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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: Quietus am 28. August 2016, 08:48

Titel: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 28. August 2016, 08:48
Edit "Bürger":
Aus aktuellem Anlass der aufgrund der Bundesverwaltungsgerichts-Entscheidungen vom März und Juni 2016 von ARD-ZDF-GEZ augenscheinlich im Akkord ausgestellten WiderspruchsBESCHEIDe sowie auch von den Gerichten wieder aufgenommenen, bislang ruhendgestellten oder "liegengebliebenen" Verfahren siehe bitte u.a. auch unter

Klagegründe/ Argumente/ Vorgehen nach BVerwG März und Juni 2016 [Sammelthread]
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19787.0.html


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Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Neue Juristische Wochenschrift (NJW) Heft 35/2016. 25.08.2016. Seite 2535-2540.
https://rsw.beck.de/cms/?toc=NJW.202


Mir liegen Kopie und PDF vor, aber PDF anhängen wäre wohl nicht erlaubt?
Wer auf den Link klickt, kriegt einen Hinweis auf beck--online.treffer, und da steht Euro 0,00

Lese mich gleich als Frühstückslektüre da durch.

Zitat
VIII. Fazit

Nach allem kann das ergangene Urteil des BVerwG weder die "Rundfunkverweigerer" noch den um juristische Strukturen bemühten Leser überzeugen. Die oft nicht realitätsnahe verfassungsrechtliche "Rundfunkphilosophie" hat nur ein neues Kapitel erhalten.

Die Klageschrift - siehe unter
Mein unbegründeter Klageantrag
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19267.0.html
ist nach wie vor in Arbeit, geht Mitte nächster Woche raus.

Gruß
Quietus
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: ChrisLPZ am 28. August 2016, 09:25
Hallo Quietus,
vielen Dank für den Literaturhinweis.
Vielleicht könntest du nach der Frühstückslektüre einige wichtige Aussagen der Abhandlung hier zitieren.

Zum Autor Dr. Martin Pagenkopf:

Zitat
Martin Pagenkopf (* 1944 in Potsdam) ist ein deutscher Jurist und ehemaliger Richter am Bundesverwaltungsgericht.
[..]
https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Pagenkopf

Zitat
Dr. Martin Pagenkopf hat nach dem Studium in Bonn (dort Promotion 1978) und Heidelberg als Richter am VG Köln ab 1973, danach als Richter am OVG NRW und als Referent und Referatsleiter im Bundesministerium für Justiz für die VwGO und der FGO (1979-1989) und als Richter am BVerwG (1989-2009) sowie als Lehrbeauftragter an der Universität Leipzig das Verwaltungsrecht in fast allen Kerngebieten, das Verwaltungsprozessrecht und das Verfassungs- und Europarecht betreut.

Seit Februar 2010 ist Dr. Martin Pagenkopf Rechtsanwalt zugelassen und seit Mai 2011 bei CBH im Verwaltungs-, Wirtschaftsverwaltungs-, Glücksspiel-, Verfassungs- und Staatshaftungsrecht tätig.
[..]
http://www.cbh.de/Anwaelte/Geistiges-Eigentum-Medien/Dr.-Martin-Pagenkopf
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 28. August 2016, 10:20
Zugleich Besprechung von Urteil BVerwG 18.3.2016 - 6 C 6/15
http://www.bverwg.de/entscheidungen/verwandte_dokumente.php?ecli=180316U6C6.15.0

Abstract (Seite 2535):

Zitat
Mit dem Urteil vom 18.3.2016 hat das BVerwG (NVwZ 2016, 1081) die zwangsweise Heranziehung der Wohnungsinhaber zu einer Rundfunkabgabe im seit 1.1.2013 geltenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gebilligt. Der Rundfunkbeitrag stelle eine Gegenleistung für den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit dar, der den Wohnungsinhabern individuell zumutbar sei, da Wohnungen nahezu vollständig mit Rundfunkempfangsgeräten ausgestattet seien. Mit dieser die Wohnungsinhaber belastenden Abgabe ist die bisherige gerätebezogene Rundfunkgebühr ersetzt und ein wohnungsbezogener Rundfunkbeitrag geschaffen worden, angeblich um die Belastungsgleichheit der Rundfunkteilnehmer zu wahren. Der Autor zeigt auf, dass das Urteil mehr Fragen aufwirft, als es überzeugende Antworten gibt.

Fortsetzung folgt ...
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 28. August 2016, 10:38
In I. Ausgangslage:

Zitat
Der in der mündlichen Verhandlung vor dem  BVerwG am 18.3.2016 zum Ausdruck kommende Ansatz, dass sich bereits aus den vier großen Rundfunk-Urteilen des BVerfG die Möglichkeit der Heranziehung zu einer Rundfunkabgabe allein für den Vorteil einer „Rundfunkempfangsmöglichkeit“ ergebe, ist durchaus problematisch. Insbesondere ist die Anknüpfung an die jeweiligen Wohnungsinhaber, die schlicht mit – realen oder potenziellen -  Rundfunkempfängern gleichgesetzt werden, bisher nicht Gegenstand einer verfassungsrechtlichen Prüfung gewesen.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 28. August 2016, 11:23
In II. Der Rundfunkbeitrag als angeblich „nichtsteuerliche Abgabe“.
1. Innehaben einer Wohnung


