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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: willnich am 18. Juni 2016, 12:40

Titel: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: willnich am 18. Juni 2016, 12:40
Hallo Leute,

heute hab ich meine Verfassungsbeschwerde gegen das Leipziger Urteil eingereicht. Eine anonymisierte Fassung davon findet ihr im Anhang. Als erschöpfte Einzelkämpferin wünsche ich mir ein kleines Lob von euch!
Denn ich mache das ganze letztlich nicht für mich, sondern für alle, denen das GG noch was bedeutet.

Ich will es jetzt wissen, ob unser Grundrechtsschutz immer nur solange besteht, solange es quasi um nichts geht, oder ob diese Grundrechte das sind, was sie zu sein behaupten: Nämlich Abwehrrechte gegen staatliche Willkür!

In diesem Sinne - gebt die Hoffnung nicht auf, dass das BVerfG sich traut, die Verfassung zu hüten!

Und - danke danke danke an all die fleißigen Forumsbetreiber, an alle, die hier konstruktiv argumentiert haben und an die, die immer wieder Mut gemacht haben.

Willnich
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: 20MillionenEuroTäglich am 18. Juni 2016, 13:10
Hallo willnich,
ein Lob von mir, ich wünsche Dir, mir und den anderen 56 Millionen übervorteilten Bürgern Gerechtigkeit (70% haben aktuell gegen die örr-Zwangsabgabe gestimmt) 
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: GEiZ ist geil am 18. Juni 2016, 13:18
@willnich

Dein Saalmietenvergleich ist genial!!!! Hoffentlich können und wollen die Verfassungsrichter analytisch denken.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: BsGez am 18. Juni 2016, 14:26
Seitdem ich die folgenden Artikel gelesen habe, habe ich irgendwie so meine Vorbehalte gegen die Gerechtigkeit durch das Bundesverfassungsgericht:

GEZ rechtens? Verfassungsrichter winkte Gesetz seines Bruders durch
https://www.berlinjournal.biz/gez-rechtens-verfassungsrichter-winkte-gesetz-seines-bruders-durch/

Ferdinand Kirchhof
https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Kirchhof

Kontroverse
Die Reform des Rundfunkgebührenmodells zum 1. Januar 2013, die nicht mehr Personen sondern Haushalte abgabenpflichtig macht, geht auf ein Gutachten Paul Kirchhofs im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio zurück.[1] Sein jüngerer Bruder Ferdinand Kirchhof entscheidet mit über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.

Das Problem könnte schlicht und einfach auch sein, dass die Leute schon so alt sind und dementsrechend keine moderne und zeitgerechte Denkweise mehr haben.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: willnich am 18. Juni 2016, 14:32
Hoffentlich verkommt das BVerfG nicht zu einem Familienbetrieb - oder ist es längst ... :(



Edit "DumbTV":
Vollzitat Vorkommentar entfernt. Bitte für die Übersicht und besseren Erfassbarkeit keine solchen Vollzitate verwenden
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: MichaelEngel am 18. Juni 2016, 15:18
Ein großer Lob sei Dir!

Du verdienst für Deinen Traktat über die Ungleichbehandlung nach dem RBStV, wenn nicht den Doktortitel, dann wenigstens einen Magister.

Wir haben viel Zeit, manche auch viel Geld, in der Sache investiert. Irgendwann soll es Früchte tragen, süß für uns, bitter für die Urheber dieses Unrechts.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: cook am 18. Juni 2016, 15:19
Vielen Dank und viel Erfolg für die Beschwerde!

Die Begründung ist sehr gut und müsste eigentlich jeden überzeugen. Aber die Familien-Bande Kirchhof ist tatsächlich ein Problem. Es fragt sich, ob sich Kirchhof damit einen Gefallen tut, sich nicht als befangen zu erklären. Dem Ansehen des Verfassungsgerichts wird es jedenfalls schaden.

Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: cecil am 18. Juni 2016, 15:26
wow, willnich, das tut gut zu lesen und macht Mut.

