVerfG-EuGH-Atomisierungsurteils "allgemein gehalten" ist, kann ick nun gar nicht erkennen!

Zitat
Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte dürfen weder am Zustandekommen noch an Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung von Ultra-vires-Akten mitwirken. Das gilt grundsätzlich auch für die Bundesbank.

Es bezieht sich direkt auf "Ultra-Vires-Akte" und meint damit direkt "Ultra-Vires-Akte" der EZB und des EuGH!
Nur mal so zur Klarstellung:
Das BVerfG hat in diesem - bereits jetzt legendärem Urteil - ein EuGH Urteil kassiert (Urteil vom 11. Dezember 2018; Weiss u.a., C-493/17; Link:
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=208741&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1
)!
Das waren übrigens "die eigenen" Vorlagefragen des BVerfG an den EuGH (RdNr. 80 ff. des "BVerfG-EZB-10.0-Erdbeben-auf-der-Richterskala-Urteils") .
Es hat diesen "Schritt" (kassieren oder auch "kastrieren" des EuGH) damit begründet, dass der EuGH,
ick zitiere mal vorher Leitsatz 2:
Zitat
2. Der mit der Funktionszuweisung des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV verbundene Rechtsprechungsauftrag des Gerichtshofs der Europäischen Union endet dort, wo eine Auslegung der Verträge nicht mehr nachvollziehbar und daher objektiv willkürlich ist. Überschreitet der Gerichtshof diese Grenze, ist sein Handeln vom Mandat des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz nicht mehr gedeckt, so dass seiner Entscheidung jedenfalls für Deutschland das gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG erforderliche Mindestmaß an demokratischer Legitimation fehlt.
"nicht mehr nachvollziehbar und daher objektiv willkürlich" entschieden hat.

Soviel zur Bindungswirkung von EuGH-Urteilen in "Ultra-Vires-Verfahren".

Leitsatz 10 heißt also auch, dass das Urteil des EuGH Rechtssache C?493/17, in der BRDeutschland niX Wert iss. Es eXistiert gar nicht, weil der EuGH seine Kompetenzen überschritten hat.
Er, der EuGH handelte außerhalb seines zugewiesenen Wirkungskreises und wurde innerhalb des Wirkungskreises des BVerfG kassiert bzw. "kastriert"!

Diesen Leitsatz 10 "pauschal" bei der "Prüfung Ultra-Vires Landesrecht vs. Bundesrecht" heranzuziehen ist nicht möglich, da sich dieser auf konkrete Rechtsfragen bezieht und diese Rechtsfragen einen unmittelbaren Zusammenhang mit den Kompetenzen von EU-Organen aufweisen.

Es stellt sich ja auch die Frage, wer das "Verwerfungsmonopol" bei "Ultra-Vires-Akten im Allgemeinen" hat?
VG Potsdam, OVG Berlin-Brandenburg, VerfGH des Landes Brandenburg, BVerwG, BVerfG oder gar der EuGH?
Aber das sind hoch (laienhafte) rechtswissenschaftliche Fragen, die wohl in einem eXtra Thread beleuchtet werden müssten.

 :o

@pjotre, wir stehen in diesem genialem Forum der "laienhaften" Rechtswissenschaften nicht am Anfang der "Ultra-Vires-Forschung", schau:

Thema: Fiktive Begründung Bundesland Berlin / RBB; Link:
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19751.msg128046.html#msg128046

Zitat
B.3.3.9. Ultra Vires Akt „Verwaltungsvereinbarung Beitragseinzug“

Bereits seit 2016 wird hier "Ultra-Vires-RBS TV-Forschung" betrieben!

 :)
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pinguin am 21. Mai 2020, 20:53
Dieses Urteil nun zur Begründung der These "sobald der Bund als Normgeber eine Regel aufstellt, ist jede gleichinhaltliche Regel eines Landes nichtig" halte icke daher für "sehr gewagt".
Bitte lies Dir die Entscheidung durch; die im Forum schon oft zitierte Rn. 60 ist doch aussagefähig genug?

->

Zitat
Rn. 60
[...] Können die sich in ihrem Regelungsbereich überschneidenden Normen bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen, so bricht Bundesrecht jeder Rangordnung eine landesrechtliche Regelung auch dann, wenn sie Bestandteil des Landesverfassungsrechts ist [...]

und weiter

Zitat
[...] Kommen Bundesrecht und Landesrecht bei der Regelung desselben Sachverhalts hingegen zu gleichen Ergebnissen, so bleibt das Landesrecht jedenfalls dann in Geltung, wenn es sich dabei um Landesverfassungsrecht handelt [...]
Und was bitte heißt das anderes, als das einfaches Landesrecht nichtig ist, also ohne Geltung, wenn es entsprechendes Bundesrecht hat?

BVerfG - 2 BvN 1/95 - bereits einfaches Bundesrecht bricht Landesrecht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31000.msg193010.html#msg193010

@pjotre

Die Begrifflichkeit "ultra-vires" hat es auch in den Entscheidungen des EuGH und in den Schlußanträgen der EU-Generalanwaltschaft in jeweils sehr sparsamer Verwendung; diese Begrifflichkeit hat es aber immerhin in der Relation zu einem dt. Bundesland, nämlich zu Sachsen in Belangen des Beihilferechts, und darüberhinaus in den Bereichen "Telekommunikation" und "Umwelt", sowie bei ganz wenigen weiteren Sachverhalten. Diese Dokumente müssten neu gesichtet werden.

Die damalige EuGH-Entscheidung zur EZB, bei der Herr Gauland einer der Kläger war, enthält diese Begrifflichkeit ebenfalls, bzw. der dazugehörige Schlußantrag.
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pjotre am 21. Mai 2020, 22:11
Zitat
Die Begrifflichkeit "ultra-vires" hat es auch in den Entscheidungen des EuGH und in den Schlußanträgen der EU-Generalanwaltschaft in jeweils sehr sparsamer Verwendung; diese Begrifflichkeit hat es aber immerhin in der Relation zu einem dt. Bundesland, nämlich zu Sachsen in Belangen des Beihilferechts, und darüberhinaus in den Bereichen "Telekommunikation" und "Umwelt", sowie bei ganz wenigen weiteren Sachverhalten. Diese Dokumente müssten neu gesichtet werden.

