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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: Magnus_der_Rote am 24. März 2016, 16:38
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Hallo,
in einer Klage gegen den SWR wurde ausschließlich auf europäisches Recht eingegangen. Noch eine Woche vor Ablauf der Frist und dementsprechend vor Einreichung der Klagebegründung hatte der SWR die Abweisung mit mehreren Seiten Standardtext bezogen auf das GG beantragt.
Vier Wochen nach Einreichung der Klagebegründung erreichte den Kläger nun das angehängte Schreiben vom SWR zum Thema Beihilfe. Darin begründet der SWR mit einer Entscheidung der europäischen Kommission von 2007, dass der seit 2013 geltende Beitrag eine Altbeihilfe darstellt. Um diese Aussage weiter zu untermauern, wird noch auf die Popularklage von E. Greuer vor dem Bayrischen Verfassungsgerichtshof verwiesen. Hut ab! :o
Der Kläger erwägt eine Antwort an das zuständige VG Karlsruhe mit Inhalt, dass die genannte Entscheidung der Kommission eben noch sechs Jahre vor Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags 2013 getroffen wurde. Weiterhin, dass der Bayrische VGH keine Entscheidungen zum europäischen Recht fällen darf.
Edit: der Vollständigkeit halber die Links zu den im Schreiben genannten Schreiben:
http://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/198395/198395_680516_260_2.pdf (http://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/198395/198395_680516_260_2.pdf)
http://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/8-VII-12;%2024-VII-12.htm (http://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/8-VII-12;%2024-VII-12.htm)
Um Anmerkungen hierzu wird gebeten.
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Der Kläger erwägt eine Antwort an das zuständige VG Karlsruhe mit Inhalt, dass die genannte Entscheidung der Kommission eben noch sechs Jahre vor Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags 2013 getroffen wurde. Weiterhin, dass der Bayrische VGH keine Entscheidungen zum europäischen Recht fällen darf.
Um Anmerkungen hierzu wird gebeten.
So würde Person K auch reagieren
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Ich hätte auch so geantwortet. Ich werde meine künftige Klage auch mit Europarecht begründen. Ich muss das Urteil mal komplett durchlesen und prüfen, welche Annahmen von damals nicht mehr gültig sind. Auch die Grundsätze aus den alten BVerfG-Urteilen sind nicht einfach übertragbar. Aber ich werde das Europarecht umfangreich zitieren. Das Grundgesetz ist doch ein "zahnloser Tiger" geworden, ein reines Placebo-Gesetz, das man missbrauchen kann, um es gegen den Bürger zu verwenden. Die Grundrechte gelten im Rundfunkrecht ja nur für die Anstalten. Ich werde vor Gericht argumentieren, dass die europarechtlichen Mindeststandards einzuhalten sind.
Wenn das Gericht dagegen verstösst: Man kann ja immer noch eine Beschwerde an die Kommission oder den EU-Bürgerbeauftragten schreiben.
Empfehlenswert ist auch der aktuelle Beitrag von pinguin im Thema Europarecht. Es gibt ein neues EU-Urteil, das muss nur etwas umgewidmet werden.
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Beachte hierbei auch, dass die (als unkritisch zu bewertenden) Ausführungen von Prof. Kirchhof zum Beihilfenrecht in seinem der Gesetzgebung zugrundeliegenden Gutachten
Gutachten zum Rundfunkbeitrag/ Rundfunkbeitragsstaatsvertrag? [gesammelte Werke]
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,5817.0.html
nicht 1:1 auf die jetzigen Regelungen des sog. "Rundfunkbeitragsstaatsvertrags" (RBStV) übertragbar sind, da *wesentliche* Punkte des im Gutachten beschriebenen "Beitragsmodells" eben nicht umgesetzt wurden...
...allen voran die Widerlegbarkeit.
Durch diese fehlende Widerlegbarkeit ist keine "schonende Umstellung" mehr gegeben.
Stattdessen hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, von einer ehemals individuell ausweichlichen/ widerlegbaren Rundfunkfinanzierung hin zu einer nunmehr unausweichlichen/ unwiderlegbaren Allgemeinfinanzierung.
Dies sollte einen erheblichen neuen Beihilfenstatus darstellen, der eigentlich nicht mehr als "Altbeihilfe" oder "geringfügige Änderung" durchgehen sollte.
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Deutsche Unternehmen werden im Vergleich zu anderen im EU-Ausland ansässigen Unternehmen benachteiligt. Müssen quasi Steuern für das Innehaben einer Betriebsstätte zahlen.
Steht mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 Abs. 1 AEU), der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 Abs. 1 AEU), Art. 14 Ziff. 2 der Dienstleistungsrichtlinie und dem Demokratieprinzip (Art. 2 EU) in Konflikt.
ein Paradigmenwechsel
Der EuGH sagt nun, dass es entsprechend der europäischen Rechtsgrundlagen nur dann keine neue Beihilfe ist, wenn das neue Element deutlichst von der bisherigen Beihilfe separierbar, also trennbar ist. Nur wenn es separierbar, also trennbar ist, der Rest daneben also separat eigenständig bestehen kann, ist es keine Änderung im Kern einer bestehenden Beihilfe.
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Der EuGH sagt nun, dass es entsprechend der europäischen Rechtsgrundlagen nur dann keine neue Beihilfe ist, wenn das neue Element deutlichst von der bisherigen Beihilfe separierbar, also trennbar ist. Nur wenn es separierbar, also trennbar ist, der Rest daneben also separat eigenständig bestehen kann, ist es keine Änderung im Kern einer bestehenden Beihilfe.
Das ist im Forum sicher schon mal behandelt/ erläutert - aber wie lässt sich das einfacher erklären?
Obige Erklärungen sind für mich zu komplex/ verwirrend - kann mir keinen genauen Reim darauf machen... :-[
Ginge das beispielhaft zu erklären?
a) "separierbar" ...
b) "nicht separierbar" ...
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Früher: Nutzer - Nichtnutzer
Heute: alle Beitragsschuldner. Wenn man sich befreit, dann kriegt man seinen Beitragsschuldner-Status auch nicht los. Man ist für die Zeit der Befreiung "ein befreiter Beitragsschuldner".
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Die Links im Thema behandeln auch ausdrücklich den Kern, insbesondere Teil 2
"Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Digitalzeitalter", Hilker/ Scheele, 2010
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,15890.msg105637.html#msg105637
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"Die Änderung des Finanzierungssystems ist nicht als Umwandlung in eine neue Beihilfe zu werten, sodass der Rundfunkbeitrag nicht als beabsichtigte Beihilfe vorab hätte angemeldet werden müssen"
Wer anders als der EuGH kann und darf darüber befinden/"werten" !?
Gruß
Kurt
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Wenn SWR wertet/deutet/sonst was macht, dann soll er auch Nachweis erbringen, dass er dafür notwendige Rechte besitzt. Also, man kann in der Antwort entsprechende Nachweise von SWR verlangen. Werden keine erbracht, so betrachtet man die entsprechende Sätze als bedeutungslos - das kann man so in der Antwort schreiben.
