gez-boykott.de::Forum

Allgemeines => Dies und Das! => Thema gestartet von: pinguin am 18. März 2018, 12:23

Titel: Hätte BVerwG den gemeinsamen Senat der Bundesgerichte bereits anrufen müssen?
Beitrag von: pinguin am 18. März 2018, 12:23
Es hat ja den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, was in dem Thema

Re: Nehmen die Landesrundfunkanstalten am Wettbewerb teil?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,26731.msg167990.html#msg167990

bereits einmal benannt worden ist.

Dieser Gemeinsame Senat ist anzurufen, wenn eines der obersten Bundesgerichte von einer Entscheidung abweichen will, die ein anderes der obersten Bundesgerichte bereits getroffen hat.

Grundlage dafür ist das

Zitat
§ 2 Zuständigkeit
(1) Der Gemeinsame Senat entscheidet, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will.
[...]

§ 16 Wirkung der Entscheidung
Die Entscheidung des Gemeinsamen Senats ist in der vorliegenden Sache für das erkennende Gericht bindend.

Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes
https://www.gesetze-im-internet.de/rspreinhg/BJNR006610968.html

Für die öffentlichen Finanzen sind die Finanzgerichte zuständig, deren oberstes Gericht der Bundesfinanzhof ist.

Dieser Bundesfinanzhof entschied,
Zitat
12

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird öffentliche (= hoheitliche) Gewalt i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG durch Tätigkeiten ausgeübt, die den juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Träger öffentlicher Gewalt "eigentümlich und vorbehalten" sind (vgl. BFH-Urteile vom 30.6.1988 V R 79/84, BFHE 154, 192, BStBl II 1988, 910; vom 21.9.1989 V R 89/85, BFHE 158, 177, BStBl II 1990, 95, und vom 23.10.1996 I R 1-2/94, BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139). Übernimmt eine juristische Person des öffentlichen Rechts Aufgaben, wie sie auch von Personen des Privatrechts ausgeübt werden, und tritt sie dadurch - und sei es auch ungewollt - in tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerb zu privatwirtschaftlichen Unternehmen, ist ihre Tätigkeit nicht mehr hoheitlich. Es ist dann unerheblich, ob die juristische Person des öffentlichen Rechts mit der zu beurteilenden Tätigkeit einer öffentlich-rechtlichen Leistungsverpflichtung nachkommt und ob die Einnahmen, die sie durch die Tätigkeit erzielt, in Form öffentlich-rechtlicher Gebühren oder eines Beitrags erhoben werden (BFH in BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139, m.w.N.).

Urt. v. 08.01.1998, Az.: V R 32/97
https://www.jurion.de/urteile/bfh/1998-01-08/v-r-32_97/

Die Entscheidungen des gemeinsamen Senats sind öffentlich hier einsehbar

Entscheidungen des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes
http://www.bundesgerichtshof.de/DE/DasGericht/GemeinsamerSenat/EntscheidungenGemSenat/entscheidungenGemSenat_node.html

Die Entscheidung aus 2012 befasst sich mit Apothekenpreisen, hat also nix mit Rundfunk zu tun.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, wonach ÖRR und Co. in Wettbewerb stehen ist vom 12. April 2016; KZR 31/14;

Rn. 47
Zitat
[...] stehen die Beklagten mit dem ZDF, nicht anders als mit den privaten Programmveranstaltern, in Wettbewerb nicht nur um Zuschauer, sondern auch um Werbekunden.

KZR 31/14
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=e328b2d40235476f7073b7ddc7d04413&nr=75099&pos=1&anz=2

spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte das BVerwG den Gemeinsamen Senat anrufen müssen.

Wann genau entschied das Bundesverwaltungsgericht in Sachen Rundfunkbeitrag?
Titel: Re: Hätte BVerwG den gemeinsamen Senat der Bundesgerichte bereits anrufen müssen?
Beitrag von: ChrisLPZ am 18. März 2018, 13:05
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, wonach ÖRR und Co. in Wettbewerb stehen ist vom 12. April 2016; KZR 31/14;
[…]
Wann genau entschied das Bundesverwaltungsgericht in Sachen Rundfunkbeitrag?

