gez-boykott.de::Forum

Aktuelles => Aktuelles => Thema gestartet von: cook am 21. Dezember 2016, 11:54

Titel: EuGH: Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig
Beitrag von: cook am 21. Dezember 2016, 11:54
EuGH, Pressemitteilung, 21.12.2016
Die Mitgliedstaaten dürfen den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste keine allgemeine Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung auferlegen
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2016-12/cp160145de.pdf

Zitat
Was den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den gespeicherten Daten betrifft, bekräftigt der Gerichtshof, dass sich die betreffende nationale Regelung nicht darauf beschränken darf, zu verlangen, dass der Zugang einem der in der Datenschutzrichtlinie genannten Zwecke dienen muss – auch wenn es sich bei diesem Zweck um die Bekämpfung schwerer Straftaten handelt –, sondern außerdem die materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den gespeicherten Daten festzulegen hat.

Zitat
Außerdem müssen die zuständigen nationalen Behörden, denen Zugang zu den gespeicherten Daten gewährt wurde, die betroffenen Personen davon in Kenntnis setzen

Man sieht wieder einmal mehr, dass der deutsche Gesetzgeber das europäische Datenschutzrecht nicht versteht bzw. nicht verstehen will.

Was der EuGH wohl dazu sagen würde, dass


Edit "Bürger": Gesammelte Auswahl an Threads zu diesem Thema:
EuGH C-140/20 - Allgemeine Vorratsdatenspeicherung unzulässig
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35999.0
EuGH C-793/19 - Allgemeine Vorratsdatenspeicherung ist unionsrechtswidrig
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35775.0
EuGH C-793/19 (DSGVO) Anlasslose Vorratsdatenspeicherung unionsrechtswidrig
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36479.0
EuGH C-511/18 - Vorratsdatenspeicherung unionsrechtswidrig
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=34364.0
Verfassungsgericht zweifelt an der Vorratsdatenspeicherung (01/2018)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=25919.0
Oberverwaltungsgericht NRW > Vorratsdatenspeicherung ist europarechtswidrig (06/2017)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=23507.0
EuGH: Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig (12/2016)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=21401.0
Vorratsdatenspeicherung: Europas Richter greifen durch (04/2014)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=8960.0
Titel: Re: EuGH: Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig
Beitrag von: sergal am 21. Dezember 2016, 13:46
(http://www.faz.net/img/fazlogo_ressort.png)
Bildquelle: http://www.faz.net/img/fazlogo_ressort.png

Frankfurter Allgemeine, 21.12.16

Vorratsdatenspeicherung ohne Anlass nicht zulässig
Zitat
Der Europäische Gerichtshof hat die anlasslose Vorratsdatenspeicherung gekippt. Sie sei ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, heißt es in dem Urteil. Ausnahmen sind aber möglich.

[...] Sie lasse „sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben“ der Menschen zu, urteilte der EuGH in einem Mittwoch in Luxemburg verkündeten Urteil.
Der Grundrechtseingriff, der mit einer nationalen Regelung einhergehe, die die Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsehen, sei somit als besonders schwerwiegend anzusehen.

Den Luxemburger Richtern zufolge greift die Speicherung von Telekommunikationsdaten so sehr in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens ein, dass die Datenspeicherung „auf das absolut Notwendige“ beschränkt werden muss. Eine gezielte Vorratsspeicherung von Daten zur Bekämpfung schwerer Straftaten sei aber zulässig. Entsprechende Gesetze müssten dazu „klar und präzise sein und Garantien enthalten, um Daten vor Missbrauchsrisiken zu schützen“. [...]

Weiterlesen hier: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eugh-kippt-anlasslose-vorratsdatenspeicherung-14585836.html
Titel: Re: EuGH: Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig
Beitrag von: KlarSchiff am 21. Dezember 2016, 14:12
Was der EuGH wohl dazu sagen würde, dass
  • Einwohnermeldedaten ohne Zustimmung der Betroffenen an den Beitragsservice herausgegeben werden,
  • die Betroffenen von der Weitergabe der Daten nicht unterrichtet werden, und
  • Daten von Rundfunk-Nicht-Teilnehmern an private Inkassofirmen ohne Zustimmmung / Unterrichtung herausgegeben werden?

wie konstruieren wir nun für unsere Belange einen Bezug auf den Meldedatenabgleich?. Das Urteil bezieht sich doch auf elektronische Kommunikationsdienste wie in der Überschrift ???
Titel: Re: EuGH: Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig
Beitrag von: cook am 21. Dezember 2016, 14:31
wie konstruieren wir nun für unsere Belange einen Bezug auf den Meldedatenabgleich?. Das Urteil bezieht sich doch auf elektronische Kommunikationsdienste wie in der Überschrift ???

Der EuGH bezieht sich wieder auf die Grundrechte (der EU-Charta). D.h. die Ausführungen könnten als generelles Rechtsprinzip aufzufassen sein, das sich auch auf die Sammlung von Einwohner-Melde-Daten, Adresshandelsdaten und die Wer-wohnt-mit-wem-zusammen-Daten  ;) beziehen lassen könnte.

Genaueres wird man erst nach Auswertung der Urteilsgründe sagen können.
Titel: Re: EuGH: Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig
Beitrag von: pinguin am 21. Dezember 2016, 17:47
Das Urteil EuGH C-203/15 nimmt ausdrücklich auch Bezug auf die Artikel 7, 8 und 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; in vollem Wortlaut hier: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=186492&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=646028

Rz 112
Zitat
In Anbetracht all dessen ist auf die erste Frage in der Rechtssache C?203/15 zu antworten, dass Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 im Licht der Art. 7, 8 und 11 sowie des Art. 52 Abs. 1 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die für Zwecke der Bekämpfung von Straftaten eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung sämtlicher Verkehrs- und Standortdaten aller Teilnehmer und registrierten Nutzer in Bezug auf alle elektronischen Kommunikationsmittel vorsieht.
Nur zur Bekämpfung schwerer Straftaten ist eine Voratsdatenspeicherung überhaupt und auch nur selektiv zulässig.

Rz 94
Zitat
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 52 Abs. 1 der Charta jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten muss. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen der Ausübung dieser Rechte und Freiheiten nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen (Urteil vom 15. Februar 2016, N., C?601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 50).
Die Einschränkung der in der Charta vorgesehen Grundrechte müssen:
- gesetzlich vorgesehen sein,
- erforderlich sein,
- sich auf das minimal Nötige beschränken,
- verhältnismäßig sein,
- den von der Union anerkannten gemeinwohldienenden Zielsetzungen entsprechen,

Rz. 93
Zitat
[...]Dieses in Art. 11 der Charta gewährleistete Grundrecht stellt eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft dar, die zu den Werten gehört, auf die sich die Union nach Art. 2 EUV gründet[...]
Titel: Re: EuGH: Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig
Beitrag von: Bürger am 07. September 2023, 23:02
Querverweis aus aktuellem Anlass...
Nach EuGH-Urteil - BVerwG erklärt Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig (09/2023)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37464.0