Auch Gerichte, wenn sie so was behaupten, sollen Nachweise liefern. Kein Nachweis (Auszug der Zuständigkeit für EU-Recht) - Thema erledigt.
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Der EuGH sagt nun, dass es entsprechend der europäischen Rechtsgrundlagen nur dann keine neue Beihilfe ist, wenn das neue Element deutlichst von der bisherigen Beihilfe separierbar, also trennbar ist. Nur wenn es separierbar, also trennbar ist, der Rest daneben also separat eigenständig bestehen kann, ist es keine Änderung im Kern einer bestehenden Beihilfe.
Das ist im Forum sicher schon mal behandelt/ erläutert - aber wie lässt sich das einfacher erklären?
Obige Erklärungen sind für mich zu komplex/ verwirrend - kann mir keinen genauen Reim darauf machen... :-[
Ginge das beispielhaft zu erklären?
a) "separierbar" ...
b) "nicht separierbar" ...
Das neue Element ist die Wohnung, diese löst die Zahlungspflicht aus, vorher war es das Empfangsgerät. Das neue Element "Wohnung" ist nicht separierbar, man kann also den Begriff "Wohnung" nicht aus den RBStV entfernen, weil es dann keine Zahlungspflicht mehr gäbe. Somit ist es keine Altbeihilfe, das kann im Jahr 2007 auch gar nicht entschieden worden sein. SWR versucht es mit Nebelkerzen. Es gibt kein Argument dagegen. Egal, was der Bayrische Gerichtshof als Mitglied im Verwaltungsrat des Bayrischen Rundfunks entschieden hat:
(siehe Stepan Kersten, Richter im Verwaltungsrat des BR)
Das Firmennetz des öffentlichen Rundfunks-Versteht das noch einer
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,11715.msg79022.html#msg79022
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In einem juristischen Aufsatz könnte man das wie folgt darstellen.
Zunächst aber mal das entscheidende Zitat des Bay. VerfGH:
90 Die Kommission ist bei einer Überprüfung der früheren Gebührenfinanzierung mit Entscheidung vom 24. April 2007 Az. K(2007) 1761 zu der Auffassung gelangt, dass es sich bei den Finanzierungsregelungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um eine bestehende staatliche Beihilfe handle (Rn. 191, 216) und dass die Bedenken in Bezug auf die Unvereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt durch die von Deutschland im Rahmen des Überprüfungsverfahrens eingegangenen Verpflichtungen (Rn. 322 ff.) ausgeräumt seien (Rn. 396). Es ist jedenfalls nicht offensichtlich, dass die Änderungen des Finanzierungssystems durch den Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag als Umwandlung in eine neue Beihilfe zu werten wären. Denn das wird nur für den Fall angenommen, dass die ursprüngliche Regelung durch die Änderung in ihrem Kern betroffen wird (vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ABl vom 27.10.2009 C 257 S. 1 unter Rn. 31). Durch die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags werden indes weder die Art des Vorteils oder die Finanzierungsquelle noch das Ziel der Beihilfe, der Kreis der Begünstigten oder deren Tätigkeitsbereiche wesentlich verändert.
Das Urteil des Bayrischen VerfGH ist für das vorliegende Verfahren nicht bindend. Es ist auch inhaltlich nicht zutreffend. Denn die Europäische Kommission hat in der erwähnten Entscheidung v. 24.4.2007 über die vor 2013 bestehende Rundfunkgebühr bereits festgestellt, dass ein wesentliches Kriterium für das vorliegen der Altbeihilfe die Anknüpfung der Gebühr an das Vorhandensein eines Rundfunkgerätes ist. Nach den Ausführungen der Kommission kann nicht mehr von einer bestehenden Beihilfe ausgegangen werden, wenn sich der wesentliche Charakter im Vergleich zur Altbeihilfe verändert hat (Rn. 200 ff.).
Dies ist dann der Fall, wenn sich durch die Reform des Abgabensystems etwa der Tatbestand ändert, "der die Pflicht zur Gebührenzahlung begründet (d. h. den Besitz eines Rundfunkempfangsgerätes)" (Rn. 203). Da seit 1.1.2013 in Deutschland (und in diesem Bundesland) die Pflicht zur Gebührenzahlung nicht mehr am Besitz eines Rundfunkempfangsgerätes festmacht, sondern am Innehaben einer Wohnung, hat sich das Abgabensystem fundamental geändert. Es ist nicht mehr als Alt-Beihilfe einzuordnen.
Alleine die fehlende Anmeldung macht das Abgabensystem damit rechtswidrig. Die Beihilfe wäre aber auch nicht genehmigungsfähig, da sie den Wettbewerb zwischen den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten sowie den Internetanbietern von Nachrichten und Unterhaltung nachhaltig und in hohem Ausmaß verfälscht.
Da ausweislich des Schriftsatzes der Beklagten die Beihilfe entgegen den zwingenden Vorschriften der Art. 107 ff. AEUV bei der Kommission nicht einmal angemeldet worden ist, ist das Beitragssystem insgesamt nichtig. Dies kann das Gericht bereits selbst ohne weiteres feststellen. Sollten entgegen dem klaren Wortlaut der Entscheidung der EU-Kommission noch Zweifel an der EU-Rechtswidrigkeit bestehen, gebietet es sich, die Frage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Weder die Europäische Kommission, noch der Europäische Gerichtshof hatten bislang Gelegenheit, über die Beihilfenfähigkeit des neuen Rundfunkbeitragssystems zu entscheiden (mangels Anmeldung ist sie jedoch schon formell rechtswidrig).
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Über EU-Recht darf nur der EuGH befinden; kein nationales Gericht darf europäisches Recht auslegen.
In Ergänzung zum Wortlaut von User 907 sei bemerkt, daß eine Veränderung an der Finanzierung einer Beihilfe stets zu einer neuen Beihilfe führt; ist in den beihilferechtlichen Erläuterungen der EU-Kommission so fixiert und vom EuGH nicht gekippt worden. Der EuGH hat das nur ergänzt; siehe Altmark-Urteil, auf das er sich bei Beihilferechtsprozessen fast ständig bezieht.
Aus #5:
Der EuGH sagt nun, dass es entsprechend der europäischen Rechtsgrundlagen nur dann keine neue Beihilfe ist, wenn das neue Element deutlichst von der bisherigen Beihilfe separierbar, also trennbar ist. Nur wenn es separierbar, also trennbar ist, der Rest daneben also separat eigenständig bestehen kann, ist es keine Änderung im Kern einer bestehenden Beihilfe.
Beim Vergleich zwischen Gebühr und Beitrag wird man feststellen, daß nix separierbar ist; das neue Element namens Beitrag kann nicht aus dem Gesamtgefüge herausgenommen werden, ohne das der Rest zusammenkracht. Alles bildet eine untrennbare Einheit, ergo ist definitiv aus der bestandsgeschützten Gebühr-Beihilfe eine neue nicht bestandsgeschützte Beitrag-Beihilfe geworden.