(aus der genannten Verfassungsbeschwerde:)
Zitat
... weil es keine unterschiedlichen Größen des (fiktiven) individuellen Vorteils geben kann, wenn dieser als die bloße Möglichkeit der Nutzung definiert wird. (S. 7)

Insofern ist der Rundfunkbeitrag eine verhaltensunabhängige Abgabe, deren Unausweichlichkeit eine neue rechtliche Situation geschaffen hat. Der Gesetzgeber war bei der Schaffung einer verhaltensunabhängigen Zwangsabgabe gehalten, an die Prüfung der Gleichbehandlung des betroffenen Personenkreises einen strengen Maßstab anzulegen. (S. 8 )

Die Privilegierung von Mehrpersonenhaushalten zu Lasten von Einpersonen­haushalten stellt auch insoweit einen nicht hinnehmbaren Verstoß gegen das Willkürverbot dar. (S. 9)

Für mich sind deine Darlegungen zu „Familienentlastung“ (2.4) gelungen und überzeugend - wie auch deine Widerlegungen zur Praktikabilität der jetzigen Wohnungsabgabe und der dafür notwendigen Datenerhebungen (2.5).

Allerdings: wenn man alternativ zur Wohnungsabgabe ein Kopfpauschale einführte, wäre der Steuercharakter der Abgabe ja ganz und gar offensichtlich... ;)

danke an dich für's Einstellen, ich drücke dir und uns die Daumen.

gruß. cecil
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: cecil am 18. Juni 2016, 15:52
Ich habe gerade mal gerechnet ... zur „Kopfpauschale“:

bei (nur) geschätzt ca. 60 Mio Erwachsene (über 18 J.) im Bundesgebiet

und Beitragseinnahmen von weiterhin ca. 8,1 Mrd. pro Jahr

läge die monatliche Beitragsbelastung pro Kopf bei 11,25 €

wir brauchen zusätzlich, was du auch du in deiner Verfassungsbeschwerde (S. 14) andeutest, eine...

Zitat
… Diskussion über die Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebotes, über den originären Auftrag der Rundfunkanstalten sowie über den nicht selten überaus großzügigen Umgang mit Bei­tragseinnahmen

Nebeneffekt bei einer Kopfpauschale könnte sein, dass u.a. Veranlagungen für Betriebe, Autos wegfallen.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: René am 18. Juni 2016, 15:53
Auch bei einer Kopfpauschale bliebe der Zwang. Dann stellte sich für mich die Frage, warum bräuchte man dann überhaupt einen "Beitragsservice" – das könnte das Finanzamt besser und eleganter erledigen, wobei wir dann beim Thema Steuer wären.

Ich bleibe trotzdem bei der Kritik der Notwendigkeit eines solchen Systems im 21. Jahrhundert – einen wasserfesten Beleg für diesen aufgeblähten Apparat konnte mir bis dato niemand geben.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: cecil am 18. Juni 2016, 16:00
ich denke sowieso, dass ein Beitragseinzug über das Finanzamt zu erfolgen hätte, evtl. auch um Beiträge einkommensabhängig (gerne mit Festlegung einer maximalen Beitragsobergrenze) zu erheben. Ich persönlich sehe nicht, dass der reine Beitragseinzug über die Finanzämter den Steuercharakter herstellen würde. Kirchensteuer wird auch über Finanzämter erhoben und dennoch leben wir in einem säkularisierten Staat. Die sicherlich nicht unerheblichen Kosten des Beitragsservice könnten auf diese Weise gerne eingespart werden. Bliebe allerdings immer noch das Thema Zwang...
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: willnich am 18. Juni 2016, 16:02
@cecil und @rene
Ich gebe euch beiden Recht. "Nur" mit der Kopfpauschale ist noch nichts gewonnen - aber es ist viel damit gewonnen, weil dann eine Neuregelung erfolgen muss, die ALLE Bundesbürger betrifft! D.h., der Widerstand könnte dann richtig groß werden und die öffentliche Debatte über Sinn und Zweck, über Geldverschwendung und Auftrag des öffentlich-rechtlichen wäre in vollem Gange!
In diesem Sinne hab ich einfach das offensichtlichste Unrecht angegeriffen und versucht, dieses so zugespitzt wie möglich zu verarbeiten. Bisher gibt es ein eindeutiges "Ausweichverhalten" der Gerichte und das Bundesverwaltungsgericht hat dieses "noch" in die Begründung geschrieben, das mir wieder sehr viel Hoffnung macht.
Und natürlich wäre mit der Kopfpauschale auch viel für die Argumentation gewonnen, dass es sich tatsächlich um eine Steuer handelt.
In diesem Sinne - ich hab die Hoffnung noch nicht aufgegeben...
Gruß,
Willnich
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: willnich am 18. Juni 2016, 19:10
Wenn der Richter einer Verfassungsbeschwerde der Bruder des "GEZ"-Gutachters ist, ist der dann befangen? Wenn ja, wo steht das? Und wie kann das beim Bundesverfassungsgericht vorgebracht werden? Rein theoretisch - versteht sich...


