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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: mb1 am 01. April 2017, 12:58
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Es gibt einen weiteren "Aufsatz" zum Rundfunkbeitrag. Leider liegt er mir nicht vor.
RA Dr. Hartmut Hornickel
NVwZ 2017, 118-122
Gedanken zur Rundfunkfinanzierung
Der Autor beschäftigt sich in dem Beitrag mit der Rundfunkfinanzierung. Der Ausgangspunkt seiner Betrachtung liegt in dem Umstand begründet, dass der seit 2013 geltende „Haushaltsbeitrag“ von einer nicht unerheblichen Anzahl von Menschen als nicht gerechtfertigt bzw. ungerecht empfunden und von manchem Juristen als verfassungsrechtlich zweifelhaft betrachtet wird. Zunächst fragt der Verfasser, ob es sich beim Rundfunkbeitrag um eine versteckte Steuer handele bevor er auf die „Grundversorgung“ der Bevölkerung mit Informationen durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingeht. Im Weiteren setzt er sich mit der negativen Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) sowie dem Einwand der Querfinanzierung wirtschaftlich Schwacher durch die Beitragszahler auseinander. Auch ein sog. Staatsferne-Dilemma wird vom Autor thematisiert, bevor er sich mit der Flucht ins Beitragsrecht auseinandersetzt. Zum Abschluss des Beitrags befasst sich der Autor noch mit dem Rundfunkbudget im Staatshaushalt.
https://www.jurion.de/news/354460/Hornickel-schlaegt-eine-bessere-Rundfunkfinanzierung-vor/
Kurznachricht zu "Gedanken zur Rundfunkfinanzierung" von RA Dr. Hartmut Hornickel, original erschienen in: NVwZ 2017 Heft 3, 118 - 122.
Der Autor überlegt, wie die Rundfunkfinanzierung besser gestaltet werden könnte. Denn diejenigen, die das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot nicht nutzen, halten den Beitrag nicht für gerechtfertigt und einige Juristen halten ihn für verfassungsrechtlich zweifelhaft. Der Autor meint, dass eine Finanzierung über Gebühren, Beiträge, Steuern oder ähnliche personengebundene Varianten hochgradig differenzieren müsse, um eine Diskriminierung zu vermeiden. Dafür wiederum müsse ein erheblicher bürokratischer Aufwand getrieben werden, der zu dem zu erzielenden Nutzen in einem kaum zu vertretbaren Verhältnis stünde.
Der Autor kommt daher zu dem Schluss, dass ein festes Rundfunkbudget als beschlussunabhängiger Anteil im Staatshaushalt die beste Lösung wäre. Ein Vorbild könnte die Finanzierung des EU-Haushalts sein, der nach einem festen Schlüssel aus den nationalen Haushalten gespeist werde. Zur Bemessung des Finanzierungsanteils schlägt er das Bruttonationaleinkommen vor. Bei dem gegenwärtigen Haushaltsvolumen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entspräche dies etwa 1,3 - 1,4 % des Bundes- und aller Länderhaushalte. Die Länder könnten nach dem Königsteiner Schlüssel beteiligt werden.
Dieser Beitrag wurde erstellt von RAin Beatrix Muhtz.
Der Autor (Hornickel) kommt aus Schwerin, also Einzugsgebiet RBB***. Das könnte seine Sympathie mit der Koppelung des Bruttonationaleinkommens erklären. Außerdem mutmaße ich mal, dass auch der vorangehende Teil viel Sympathie für das ausufernde System ÖR zeigt.
Vielleicht hat ja jemand die Möglichkeit, den Aufsatz zu lesen und ein paar Inhalte und Tendenzen zu kommentieren.
***Edit "Bürger":
Beachte die Hinweise im Folgekommentar. Danke für das Verständnis und die Berücksichtigung.