Zitat
Das BVerfG hält einen Steuertatbestand ebenso wie bei der früheren Rundfunkgebühr für ausgeschlossen, da die Möglichkeit abgegolten werde, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme zu empfangen, und zwar in der Wohnung als „typischem Ort des Rundfunkempfangs“ (Urteil Rn. 14). So lässt sich aber ein Steuertatbestand kaum verneinen. Denn als Anknüpfungsmerkmal einer Steuer als Gemeinlast kann jede Innehabung einer Wohnung dienen. Irgendeinen Bezug zu einer Wohnung, einem Grundstück etc. kann das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem nicht haben. Ein für einen Beitrag typischer individualisierbarer Vorteil kann für die Wohnungsinhaber und -nutzer nicht begründet werden. Ein innerer Zusammenhang zwischen der Beitragszahlungspflicht und dem Besitz einer Wohnung oder eines Betriebs besteht von vornherein nicht. Zweck der flächendeckenden Rundfunkabgabe ist es zudem, dass jeder Haushalt oder jeder Betrieb zur Entgeltzahlung herangezogen werden soll, da „der private Bereich mit Rundfunkempfangsräten von rund 100 %“ durchdrungen sei. Ein individualisierbarer oder gar individueller Vorteil – für die Annahme eine Vorzugslast wesentlich – fehlt damit.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 28. August 2016, 12:04
In II. Der Rundfunkbeitrag als angeblich „nichtsteuerliche Abgabe“.
2. Keine Einstellung des Beitragsaufkommens in die Landeshaushalte


Zitat
Auch die Erwägung des BVerwG, das Beitragsaufkommen werde nicht in die Landeshaushalte eingestellt (Urteil Rn. 15) trägt zur Verneinung eines Steuertatbestands nicht bei. Das erkennt das Gericht an anderer Stelle durchaus, wenn es dahingestellt sein lässt, „ob die Länder den auf diese Weise festgestellten Finanzbedarf der Rundfunkanstalten im Haushalt bereitstellen, das heißt den Rundfunkanstalten staatliche Zuschüsse aus Steuermitteln gewähren dürfen“ (Urteil Rn. 24). Eine solche Steuerfinanzerung liegt auch besonders nahe, weil die nach dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag eingerichtete Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) die finanziellen Vorstellungen der Rundfunkanstalten eigenständig und unabhängig davon überprüft, ob sie sich im Rahmen des Rundfunkauftrags bewegen, wozu die Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gehört.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 28. August 2016, 12:14
In II. Der Rundfunkbeitrag als angeblich „nichtsteuerliche Abgabe“.
3. Belastungsgleichheit der Steuerpflichtigen und Steuerertragshoheit


Zitat
Die Ablehnung eines Steuertatbestands ist auch deshalb wenig plausibel begründet, als unter Rn. 16 des Urteils auf einmal auf die „Belastungsgleichheit der Steuerpflichtigen“ aus Art. 3 GG und die „Steuerertragshoheit“ nach Art. 105 ff. GG hingewiesen wird.

Benennt in diesem Zusammenhang weiterhin Rn. 27 und Rn. 32.

Zitat
Man kann nicht einen Steuertatbestand verneinen, dann aber zugleich auf steuerrechtliche Grundsätze zurückgreifen.

Der Artikel war als Frühstücklektüre zuviel  ;-)  Fortsetzung folgt.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 28. August 2016, 13:18
In II. Der Rundfunkbeitrag als angeblich „nichtsteuerliche Abgabe“.
4. Möglichkeit des Empfangs als „besondere Leistung“

Zitat
Eine weitere ungeklärte Frage ist zudem, ob die Möglichkeit des Empfangs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einer Wohnung bereits eine „besondere Leistung“ darstellt. Wenn bereits die potenzielle Leistung einer realen Leistung gleichgestellt wird, erfolgt eine erhebliche Ausweitung des abgabenrechtlichen Leistungsbegriffs.

Fortsetzung folgt nachher ...

Kann irgendjemand absehen, was von diesen Argumenten durch die Urteile vom 15.06. erledigt ist?
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: cook am 28. August 2016, 13:52
Kann irgendjemand absehen, was von diesen Argumenten durch die Urteile vom 15.06. erledigt ist?

Nichts. Die Urteile sind fast wortgleich. Nur die Rn. 8 wurde ergänzt und 9 und 27 sind neu. Sie enthalten ein paar Sätze zur Normenklarheit, die ebensowenig überzeugend sind wie der ganze Rest. Und ein neuer Richter ist dabei, der aber wohl auch nur blind unterschrieben hat.

Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Knax am 28. August 2016, 14:47
Wenn der Rundfunkbeitrag eine Gegenleistung, d.h. ein Entgelt, wäre, warum unterliegt er dann nicht der Umsatzsteuer?

Die Rundfunkanstalten sind Einrichtungen der jeweiligen Bundesländer. Sie sind Betriebe wirtschaftlicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Sie treten mit anderen Rundfunkunternehmen in eine Konkurrenzbeziehung. Diese Voraussetzungen führen zur Umsatzsteuerpflicht. Aber noch nicht einmal die Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht ist im Umsatzsteuerrecht für die Sendeleistungen der Rundfunkanstalten geregelt. Warum? Weil die Rundfunkabgabe zu keinem Zeitpunkt Entgeltcharakter hatte. Das Schweigen des Umsatzsteuerrechts ist ein weiterer Sargnagel für die Argumentation des Entgeltcharakters des Rundfunkbeitrags.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 28. August 2016, 16:47
In III. Keine Zuordnung des Rundfunkbeitrags zu den abgabenrechtlichen Typen
1. Kein Vorliegen einer Gebühr im Sinne des Abgabenrechts


Zitat
Ohne sich an die weiteren abgebenrechtlichen Typen wie Gebühr, Beitrag oder Sonderabgabe zu halten, zieht sich das BVerwG auf den Begriff einer „nichtsteuerlichen Abgabe“ zurück (Urteil Rn. 16). Dieser Rückzug wird leicht verständlich, denn es liegt keine Gebühr im Sinne des allgemeinen Abgabenrechts vor.