Die mündliche Urteilsverkündung zu 6C 6/15 und den weiteren acht Parallelentscheidungen war genau vor zwei Jahren am 18.3.2016, vorgetragen durch den inzwischen pensionierten, damaligen vorsitzenden Richter Neumann.
siehe: BVerwG: Protokoll der Urteilsverkündung vom 18. März 2016
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,17946.msg117565.html#msg117565

In Folge gab es jedoch zahlreiche weitere Urteile des BVerwG zum Rundfunkbeitrag im privaten Bereich, u.a. im Juni und September 2016 und auch danach.
Titel: Re: Hätte BVerwG den gemeinsamen Senat der Bundesgerichte bereits anrufen müssen?
Beitrag von: P am 07. April 2018, 12:22
Dieser Bundesfinanzhof entschied,
Zitat
12

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird öffentliche (= hoheitliche) Gewalt i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG durch Tätigkeiten ausgeübt, die den juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Träger öffentlicher Gewalt "eigentümlich und vorbehalten" sind (vgl. BFH-Urteile vom 30.6.1988 V R 79/84, BFHE 154, 192, BStBl II 1988, 910; vom 21.9.1989 V R 89/85, BFHE 158, 177, BStBl II 1990, 95, und vom 23.10.1996 I R 1-2/94, BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139). Übernimmt eine juristische Person des öffentlichen Rechts Aufgaben, wie sie auch von Personen des Privatrechts ausgeübt werden, und tritt sie dadurch - und sei es auch ungewollt - in tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerb zu privatwirtschaftlichen Unternehmen, ist ihre Tätigkeit nicht mehr hoheitlich. Es ist dann unerheblich, ob die juristische Person des öffentlichen Rechts mit der zu beurteilenden Tätigkeit einer öffentlich-rechtlichen Leistungsverpflichtung nachkommt und ob die Einnahmen, die sie durch die Tätigkeit erzielt, in Form öffentlich-rechtlicher Gebühren oder eines Beitrags erhoben werden (BFH in BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139, m.w.N.).

Urt. v. 08.01.1998, Az.: V R 32/97
https://www.jurion.de/urteile/bfh/1998-01-08/v-r-32_97/
Der Bundesfinanzhof führt hier aus, dass auch dann, wenn Einnahmen auf öffentlich-rechtlichem Weg erhoben werden (-> hoheitliche Eintreibung), daraus nicht gefolgert werden kann, dass die eigentliche Tätigkeit ebenfalls hoheitlich ist. Konkret ging es beim Bundesfinanzhof um die Frage, ob ein Betrieb gewerblicher Art vorliegt, denn zu diesen gehören nach § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG Betriebe nicht, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen, sogenannte Hoheitsbetriebe.

Umgekehrt stellt der Bundesfinanzhof damit die grundsätzliche Zulässigkeit der Erhebung von öffentlichen Abgaben, auch dann wenn die eigentliche Tätigkeit nicht hoheitlich ist, nicht in Frage.

Folglich ist das Bundesverwaltungsgericht in den Rundfunkbeitragsentscheidungen insoweit nicht von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs abgewichen.
Titel: Re: Hätte BVerwG den gemeinsamen Senat der Bundesgerichte bereits anrufen müssen?
Beitrag von: gerechte Lösung am 07. April 2018, 13:00
Für meine Begriffe müssen grundlegende Fragen vorerst geklärt werden, die durch unzulässige, gesetzeswidrige Vermischung entstanden sind.

Höchstwahrscheinlich hätte das BVerwG den gemeinsamen Senat anrufen müssen?

Ich sage:
Die LRA soll eine lupenreine LRA sein!
Hoheitlich innerhalb eines jeden Bundes-Landes ohne jegliche Werbung, ohne Vermischung.
Durch Abgaben/ Gebühren finanziert und zuständig für die Grundversorgung lt. Grundversorgungsauftrag.

Andere Rundfunkanstalten des öff. Rechts dürfen sich frei entfalten, vermischen und dann eben durch Werbung, Pay-TV etc. finanziert.
Eine klare Trennung muss her.