Hinweis auf Volltext-Veröffentlichung nunmehr weiter unten unter
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22595.msg157885.html#msg157885
Rechtspolitisches Magazin der
Arbeitsgemeinschaft der sozialdemokratischen Juristinnen und Juristen
Debattenbeiträge anlässlich der AsJ-Bundeskonferenz 2016
https://asj.spd.de/fileadmin/user_upload/ASj-Jubilaeum_A5_2016_low.pdf (2 MB)
Dort ab Seite 82 bzw. PDF-Seite 42.
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Der Autor (Hornickel) kommt aus Schwerin, also Einzugsgebiet RBB.
Das ist aber schlecht recherchiert, sofern wir ein und dasselbe Schwerin meinen, denn Schwerin ist die Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern und damit im NDR.
Der RBB umfasst bisher nur die Länder Brandenburg und Berlin.
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Yep, mein Fehler.
Als den BR bekämpfenden Münchner möge man mir das verzeihen.
War bisher immer der Meinung, der RBB wäre eine 3-Länder-Anstalt, ohne mich je damit genau zu befassen. Dabei heisst es ja "Rundfunk Berlin Brandenburg".
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Vielleicht hat ja jemand die Möglichkeit, den Aufsatz zu lesen und ein paar Inhalte und Tendenzen zu kommentieren.
Ich habe mir den Artikel durchgelesen, dank an die Uni-Bibliothek für den kostenfreien Volltext! :)
Der Autor fasst einige der wesentlichen Argumente gegen den Zwangsbeitrag zusammen, insbesondere zu den Themen "Grundversorgung vs. 90 Sender", "Verletzung der Informationsfreiheit", "Unsozial", "kein Beitrag, sondern Wohnungssteuer".
Es kommt zum Ergebnis,
Überzeugend ist das nicht.
und
Wenn das BVerfG sich treu bleibt, kann es diese Argumentation, die noch einer vor-digitalen Informationswelt zu entstammen scheint, nicht ernsthaft gelten lassen.
Vorschlag ist dann
Nach alledem wird deutlich, dass die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten über Gebühren, Beiträge, Steuern oder ähnliche personengebundene Modelle zur Vermeidung von Diskriminierung hochgradig differenzieren muss. Um dies zu gewährleisten, müsste ein erheblicher technischer und bürokratischer Aufwand betrieben werden, der zu dem zu erzielenden Nutzen in einem kaum noch vertretbaren Verhältnis stünde.
Dies ließe sich vermeiden, wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus öffentlichen Mitteln finanziert würden, die dem Einfluss politischer Institutionen wie der Haushaltsgesetzgeber weitestgehend entzogen wären. Vorbild könnte die Finanzierung des Haushaltes der Europäischen Union sein, der nach einem festen Schlüssel aus den nationalen Haushalten gespeist wird, ohne dass die nationalen Parlamente über die jeweilige Höhe beschließen können. [...]
Wenn das gegenwärtige Haushaltsvolumen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – also etwa 1,3–1,4????% des Bundes- und aller Länderhaushalte – beibehalten werden soll, müssten die entsprechenden prozentualen Anteile – zB in einem Zehn-Jahres-Durchschnitt – am BNE, die von Bund und Ländern aufzubringen wären, als feste, nicht Beschluss-abhängige Haushaltsposten im Bundeshaushalt sowie in den Länderhaushalten durch das Grundgesetz oder durch Staatsvertrag von Bund und Ländern festgelegt werden. Die Länder könnten nach dem Königsteiner Schlüssel beteiligt werden.