Verfasser führt aus, dass es sich weder um eine Benutzungs- noch um eine Verwaltungsgebühr handelt.

2. Kein Vorliegen eines Beitrages im Sinne des Abgabenrechts

Die frühere gerätebezogene Gebühr konnte als eine beitragsähnliche Vorzugslast gewertet werden. Auch damals war aber nicht präzis abgabenrechtlich zugeordnet.

Auch der 6. Senat des BverwG entzieht sich einer präzisen Zuordnung.
Zitat
Im beitragsrechtlichen Sinne stellt die bloße Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keinen individualisierbaren wirtschaftlichen Vorteil dar.

3. Annahme einer unspezifischen nichtsteuerlichen Abgabe
Zitat
Mit der  Annahme des schillernden Begriffs einer unspezifischen nichtsteuerlichen Abgabe erspart sich das BVerwG eine Auseinandersetzung mit diesem wesentlichen Merkmal eines Beitrags.

Verfasser führt aus, die Argumentation des BVerwG sei brüchig, da

Zitat
… die unterschiedlichen Rechtsfiguren des Abgabenrechts nicht hinreichend voneinander abgegrenzt werden.

Das BVerwG bejahe einen konkret nutzbaren Gegenwert, indem es

Zitat
… auf die Wahrscheinlichkeit der „Inanspruchnahme eine Nutzungsmöglichkeit“

abstelle.

Zitat
Eine Diskrepanz zwischen Inanspruchnahme, die sich an realen Verhältnissen orientiert, und einer bloßen Nutzungsmöglichkeit wird eingeebnet.

4. Keine Sonderabgabe


Uffz. Das ist materialreicher als ich dachte. Fortsetzung folgt ...
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 28. August 2016, 17:20
4. Keine Sonderabgabe

Zitat
Mit der weiteren Rechtsfigur der nichtsteuerlichen Abgabenarten, der Sonderabgabe, musste sich das BVerwG nicht befassen.

Warum? Weiß das jemand?

Verfasser betrachtet es aber als hilfreich, eine Blick darauf zu werfen. Die Zulässigkeit der Sonderabgabe habe das BVerwG geklärt. Es gehe hier um den bestimmten Sachzweck, der über eine Mittelbeschaffung hinausgeht.

Das kommt mir bekannt vor …

Zitat
Das hat aber immer zur Voraussetzung, dass eine homogene Gruppe anzutreffen ist und diese überhaupt in die Finanzierungsverantwortung genommen werden kann. Die betreffende Gruppe muss durch eine vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen unterscheidbar sein. Nur diese Besonderheiten rechtfertigen dann die Erhebung von Sonderabgaben. Im Umkehrschluss kann daraus entnommen werden, dass es wohl für eine homogene Gruppe der Rundfunkverweigerer keine Abgabenpflicht geben kann.

Also, ist das Juristenhumor? Oder verwertbar?     >:D

To be continued ...
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: marga am 28. August 2016, 17:38
Wenn der Rundfunkbeitrag eine Gegenleistung, d.h. ein Entgelt, wäre, warum unterliegt er dann nicht der Umsatzsteuer?

Die Rundfunkanstalten sind Einrichtungen der jeweiligen Bundesländer. Sie sind Betriebe wirtschaftlicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Sie treten mit anderen Rundfunkunternehmen in eine Konkurrenzbeziehung. Diese Voraussetzungen führen zur Umsatzsteuerpflicht. Aber noch nicht einmal die Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht ist im Umsatzsteuerrecht für die Sendeleistungen der Rundfunkanstalten geregelt. Warum? Weil die Rundfunkabgabe zu keinem Zeitpunkt Entgeltcharakter hatte. Das Schweigen des Umsatzsteuerrechts ist ein weiterer Sargnagel für die Argumentation des Entgeltcharakters des Rundfunkbeitrags.

Auch hier in der Saarländischen Verfassung wird die Finanzierung/Entgeltfunktion nicht angesprochen und definiert.
Lediglich auf Seite 328 findet sich folgendes:
Zitat:
>>Die Finanzierung öffentlicher Aufgaben, zu denen auch die in Form von
Ehrenämtern wahrgenommenen Aufgaben gehören, hat grundsätzlich aus dem
Ertrag der in Art. 105 ff. GG ( https://dejure.org/gesetze/GG/105.html ) geregelten Einnahmequellen zu erfolgen.
Außer-
steuerliche Lastenzuteilungen in Form einer Inpflichtnahme der Unternehmen
beeinträchtigen die durch das Steuersystem anzustrebende gerechte Lastenvertei-
lung (BVerfGE 55, 274, 303). Das Bundesverfassungsgericht beruft sich inso-
fern auf eine „grundrechtliche Garantiefunktion der Finanzverfassung und der
Sonderabgaben-Rechtsprechung (Belastungsgleichheit der Bürger)“. Diese gilt
nach der Rechtsprechung des Gerichts „auch für Sonderabgaben der Länder;
anderenfalls stünde letzteren ein allgemeiner Zugriff auf das begrenzte Leis-
tungsvermögen der Bürger zu
." (BVerfGE 92, 91, 115 f.; vgl. hierzu auch Eli-
cker, Der Grundsatz der Lastengleichheit als Schranke der Sonderabgaben,
Inpflichtnahmen und Dienstleistungspflichten, NVwZ 2003, S. 304).<<