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Über EU-Recht darf nur der EuGH befinden; kein nationales Gericht darf europäisches Recht auslegen.
Siehe dazu BVerfG, Beschluss v. 8.10.2015, Rn. 20
http://www.bverfg.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/10/rk20151008_1bvr132014.html
Nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist ein nationales letztinstanzliches Gericht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof immer dann verpflichtet, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine entscheidungserhebliche Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das nationale Gericht hat festgestellt, dass die betreffende unionsrechtliche Frage bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., 283/81, Slg. 1982, 3415,Rn. 21).
Die Vorlagepflicht besteht also nur für die letzte Instanz. Vorher können die Gerichte vorlegen.
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Letztinstanzliche Gerichte im Sinne der Anrufungspflicht sind nicht nur die obersten Gerichte der jeweiligen Gerichtsbarkeit, sondern jedes Gericht, dessen Entscheidung im konkreten Fall nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden kann.
[21] 14. Die Verpflichtung der nationalen Gerichte, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, fügt sich in den Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten als den mit der Anwendung des Gemeinschaftsrechts betrauten Gerichten und dem Gerichtshof ein, durch die die ordnungsgemäße Anwendung und einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten gewährleistet werden soll. Diese Verpflichtung soll insbesondere verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die nicht mit den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in Einklang steht (u. a. Urteil Hoffmann-La Roche, Randnr. 5, und Urteil vom 4. November 1997 in der Rechtssache C-337/95, Parfums Christian Dior, Slg. 1997, I-6013, Randnr. 25).
Quelle: http://lexetius.com/2002,726#21 (http://lexetius.com/2002,726#21)
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Die Vorlagepflicht besteht also nur für die letzte Instanz. Vorher können die Gerichte vorlegen.
Jedes nationale Gericht darf sich direkt an den EuGH wenden; der Instanzenweg muß nicht beschritten werden, wenn europäisches Recht betroffen ist. (Ist beim EuGH so auch schon entschieden worden).
Die Pflicht zur Vorlage beim EuGH in einem bestimmten Stadium eines Prozesses bleibt davon ja völlig unberührt.
Mit der Info von User 907 passt das dann auch wieder, wenn ausgesagt wird, daß sich im Zweifel auch ein Amtsgericht an den EuGH zu wenden hat. (Als Pflicht).
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Maßgeblich für die Einordnung als neue Beihilfe ist danach, das entweder der unmittelbare Beihilfengegenstand selbst oder mittelbar der räumliche beziehungsweise sachliche Tätigkeitsbereich des begünstigten Unternehmens dergestalt verändert wird, das die formal fortbestehende Altbeihilfenregelung materiell eine andere Beeinträchtigungstendenz oder Intensität im grenzüberschreitenden Wettbewerb erfährt und so die bisherige Wettbewerbssituation im gemeinsamen Markt zumindest potentiell spürbar verändert wird.
http://justitiaswelt.com/Aufsaetze/AS22_200908_NA_4.html
Gilt diese Beeinträchtigung der bisherigen Wettbewerbsverhältnisse auch für alle deutsche Unternehmen die quasi Steuern für das Innehaben einer Betriebsstätte zahlen oder nur für alle Medienunternehmen?
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Gilt diese Beeinträchtigung der bisherigen Wettbewerbsverhältnisse auch für alle deutsche Unternehmen die quasi Steuern für das Innehaben einer Betriebsstätte zahlen oder nur für alle Medienunternehmen?
Man müsste die Frage anders stellen:
-> Werden Firmen im EU-Mitgliedsland Bundesrepublik Deutschland gegenüber Firmen in den anderen EU-Mitgliedsländern wettbewerbsrechtlich benachteiligt, sofern im EU-Binnenmarkt agierende Firmen in den anderen EU-Mitgliedsländern nicht zur Zahlung von Rundfunkgebühren/Rundfunkbeiträgen/Rundfunksteuern in ihrem Land herangezogen werden?
Es bedarf ja keiner weiteren Erklärung, daß Rundfunkgebühren/-beiträge/-steuern nicht für Investitionen bspw. zur Verfügung stehen, die Firmen in anderen EU-Ländern bspw. tätigen können, sofern sie in ihrem EU-Land nicht ebenfalls für genannte Abgaben herangezogen werden?
Klären kann das eigentlich nur eine Untersuchung auf EU-Ebene.
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Zunächst vielen Dank für die große Resonanz und die weiterführenden Argumente.
Der EuGH sagt nun, dass es entsprechend der europäischen Rechtsgrundlagen nur dann keine neue Beihilfe ist, wenn das neue Element deutlichst von der bisherigen Beihilfe separierbar, also trennbar ist. Nur wenn es separierbar, also trennbar ist, der Rest daneben also separat eigenständig bestehen kann, ist es keine Änderung im Kern einer bestehenden Beihilfe.
Hierzu nur die Frage: wo sagt der EuGH das? Habe es leider nicht finden können.
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Hierzu nur die Frage: wo sagt der EuGH das? Habe es leider nicht finden können.
In meinem Europathema: EuGH T-151/11 ->
Kleiner Ausflug zum Europarecht
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12861.msg110716.html#msg110716
Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für Änderungen einer bestehenden Beihilferegelung
61 Was die rechtlichen Rahmenbedingungen für Änderungen einer bestehenden Beihilferegelung betrifft, sind nach Art. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 659/1999 unter „neue Beihilfen“ alle Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen zu verstehen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen.
62 Nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 659/1999 (ABl. L 140, S. 1) stellt eine Änderung einer bestehenden Beihilfe jedoch nicht zwangsläufig eine neue Beihilfe dar. Wie nämlich aus dieser Vorschrift hervorgeht, werden Änderungen rein formaler oder verwaltungstechnischer Art, die keinen Einfluss auf die Würdigung der Beihilfemaßnahme haben können, nicht als Änderungen einer bestehenden Beihilfe angesehen. Um als neue Beihilfe angesehen zu werden, muss die Änderung einer bestehenden Beihilfe daher wesentlich sein.
63 Falls die Änderung einer bestehenden Beihilferegelung eine neue Beihilfe darstellt, muss die Kommission untersuchen, inwieweit sie die bestehende Beihilferegelung betrifft. Grundsätzlich kann nur die Änderung als solche als neue Beihilfe angesehen werden. Die ursprüngliche Beihilferegelung wird durch die Änderung nur dann in eine neue Beihilferegelung umgewandelt, wenn die Änderung sie in ihrem Kern betrifft. Eine Änderung betrifft die ursprüngliche Regelung jedoch nicht in ihrem Kern, wenn sich das neue Element eindeutig von der ursprünglichen Regelung trennen lässt (Urteil des Gerichts vom 30. April 2002, Regierung von Gibraltar/Kommission, T?195/01 und T?207/01, Slg. 2002, II?2309, Rn. 109 bis 111).