Bei einem solchen Verfahren ergäbe sich eine zwar konjunkturabhängige, aber politisch unabhängige Haushaltsgröße, die so gut wie gar keinen Erhebungsaufwand verursacht, weder eine Einzelfallbetrachtung erfordert noch irgendjemanden diskriminiert. Es käme eine einkommens- und bedarfsgerechte Rundfunkfinanzierung zu Stande, weil der gesamte Haushalt aus dem allgemeinen Steueraufkommen abgeführt wird, ohne dass auf den Umfang und die Verteilung der Mittel politisch Einfluss genommen werden könnte. Rechtliche Graubereiche und Schlupflöcher sowie juristische Spitzfindigkeiten blieben außen vor. Es wäre etwa nicht mehr notwendig, die Rundfunkempfangsmöglichkeit als Leistung zu definieren. Die Informations- und Medienfreiheit würde schließlich um die freie Informations- und Mediennutzung im Sinne einer aufgeklärten Gesellschaft erweitert und der weiter fortschreitenden Digitalisierung Rechnung getragen.
Hm. Das ist für mich nur nachvollziehbar, wenn es dann eine echte Grundversorgung wird, und eben nicht "das gegenwärtige Haushaltsvolumen beibehalten wird."
Mein Fazit: Lesenswert, aber in der Schlussfolgerung noch nicht ganz durchdacht.
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Ich habe mir den Artikel durchgelesen,...
Der Autor fasst einige der wesentlichen Argumente gegen den Zwangsbeitrag zusammen, insbesondere zu den Themen "Grundversorgung vs. 90 Sender", "Verletzung der Informationsfreiheit", "Unsozial", "kein Beitrag, sondern Wohnungssteuer".
Was schreibt er denn zur "Grundversorgung"?
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Was schreibt er denn zur "Grundversorgung"?
Das Thema wird im dritten Abschnitt unter dem Titel "Der weltweit teuerste Rundfunk – eine "Grundversorgung" an Informationen?" auf Seite 119 behandelt. Dort fragt sich der Autor mit Hinweis auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF,
ob es für jeden Informationsbedarf und für jeden Unterhaltungsgeschmack eines öffentlich-rechtlichen Konkurrenzprogramms bedarf, das möglichst den privat finanzierten Sendungen die Teilnehmer abjagt und das im Ergebnis die Kosten der öffentlich finanzierten Programmvielfalt in die Höhe treibt. Nur ein Beispiel zu dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass der Profi-Fußball astronomische Spielergehälter und Ablösesummen (auch) aus Einnahmen bezahlt, die aus Übertragungslizenzen der öffentlichen Rundfunkanstalten herrühren – also aus den Beitragseinnahmen. Vielleicht fühlen sich deshalb öffentlich-rechtlich finanzierte Sender zu Trainer- oder Spieler-Interviews verpflichtet, deren Nachrichten- oder Bildungswert gegen Null tendiert und häufig eher peinlich und abträglich auf die Sprachkompetenzen der Zuschauer bzw. -hörer wirkt.
Diese Reihe ließe sich fortsetzen. Deshalb ist zweifelhaft, ob eine solche Gemeinwohlaufgabe ausschließlich über eine Sonderlast (und aus Werbung) finanziert werden darf und weiter, ob sich eine solche "Grundversorgung" leisten darf, das weltweit teuerste öffentlich-rechtliche Rundfunksystem zu unterhalten. Das gilt insbesondere unter dem Aspekt, dass trotz des Grundversorgungsanspruchs die politische Berichterstattung öffentlich-rechtlicher Medien – also die Wahrnehmung ihrer ureigensten Aufgabe – gelegentlich derart lückenhaft erfolgt, dass Internet und ausländische Medien die bessere Informationsquelle bieten.
Insofern ein durchaus lesenswerter Aufsatz, der nicht an Kritik am bisherigen System spart.