Edit "Bürger":
Geänderten Thread-Betreff zurückgeändert.
Bitte keine Betreff-Änderungen innerhalb eines Threads, da dies zu Irritationen führt.
Danke für das Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: cecil am 18. Juni 2016, 20:13
hallo w.,

vielleicht findest du hier noch Anregungen:

Es geht weiter: Verfassungsbeschwerde an das BVerfG Karlsruhe
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,18762.msg123781.html#msg123781
auch: http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12931.msg91542.html#msg91542

Kanzlei reicht Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,18762.msg123781.html#msg123781

Ob allein die Bruderschaft ausreicht als Befangenheitsgrund, wage ich mal zu bezweifeln - ist aber sicher eine gute Frage.

lg.c.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: boykott2015 am 18. Juni 2016, 20:17
Wenn der Richter einer Verfassungsbeschwerde der Bruder des "GEZ"-Gutachters ist, ist der dann befangen? Wenn ja, wo steht das? Und wie kann das beim Bundesverfassungsgericht vorgebracht werden? Rein theoretisch - versteht sich...
Bundesverfassungsgericht zahlt Rundfunkbeiträge (http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19254.0.html). Da Bundesverfassungsgericht selbst Beitragsschuldner ist, ist es für ihn vorteilhaft, die Zahl der Beitragsschuldner möglichst zu vergrößern, bzw. auf dem gleichen Niveau zu lassen. Bricht die Anzahl der Beitragsschuldner nach unten, müssen die restlichen Beitragsschuldner entgangene Beiträge kompensieren und auf Bundesverfassungsgericht als Beitragsschuldner kommen weitere Kosten zu.

Die einzelnen Richter sind auch Beitragsschuldner. Jeder Richter als Beitragszahler hat natürlich auch Vorteil, wenn die Anzahl der Beitragspflichtigen höher wird.

Das ist diese berühmte "Beitragsgerechtigkeit". Man sagt offen: wir wollen mehr Beitragszahler und auf diese Zahl die Last verteilen, damit die Last für den einzelnen nicht so hoch ist.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde - dringende Frage
Beitrag von: P am 18. Juni 2016, 20:22
Wenn der Richter einer Verfassungsbeschwerde der Bruder des "GEZ"-Gutachters ist, ist der dann befangen?
Nein. Noch nichtmal notwendigerweise wenn er selbst Autor des Gutachtens wäre.

Rechtsgrundlage für Ausschluss und Ablehnung von Richtern des Bundesverfassungsgerichts sind die §§ 18, 19 BVerfGG.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde - dringende Frage
Beitrag von: Kurt am 18. Juni 2016, 20:36
Wenn der Richter einer Verfassungsbeschwerde der Bruder des "GEZ"-Gutachters ist, ist der dann befangen? Wenn ja, wo steht das? Und wie kann das beim Bundesverfassungsgericht vorgebracht werden? Rein theoretisch - versteht sich...