12 Das Grundgesetz definiert nicht, was Rundfunk ist, sondern setzt ihn voraus. In
Art. 5 (Anmerkung einer fiktiven Person: Gemeint ist nicht Art. 5 GG sondern der Artikel 5 der Saarländischen Verfassung ab Seite 119 Link: https://www.verfassungsgerichtshof-saarland.de/Kommentar%20SVerf%20(Endfassung%2022-06-09).pdf )
ist der Rundfunk wie gezeigt noch nicht einmal ausdrücklich genannt, es
muss jedoch trotzdem ermittelt werden, was verfassungsrechtlich dem Rundfunk
unterfällt. Dabei ist der besonderen Rolle des Rundfunks und seiner Bedeutung
für die Demokratie Rechnung zu tragen
. Er ist Medium und Faktor der öffentlichen
Meinungsbildung. Daraus leitet das BVerfG ab, dass es eine erschöpfende
Definition dessen, was Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne bedeutet,
nicht gibt
(BVerfGE 74, 297, 350). Der Gehalt des Rundfunkbegriffs kann sich
vielmehr wandeln (BVerfGE 73, 118, 154 f.; 74, 297, 350). Von solch einem
dynamischen Rundfunkbegriff ist auch im Rahmen des Art. 5 auszugehen, um
eine Entwicklungsoffenheit zu gewährleisten. Folgende Elemente sind – Anhaltspunkte
dafür bietet der in § 2 RStV verwendete Rundfunkbegriff, der allerdings
im Hinblick auf seine einfachgesetzliche Herkunft nicht ohne weiteres auf
die verfassungsrechtliche Ebene übernommen werden kann – für den verfassungsrechtlichen
Rundfunk von Relevanz
: Die Bestimmung an die Allgemeinheit,
die fernmeldetechnische Verbreitung und die Darbietung. Für die Allgemeinheit
bestimmt ist eine Sendung oder Darbietung dann, wenn sie sich an
einen unbestimmten Personenkreis, also an eine beliebige Öffentlichkeit richtet

(Hoffmann-Riem, AfP 96, 10). Das Merkmal der fernmeldetechnischen Verbreitung
stellt auf die technische Seite ab, es muss die Technik des Funks verwendet
werden, also unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen längs oder
mittels eines Leiters oder ohne Verbindungsleitung ausgestrahlt werden (Hartstein/
Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 2 RStV, Rdn. 7). Darbietungen sind nur solche
Kommunikationsangebote, die zur öffentlichen Meinungsbildung bestimmt oder
wenigstens geeignet sind (Dörr in: Dittmann/Fechner/Sander, S. 125).

13 a) Dienende Funktion und Ausgestaltungsbedürftigkeit. Ausgehend vom
Gedanken des Rundfunks als Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung
wird die Rundfunkfreiheit nach der Rechtsprechung des BVerfG als eine
„dienende Freiheit“ verstanden (erstmals im FRAG-Urteil, BVerfGE 57, 295,
320). Als solche betrifft sie die massenkommunikativen Prozesse zwischen der
Meinungsfreiheit und der Informationsfreiheit und nimmt insoweit eine Brückenfunktion
ein (Jarass, AfP 98, 133). Die Rundfunkfreiheit dient der Aufgabe,
eine freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk zu gewährleisten
(BVerfGE 57, 295, 320), sichert also die Informationsfreiheit und damit auch
die Funktionsfähigkeit der Demokratie
. Aus dieser dienenden Funktion der
Rundfunkfreiheit folgt nach Ansicht des BVerfG ein einfachgesetzlicher Ausgestaltungsvorbehalt,
mit dem sichergestellt werden soll, dass ein freier, d.h. umfassend
und ausgewogen informierender Rundfunk gewährleistet wird.

Nimmt man die neuere Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK in den
Blick, so wird deutlich, dass der Straßburger Gerichtshof zwar die Rundfunkfreiheit
– wie hier an anderer Stelle bereits erläutert – als Teil der Meinungsäußerungsfreiheit
in Art. 10 EMRK individualrechtlich versteht. Er hat aber den Gedanken
der „dienenden Funktion“ der Medien für die Demokratie und die Informationsfreiheit
an anderer Stelle, nämlich bei Art. 10 Abs.2 EMRK ( https://dejure.org/gesetze/MRK/10.html ) aufgegriffen und nutzbar gemacht. Er betonte die Notwendigkeit, den Medienpluralismus zu
sichern. Der EGMR berücksichtigt somit die gesellschaftlich-kulturelle und
politisch-demokratische Dimension der Medien, wenn auch im Rahmen der
Schrankenbestimmung
(vgl. Heer-Reißmann in: Dörr/Kreile/Cole, Handbuch
Medienrecht, S. 26 f.). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH stellt die Aufrechterhaltung
eines pluralistischen Rundfunk- und Fernsehwesens im Hinblick
auf Art. 10 Abs. 2 EMRK ein zwingendes Allgemeininteresse dar, das Beschränkungen
der Grundfreiheiten zu rechtfertigen vermag
(vgl. EuGH, Slg.
1991, I-4007, Rdn. 22; Slg 1997, I-3689, Rn 18, 26; Dörr in: Dörr/Kreile/Cole,
Handbuch Medienrecht, S. 36.).
b) Ausgestaltung nach der Konzeption der saarländischen Landesverfassung.
Nach der Konzeption der saarländischen Landesverfassung ist es angesichts
deren Ähnlichkeit mit Art. 10 EMRK naheliegend, den Gedanken der
Sicherung der Medienvielfalt nicht mittels der Ausgestaltungsdogmatik, sondern
ebenfalls erst bei den Schranken aufzugreifen. Damit wird nicht etwa der
Grundrechtsschutz im Vergleich zum Grundgesetz notwendig verkürzt, was im
Hinblick auf Art. 142 GG nicht hingenommen werden könnte. Es geht nicht um
ein mehr oder weniger an Grundrechtsschutz, sondern um einen anderen Weg,
also ein aliud. Die Ablehnung der Figur der „dienenden Freiheit“ und der daraus
folgenden „Ausgestaltungsdogmatik“ führt nicht automatisch dazu, dass rundfunkrechtliche
Sonderregelungen oder gar die Bestimmungen zur Sicherung der
Meinungsvielfalt aufgehoben werden müssen (Hain, in Bitburger Gespräche,
Jahrbuch 2007/I, S. 31 ff.). Vielmehr gilt nach wie vor, dass für den freiheitlich demokratischen
Staat und die private Selbstentfaltung wie die demokratische
Partizipation seiner Bürger die Freiheitlichkeit des Prozesses der Meinungs- und
Willensbildung von essentieller Bedeutung ist
. Daher muss die Ordnung
des Mediensektors wie sonstiger meinungsrelevanter Bereiche so strukturiert
sein, dass sie dem unaufgebbaren Ziel der Freiheitlichkeit der Meinungsbildung
entspricht.