64 Insofern ist die Änderung einer Beihilferegelung, welche die Ausdehnung einer bestehenden Beihilferegelung auf eine neue Kategorie von Begünstigten vorsieht, eine Änderung, die sich von der ursprünglichen Regelung eindeutig abtrennen lässt, da die Anwendung der bestehenden Beihilferegelung auf die neue Kategorie von Begünstigten die Würdigung der Vereinbarkeit der ursprünglichen Regelung nicht betrifft (Urteil des Gerichts vom 11. Juni 2009, ASM Brescia/Kommission, T?189/03, Slg. 2009, II?1831, Rn. 106).
65 In diesem Zusammenhang ist ebenfalls hervorzuheben, dass die Änderung einer bestehenden Beihilferegelung nur insoweit, als sie die bestehende Regelung in ihrem Kern betrifft, als neue Beihilfe im Sinne von Art. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 659/1999 anzusehen ist. Folglich kann sich die Kommission darauf beschränken, nur die Elemente der bestehenden Regelung zu würdigen, die durch die Änderung in ihrem Kern betroffen sind. Was diese Elemente betrifft, steht es der Kommission frei, sich auf das Ergebnis ihrer ursprünglichen Würdigung zu stützen und auf die Prüfung zu beschränken, ob dieses Ergebnis durch die Änderung in Frage gestellt wird. Im Hinblick auf die Mitteilungspflicht eines Mitgliedstaats führt dies dazu, dass ein Mitgliedstaat auch dann, wenn eine neue Beihilfemaßnahme die bestehende Beihilferegelung in ihrem Kern ändert, nicht zwangsläufig verpflichtet ist, die gesamte Beihilferegelung erneut mitzuteilen, sondern sich darauf beschränken kann, die Änderung mitzuteilen, vorausgesetzt, die Mitteilung enthält alle Angaben, die die Kommission benötigt, um die neue Beihilfemaßnahme zu würdigen.
Und gerade beim Beitrag ist es so, daß sich die Bebeitragten nicht eindeutig von den vormals gebührenpflichten Bürgern trennen lassen, da die eine Gruppe die andere einschließt; die neue Gruppe der Beitragspflichtigen ist somit nicht eindeutig von der Gruppe der vormals Gebührenpflichtigen separierbar. Dementsprechend wurde aus der Altbeihilfe insgesamt eine neue Beihilfe.
Wobei hier tatsächlich zu prüfen wäre, ob sich nicht auch bei den Begünstigten der Beihilfe etwas geändert hat, da ja von den Begünstigten im Urteil die Rede ist?
Ganz wichtig ist der zitierte, rote Satz. Die Änderung betrifft ja im Fall des Wechsels von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag die Basis der Beihilfe, also das gesamte Regelwerk?
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Habe auch einen mehrseitigen Schriftsatz mit derselben Begründung bekommen - übernehme mal die obigen Argumente in meine Antwort mit hinein und bitte einfach mal um die direkte Vorlage beim EuGH.
Vielen Dank an Dich, Pinguin!
D61
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Maßgeblich für die Einordnung als neue Beihilfe ist danach, das entweder der unmittelbare Beihilfengegenstand selbst oder mittelbar der räumliche beziehungsweise sachliche Tätigkeitsbereich des begünstigten Unternehmens dergestalt verändert wird, das die formal fortbestehende Altbeihilfenregelung materiell eine andere Beeinträchtigungstendenz oder Intensität im grenzüberschreitenden Wettbewerb erfährt und so die bisherige Wettbewerbssituation im gemeinsamen Markt zumindest potentiell spürbar verändert wird.
http://justitiaswelt.com/Aufsaetze/AS22_200908_NA_4.html
Zu Sixt haben sich mittlerweile andere Kritiker gesellt: Drogerist Dirk Rossmann, dessen Unternehmen durch die neue Abgabe über 500 Prozent mehr zahlen muss, klagt bereits vor Gericht. Die Bahn muss 350 Prozent mehr Rundfunkgebühr zahlen. Alle Spitzenverbände der Wirtschaft beklagen die "Selbstbedienungsmentalität" von ARD und ZDF.
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/neue-rundfunkgebuehr-wirtschaft-rebelliert-gegen-gierige-monster-ard-zdf/7756248.html
Das kann die EU-Kommission als wesentliche Änderung werten.
Also doch neue Beihilfe
Dementsprechend bestünde auch Notifizierungspflicht gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV
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@907
Fraglich, ob es zielführend sein kann, sich auf Quellen zu stützen, die Urteile des EuGH national zu deuten versuchen? Förderlich ist es doch eher, sich an den Wortlaut des EuGH-Urteils selber zu halten? Es sei daran erinnert, daß keine nationale Stelle befugt ist, (also jedenfalls kein nationales Gericht), europäisches Recht auszulegen.
Es steht im genannten Urteil also geschrieben, daß unter „neue Beihilfen“ alle Beihilferegelungen
zu verstehen sind, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen
Der Part ist also erfüllt, da eine bestehende Beihilfe geändert worden ist. Grundsätzlich wird also aus einer bestehenden Beihilfe per Änderung eine neue Beihilfe.
Weiterhin heißt es Eine Änderung betrifft die ursprüngliche Regelung jedoch nicht in ihrem Kern, wenn sich das neue Element eindeutig von der ursprünglichen Regelung trennen lässt
Der Part ist also auch erfüllt, denn die Änderung läßt sich nicht von der ursprünglichen Regelung trennen; ergo ist die Änderung eine Änderung im Kern der bestehenden Beihilfe.
Der Part ist dann ebenfalls erfüllt Die ursprüngliche Beihilferegelung wird durch die Änderung nur dann in eine neue Beihilferegelung umgewandelt, wenn die Änderung sie in ihrem Kern betrifft.
Es eine Änderung im Kern, weil nicht separierbar, damit eine neue Beihilfe.
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Zunächst nochmal dank an die Mitwirkenden!
Im nächsten Schreiben hat der SWR wohl die Argumente verstanden. Wörtliches Zitat:
"Die einzig entscheidende Rechtsfrage, die der Kläger aufgeworfen hat, ist die Frage, ob der Rundfunkbeitrag eine verbotene Beihilfe ist."
Auf Wunsch kann das Schreiben (bereits vom 01.04.16 und diese Woche schriftlich durch den Kläger beantwortet) noch hochgeladen werden. Weitere Themen sind die Frechheit des Klägers, sich erst nach Erhalt des Festsetzungsbescheids (nach zwei Jahren) zu wehren, das EU-Richtlinien in Deutschland nicht direkt anwendbar sind, das zähneknirschende Eingeständnis, dass es Versuche politischer Einflussnahme gab, sowie Programmgrundsätze des ÖrR.
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Der Wunsch, es hochzuladen, besteht.