Zitat
„Kopftuch-Verfahren“ werden ohne Mitwirkung von Vizepräsident Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof entschieden
...
Maßstab hierfür ist nicht, ob ein Richter tatsächlich "parteilich" oder "befangen" ist, sondern ob ein Verfahrensbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
...
Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2014/bvg14-022.html


Gruß
Kurt
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde - dringende Frage
Beitrag von: Sophia.Orthoi am 18. Juni 2016, 20:43
Die einzelnen Richter sind auch Beitragsschuldner. Jeder Richter als Beitragszahler hat natürlich auch Vorteil, wenn die Anzahl der Beitragspflichtigen höher wird.

Und wenn der Richter Nicht-Nutzer ist?

Ich neigte aber dazu, zu denken, dass fast alle Nutzer (Rundfunksüchtige) in der Sache unkritisch und befangen sind, daher fast alle Richter. Rundfunkkonsum wird ja für selbstverständlich betrachtet.

Naja, das Referendum in der Schweiz widersprach dem: Nutzer wurde eine niedrige Abgabe auf Kosten der Nicht-Nutzer nahe gelegt, und trotzdem stimmte fast die Hälfte gegen die Zwangsabgabe.

Wilnich, auch von mir viel Lob.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: cecil am 18. Juni 2016, 21:23
Rechtsgrundlage für Ausschluss und Ablehnung von Richtern des Bundesverfassungsgerichts sind die §§ 18, 19 BVerfGG.

Richtet sich das Verfahren wegen Richterablehnung aufgrund "Besorgnis der Befangenheit" denn im einzelnen auch nach §§ 41 bis 49 ZPO, oder müsste darauf gesondert verwiesen sein?


In der  VwGO (§ 54) wird auf die ZPO verwiesen. In der ZPO steht interessantes drin zum Prozedere, nur z.B.:

Zitat
§ 43 ZPO
Verlust des Ablehnungsrechts

Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

Das entspräche wohl ungefähr § 19 Abs. 2 S. 3 BVerfGG


Zitat
§ 44 ZPO
Ablehnungsgesuch

(1) Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(2) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden. Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden.
(3) Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern.
(4) Wird ein Richter, bei dem die Partei sich in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so ist glaubhaft zu machen, dass der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder der Partei bekannt geworden sei.

Zitat
§ 48 ZPO
Selbstablehnung; Ablehnung von Amts wegen

Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei.

Da schimmert § 19 Abs. 3 BVerfGG durch.

Was hat man zu verlieren, wenn man seiner Besorgnis der Befangenheit Ausdruck verleiht, obwohl die §§ 18, 19 BVerfGG die Befangenheit nicht direkt begründen?
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: cecil am 18. Juni 2016, 22:20
übrigens wurde eine Anfrage (zur möglichen Befangenheit) dem Richter am BVerfG, F. Kirchhof, früher mal direkt gestellt (im August 2014), ...

TAG der OFFENEN TÜR beim Beitragsservice
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,10426.msg73415.html#msg73415


… diese Anfrage wurde von der Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts beantwortet (PDF)
http://gez-boykott.de/Forum/index.php?action=dlattach;topic=10426.0;attach=3739


D.h. auch mit einer Selbsterklärung der Befangenheit durch den Richter dürfte eher nicht zu rechnen sein

Quelle:
Es geht weiter: Verfassungsbeschwerde an das BVerfG Karlsruhe
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12931.msg89804.html#msg89804
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: zwanglos am 19. Juni 2016, 00:00
Super formuliert! Gückwunsch & vielen Dank für Deinen Einsatz!

Bist Du Anwältin und darfst Dich selbst vertreten? Oder hab ich da etwas nicht mitbekommen? Ich bin mit anwaltlicher Vertretung auch vor dem BVerfG gelandet.