Weiterlesen:
https://www.verfassungsgerichtshof-saarland.de/Kommentar%20SVerf%20(Endfassung%2022-06-09).pdf
+++
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 28. August 2016, 18:38
Also, ist das Juristenhumor? Oder verwertbar?     >:D
To be continued ...

5. Zwecksteuer
Zitat
Nach allem bietet sich die Würdigung des Rundfunkbeitrags als eine Zwecksteuer an.

Das ist nicht neu, auch Anna Terschüren kommt in ihrer Dissertation zu dem Schluss.

Zitat
Die von Kirchhof aufgestellte These, dass es sich bei einem Rundfunkbeitrag um ein „Entgelt für eine vermutete Gruppennutzung“ handelt, ist im Grunde nur eine Zweckbehauptung, mit der neue Wege für eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eröffnet werden sollen.

Das ist mal ein weiterer Kommentar zu diesem (http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,18652.msg121897.html#msg121897).

Definitorisch zu Sonderabgaben, Beiträgen und Gebühren (III. 1 bis 5) siehe hier (http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19301.msg125312.html#msg125312).

Fortsetzung folgt mit ...

IV. Unzulässige Typisierungsgesichtspunkte für Beitragspflichten
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Hailender am 28. August 2016, 18:59
Darbietungen sind nur solche Kommunikationsangebote, die zur öffentlichen Meinungsbildung bestimmt oder wenigstens geeignet sind (Dörr in: Dittmann/Fechner/Sander, S. 125).
[..]
Die Rundfunkfreiheit dient der Aufgabe, eine freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk zu gewährleisten (BVerfGE 57, 295, 320), sichert also die Informationsfreiheit und damit auch die Funktionsfähigkeit der Demokratie.

Inwiefern tragen Sendungen wie "Rote Rosen", "Sturm der Liebe" oder ähliche, die auf ARD oder ZDF zu den besten Sendezeiten ausgestrahlt werden, zur Meinungsbildung bei?

Sendungen die meinungsbildend sein könnten, werden zu Zeiten nach 23:00 Uhr ausgestrahlt um so wenig wie möglich Publikum zu erreichen. Aber das gehört eben alles zu dem sehr dehnbaren Begriff "Grundversorgung" der nirgendwo abgrenzend fest definiert ist. Genau so wie die bisherige gesamte Rechtssprechung zum Thema öffentlich rechtlicher Rundfunk - alles Wischiwaschi.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Knax am 28. August 2016, 19:40
Wie schaut's denn eigentlich mit der Gemeinnützigkeit aus?

Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind gemeinnützige Körperschaften. Wenn deren Leistung aber nicht der Allgemeinheit zugute kommt, sondern lediglich einem "von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreis", von dem der Rundfunkbeitrag zu entrichten ist, so sind sie gerade nicht mehr gemeinnützig. Damit werden sie körperschaftsteuerpflichtig.

Es ist widerwärtig, wie sehr die deutschen Gerichte, seien es nun die Verwaltungsgerichte, seien es die Verfassungsgerichte, das Recht verdrehen, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu hofieren.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: ohmanoman am 28. August 2016, 20:55
Wie schaut's denn eigentlich mit der Gemeinnützigkeit aus?

Dürfen gemeinnützige Körperschaften Gewinne (Überschüsse) ausweisen?

Verlieren sie dann nicht die Gemeinnützigkeit?
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 28. August 2016, 21:01
Fortsetzung folgt mit ...

IV. Unzulässige Typisierungsgesichtspunkte für Beitragspflichten

IV. Unzulässige Typisierungsgesichtspunkte für Beitragspflichten

Falls das BVerwG Recht habe mit seiner Ansicht der nichtsteuerlichen Abgabe, so der Verfasser, sei

Zitat
… die Prüfung einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung für den Rundfunkbeitrag konsequent. Es ist dann aber die Frage klären [sic!], ob die Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 ff. RBStV geeignet ist, „den individuell zurechenbaren Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit auszugleichen“ (Urteil Rn. 25).

Und im Folgenden geht es um das Kriterium „Wohnung“ im Zusammenhang mit der Belastungsgleichheit der Abgabepflichten. Verfasser kritisiert, dass das BVerwG bei seiner Auflistung von Empfangsmöglichkeiten Erhebungen des Statistischen Bundesamtes von 2012 zugrunde legt, deren Maßgeblichkeit im Jahre 2016 angezweifelt werden könne.
Siehe Statistisches Jahrbuch 2012 (https://www.destatis.de/DE/Publikationen/StatistischesJahrbuch/StatistischesJahrbuch2012.pdf?__blob=publicationFile), Seite 174 und 204.
Stimmt schon,warum nehmen sie nicht 2015 (https://www.destatis.de/DE/Publikationen/StatistischesJahrbuch/StatistischesJahrbuch2015.pdf?__blob=publicationFile)  – verglichen hab ich die Zahlen aber nicht  ;-)
Wurden da mal wieder ältere Urteile per copy'n'paste verwurstet?