Alles ist wichtig, wenn EU / EuGH "ultra vires" für innerdeutsche Behörden, staatliche Stellen, Beihilfen festgestellt hat.


Das Ziel bleibt ja: Die Landesregierungen anzugreifen,
-----------------------------------------------------------
dass sie als "Verfassungsorgan" wie auch "Behörde" im Sinn "ultra vires" sündigen beim vorgesehenen "Medienstaatsvertrag 2020":
Indem sie einen total unübersichtlichen 120-seitigen Sammelsuriums-Text den unkundigen 2000 Abgeordneten unterbreiten mit dem politisch koordinierten Fraktionszwang des Abnickens, dessen Hauptzweck es ist, Zensur und Internet-Kontrolle einzuführen.
Alleine die Vorbereitung wäre also das, wozu keine Regierung berufen ist. Die Abnickerei-Koordination ist ein "ultra vires", mit der die Regierungen gezielt die Parlamentsfunktion außer Kraft setzen. 


Der Gesetzestext enhält zahlreiche Elemente für "ultra vires" nach EU-Recht.
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Dies formuliere ich hier etwas schwammig, weil es noch schwammig ist und rein volumenmäßig sehr vielschichtig und aspektreicht ist. Ich will nur für @pinguins Jagd von Fischen in den EuGH-Eisgewässern ein klein wenig Eingrenzung liefern, wo die Reise hingehen soll.
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: Profät Di Abolo am 22. Mai 2020, 03:00
Guten TagX,

rein fiktiv natürlich.

Die RdNr. 60 lautet vollständig wie folgt (ick hab mal den für mich "wesentlichen Teil" rot markiert) :

Zitat
1. Art. 31 GG regelt als eine grundlegende Vorschrift des Bundesstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 36, 342 <365>) die Lösung von Widersprüchen zwischen Bundes- und Landesrecht. Er bestimmt das Rangverhältnis für alle Arten von Rechtssätzen jeder Rangstufe, nicht aber für Einzelfallentscheidungen, auch nicht der Gerichte (vgl. Pietzcker, HStR, Band IV, 99 Rn. 24, S. 704; Schlaich, Das Bundesverfassungsgericht, 4. Aufl., 1997, S. 232f.). Art. 31 GG lst die Kollision von Normen und setzt daher zunächst voraus, dass die Regelungen des Bundes- und Landesrechts auf denselben Sachverhalt anwendbar sind. Können die sich in ihrem Regelungsbereich überschneidenden Normen bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen, so bricht Bundesrecht jeder Rangordnung eine landesrechtliche Regelung auch dann, wenn sie Bestandteil des Landesverfassungsrechts ist (vgl. BVerfGE 26, 116 <135>; 36, 342 <363>). Kommen Bundesrecht und Landesrecht bei der Regelung desselben Sachverhalts hingegen zu gleichen Ergebnissen, so bleibt das Landesrecht jedenfalls dann in Geltung, wenn es sich dabei um Landesverfassungsrecht handelt (vgl. BVerfGE 36, 342 <363, 367>; 40, 296 <327>).

Unzweifelhaft handelt es sich bei dem Urteil des BGH, 12.04.2016 - KZR 31/14 um eine "Einzelfallentscheidung".
Hintergrund sind Einspeiseverträge ins Kabelnetz und "Kartellabsprachen" von ARD und ZDF.
Siehe Rechtsprechung BGH, 12.04.2016 - KZR 31/14
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BGH&Datum=12.04.2016&Aktenzeichen=KZR%2031/14

Jaaaanz unten; LG Köln, 14.03.2013 - 31 O (Kart) 466/12 und OLG Düsseldorf, 21.05.2014 - VI-U (Kart) 16/13.

Nun ist Rundfunkrecht Ländersache.

Da hat sich die Landesregierung Brandenburgs und och der Brandenburger Landtag mal so gedacht: die Rechtsprechung des BGH KZR 31/14 werden wir mal kassieren. Bupp, klatsch die Eule! Gesagt getan!

Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag - RStV)
https://bravors.brandenburg.de/vertraege/rstv

§ 11 Abs. 4 RS TV BBg:
Zitat
(4) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Artikels 106 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. C 202 vom 7. Juni 2016, S. 47) auch betraut, soweit sie zur Erfüllung ihres Auftrags gemäß Absatz 1 bei der Herstellung und Verbreitung von Angeboten im Sinne des § 11a zusammenarbeiten. Die Betrauung gilt insbesondere für die Bereiche Produktion, Produktionsstandards, Programmrechteerwerb, Programmaustausch, Verbreitung und Weiterverbreitung von Angeboten, Beschaffungswesen, Sendernetzbetrieb, informationstechnische und sonstige Infrastrukturen, Vereinheitlichung von Geschäftsprozessen, Beitragsservice und allgemeine Verwaltung. Von der Betrauung nicht umfasst sind kommerzielle Tätigkeiten nach § 16a Abs. 1 Satz 2.

Schlauerweise haben die sich och gedacht, wir machen ditt mal nach EU-Recht (EU-Recht bricht Bundesrecht, also hier das Kartellverbot § 1 GWB).

Art. 106 AUEV
https://dejure.org/gesetze/AEUV/106.html
lautet:

Zitat
(2) Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Union zuwiderläuft.

Nun  haben die Länder die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz im Rundfunkrecht, wie die da "Ultra-Vires" handeln sollen, wird recht schwer zu begründen sein.