Alles Gute & erstmal gute Erholung bis zur nächsten "Hürde"
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: Bürger am 19. Juni 2016, 04:34
Analytisch-intelligent (und obendrein gewitzt) das aktuelle ungerechte und willkürliche "Rundfunkbeitragsmodell" zerlegt ;)
Meine Komplimente!!!

@alle:
Hier bitte der Übersicht und zielgerichteten Diskussion wegen konzentriert inhaltlich mit der Verfassungsbeschwerde auseinandersetzen und abschweifende Themen z.B. der Kirchhof-Bürger (die andernorts im Forum bereits mehrfach behandelt sind) hier nicht weiter vertiefen.
Danke für das Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: Roggi am 19. Juni 2016, 09:49
Super Argumente gegen die Ungleichbehandlung. Klasse formuliert, respekt.

Es wurden schon des öfteren in anderen Klagen einige Vorschläge zur gerechten Finanzierung gemacht. Das kam bei den Richtern nicht gut an, es wäre nicht Aufgabe der Richter über neue Finanzierungsmodelle zu befinden.
Auch die satirischen Bemerkungen belustigen vor Gericht niemanden, ein Richter dürfte sich sogar angegriffen fühlen, wenn sein Rechtssystem lächerlich gemacht wird.

Zitat von: Verfassungsbeschwerde Willnich
Alle 3 bayerischen Gerichte (VwG, BayVGH und BayVerfG) – das BayVerfG wird ausdrücklich mit genannt, weil die bayerischen Gerichte an dessen Urteil gebunden waren - haben es letztlich unterlassen, die Belastungsgleichheit sachgerecht zu prüfen und Begründungen formuliert, die folgenden (nicht ganz ernst gemeinten) Wortlaut des Art. 3 I u. III GG nahelegten:
„Abs. I: Alle Wohnungen - bzw. alle Gesamtheiten von Wohnungsinhabern - sind vor dem Gesetz gleich.
Abs. III: Keine Wohnung darf wegen der Zahl ihrer Bewohner benachteiligt oder bevorzugt werden.“
Allenfalls unter dem Blickwinkel „urbayerisch-bäuerlicher Bodenständigkeit“, in der „`s Sach“ (=das dingliche Vermögen) schon immer wertvoller war als „´s G´sind“ (= das Gesinde) wäre dies nachvollziehbar. (Satire Ende)
Da es eine Schlussfolgerung  ist, kann man es gerichtsfest formulieren:
Demnach dürfen Wohnungen unbeachtet ihrer Bewohnerzahl willkürlich ungleich behandelt werden, was zur Folge hat, dass Wohnungsinhaber ungleich behandelt werden, denn diese finden keine Berücksichtigung.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: Viktor7 am 19. Juni 2016, 11:43
Im Netz auffindbare Tipps für eine ordnungsgemäße Verfassungsbeschwerde:

Zitat
https://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungsbeschwerde
Eine Verfassungsbeschwerde wird schriftlich erhoben und muss innerhalb der Beschwerdefrist beim Bundesverfassungsgericht eingehen. Telefaxe sind zulässig, E-Mails nicht. Der Beschwerdeführer kann die Beschwerde selbst erheben, er benötigt hierfür keinen Anwalt; wegen der komplexen Rechtsmaterie empfiehlt es sich aber, einen Anwalt zu beauftragen. Die Beschwerde muss ausführlich begründet werden. Der Beschwerdeführer muss das verletzte Grundrecht nennen und die ihn verletzende Handlung: die Beschwerdeschrift muss den Streitgegenstand festlegen und angeben, durch welchen Akt der öffentlichen Gewalt der Beschwerdeführer sich in welchem Grundrecht bzw. grundrechtsgleichen Recht verletzt fühlt. Insbesondere sollte der Beschwerdeführer die von ihm angegriffenen Entscheidungen in Kopie übersenden. Es darf dem Bundesverfassungsgericht nicht überlassen bleiben, den Sachverhalt von Amts wegen nach allen Richtungen gewissermaßen „ins Blaue hinein“ zu untersuchen. Beschwerden, die diesen strengen Anforderungen nicht genügen, werden vom Gericht erst gar nicht zur Entscheidung angenommen.