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Klare Worte findet Hornickel auch zum Thema der Verletzung der negativen Informationsfreiheit. Dieser Aspekt wird zwar nur kurz aber bündig im vierten Abschnitt abgehandelt:
IV. Rundfunkbeitrag und negative Informationsfreiheit
Der Rundfunkbeitrag beeinträchtigt die negative Informationsfreiheit aus Artikel 5 Absatz I 1 GG. Sie schließt das Recht ein, keine bestimmte Informationsquelle fördern zu müssen. Ein Beitragspflichtiger wird gezwungen, die Verbreitung fremder Auffassungen zu unterstützen. Die Gewöhnung der Rechtsprechung an die bisherige Gebührenfinanzierung mit der Möglichkeit, kein Empfangsgerät zu unterhalten und damit auch nicht gebührenpflichtig zu werden, verstellt ihr offenbar den Blick auf dieses Problem. Das wird deutlich, wenn man das Beitragsmodell auf die privaten Printmedien überträgt. Denn "ein gesetzlich angeordnetes Zwangsabonnement einer Tageszeitung würde wohl niemand für mit der Informationsfreiheit vereinbar halten" [so Meßerschmidt, in: DÖV 2016]. Ähnliches gilt für einen einkommensschwachen Beitragspflichtigen, der kein Geld für ein Empfangsgerät hat und nun seine Tageszeitung abbestellen muss, um den Rundfunkbeitrag zu bezahlen.
Das Zitat ist dem Aufsatz von Klaus Meßerschmidt: Rundfunkbeitragsrechtsprechung als Herausforderung des Abgabenrechts, in: Die Öffentliche Verwaltung, Band 69, 2016, Heft 7, entnommen, der bereits hier im Forum diskutiert wurde:
"Rundfunkbeitragsrechtsprechung als Herausforderung d. Abgabenrechts" DÖV 2016/7
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19022.0.html
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Und noch ein kleiner Nachtrag zum Autor. In der ersten Fußnote des Aufsatzes steht zu lesen, er sei
Rechtsanwalt in Schwerin und Ministerialrat a.D.
Also noch ein "Ministerialrat a.D.", der sich kritisch zum Rundfunkbeitragssystem äußert. Interessant auch, dass die hohen Staatsbeamten "a.D." offenbar gerne nach ihrem Staatsdienst den Beruf des Rechtsanwalts ergreifen.
Wer in der ein oder anderen Drucksache recherchiert, kommt zu dem Ergebnis, dass Dr. Hornickel wohl als Ministerialrat im Mecklenburgischen Ministerium für Landwirtschaft und Naturschutz tätig war.
Derzeitige Anschrift findet sich hier:
https://www.anwalt-suchservice.de/nam/hornickel_hartmut_schwerin.html
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Vielen Dank für diesen Einblick in den Aufsatz an brverweigerer und LECTOR.
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Und für diejenigen, die mehr als nur einen kurzen Einblick nehmen und den ganzen Aufsatz lesen möchten, hier der Hinweis auf die Bibliotheken, welche die Zeitschrift mit dem Aufsatz vorhalten:
http://gso.gbv.de/DB=2.1/PPNSET?PPN=88238368X
Hornickel, Hartmut: Gedanken zur Rundfunkfinanzierung, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht [NVwZ], Band 36, Jahrgang 2017, Heft 3, Seite 118-122.
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Für diejenigen, die den gesamten Aufsatz gleich jetzt direkt lesen wollen:
Rechtspolitisches Magazin der
Arbeitsgemeinschaft der sozialdemokratischen Juristinnen und Juristen
Debattenbeiträge anlässlich der AsJ-Bundeskonferenz 2016
https://asj.spd.de/fileadmin/user_upload/ASj-Jubilaeum_A5_2016_low.pdf (2 MB)
Dort ab Seite 82 bzw. PDF-Seite 42.
Danke an die SPD für die Bereitstellung.
Edit "Bürger": Danke für den Fund.
Link-Infos ergänzt. Bitte immer und überall die Forum-Regeln (https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,5770.0.html) zur Verlinkung beachten und die erforderlichen Informationen zu Titel, Inhalt, Datum etc. beisteuern.
Danke für das Verständnis und die zukünftige Berücksichtigung.
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@mb1
Besten Dank, ist im Browser schon geöffnet.
Diese PDF ist übrigens aus 2016.