Dann sind wir hier im "Staatsvertragsrecht", da gab es schon "Tumulte" zwischen "Bundesgerichten" und "Länder(verfassungs)gerichten".
Z.B.  bei der "Bonus-Malus-Regelung":

BVerwG, Urteil vom 09.07.1976, VII A 1.76
http://datenbank.flsp.de/flsp/lpext.dll/Infobase8/h/hochschulzulassung/328nr21?fn=document-frame.htm&f=templates&2.0#

Zitat
Im Länderstreit des § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist die Widerklage auch gegenüber einem Verpflichtungsbegehren des Klägers nicht ausgeschlossen.

Stellt das Verfassungsgericht eines Landes fest, daß das Zustimmungsgesetz dieses Landes zu einem zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Staatsvertrag wegen Verstoßes einer vertraglichen Regelung gegen ein auch in der Bundesverfassung enthaltenes Grundrecht der Landesverfassung nichtig geworden ist, so verpflichtet der bundesverfassungsrechtliche Grundsatz der Bundestreue die Vertragspartner im Streitfall, eine gerichtliche Klärung im bundesrechtlichen Bereich durch ein Gericht herbeizuführen, das wie das Bundesverwaltungsgericht in einem Verfahren nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO eine für alle Vertragspartner verbindliche Entscheidung treffen kann, und erst von dieser Klärung die Weitergeltung der staatsvertraglichen Regelung abhängig zu machen. Wird die Vereinbarkeit der Regelung mit der der Landesverfassung entsprechenden Bestimmung des Grundgesetzes festgestellt, so ist es jedem Land im Bundesstaat zumutbar, die staatsvertragliche Regelung weiter anzuwenden, dies jedenfalls dann, wenn die vertragliche Regelung nur einheitlich anwendbar ist.
Die Bonus-Malus-Regelung des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen ist auch unter den jetzigen Gegebenheiten noch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Und wir lesen dann weiter ...

Zitat
Diese sogenannte Bonus-Malus-Regelung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 03.04.1974 (BVerfGE 37, 104) “unter den derzeitigen Gegebenheiten“ – wie es in der Entscheidung heißt (a.a.O. S. 114, 116) – für verfassungsmäßig gehalten. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat dann in seiner Entscheidung vom 01.08.1975 – Vf. 11 – VII – 73 – (NJW 1975, 1733 = BayVBl. 1975, 555 = EuGRZ 1975, 431) festgestellt, daß der Zustimmungsbeschluß des Bayerischen Landtags zum Staatsvertrag nunmehr insoweit mit Art. 118 Abs. 1, dem Gleichheitssatz der Verfassung des Freistaats Bayern unvereinbar und deshalb nichtig geworden ist, als der Staatsvertrag in Art. 11 Abs. 8 Sätze 2 ff. die Grundsätze des Notenausgleichs regelt

... und halten fest, dass ditt BVerfG erst sein okay gab (03.04.1974) und der Bayerische Verfassungsgerichtshof dann am 01.08.1975 ditt BVerfG kassierte bzw. "kastrierte".
Das BVerwG kassierte bzw. "kastrierte" dann die Klage des Freistaates Bayern gegen die anderen 15 Länder und verpflichtete den Freistaat Bayern zur Anwendung der "Bonus-Malus-Regelung" ("Bundestreue" gegenüber den anderen Bundesländern).
Das ist also ein Beispiel, wo die unterschiedliche Auslegung einer verfassungsrechtlichen (gleichen) Norm (Gleichheitsgrundsatz; GG; Bay.Verf.) zu unterschiedlichen Ergebnissen führte (GG/Bay.Verf.; BVerfG / BayVerfGH) und dann ein Bundesgericht über die (bundesweite) Anwendung entscheidet. 

Von entscheidender Bedeutung beim "laienhaften" rechtlichen Widerstand gegen diese Schergen der GEZ ist es daher, seine "laienhaften" Rechtstheorien an die aktuelle "Gesetzgebung" und "Rechtsprechung" anzupassen und och fortzuentwickeln.

Das machen wir hier.

Allerdings müssen wir natürlich dabei beachten in welcher "Rechtsordnung" wir uns bewegen.
Und wer die "Rechtssetzungskompetenz" hat (Europarecht, Bundesrecht, Landesrecht).

Wir haben es hier im RBS TV mit "Landesrecht" zu tun, dass überall im Land gilt!  :o
Sozusagen verkleidetes "Bundesrecht" in Gestalt eines "erbärmlichen" Landesgesetzes!

Wir müssen nun überlegen, wie wir den "allgemeinen Ultra-Vires-Begriff" für uns nutzen können, um damit Zwietracht zwischen den Gerichten (BVerfG/LVerfG/EuGH) zu säen!

Auch müssen wir natürlich aufpassen welche "Rechtssätze" wir anführen. "Rechtssätze" aus dem "Kartellrecht" können daher nur bedingt zur Argumentation angeführt werden.
Fraglich ist natürlich auch welcher Rechtsweg beschritten wird.
Handelt es sich um rein verfassungsrechtliche Fragen gegen "gesetzliche Normen" (also nicht "untergesetzliche Normen" wie z.B. Rechtsverordnungen oder Satzungen) liegt das "Verwerfungsmonopol" bei den Verfassungsgerichten.
Meine "laienhaften" Rechtstheorien muss ick och soweit "runterbrechen" bis sie insgesamt schlüssig sind. Und das gelingt in RBS TV-Verfahren am Einfachsten, wenn ick die "Entscheidung", also den angreifbaren Verwaltungsakt, nach dem Gesichtspunkt beurteile, wer in Person diesen Verwaltungsakt erlassen hat und ob diese Person hierzu befugt war.
Naja, "das Gesicht" ist das einer Maschine!
Die natürlichen Personen die dann die "Widerspruchsentscheidungen" treffen sind alle nicht verbeamtet oder im öffentlichen Dienst des jeweiligen Landes tätig.
Dann kann ick zur "Unterfütterung" meiner Argumente (keine hoheitlichen Befugnisse) noch "Rechtsätze" aus anderen "Rechtsgebieten" wie z.B. dem Gesetz über Wettbewerbsbeschränkungen anführen.