Eine allgemeine Verletzung der Grundrechte einer Gruppe reicht nicht aus. Die Verletzung der persönlichen Grundrechte des Beschwerdeführers muss begründet werden.

Zitat
http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=130406B7B5.06.0

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mit Beschlüssen vom 28. März 2002 (- 1 BvR 229/02 - NJW 2002, 3387) und vom 11. Juli 2002 (- 1 BvR 226/02 - NJW 2002, 3388) auf die Ausschöpfung von Rechtsbehelfen, also auch die Notwendigkeit der Erhebung einer Gehörsrüge - auch bei Zweifeln an deren Statthaftigkeit - vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde hingewiesen, um dem Grundsatz der Subsidiarität genüge zu tun. In den Kommentaren zur Verwaltungsgerichtsordnung ist dies in ausreichendem Maße aufgenommen worden (Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: P am 19. Juni 2016, 12:16
Zitat
http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=130406B7B5.06.0

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mit Beschlüssen vom 28. März 2002 (- 1 BvR 229/02 - NJW 2002, 3387) und vom 11. Juli 2002 (- 1 BvR 226/02 - NJW 2002, 3388) auf die Ausschöpfung von Rechtsbehelfen, also auch die Notwendigkeit der Erhebung einer Gehörsrüge - auch bei Zweifeln an deren Statthaftigkeit - vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde hingewiesen, um dem Grundsatz der Subsidiarität genüge zu tun. In den Kommentaren zur Verwaltungsgerichtsordnung ist dies in ausreichendem Maße aufgenommen worden (Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/
Hier habe ich zur Problematik der Anhörungsrüge im Hinblick auf die Verfassungsbeschwerde etwas geschrieben: http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19171.msg124886.html#msg124886

Zitat
Wenn es Anhaltspunkte für eine Gehörsverletzung gibt, ist diese zwingend zu erheben um den Rechtsweg zu erschöpfen. Andernfalls droht die Verwerfung einer Verfassungsbeschwerde als unzulässig wegen Nichterschöpfung des Rechtswegs.
Auf der anderen Seite verlängert eine offensichtlich aussichtslose Anhörungsrüge nicht die Monatsfrist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde. Wird das nicht beachtet droht Fristversäumnis.
Allerdings ist es in der Praxis schwierig zu sagen, ob eine Anhörungsrüge als offensichtlich aussichtlos anzusehen ist oder nicht. Daher empfiehlt es sich, um auf Nummer Sicher zu gehen, im Zweifelsfall sowohl direkt nach dem Urteil Verfassungsbeschwerde einzulegen als auch Anhörungsrüge zu erheben. Anschließend ist dann nach Zurückweisung der Anhörungsrüge nochmals Verfassungsbeschwerde zu erheben. Ein guter Anwalt beachtet das.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: Greyhound am 19. Juni 2016, 13:03
Daher empfiehlt es sich, um auf Nummer Sicher zu gehen, im Zweifelsfall sowohl direkt nach dem Urteil Verfassungsbeschwerde einzulegen als auch Anhörungsrüge zu erheben. Anschließend ist dann nach Zurückweisung der Anhörungsrüge nochmals Verfassungsbeschwerde zu erheben.
Was passiert dann mit der zweiten erhobenen Verfassungsbeschwerde? Muss sie zurückgenommen werden?
In den vorliegenden Fällen würde ich eine Anhörungsrüge nicht als offensichtlich unbegründet ansehen. Das hat das BVerwG auch nicht getan.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: P am 19. Juni 2016, 15:12
Daher empfiehlt es sich, um auf Nummer Sicher zu gehen, im Zweifelsfall sowohl direkt nach dem Urteil Verfassungsbeschwerde einzulegen als auch Anhörungsrüge zu erheben. Anschließend ist dann nach Zurückweisung der Anhörungsrüge nochmals Verfassungsbeschwerde zu erheben.
Was passiert dann mit der zweiten erhobenen Verfassungsbeschwerde? Muss sie zurückgenommen werden?
Wie das vom Bundesverfassungsgericht praktisch genau gehandhabt wird, weiß ich nicht. Ich glaube, dass vom BVerfG dann nur ein Verfahren unter einem Aktenzeichen geführt wird. Aber diese Detailfragen sind nicht so wichtig. Das wird sich mit dem BVerfG klären lassen. Wichtig ist, dass man sich der Problematik bewusst ist.