Urteil Rn. 32 bedeute dann, so von mir „übersetzt“: BVerwG meint, wir nehmen die wohnungsbezogene Rundfunksbeitragspflicht, weil so ein Wohnungsinhaber nicht so leicht abhaut, und so herrscht mehr Gerechtigkeit, alle dranzukriegen, also, es ist leichter, Zahlungsunwilligen auf die Pelle zu rücken. Und wieder geht es um „Steuerpflichtige“ - obwohl es doch angeblich gar keine Steuer ist. Sondern eine „nichtsteuerliche Abgabe.“

Letzter Absatz:
Zitat
Diese Ausführungen sind an dieser Stelle überraschend. Denn es geht ja nicht um die frühere Rechtslage mit der gerätebezogenen Rundfunkgebühr. Auch die anschließende Erwägung des Revisionssenats, dass das Risiko, belangt zu werden, früher gering gewesen sein, „weil die Rundfunkanstalten keine hinreichende Aufklärungsmöglichkeit besaßen“ und eine „unangekündigte Nachschau in der Wohnung gegen den Willen des Inhabers mangels gesetzlicher Ermächtigung nicht möglich“ war (Urteil Rn. 33), führt nicht weiter. Es wird übersehen, dass eine normative Korrektur auf der Grundlage des alten Rechts (eben Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage) ohne Weiteres möglich war und keineswegs als Rechtfertigung für den auch völlig Unbeteiligte einbeziehenden Systemwechsel dienen kann.

Finde ich interessant, und war mir nicht klar gewesen. Findet sich das so eigentlich in der Diss. von A. Terschüren?

Und, ja, wenn ich an den Typ denke, der von der GEZ bei mir aufgelaufen war, von dem hätte ich mich auch nicht so gerne aufklären lassen     >:D

Fortsetzung folgt …

V. Unzulässige Heranziehung der Beitragsverweigerer
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: gerechte Lösung am 28. August 2016, 23:30
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind gemeinnützige Körperschaften. ...
Es ist widerwärtig, wie sehr die deutschen Gerichte, seien es nun die Verwaltungsgerichte, seien es die Verfassungsgerichte, das Recht verdrehen, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu hofieren.

Anstalten haben Benutzer und Körperschaften haben Mitglieder.
https://de.wikipedia.org/wiki/Anstalt_des_%C3%B6ffentlichen_Rechts#cite_note-3
Zitat
Deutschlandradio, das eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist.


Ja, das mit dem Verdrehen ist doch ganz im grünen Bereich. Was ist daran unnormal?
Unnormal wäre, wenns nicht so wäre.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 29. August 2016, 18:31
In II. Der Rundfunkbeitrag als angeblich „nichtsteuerliche Abgabe“.
1. Innehaben einer Wohnung


Zitat
Das BVerfG hält einen Steuertatbestand ebenso wie bei der früheren Rundfunkgebühr für ausgeschlossen, da die Möglichkeit abgegolten werde, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme zu empfangen, und zwar in der Wohnung als „typischem Ort des Rundfunkempfangs“ (Urteil Rn. 14). So lässt sich aber ein Steuertatbestand kaum verneinen. Denn als Anknüpfungsmerkmal einer Steuer als Gemeinlast kann jede Innehabung einer Wohnung dienen. Irgendeinen Bezug zu einer Wohnung, einem Grundstück etc. kann das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem nicht haben. Ein für einen Beitrag typischer individualisierbarer Vorteil kann für die Wohnungsinhaber und -nutzer nicht begründet werden. Ein innerer Zusammenhang zwischen der Beitragszahlungspflicht und dem Besitz einer Wohnung oder eines Betriebs besteht von vornherein nicht. Zweck der flächendeckenden Rundfunkabgabe ist es zudem, dass jeder Haushalt oder jeder Betrieb zur Entgeltzahlung herangezogen werden soll, da „der private Bereich mit Rundfunkempfangsräten von rund 100 %“ durchdrungen sei. Ein individualisierbarer oder gar individueller Vorteil – für die Annahme eine Vorzugslast wesentlich – fehlt damit.

Hierzu comment aus einer in Arbeit befindlichen fiktiven Klagebegründung (http://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=19267.new;topicseen#new) (kann hoffentlich dieses Wochenende hier zu Verfügung gestellt werden):

Zitat
Beklagter führt an:
„Die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Rundfunkrecht umfasst auch die Regelungsbefugnis für den Rundfunkbeitrag. Bei dem Rundfunkbeitrag handelt es sich nicht um eine Steuer, sondern um eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe. Denn der Rundfunkbeitrag wird nicht wie eine Steuer voraussetzungslos, sondern als Gegenleistung für die Möglichkeit erhoben, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme empfangen zu können.
Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, eine Befreiungsmöglichkeit bei fehlendem Gerätebesitz zu eröffnen. Dies würde das gesetzgeberische Ziel, eine möglichst gleichmäßige Erhebung des Rundfunkbeitrages zu gewährleisten, konterkarieren.“


Fraglos. Da die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt, darf es sich nicht um eine Steuer handeln, denn wäre es eine, wäre nach Grundgesetz Art. 105 die  Gesetzgebungskompetenz der Länder entfallen
Quelle https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_105.html

In  BverfwG C 6.15, Rn. 14
Quelle http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=180316U6C6.15.0
steht:
„Der Rundfunkbeitrag erfüllt diese Voraussetzungen des Steuerbegriffs nicht: Zum einen wird er nach dem Regelungskonzept der §§ 2 ff. RBStV nicht voraussetzungslos erhoben. Vielmehr soll er ebenso wie die frühere Rundfunkgebühr die Möglichkeit abgelten, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme zu empfangen. Die Landesgesetzgeber knüpften die Rundfunkbeitragspflicht an das Tatbestandsmerkmal des Innehabens einer Wohnung, weil sie davon ausgingen, die Wohnung sei der typische Ort des Rundfunkempfangs.“

Nach der Definition in der Abgabenordnung (AO) § 3 (1) sind Steuern
„… Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.“

Genau das tut aber der Rundfunk: er erlegt eine Geldleistung auf, die keine Gegenleistung für eine besondere Leistung ist, da diese Leistung (das Programm) ja allen auferlegt wird, und die Erzielung von Einnahmen ein Nebenzweck ist.

Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk „ ... die Möglichkeit abgelten“ soll, „die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme zu empfangen ...“, und dies in der Wohnung, dann ist durch eben diese Verknüpfung mit dem Kriterium „Wohnung“ die Rundfunkgebühr als Steuer zu bezeichnen. Denn eine Steuer ist üblicherweise an den Inhaber einer Wohnung (oder eines Betriebes, einer Firma) geknüpft.


An mehreren Stellen von  BverfwG 6 C.15 ist außerdem sehr wohl von „Steuerpflichtigen“ und „Steuerertragshoheit“ (Rn. 16, Rn. 27, Rn. 32) die Rede.
In BverfwG C 6.15, Rn. 15:
„Zum anderen wird das Beitragsaufkommen nicht in die Landeshaushalte eingestellt.“
Dagegen steht in BverfwG C 6.15, Rn. 24:
„Es kann dahingestellt bleiben, ob die Länder den auf diese Weise festgestellten Finanzbedarf der Rundfunkanstalten im Haushalt bereitstellen, d.h. den Rundfunkanstalten staatliche Zuschüsse aus Steuermitteln gewähren dürfen.“
In BverfwG C 6.15, Rn. 16:
„Als nichtsteuerliche Abgabe bedarf der Rundfunkbeitrag einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Dieses Erfordernis trägt dem Ausnahmecharakter nichtsteuerlicher Abgaben Rechnung; es wird durch das Gebot der Belastungsgleichheit der Steuerpflichtigen nach Art. 3 Abs. 1 GG und durch die Kompetenzordnung der Finanzverfassung nach Art. 105 ff. GG verfassungsrechtlich vorgegeben. Bundes- und Landesgesetzgeber könnten die abschließende Verteilung der steuerrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen und der Steuerertragshoheit nach Art. 105 ff. GG umgehen, wenn sie unter Berufung auf ihre Regelungszuständigkeit für eine Sachmaterie nach Art. 70 ff. GG unbeschränkt damit in Zusammenhang stehende nichtsteuerliche Abgaben erheben könnten ...“
In BverfwG C 6.15, Rn. 27:
„Aus Gründen der Belastungsgleichheit der Steuerpflichtigen und der Geltungskraft der Finanzverfassung nach Art. 105 ff. GG darf die steuerliche Belastung durch Vorzugslasten nur erhöht werden, wenn hierfür ein konkret nutzbarer Gegenwert geboten wird, der die zusätzliche Abgabenpflicht rechtfertigt. Dies ist bei der Möglichkeit, ein Leistungsangebot zu nutzen, der Fall, wenn die Nutzung nicht nur tatsächlich und rechtlich möglich, sondern darüber hinaus die Annahme berechtigt ist, dass der Personenkreis, dem die Nutzungsmöglichkeit offensteht, diese mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit weitestgehend in Anspruch nimmt.“

Es wird also zur Verneinung des Status „Steuer“ mit Begriffen aus dem Steuerrecht argumentiert.

Geht das als bis dahin loggisch durch?
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Quietus am 29. August 2016, 19:34
In III. Keine Zuordnung des Rundfunkbeitrags zu den abgabenrechtlichen Typen
1. Kein Vorliegen einer Gebühr im Sinne des Abgabenrechts


Zitat
Ohne sich an die weiteren abgebenrechtlichen Typen wie Gebühr, Beitrag oder Sonderabgabe zu halten, zieht sich das BVerwG auf den Begriff einer „nichtsteuerlichen Abgabe“ zurück (Urteil Rn. 16). Dieser Rückzug wird leicht verständlich, denn es liegt keine Gebühr im Sinne des allgemeinen Abgabenrechts vor.

Verfasser führt aus, dass es sich weder um eine Benutzungs- noch um eine Verwaltungsgebühr handelt.

2. Kein Vorliegen eines Beitrages im Sinne des Abgabenrechts

Die frühere gerätebezogene Gebühr konnte als eine beitragsähnliche Vorzugslast gewertet werden. Auch damals war aber nicht präzis abgabenrechtlich zugeordnet.

Auch der 6. Senat des BverwG entzieht sich einer präzisen Zuordnung.
Zitat
Im beitragsrechtlichen Sinne stellt die bloße Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keinen individualisierbaren wirtschaftlichen Vorteil dar.

3. Annahme einer unspezifischen nichtsteuerlichen Abgabe
Zitat
Mit der  Annahme des schillernden Begriffs einer unspezifischen nichtsteuerlichen Abgabe erspart sich das BVerwG eine Auseinandersetzung mit diesem wesentlichen Merkmal eines Beitrags.

Verfasser führt aus, die Argumentation des BVerwG sei brüchig, da

Zitat
… die unterschiedlichen Rechtsfiguren des Abgabenrechts nicht hinreichend voneinander abgegrenzt werden.

Das BVerwG bejahe einen konkret nutzbaren Gegenwert, indem es

Zitat
… auf die Wahrscheinlichkeit der „Inanspruchnahme eine Nutzungsmöglichkeit“

abstelle.

Zitat
Eine Diskrepanz zwischen Inanspruchnahme, die sich an realen Verhältnissen orientiert, und einer bloßen Nutzungsmöglichkeit wird eingeebnet.