Zu beachten gilt och:
Beim "Staatsaufbau" eines "Bundeslandes" gibt es keinen "Widerspruch zwischen Bundes- und Landesrecht". Das regelt ausschließlich das jeweilige Land durch die Landesverfassung bzw. Landesrecht. Auch eine Einschränkungen von grundgesetzlich garantierten Rechten von Gemeinden (sog. Einheitsgemeinden) sind im Falle der Stadtstaaten (Hamburg und Berlin) möglich.

Will ick jetzt eine "RBS TV-Regelung" ausschließlich verfassungsrechtlich angreifen, muss ick nicht unbedingt den Rechtsweg beschreiten. Ick darf dann aber nicht den Fehler machen, einfachgesetzliche Normen zum Schwerpunkt zu machen, sondern muss mich größtenteils auf verfassungsrechtliche Fragen konzentrieren.
Eine solche ausschließlich verfassungsrechtliche Frage (für Bärlin) wäre z.B., ob überhaupt ein (Verwaltungs-)Verfahren, das von gesamtstädtischer Bedeutung ist (Art. 67 VvB), an eine Anstalt des öffentlichen Rechtes, die nicht Teil der Hauptverwaltung ist, übertragen werden kann.
Das dürfte verfassungsrechtlich (VvB) nicht möglich sein, so dass diese Anstalt des öffentlichen Rechtes "Ultra-Vires" handelt (juristische Person des öffentlichen Rechts handelt außerhalb ihres zugewiesenen Wirkungskreises und ist nicht Teil der Hauptverwaltung; rbb-StV/Art. 67 VvB; unterscheide "Ultra-Vires-Kontrolle" BVerfG EU-Organe).

Der RBS TV und das Urteil des BVerfG´tes zum UnfuXbeitraX bleiben dann unangetastet und es wird nur festgestellt, dass die Übertragung von Aufgaben der Hauptverwaltung an den rbb mit der Verfassung von Berlin unvereinbar ist. Und das kann nur der VerfGH Bärlin (Verwerfungsmonopol)!
Will nun der VerfGH Bärlin von der Entscheidung des BVerfG oder eines anderen Verfassungsgerichtes abweichen, so hat es das BVerfG (siehe BVerfG - 2 BvN 1/95 -) anzurufen.

Es reicht nicht aus, sich einzelne "Gesichtspunkte" gezielt rauszupicken und daraus eine "Rechtstheorie" zu basteln. Die muss natürlich auch in der "PraXis" umgesetzt werden.
Da kann ick dann nicht eine reine "Ultra-Vires-Entscheidung" zu EU-Organen nehmen und die auf "Ultra-Vires-RBS TV" "umbauen". Das haut mir jedes VG und Verfassungsgericht um die Ohren.
Ick muss schon zu erkennen geben, dass ick den Unterschied zwischen der Ultra-Vires-Kontrolle des BVerfG´tes zu EU-Organen und der "Ultra-Vires-Lehre" im (deutschen) öffentlichem Recht verstanden habe.

Und eines ist auch jaaaanz wichtig:
Die Frage nämlich, ob der EuGH im "deutschen autonomen Rundfunkrecht" überhaupt noch was nach dem EZB-Atombomben-Urteil des BVerfG´tes zu melden hat.
 
Entscheidet der EuGH mal was gegen den UnfuX marschieren ARD und ZDF doch jetzt gleich zum BVerfG und brüllen "Ultra-Vires"!

Ick hoffe mein BeitraX war hilfreich und dient der "laienhaften Rechtsfortbildung".

 :)
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pinguin am 22. Mai 2020, 06:04
Nun  haben die Länder die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz im Rundfunkrecht, wie die da "Ultra-Vires" handeln sollen, wird recht schwer zu begründen sein.
Aber weder im Wirtschaftsrecht, noch im Verbraucherschutzrecht, noch im Bereich Datenschutz, bspw.; da wird es, um bei Deiner Wortwahl zu bleiben, schwer zu begründen sein, wieso sich die Länder und ihre Behörden darüber hinwegsetzen dürfen.

Zitat
Auch eine Einschränkungen von grundgesetzlich garantierten Rechten von Gemeinden (sog. Einheitsgemeinden) sind im Falle der Stadtstaaten (Hamburg und Berlin) möglich.
Das, was der Bund als Grundrecht definiert, ist als Minimalgrundrecht auch für die Länder gesetzt und darf nicht unterschritten werden. Siehe auch nachstehende Medienentscheidung, bei der eben mehr Sachverhalte und Randaspekte zu berücksichtigen sind, als die reine Einzelnorm.

BVerfG - 1 BvL 118/53 - Keine Verwirkung eines Grundrechts durch Landesrecht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,32879.msg201546.html#msg201546

Zitat
Die Frage nämlich, ob der EuGH im "deutschen autonomen Rundfunkrecht" überhaupt noch was nach dem EZB-Atombomben-Urteil des BVerfG´tes zu melden hat.
Ja, sogar vom BVerfG bestätigt?

BVerfG -1 BvR 276/17 - Vorrang des Unionsrechts auch beim Unionsgrundrecht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,32844.msg201288.html#msg201288

Selbst wenn die Länder die Befugnis haben, den Inhalt ihres Rundfunks zu gestalten, zu regeln und dafür den Rahmen zu setzen, fehlt ihnen die Befugnis, die nicht auf den Inhalt bezogenen Konditionen zu bestimmen, sonst hätte das BVerfG ja in seiner 1. Rundfunkentscheidung nicht entschieden, wie es entschieden hat:

BVerfGE 12, 205 - 1. Rundfunkentscheidung - Begriff "Rundfunk"
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31178.msg193852.html#msg193852

Auszug Rn. 169:

Zitat
[...] "Bleiben die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nicht auf den Raum des Landes begrenzt, so muß der Landesgesetzgeber Rücksicht auf die Interessen des Bundes und der übrigen Länder nehmen" [...]