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Seite 1 + 3
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Seite 2
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Leider kann ich die geladenen Seiten nicht erkennen, aber vielen Dank für diesen Beitrag und das Argument.
Eine weiterer Punkt für eine Begründung, die ich in meiner nächsten Klage einfügen werde.
Ich glaube man kann seiner Klage nach einem Jahr keine Ergänzung hinzufügen...oder doch? :)
Klage gegen SWR 2015
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Mienes Wissen kann man bis zur Verhandlung weiter Argumente vorbringen.
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Bemerkenswert, dass der SWR gar nicht auf die Frage eingeht, ob eine unzulässige Beihilfe besteht. Da bietet es sich doch geradezu an, dass dies (auch nach der Ansicht des SWR) eine offene Rechtsfrage ist, die dem EuGH vorgelegt werden sollte.
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Moin.
"Die ... entscheidende Rechtsfrage, die der Kläger aufgeworfen hat, ist die Frage, ob der Rundfunkbeitrag eine verbotene Beihilfe ist."
Und genau diese entscheidende Rechtsfrage müsste jetzt nach meinem Rechtsverständnis der SWR erstmal durch Weitergabe an den EuGH klären.
Frei 8)
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Ich denke, es macht Sinn die Diskussion zum europarechtlichen Teil des BVerwG-Urteils in diesem Thread weiterzuführen und auseinanderzunehmen
Zum europarechtlichen Argument, also der Frage Altbeihilfe oder doch genehmigungspflichtige Neubeihilfe:
51
11. Die Einführung des Rundfunkbeitrags für den privaten Bereich nach §§ 2 ff. RBStV bedurfte nicht der Zustimmung der Kommission der Europäischen Union.
Nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 und 3 AEUV darf ein Mitgliedstaat eine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe nicht einführen oder
umgestalten, bevor die Kommission einen das Feststellungsverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV abschließenden Beschluss erlassen hat. Die Finanzierung
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Rundfunkgebühr hat Beihilfecharakter (Kommission, Entscheidung vom 24. April 2007 - K<2007> 1761).
Eine genehmigungsbedürftige Umgestaltung im Sinne von Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV liegt vor, wenn die ursprüngliche Finanzierungsregelung durch
spätere Änderungen in ihrem Kern, d.h. hinsichtlich der Art des Vorteils, der Finanzierungsquelle, des Ziels der Beihilfe, des Kreises oder der Tätigkeitsbereiche
der Begünstigten betroffen ist (vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ABl. 2009
C 257 S. 1 Rn. 31).
52
Der Übergang von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag hat diese maßgebenden Faktoren nicht verändert. Ebenso wie die Rundfunkgebühr wird der
Rundfunkbeitrag als Gegenleistung für das Rundfunkprogrammangebot erhoben, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks sicherzustellen. Begünstigte sind nach wie vor die Rundfunkanstalten (VerfGH München, Entscheidung vom 15. Mai 2014 - Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12
- NJW 2014, 3215 Rn. 89 f.; Kirchhof, Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Heidelberg, April 2010, S. 76).
Demnach fiele die Neugestaltung des Rundfunkbeitrages nicht mehr unter eine Altbeihilfe, wenn entweder
a) die Art des Vorteils
oder
b) die Finanzierungsquelle
oder
c) das Ziel der Beihilfe
oder
d) der Kreis oder Tätigkeitsbereich der Begünstigten
gegenüber der Rundfunkgebühr abweichen.
Auffassung des BVerwG:
zu a) unverändert: Gegenleistung für das Rundfunkprogrammangebot
zu b) fehlt?
zu c) unverändert: staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des ÖrR
zu d) unverändert: die Rundfunkanstalten
Könnte also b) ein Ansatzpunkt sein oder werden? Vielleicht übersehe ich auch etwas.
Könnte also b) ein Ansatzpunkt sein oder werden? Vielleicht übersehe ich auch etwas.
Das ist genau der Punkt: die Finanzierungsquelle hat sich geändert, weil sie auf einem neuen Abgabensystem beruht. In ihrer Entscheidung zur damaligen Gebühr hat die EU-Kommission dies so geschrieben. Sie will jetzt nichts mehr davon wissen. Und auch sonst interessiert es keinen.
Auffassung des BVerwG:
zu a) unverändert: Gegenleistung für das Rundfunkprogrammangebot
zu b) fehlt?
zu c) unverändert: staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des ÖrR
zu d) unverändert: die Rundfunkanstalten
Könnte also b) ein Ansatzpunkt sein oder werden? Vielleicht übersehe ich auch etwas.
Geändert hat sich:
Die Finanzierungsquelle - vorher Gerätebesitzer, jetzt Wohnungsinhaber
Die Art des Vorteils - vorher Rundfunkempfang, jetzt Möglichkeit zum Rundfunkempfang
Der Kern der Beihilfe - vorher Empfangsgeräte, jetzt Wohnungen
@roggi habe mir schon gedacht, dass Du auf diesem Gebiet weiterhelfen kannst ;)
Also versuchen wir das zu vertiefen. Von den Punkten a) - d) können wir in unserer Betrachtung wohl c) und d) weglassen. Da sind wir uns mit dem BVerwG vermutlich einig: unverändert.
Treten wir dazu zunächst einen Schritt zurück und werfen einen Blick auf die 3 im Urteil genannten Quellen:
1. Europäische Union Amtsblatt 2009 C257, Rn. 31 (http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=OJ:C:2009:257:FULL&from=DE)
2. Urteil VerfGH München, Mai 2015, Rn. 89f (http://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/8-VII-12;%2024-VII-12.htm)
3. Gutachten Paul Kirchhof, April 2010, S.76 (http://www.ard.de/download/398406/index.pdf)
4.2 Art der Beihilfe: bestehende oder neue Beihilfe
25.
Die Finanzierungsregelungen, die derzeit in den meisten Mitgliedstaaten bestehen, wurden vor langer Zeit eingeführt. Die Kommission hat deshalb zunächst zu prüfen, ob diese Regelungen als „bestehende Beihilfen“ im Sinne von Artikel 88 Absatz 1 EG-Vertrag angesehen werden können. Dieser Absatz lautet: „Die Kommission überprüft fortlaufend in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die in diesen bestehenden Beihilferegelungen. Sie schlägt ihnen die zweckdienlichen Maßnahmen vor, welche die fortschreitende Entwicklung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erfordern.“
26.
Nach Artikel 1 Buchstabe b Ziffer i der Verfahrensverordnung (27) sind bestehende Beihilfen „alle Beihilfen, die vor Inkrafttreten des Vertrags in dem entsprechenden Mitgliedstaat bestanden, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die vor Inkrafttreten des Vertrags eingeführt worden sind und auch nach dessen Inkrafttreten noch anwendbar sind“.
27.