Comment:

Zitat
In BVerfwG C 6.15, Rn. 16 wird der Rundfunkbeitrag als „nichtsteuerliche Abgabe“ bezeichnet.

Das  BVerfwG muss ihn so bezeichnen. Denn nach dem allgemeinen Abgabenrecht ist er keine Gebühr. Siehe KAG-NRW § 4
Quelle https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000448#det341606
(1) Die Gemeinden und Gemeindeverbände können Gebühren erheben.
(2) Gebühren sind Geldleistungen, die als Gegenleistung für eine besondere Leistung - Amtshandlung oder sonstige Tätigkeit - der Verwaltung (Verwaltungsgebühren) oder für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Anlagen (Benutzungsgebühren) erhoben werden.

Der Rundfunkbeitrag wird von keiner Gemeinde und keinem Gemeindeverband erhoben, und er ist auch keine Gegenleistung für eine besondere Leistung. Eine Verwaltungsgebühr (nach KAG-NRW § 4)
Quelle https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000448#det341607
ist er ebenfalls nicht.
Denn eine unmittelbare Begünstigung des/der Beteiligten liegt nicht vor, sondern der Rundfunkbeitrag soll ja von allen für die von allen empfangene Leistung bezahlt werden.
Er ist auch keine Benutzungsgebühr
Quelle https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000448#det341608
da er nicht dem Vorteil einzelner Personen oder Personengruppen dient.
Ebenso wenig ist er ein Beitrag nach § 8
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000448#det341610
denn er bietet keinen wirtschaftlichenVorteil.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: MichaelEngel am 29. August 2016, 20:05
Zitat
Die Neue Juristische Wochenschrift (NJW) ist die bedeutendste Zeitschrift für die juristische Theorie und Praxis in Deutschland und wird vor allem von Rechtsanwälten, Notaren, Richtern, Rechtspflegern, Rechtsreferendaren und Studenten der Rechtswissenschaft gelesen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Juristische_Wochenschrift (https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Juristische_Wochenschrift)
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: DumbTV am 06. September 2016, 13:26
Zum Thema gibt es einen weiteren Thread:

Ehem. Richter am BVerwG widerlegt absurde Argumente im Urteil vom 18.03.2016
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,20115.0.html
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: karlsruhe am 06. September 2016, 13:47
Den Artikel habe ich mir vorhin in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe kopiert.

Die Zeitschrift ist dort im Hauptlesesaal im ersten Stock für jedermann kostenlos zugänglich.

Habe ihn zwar noch nicht gelesen, aber werde ihn sicher für meine wieder aufgerufenen Klage verwenden können.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Mork vom Ork am 06. September 2016, 14:30
Dieser Aufsatz ist genial! Genau darauf habe ich für meine anstehende Klagebegründung gewartet.  >:D

Ich habe ihn heute aus der Jurabibliothek der Uni-Bremen kopiert und gelesen.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Mork vom Ork am 11. September 2016, 15:31
Mehr Info per PM

Viele Grüße
Euer Mork vom Ork


Edit "Bürger":
Folgekommentare wurden der Übersicht wegen entfernt.
Bitte eng am Kern-Thema dieses Threads bleiben, welches da lautet
Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Danke für das Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: TVfrei am 20. Oktober 2016, 23:29
Die Übersicht der Bibliotheken, welche die Zeitschrift mit dem Aufsatz von Pagenkopf bereithalten, gibt es hier:
http://gso.gbv.de/DB=2.1/PPNSET?PPN=866772448
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: cecil am 31. März 2017, 01:36
Zum Thema "Demokratieabgabe" selbst vgl. auch den thread:

Ehem. Richter am BVerwG widerlegt absurde Argumente im Urteil vom 18.03.2016
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,20115.0.html

Dort wird aus dem Aufsatz des Dr. Martin Pagenkopf dessen Ausführung zitiert (NJW 36 2016, S. 2539, VI. Verletzung des Gleichheitssatzes...):

Bereits aus dem Gesichtspunkt der Belastungsgleichheit bezogen auf die Wohnungsinhaber, die über Rundfunkgeräte verfügen, und solche, die bewusst Empfangsgeräte ablehnen, zeigt sich, dass Ungleiches gleich behandelt wird. Der Besitzer einer Wohnung mit Empfangsgerät wird einem „Besitzlosen“ gleichgestellt. Ein sachlich gerechtfertigter Grund für eine derartige Ungleichbehandlung kann nicht in einer schwierigen Verwaltungspraxis bei der Ermittlung der beitragspflichtigen Sachverhalte sein. Mit Hilfe einer Typisierungsbetrachtung, die das BVerwG anstellt, können nicht gravierende Sachverhaltsunterschiede einplaniert werden. Die Annahme einer „medienbedingten oder mediengestützten Informationskultur“,[Vgl.Kirchhof, Gutachten, 61] die auch zu einer Mitbegünstigung von „Besitzlosen“ führt, ist nicht geeignet, hier eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu begründen.
Titel: Re: Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
Beitrag von: Bürger am 17. Juli 2017, 01:42
Siehe unter
Gutachten zum Rundfunkbeitrag/ Rundfunkbeitragsstaatsvertrag [gesammelte Werke]
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,5817.0.html
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,5817.msg144511.html#msg144511
weiterer kritischer Aufsatz von Dr. Martin Pagenkopf, Richter am BVerwG a.D.
[...]
Dr. Martin Pagenkopf: Unzulässige Rundfunkbeiträge für Betriebsstätten
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,23730.0.html
"Unzulässige Rundfunkbeiträge für Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge"
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) Heft 13/2017, Seite 936 (NVwZ 2017, 936)

Dr. Martin Pagenkopf: Richter am BVerwG a.D.
[...]