Der Landesgesetzgeber muß Rücksicht auf die Interessen des Bundes nehmen; welches sind die Interessen des Bundes? Da sind wir dann bei der europäischen Integration, den völkerrechtlichen Verträgen, der Unternehmensgleichbehandlung, dem einheitlichen Verbraucherschutz, schlicht also auch beim Recht der Wirtschaft, letztlich also bei allen Randbelangen, bei denen die Länder keine Regelungsbefugnis haben und auch nicht die Kompetenz, sich darüber hinwegzusetzen.
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: ope23 am 22. Mai 2020, 09:57
Danke, werter Profät!  ;D

Genau diesen Gedanken hatte ich, als Karlsruhe die Atombombe auf Luxemburg warf.
Das hat mir schlaflose Nächte bereitet:
Entscheidet der EuGH mal was gegen den UnfuX marschieren ARD und ZDF doch jetzt gleich zum BVerfG und brüllen "Ultra-Vires"!

Europa wird uns Deutsche also nicht mehr erlösen. Karlsruhe schwingt sich zum Steigbügelhalter einer neuen weißen Diktatur auf und wird den Weg für die neuen Volkstribune freibomben. Die deutsche Rechtssprechung wird erneut versagen und positives Unrecht setzen. Ich habe schon mehrfach geschrieben, dass die Sender die Macht übernehmen werden. Ihr Schlachtruf wird sein: "Ultra Vires! Ultra Vires!" Niemand wird die Kräfte haben, eine Landesrundfunkanstalt in die Knie zu zwingen. "Ultra Vires! Ultra Vires!"

 ???
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pjotre am 22. Mai 2020, 11:10
1. Lest ihn, bevor die FAZ wie leider häufig beste Artikel plötzlich mit paywall blockiert:
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Fundamental wird das EuGH-Problem analysiert:
FAZ, 21.05.2020
Europäischer Gerichtshof
Ein Integrationsmotor unter Legitimationsdruck
von Lars Klenk
https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/europaeischer-gerichtshof-integrationsmotor-unter-legitimationsdruck-16776308.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Durch einen echten Kenner der Materie "Konfliktpotential EuGH", Dr. jur. Lars Klenk, zur Zeit Rechtsferendar am Kammergericht Berlin (alle Infos unter Vorbehalt, wurde aber so berichtet).
Also dort, wo @pjotre in diesen Tagen rund 5 Kilo Schriftsatz eingeworfen hat gegen die unzulässigen, aber einfach so "mal eben gewagten" Meldedatenabgleiche 2018 (2022, 2026 usw.), unzulässig weil in mehrfacher Hinsicht "ultra vires" - aber eben nach deutschem Rechtssystem, also ohne diesen Oberbegriff zu verwenden.

Das war für das Verfassungsgericht, Verfahren seit 2017, Urteil wird kommen. Oder erst einmal "Richter-Vorlage beim EuGH?"  >:D
Anmerkung: Kammergericht (also "OLG") und Landesverfassungsgericht und anderes mehr teilen sich in Berlin einen hochherrschaftlichen gewaltigen Altbau aus Kaisers Zeiten mit einem Treppenhaus wie im Prunkschloss à la versailleienne.


2. "Und ohne Rast noch Ruh schlägt das Gez-Boykott-Team zuh."
--------------------------------------------------------------------------------
Uhrzeiten 3h und 6h - morgens! ... siehe letzte Beiträge...


3. Das Kernproblem ist, diesen "ultra-vires"-Kram "schriftsätzlich" zu verwerten.
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 @pinguin leistet den schweren Part, aufzuzeigen: Halt, da ist doch was?
Die "Schriftsätzer" haben dann aber die schwere Grübelaufgabe, wie sie das in astreine Texte von Hebelwirkung verwandeln. Das ist teils juristisch, teils gegen die obersten Chefs politisch-strategisch zu arrangieren.

Es ist zu diesem Themenkreis "ultra vires" einstweilen alle Klarheit restlos beseitigt mit diesem Thread; aber da könnte Linie hinein kommen durch Verknüpfen aller aufgezeigten Aspekte. Kommt Zeit, kommt Linie. Vermutlich, weil, es ist meistens so für komplex verzahnten Jurakram.


 100% Zustimmung für @ope23 :
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Die aktuell größte Gefahr ist der vorgesehene "Medienstaatsvertrag 2021", durch den aus der Rundfunkabgabe die Kontrollstellen für die Zensur des weltweiten Internets finanziert werden sollen:
Das "Wahrheitsministerium", das für "ARD, ZDF etc." die Dominanz im Internet schaffen soll? Total "ultra vires".
Diktatursystem wiederholen sich in der Gechichte nicht gleichartig. Die neue Diktatur zeichnet sich ab, eine Gutmenschen-Diktatur mit "ARD, ZDF etc." in der Tat als Schlüsselelement. Eine Diktatur ist immer ein Konglomerat von "ultra vires".

 @ope23 mit dem Setzen von "positivem Untrecht", das mit dem "positiven Recht" wird den meisten wenig sagen und meint: Völlig unrechte Gesetze beschließen und dann mit willfährigen Karrieresüchtigen beim Staat und karrierelustigen Richtern durchsetzen. So funktionierten Diktaturen immer - ao auch Nazis wie auch DDR:
"positive" im lateinischen Ursprungssinn, also das "gesetzte" Recht, triumphiert über das "common law" usw., das gewachsene und naturrechtlich ethisch gebundene Recht.

Die Rundfunkabgabe ist bereits ein kleiner Vorgeschmack, "ultra vires" ein "positives Unrecht" (gesetzlich "gesetztes" Unrecht) dann "erfolgreich" durchzuboxen. Hat geklappt, schreckenerregend das Versagen von Politik und Justiz.

Der vorgesehene "Medienstaatsvertrag 2020" ist die Generalprobe - "ultra vires" in Reinkultur.
Wenn wir das nicht blockiert bekommen, brechen alle Dämme. Da also ist ab jetzt der Hauptjob. Ist ja schon in aktiver Aktion. "Wir schaffen das"? Hoffentlich. Es geht um viel.