Im Falle von Österreich, Finnland und Schweden gelten alle Beihilfemaßnahmen, die vor Inkrafttreten des EWR-Abkommens am 1. Januar 1994 in diesen Ländern eingeführt wurden, als bestehende Beihilfen. Im Falle der zehn Mitgliedstaaten, die der Europäischen Union 2004 beitraten (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern), sowie Bulgariens und Rumäniens, die 2007 beitraten, gelten all jene Maßnahmen als bestehende Beihilfen, die vor dem 10. Dezember 1994 eingeführt wurden, die auf der Liste im Anhang der jeweiligen Beitrittsakte stehen oder die im Rahmen des sogenannten Übergangsverfahrens genehmigt wurden.
28.
Gemäß Artikel 1 Buchstabe b Ziffer v der Verfahrensverordnung sind bestehende Beihilfen auch „Beihilfen, die als bestehende Beihilfen gelten, weil nachgewiesen werden kann, dass sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie eingeführt wurden, keine Beihilfe waren und später aufgrund der Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu Beihilfen wurden, ohne dass sie eine Änderung durch den betreffenden Mitgliedstaat erfahren haben.“
29.
Gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofes (28) muss die Kommission prüfen, ob der rechtliche Rahmen, in dem die Beihilfe gewährt wird, sich seit deren Einführung geändert hat. Angesichts all der Elemente, die für die Rundfunksysteme der einzelnen Mitgliedstaaten von Bedeutung sind, befürwortet die Kommission eine Einzelfallprüfung (29).
30.
Gemäß dem Urteil in der Rechtssache Gibraltar (30) ist nicht jede geänderte bestehende Beihilfe als neue Beihilfe anzusehen. Das Gericht erster Instanz stellte fest: „Daher wird die ursprüngliche Regelung durch die Änderung nur dann in eine neue Beihilferegelung umgewandelt, wenn die Änderung sie in ihrem Kern betrifft. Um eine derartige wesentliche Änderung kann es sich jedoch nicht handeln, wenn sich das neue Element eindeutig von der ursprünglichen Regelung trennen lässt.“
31.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen prüft die Kommission in ihrer Entscheidungspraxis im Allgemeinen, 1) ob es sich bei der ursprünglichen Finanzierungsregelung für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten um eine bestehende Beihilfe im Sinne der Randnummern 26 und 27 handelt, 2) ob spätere Änderungen die ursprüngliche Maßnahme in ihrem Kern betreffen (d. h. die Art des Vorteils oder die Finanzierungsquelle, das Ziel der Beihilfe, den Kreis der Begünstigten oder die Tätigkeitsbereiche der Begünstigten) oder ob es sich dabei um rein formale oder verwaltungstechnische Änderungen handelt und 3) ob sich die späteren Änderungen, sofern sie wesentlicher Natur sind, von der ursprünglichen Maßnahme trennen lassen, so dass sie getrennt beurteilt werden können, oder ob sie sich von der ursprünglichen Maßnahme nicht trennen lassen, so dass die ursprüngliche Maßnahme insgesamt zu einer neuen Beihilfe wird.
89
Es sprechen entgegen der Sichtweise des Antragstellers im Verfahren Vf. 8-VII-12 keine beachtlichen Gründe dafür, dass die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags der Kommission als beabsichtigte Beihilfe zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV (https://dejure.org/gesetze/AEUV/108.html) vorab hätten gemeldet werden müssen. Die Anmeldepflicht betrifft nur neue Beihilfen, die damit einem präventiven Verbot mit Genehmigungsvorbehalt unterworfen werden. Bestehende Beihilfen, also solche, die bereits bei Inkrafttreten des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gewährt oder nach seinem Inkrafttreten vertragskonform eingeführt wurden, werden hingegen gemäß Art. 108 Abs. 1 AEUV in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten fortlaufend überprüft; sie unterfallen mithin repressiver Kontrolle. Die Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV umfasst demnach alle Beihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich der Änderungen bestehender Beihilfen (vgl. Art. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22.3.1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des EG-Vertrags, ABl vom 27.3.1999 L 83 S. 1).
90
Die Kommission ist bei einer Überprüfung der früheren Gebührenfinanzierung mit Entscheidung vom 24. April 2007 Az. K(2007) 1761 (http://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/198395/198395_680516_260_2.pdf) zu der Auffassung gelangt, dass es sich bei den Finanzierungsregelungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um eine bestehende staatliche Beihilfe handle (Rn. 191, 216) und dass die Bedenken in Bezug auf die Unvereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt durch die von Deutschland im Rahmen des Überprüfungsverfahrens eingegangenen Verpflichtungen (Rn. 322 ff.) ausgeräumt seien (Rn. 396). Es ist jedenfalls nicht offensichtlich, dass die Änderungen des Finanzierungssystems durch den Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag als Umwandlung in eine neue Beihilfe zu werten wären. Denn das wird nur für den Fall angenommen, dass die ursprüngliche Regelung durch die Änderung in ihrem Kern betroffen wird (vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ABl vom 27.10.2009 C 257 S. 1 unter Rn. 31 (http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:52009XC1027%2801%29)). Durch die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags werden indes weder die Art des Vorteils oder die Finanzierungsquelle noch das Ziel der Beihilfe, der Kreis der Begünstigten oder deren Tätigkeitsbereiche wesentlich verändert. Auch mit Blick auf zu erwartende Mehreinnahmen aus dem Rundfunkbeitrag ist keine gegenüber dem früheren Gebührensystem beachtliche Änderung zu erkennen. Denn es ist, wie oben ausgeführt (vgl. VI. A. 2. a) bb) (2), auch normativ durch § 3 Abs. 2 Satz 3 RFinStV abgesichert, dass keine Mehreinnahmen erzielt werden, die den extern geprüften und ermittelten Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Dauer überschreiten.
Seite 76f:
Der Übergang vom geräteabhängigen zum haushalts- und betriebsbezogenen Rundfunkbeitrag ist keine Änderung des bisherigen Systems, die den ursprünglichen Beitrag in seinem Kern beträfe, d. h. die Art des Vorteils oder der Finanzierungsquelle, das Ziel der Beihilfe, den Kreis der Begünstigten oder die Tätigkeitsbereiche der Begünstigten wesentlich veränderte234. Die Neuregelung begründet eine Vorzugslast für denselben Vorteil (Leistungsangebot der Rundfunkanstalten), beansprucht die gleiche Finanzierungsquelle (die Finanzkraft der Rundfunknutzer und Gebührenschuldner), behält das Ziel der Finanzierung (die auftragsgemäße, Distanz zu Staat und Markt wahrende Finanzausstattung der Rundfunkanstalten) bei, lässt den Kreis der Abgabengläubiger (die Rundfunkanstalten) und deren Tätigkeitsbereich (den Rundfunkauftrag) schlechthin unberührt. Die Kontinuität des Beitrags in Belastungsgrund, Bemessungsgrundlage, Belastungshöhe und Finanzwirkungen weist auch nach der Praxis der Kommission235 die Reform als „unwesentlich“ aus.