In den vorliegenden Fällen würde ich eine Anhörungsrüge nicht als offensichtlich unbegründet ansehen. Das hat das BVerwG auch nicht getan.
Ob das BVerfG in den vorliegenden Fällen die Anhörungsrüge, sollte sie nicht erhoben worden sein, als offensichtlich aussichtslos und damit entbehrlich ansehen wird, steht in den Sternen.

Um entsprechenden Sorgen aus dem Weg zu gehen sollte im Zweifel wie von mir dargestellt verfahren werden. Die Anhörungsrüge kostet im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur 60 Euro Gerichtskosten, also im Vergleich zu den sonstigen Kosten sehr wenig. Zusätzliche Gebühren für den Anwalt fallen nach RVG nicht an. Zumindest dann, wenn der Anwalt bereits im Hauptsacheverfahren beauftragt war.

Zitat von: OLG Celle, 05.07.2012, 2 W 174/12, zu II der Gründe, 4. und 5. Absatz
Das Verfahren der Rüge wegen Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör (§ 321 a ZPO) gehört zum Rechtszug (§ 19 Abs. 1 S. 2 Ziffer 5 RVG). Prozessbevollmächtigte, die bereits im Hauptsacheverfahren beauftragt waren, erhalten deshalb keine weiteren Gebühren (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, § 321 a Rn. 20; Harmtann, Kostengesetze, 34. Auflage, § 19 RVG Rn. 22).

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Rechtsanwalt speziell für das Rügeverfahren beauftragt worden ist. In einem solchen Falle können Gebühren nach RVG-VV Nr. 3330, 3332 ausgelöst werden.
Diese Aussagen gelten auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren.

Bei dieser Kostensituation gibt es keinen vernünftigen Grund, wenn Zweifel bestehen, auf die Anhörungsrüge zu verzichten.

Zu beachten ist dabei die Zweiwochenfrist des § 152a Abs. 2 VwGO.
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: Schluss-mit-lustig am 01. Juli 2016, 17:36
Hallo willnich und vielen lieben Dank für Dein Engagement!

Kannst Du bitte das Aktenzeichen hier teilen, sobald es vorliegt? grc!
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: pinguin am 01. Juli 2016, 18:36
Was passiert dann mit der zweiten erhobenen Verfassungsbeschwerde? Muss sie zurückgenommen werden?
Warum sollte? Die EZB-Problematik hat doch gezeigt, daß das BVerfG durchaus mehrere Beschwerden mit verschiedenen Aktenzeichen, die inhaltlich aber fast identisch sind, durchaus zusammenfassend in einer Verhandlung durchnimmt?
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: ChrisLPZ am 01. Juli 2016, 20:47
@willnich
Ein dickes Kompliment auch von mir und Toi Toi Toi für Karlsruhe!
Titel: Re: Verfassungsbeschwerde ist bei der Post...
Beitrag von: willnich am 01. Juli 2016, 23:47
Hallo willnich und vielen lieben Dank für Dein Engagement!
Kannst Du bitte das Aktenzeichen hier teilen, sobald es vorliegt? grc!

Logo - Das Aktenzeichen lautet: 1 BvR 1382/16

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