Vorstehende Aussagen von Meinungen erfolgten im Rahmen der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit.
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pinguin am 22. Mai 2020, 14:46
Es ist zu diesem Themenkreis "ultra vires" einstweilen alle Klarheit restlos beseitigt mit diesem Thread;
Wenn alles so klar wie reines, pures Wasser wäre, wäre es doch langweilig? Gerade eine gewisse Trübheit ist, solange es nicht in Echt das eigene Auge betrifft, gar nicht so verkehrt? Nur im Nebel, der ja für den Begriff "Trübheit" eingesetzt werden könnte, sind die Verkehrsteilnehmer hinreichend gemächlich unterwegs, wenn sie denn noch klar bei Verstand sind; auch der Nebel, wenn auch manchmal lästig, hat in der Morgensonne seinen Reiz, alleine dadurch, daß er die Blendwirkung der morgendlichen Sonne effektiv abmildert.

Betrachte diese Aussage wortwörtlich oder im übertragenen Sinne, ganz nach eigenem Belieben.
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pinguin am 23. Mai 2020, 12:12
Die Klarheit wird mal noch verstärkt:

Über den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22126.msg205474.html#msg205474

Die EMRK hat, weil Unionsrecht, Vorrang vor dem nationalen Recht, damit auch Vorrang vor dem Grundgesetz. Und da kommt es dann auch nicht mehr darauf an, daß sie als völkerrechtlicher Vertrag des Bundes "nur" einfaches Bundesrecht ist.

Damit sind wir dann auch im Bereich "Ultra-Vires", wenn sich die nationalen Behörden über die Bestimmungen der EMRK hinwegsetzen, denn dazu fehlt ihnen jede Kompetenz.
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: Profät Di Abolo am 23. Mai 2020, 12:52
Guten TagX,

bezüglich der Einheitsgemeinde Berlin verweise ick uff die ständige Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes Berlin und die bestätigende Rechtsprechung von Bundesgerichten (BVerwG).

Und zum Thema "Gesetzgebungskompetenz" der Länder und ihren "Ausreden":

Zitat
Der Beschwerdeführer bezweifelt darüber hinaus die Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Einführung des zweiten vollständigen Meldedatenabgleichs. Die Gerichte haben sich in den vorgenannten Entscheidungen - soweit ersichtlich - nicht zu Fragen der Gesetzgebungskompetenz geäußert. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt es aber jedenfalls nicht auf die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bereich Meldewesen an. Vielmehr liegt für den Bereich Rundfunk die Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 70 GG bei den Ländern. Für die Einführung des zweiten Meldedatenabgleichs waren kraft Sachzusammenhangs im Sinne einer Annexkompetenz ebenfalls die Länder zuständig, da die betreffende Vorschrift des § 14 Abs. 9a RBSTV in einem funktionellen Zusammenhang zum Rundfunk steht.

Thema: Verfassungsbeschwerde 2. Meldedatenabgleich § 14 Abs. 9 a RBStV (BE); Link:
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33741.msg205484.html#msg205484

Alles nicht so einfach in der PraXis.
Alleet wir jut.
Ick mach ditt schon.

 :)
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pjotre am 23. Mai 2020, 15:12
... und dem Verfassungsgerichtshof wurde bereits im Rahmen eines rund 60-seitigen Schriftsatz vom 10. Mai 2020 zu diesem Gegner-Vortrag (siehe vorstehendes Zitat @Profät ) mitgeteilt:

-------------------
Die von einer Landesregierung behauptete Annexkompetenz ins Bundesrechtliche hinein (Meldedatenabgleich) gibt es für "ARD, ZDF etc." nur im rundfunkrechtlichen Aktvitätsteil.

Im beitragsrechtlichen nicht, jedenfalls nicht für so etwas wie mit Meldedaten-Abgleich das absolute grundrechtlich bedingte Verbot von bundesgesamten Bürger-Datensammlungen zu durchstoßen, so dass Annexkompetenz ausscheidet. Meldedatenabgleich ist also wie vom Beschwerdeführer @P... dem Gericht bereits zutreffend dargelegt, eine gesetzgeberische Kompetenzüberschreitung, sprich, ist nichtig.
------------------------

Das alte Lied: Wenn einem Juristen kein Argument mehr einfällt, weil es keines gibt, kommt die olle Kamelle mit den alten römisch-rechtlichen Latein-Ausdrücken ins Spiel. "Roma locute, causa finita." Bei Lateinausdrücken, wenn sie fallen, zieht man am besten sofort die Waffe, heutzutage Lügendetektor inklusive.

Aber schlaft ruhig, liebe Mitstreiter, die Schriftsätzer lassen sich nicht bluffen und kümmern sich.  :police:
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: ope23 am 23. Mai 2020, 17:08
"Roma locute, causa finita."
Roma locuta

 :)
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pinguin am 27. Mai 2020, 13:01
Der EuGH hatte mit Rechtssache T-398/07 zu klären, ob die EU-Kommission den damaligen Art. 82 EG, (heute Art. 102 AEUV), ultra-vires angewandt hatte.

Dieser entsprechende Klagegrund wurde mangels ausreichender Begründung als unzulässig zurückgewiesen; ein anderer Sachverhalt ist aber durchaus interessant.

Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 29. März 2012.
Königreich Spanien gegen Europäische Kommission.
Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Spanische Märkte für Breitband-Internetzugang – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 festgestellt wird – Preisfestsetzung – Kosten-Preis-Schere – Loyale Zusammenarbeit – Ultra-vires-Anwendung von Art. 82 EG – Rechtssicherheit – Vertrauensschutz.
Rechtssache T-398/07.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1590571231442&uri=CELEX:62007TJ0398

mit den Aussagen

Rn. 66
Zitat
Nach der in Randnr. 51 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung sind für die Feststellung, ob das Unternehmen in beherrschender Stellung diese Stellung durch die Anwendung seiner Preispolitik missbräuchlich ausgenutzt hat, sämtliche Umstände zu berücksichtigen, und es muss untersucht werden, ob diese Verhaltensweise darauf abzielt, die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren, den Konkurrenten den Zugang zum Markt zu verwehren, Handelspartnern für gleichwertige Leistungen ungleiche Bedingungen aufzuerlegen oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb zu stärken

Rn. 71
Zitat
Art. 82 EG ist hingegen anwendbar, wenn sich wie im vorliegenden Fall herausstellt (Erwägungsgründe 665 bis 685 der angefochtenen Entscheidung) (siehe auch oben, Randnr. 27), dass die nationalen Rechtsvorschriften die Möglichkeit eines Wettbewerbs bestehen lassen, der durch selbständige Verhaltensweisen der Unternehmen verhindert, eingeschränkt oder verfälscht werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil TeliaSonera Sverige, oben in Randnr. 51 angeführt, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Und genau das haben wir, wenn rundfunkferne Personen genötigt werden, Rundfunk zu finanzieren, weil diese Unternehmen die Möglichkeit erhalten, die Behörden zu überreden, rundfunkferne Personen abzuzocken, ohne selbst als Unternehmen den gerichtlichen Weg zur Realisierung ihrer Forderungen beschreiten zu müssen.

Aus der Stellungnahme des Generalanwaltes zu einer älteren Entscheidung könnte das nationale Gericht  "ultra-vires" handeln, wenn es den europäischen Rahmen unbeachtet läßt, heißt es doch:

Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven vom 12. Juli 1990.
Marleasing SA gegen La Comercial Internacional de Alimentacion SA.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Juzgado de Primera Instancia e Instruccion no 1 de Oviedo - Spanien.
Richtlinie 68/151/EWG - Artikel 11 - Konforme Auslegung des nationalen Rechts.
Rechtssache C-106/89.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1590571231442&uri=CELEX:61989CC0106

mit den Aussagen

Zitat
Die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts

7 . Auch wenn eine Richtlinienbestimmung nicht gegenüber einem einzelnen in Anspruch genommen werden kann, ist das nationale Gericht doch, wie der Gerichtshof in dem Urteil Von Colson und Kamann ( 9 ) entschieden hat, verpflichtet,

"bei der Anwendung des nationalen Rechts, insbesondere auch der Vorschriften eines speziell zur Durchführung der Richtlinie ... erlassenen Gesetzes, dieses nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen ..., um das in Artikel 189 Absatz 3 genannte Ziel zu erreichen ".

Diese wiederholt bekräftigte ( 10 ) Pflicht der nationalen Rechtsprechungsorgane zur richtlinienkonformen Auslegung ihrer nationalen Gesetzgebung bedeutet nicht, daß einer Richtlinienbestimmung irgendeine unmittelbare Wirkung zwischen den einzelnen verliehen würde ( 11 ). Unmittelbare Wirkung kommt im Gegenteil den richtlinienkonform ausgelegten nationalen Bestimmungen selbst zu .

8 . Die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung ist immer dann gegeben, wenn die nationale Rechtsvorschrift in irgendeiner Weise auslegungsfähig ist ( 12 ). Das nationale Gericht muß dann unter den in seinem Rechtssystem üblichen Auslegungsmethoden derjenigen Vorrang einräumen, die es in die Lage versetzt, der betreffenden nationalen Rechtsvorschrift eine Bedeutung zu geben, die mit der Richtlinie in Einklang steht ( 13 ).

Die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung wird allerdings durch das Gemeinschaftsrecht selbst begrenzt, dem die Richtlinie angehört, insbesondere durch die auch im Gemeinschaftsrecht anerkannten Grundsätze der Rechtssicherheit und des Rückwirkungsverbots .

In Strafsachen kann eine derartige Auslegung beispielsweise nicht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit begründen, die nicht durch zur Durchführung der Richtlinie erlassene nationale Rechtsvorschriften festgelegt worden wäre ( 14 ). Mutatis mutandis kann eine Richtlinie meines Erachtens auch nicht für sich allein - d . h . ohne nationales Durchführungsgesetz - eine zivilrechtliche Sanktion wie die Nichtigkeit in das nationale Recht einführen . Darum geht es hier aber nicht : Wir haben es im Gegenteil mit einer Richtlinienbestimmung zu tun, die bestimmte Nichtigkeitsgründe ausschließt .

9 . Die Frage nach einer richtlinienkonformen Auslegung wird sich meistens in bezug auf nationale Rechtsvorschriften stellen, die speziell zur Durchführung der betreffenden Richtlinie ergangen sind . Dies war in der Rechtssache Von Colson und Kamann sowie in den in Fußnote 10 zitierten Rechtssachen der Fall .

Es gibt jedoch keinen Grund, das Erfordernis richtlinienkonformer Auslegung auf diese Fallgestaltung zu beschränken ( 15 ). Dies ergibt sich meines Erachtens aus der Argumentation, mit der der Gerichtshof dieses Erfordernis begründet . Diese Argumentation beruht nämlich auf der Erwägung, daß die Gerichte ebenso wie die übrigen Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 EWG-Vertrag verpflichtet sind, das mit der Richtlinie verfolgte Ziel mit allen hierfür geeigneten Mitteln, die ihnen zu Gebote stehen, zu erreichen . Im übrigen hat die betreffende Richtlinie als Bestandteil des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich Vorrang vor allen Bestimmungen des nationalen Rechts . Dies gilt insbesondere dann, wenn es um nationale Bestimmungen geht, die sich wie im vorliegenden Fall auf das durch die Richtlinie geregelte Rechtsgebiet beziehen, selbst wenn sie vor der Richtlinie und somit nicht zu deren Durchführung erlassen wurden ( 16 ). Ist diese Frage im übrigen nicht bereits durch das Urteil Grimaldi ( 17 ) entschieden worden, in dem der Gerichtshof für Recht erkannt hat, daß die nationalen Gerichte verpflichtet sind, Empfehlungen, die keine bindende Wirkung entfalten, bei der Auslegung nationaler Rechtsvorschriften zu berücksichtigen, selbst wenn diese nicht zur Durchführung der Empfehlung erlassen worden sind?