Die geplante Änderung begründet keine notifizierungspflichtige neue Beihilfe. Im übrigen könnten diese Beihilfen unter der Voraussetzung des Art. 106 Abs. 2 (https://dejure.org/gesetze/AEUV/106.html) oder 107 Abs. 3 d AEUV (https://dejure.org/gesetze/AEUV/107.html) gerechtfertigt werden236. Empfehlenswert bleibt aber die beabsichtigte Verständigung mit den Dienststellen der Europäischen Kommission.
232 Entscheidung der Kommission vom 22. 3. 2006; vgl. Entscheidung der Kommission vom 4.7. 2006 NN 31/2006, Rn. 10, http://ec.europa.eu/competition/state_aid/register/ii/by_sector_j6002.html.
233 Entscheidung der Kommission vom 26. 1. 2010, E 5/2005 C(2010)132 – Annual financing of the Dutch public service broadcasters, Rn. 103 ff., veröffentlicht am 18. 3. 2010. (http://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/198591/198591_1079191_160_1.pdf)
234 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vom 2. Juli 2009, ABl. 2009 C 257/1, Rn. 31. (http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:52009XC1027%2801%29)
235 Dazu jüngst Thomas Kleist/Alexander Scheuer, Das Beihilfe-Risiko, epd medien vom 14. 4. 2010, S. 3 (S. 5 f.).
236 Zum Problem vgl. Streinz/Herrmann,a.a.O. [Die Reform der Rundfunkfinanzierung im Lichte des EG-Beihilferechts, Rechtsgutachten, 2007], S. 24 f.
zu a) Art des Vorteils:
Kirchhof: unverändert - Leistungsangebot der Rundfunkanstalten
BVerwG: unverändert - Gegenleistung für das Programmangebot
Roggi ;): vorher Rundfunkempfang, jetzt Möglichkeit zum Rundfunkempfang
zu b) Finanzierungsquelle:
Kirchhof: unverändert - die Finanzkraft der Rundfunknutzer und Gebührenschuldner
BverWG: sagt nix
Roggi ;): vorher Gerätebesitzer, jetzt Wohnungsinhaber
nachrichtlich c) Ziel der Beihilfe:
Kirchhof: unverändert - die auftragsgemäße, Distanz zu Staat und Markt wahrende Finanzausstattung der Rundfunkanstalten
BVerwG: unverändert - die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen
nachrichtlich d) der Kreis oder Tätigkeitsbereich der Begünstigten
Kirchhof: unverändert - Rundfunkanstalten / Rundfunkauftrag
BverwG: unverändert - Begünstigte sind nach wie vor die Rundfunkanstalten
c) und d) kann man so stehen lassen.
Gibt es zu den Bemerkungen von Roggi zu a) und b) bereits weitere Ausführungen im Forum? Auch könnte ich mir vorstellen, selbst wenn die Sichtweise "vorher Rundfunkempfang, jetzt Möglichkeit zum Rundfunkempfang" als eine Veränderung/Abweichung angesehen würde, diese dann von der Europäischen Komission ruckizucki als unwesentlich eingestuft werden würden.
Bin momentan recht pessimistisch...
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PersonX ist der Annahme, es könnte hilfreich sein auch diese Ausführungen zu lesen.
"Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Digitalzeitalter", Hilker/ Scheele, 2010
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,15890.msg105637.html#msg105637
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Digitalzeitalter. Teil II: Europarechtliche Beschränkungen
Geschrieben von Heiko Hilker/Juergen Scheele am 14. Januar 2010
http://blog.die-linke.de/digitalelinke/offentlich-rechtlicher-rundfunk-im-digitalzeitalter-teil-ii-europarechtliche-beschrankungen/
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zu b) Finanzierungsquelle:
Kirchhof: unverändert - die Finanzkraft der Rundfunknutzer und Gebührenschuldner
BverWG: sagt nix
Roggi ;): vorher Gerätebesitzer, jetzt Wohnungsinhaber
Ganz wichtig: Kirchhof spricht vom "Rundfunknutzer", also der Haushalt, der Rundfunk tatsächlich / potenziell durch Bereithalten eines Empfangsgerätes nutzt. Das zieht sich durch das gesamte Gutachten. Nur in der "executive summary" wird plötzlich aus Haushalt die Wohnung und die Rundfunknutzung fällt weg.
Wer Gebührenschuldner ist, bestimmt sich nach der Rechtsgrundlage. Wenn also vorher der Anknüpfungspunkt Gerät war, und jetzt Wohnung, dann ist keine Identität der Abgabenschuldner gegeben. Demnach müsste man auch nach Kirchhof eine Neue Beihilfe annehmen.
Die Vertreter des ÖRR haben natürlich bei der EU-Kommission vorgefühlt, ob das so in Orndung geht. Da hat man wohl ein bisschen Druck aufgebaut, und jetzt traut sich die Kommission nicht mehr, gegen Deutschland vorzugehen. Ich habe schon öfter auf die Entscheidung der Kommission hingewiesen, aus der sich entnehmen lässt, dass eine Änderung des wesentlichen Charakters eintritt, wenn der Besitz des Rundfunkgeräts nicht mehr nötig ist:
EU-Kommission, Entscheidung v. 24.4.2007, K(2007) 1761 endg.:
(203) Erstens wirkte sich die Reform des Rundfunkgebührensystems nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 1968/1969 (demzufolge die Länder und nicht der Bund für Medien- und Rundfunkangelegenheiten zuständig sind) weder auf den Tatbestand aus, der die Pflicht zur Gebührenzahlung begründet (d. h. den Besitz eines Rundfunkempfangsgerätes), noch änderte sich dadurch der Kreis der Gebührenempfänger (d.h. die einzelnen öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten). Auch an dem Zweck der Gebühren änderte sich nichts (d. h. Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags). Die Reform führte lediglich zu einer änderung der Verfahren für den Gebühreneinzug – die ein integraler und nichtabtrennbarer Bestandteil der Finanzierungsregelung sind – und ist daher als eine änderung rein verwaltungstechnischer Art zu werten.
Warum das BVerwG wohl die Entscheidung der Kommission nicht zitiert?? Jedenfalls kann man sie zur obigen Liste hinzunehmen.
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Ganz wichtig: Kirchhof spricht vom "Rundfunknutzer", also der Haushalt, der Rundfunk tatsächlich / potenziell durch Bereithalten eines Empfangsgerätes nutzt. Das zieht sich durch das gesamte Gutachten. Nur in der "executive summary" wird plötzlich aus Haushalt die Wohnung und die Rundfunknutzung fällt weg.
Ganz richtig.
@Maverick und alle, die sich hier interessiert einbringen:
Bitte beachten, dass Kirchhofs Aussagen zur Beihilfe immer nur bezogen auf das von ihm selbst beschriebene Modell zu betrachten sind, welches aber in der Gesetzgebung in wesentlichen Teilen nicht umgesetzt wurde - insbes. nicht die "Widerlegbarkeit der Regelvermutung".