Man kann also sagen, daß sich auch die nationalen Behörden "ultra-vires" verhalten, wenn sie sich über die europäischen Vorgaben hinwegsetzen, da alle Träger öffentlicher Gewalt verpflichtet sind, die europäischen Ziele zu erreichen?

Der oben genannte "Art 5 EWG-Vertrag" heißt:

Zitat
Artikel 5
Die Mitgliedstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus diesem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie erleichtern dieser die Erfüllung ihrer Aufgabe.

Sie unterlassen alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrags gefährden könnten.

VERTRAG ZUR GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:11957E/TXT&from=DE
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: pinguin am 30. Mai 2020, 05:40
Die Mitgliedsstaaten der EU bekräftigen in dem aktuellen Vertragswerk:

Übereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzverträge zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv:OJ.L_.2020.169.01.0001.01.DEU&toc=OJ:L:2020:169:TOC

daß

Zitat
[...] Eine Maßnahme, die ein Mitgliedstaat als Ausnahme von einer durch Unionsrecht garantierten Grundfreiheit erlässt, fällt in den Geltungsbereich des Unionsrechts, und auch die in der Charta verbrieften Grundrechte finden Anwendung (Urteil des EuGH in der Rechtssache C-685/15, Online Games Handels, Randnummern 55 und 56),

und

Zitat
[...] Insbesondere muss jeder Mitgliedstaat sicherstellen, dass seine Gerichte im Sinne des Unionsrechts den Anforderungen eines wirksamen Rechtsschutzes genügen (Urteil des EuGH in der Rechtssache C-64/16, Associação Sindical dos Juízes Portugueses, Randnummern 31 bis 37);

-------------
Da Datenschutz mit Art 16 AEUV unionsrechtlich garantiert ist, haben das Land Brandenburg***, seine Gerichte und seine Behörden wegen der im Zustimmungsgesetz vorgenommenen Einschränkung des den Datenschutz betreffenden Art 11 LVerfBbg sämtliche der in der GrCh garantierten Grundrechte dem Bürger gegenüber einzuhalten und sich folglich aus dem Medienverhalten der Bürger herauszuhalten, da dieses von Art 11 GrCh gefordert wird.

Das Land Brandenburg, seine Gerichte und seine Behörden handeln außerhalb ihrer Kompetenzen, also "ultra-vires", wenn sie sich über die europäischen Grundrechte, -freiheiten, wie sie von Europa und dem Bund jeder natürlichen Person gegenüber zugestanden werden, hinwegsetzen.

*** = das Land Brandenburg, seine Gerichte und seine Behörden sind hier stellvertretend für alle Bundesländer, ihre Gerichte und ihre Behörden benannt.

Obiges Vertragswerk wurde im Mai 2020 auch von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet und am 29. Mai 2020 im EU-Amtsblatt veröffentlicht.
Titel: Re: "Ultra-Vires" -> Landesrecht vs. Bundesrecht
Beitrag von: drboe am 30. Mai 2020, 15:32
Und zum Thema "Gesetzgebungskompetenz" der Länder und ihren "Ausreden":

Zitat
Der Beschwerdeführer bezweifelt darüber hinaus die Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Einführung des zweiten vollständigen Meldedatenabgleichs. Die Gerichte haben sich in den vorgenannten Entscheidungen - soweit ersichtlich - nicht zu Fragen der Gesetzgebungskompetenz geäußert. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt es aber jedenfalls nicht auf die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bereich Meldewesen an. Vielmehr liegt für den Bereich Rundfunk die Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 70 GG bei den Ländern. Für die Einführung des zweiten Meldedatenabgleichs waren kraft Sachzusammenhangs im Sinne einer Annexkompetenz ebenfalls die Länder zuständig, da die betreffende Vorschrift des § 14 Abs. 9a RBSTV in einem funktionellen Zusammenhang zum Rundfunk steht.

Wahrlich ein wunderbares Beispiel gequirlter Juristenscheisse. Die Länder können doch nicht einfach Regelungen außerhalb ihrer Kompetenz verabschieden, weil es ihnen in den Kram passt, sondern müssen brav bei ihren Leisten bleiben. Sprich: Regelungen finden, die innerhalb des ihnen zugewiesenen Regelungsrahmens bleiben. Anderfalls wäre die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern hinfällig und die Länder könnten dann auch gleich anderen Staaten den Krieg erklären. Womöglich kommen die auch noch auf die Idee die Grundrechte wie Würde des Menschen, Freizügigkeit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Demonstrationsrecht, Garantie des Eigentums etc. zu beseitigen. - Oh, ich sehe gerade, dass sie das längst getan haben. Stichwort "Corona". Außerdem gilt inzwischen auch der Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" nicht mehr, da Verstöße gegen die verfassungswidrigen Eingriffe der Exekutive strafbewehrt sind.

Bei Klagen gegen die Suspendierung der erwähnten Grundrechte duckt sich das dafür zuständige Gericht praktisch weg und verweist auf den Gerichtsweg; wohl wissend, dass es Jahre dauert, bis man schließlich beim BVerfG ankommt, sodaß der verfassungswidrige Erfolg nicht mehr korrigierbar ist. Wie hoch ist angesichts dessen wohl die Wahrscheinlichkeit, dass man dem Rundfunkbeitragsmachwerk je vor diesen Gerichten wirksam beikommen kann? Ich vermute, sie ist verschwindend gering.

M. Boettcher


Edit "Bürger": Vorsorgliche Bitte, hier keine Grundsatzdebatte über etwaige Erfolgsaussichten der Rechtswege gegen das "Rundfunkbeitragsmachwerk" zu führen. Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.