Stellungnahme Prof. Kirchhof zur vom Gutachten abweichenden Gesetzgebung
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,10673.0.html
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,10673.msg72732.html#msg72732
Durch diese fehlende "Widerlegbarkeit der Nutzung" (= "Wahlfreiheit für NICHTnutzer") wurde defacto ein neuer Kreis der Abgabenpflichtigen geschaffen - einschl. derer, die mangels Geräten mit der Leistung "Rundfunk" in keinerlei Beziehung stehen.
Dies halte ich für einen der gravierendsten und vermutlich sehr wohl beihilfenrelevanten Fehler am gesetzlich eingeführten sog. "Rundfunkbeitrag".
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Aus gegebenen Anlass und da in diesem Thread hier bereits die Diskussion zum bisherigem Standpunkt des BVerwG, seiner Argumentation und Begründung (insbesondere in seinen Grundsatzurteilen März 2016) zu Europarecht und Beihilfe begonnen wurde, erhält dieser Thread wieder Aktualität.
(Siehe auch:
Möglichkeiten des BVerwG auf die EUGH-Vorlage zu reagieren
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,24384.0.html
Diskussion zum Thema Beihilfe im Thread Kleiner Ausflug zum Europarecht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12861.msg133899.html#msg133899
VG Karlsruhe: Aufforderung zur Rücknahme der Klage
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,20156.msg130244.html#msg130244)
Es zeigt auch dass das Thema und eine Vorlage an den EuGH so neu nicht ist und auch die Rundfunkanstalten (mindestens SWR und NDR) sich dessen bewusst sind.
(Alt)Beihilfen scheint tatsächlich ein Punkt zu sein bzw. wird dieser auch an anderer Stelle von den RAn als unklar bzw. ungeklärt betitelt.
Nur warum weisen sie jeweils so offensiv & offensichtlich darauf hin?
Antwort "Rundfunkbeitrag" vom NDR auf Widerspruch (u.a. bzgl. Beihilferecht)
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19877.msg128980.html#msg128980
Unabhängig von der noch nicht abschließend geklärten Frage, ob die Rundfunkbeiträge als staatliche Beihilfen zu qualifizieren sind und damit eine getrennte Buchführung für öffentlich-rechtliche und sonstige Tätigkeiten erforderlich wäre, sind die getrennten Rechnungen, aus denen hervorgeht, dass keine Beiträge für privatwirtschaftliche Zwecke eingesetzt werden, allein der Europäischen Kommission vorzulegen, um dieser eine beihilferechtliche Prüfung zu ermöglichen.
Nicht aber dem einzelnen Beitragszahler.
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Durch diese fehlende "Widerlegbarkeit der Nutzung" (= "Wahlfreiheit für NICHTnutzer") wurde defacto ein neuer Kreis der Abgabenpflichtigen geschaffen - einschl. derer, die mangels Geräten mit der Leistung "Rundfunk" in keinerlei Beziehung stehen.
Das ist meiner Meinung nach der Knackpunkt.
Für deutsche Gerichte sind Änderungen, die weniger als 10% betreffen, unerheblich.
Wenn ich mich nicht irre, sieht das der EuGH anders.
Für ihn sind auch kleine Änderungen Änderungen.
Das macht auch Sinn, weil sich sonst große Änderungen mit vielen kleine Änderungen realisieren lassen würden.
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Naja, ein wesentlicher Punkt wird sicherlich auch sein ob der Beitrag im Gegensatz zur Gebühr nicht eine "Neubeihilfe" darstellt, über die bzw. deren Umwandlung der EuGH in seiner Rechtsprechung (C-590/14 P, 'Umgestaltung einer bestehenden Beihilfe gilt als neue Beihilfe') feststellt:
In der vorliegenden Rechtssache stellt sich die Frage, ob die erste vom griechischen Gericht erlassene einstweilige Anordnung als Umgestaltung einer bestehenden Beihilfe (und damit als neue Beihilfe) oder als bestehende Beihilfe anzusehen ist. Nur im ersten Fall hätte sie vor ihrer Durchführung bei der Kommission angemeldet werden müssen.
Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass die Gültigkeitsdauer einer bestehenden Beihilfe einen Gesichtspunkt darstellt, der die Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt durch die Kommission beeinflussen kann.
Der Gerichtshof schließt daraus, dass die Verlängerung der Gültigkeitsdauer einer bestehenden Beihilfe als Umgestaltung einer bestehenden Beihilfe anzusehen ist und daher eine neue Beihilfe darstellt.
Ein mit einem Rechtsstreit über einen Vertrag befasstes nationales Gericht ist nämlich verpflichtet, der Kommission alle Maßnahmen (u.a. die von diesem Gericht erlassenen) anzuzeigen, die die Auslegung und die Durchführung dieses Vertrags betreffen und die sich auf das Funktionieren des Binnenmarkts, auf den Wettbewerb oder auch nur auf die tatsächliche Geltungsdauer bestehender Beihilfen für einen bestimmten Zeitraum auswirken können.
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@koybott
Unabhängig von der noch nicht abschließend geklärten Frage, ob die Rundfunkbeiträge als staatliche Beihilfen zu qualifizieren sind
Da es keine Änderung dabei gab und der Rundfunkbeitrag genauso wie die Rundfunkgebühr quasi vertragslos vom Staat den Bürgern "übergebügelt" wird, ist freilich auch der Rundfunkbeitrag "aus staatlichen Mitteln" geleistet. Zur Gebühr: siehe EuGH C-337/06; hier vergleiche man die Modalitäten von damals mit jenen von heute.
Es wird auch keine Änderung darin geben, daß aus der Zahlung des Rundfunkbeitrages weder dem Bürger noch dem Staat eine Gegenleistung zugutekommt, entsteht im europäischen Recht eine Gegenleistung alleine auf Grund eines Vertrages zwischen Leistungsnehmer und Leistendem, der zudem nicht auf Basis unlauterer Geschäftspraktiken entstanden sein sollte.
Geltungsdauer bestehender Beihilfen für einen bestimmten Zeitraum
Die nationale dt. Rundfunkfinanzierung ist defaktisch zeitlich unbegrenzt; eine zeitlich unbestimmte staatliche Beihilfe dürfte mit EU-Recht nicht vereinbar sein, wäre es doch Zeugnis dafür, daß der laufende Geschäftsbetrieb gestützt wird, welches aber nicht zulässig ist.
Vom Unternehmen regelmäßig im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit aufzuwendende Mittel dürfen nicht staatlich abgefedert werden, weil dieses, sofern diese "Abfederung" nicht für alle Unternehmen der Branche gilt, den Wettbewerb zwischen den Unternehmen der Branche verfälscht.
Durch die nicht nur kosmetische Änderung im Jahreswechsel 2012 zu 2013 ist ganz sicher auch der Bestandschutz weg, den die Altbeihilfe hatte.
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Aus gegebenen Anlass und da in diesem Thread hier bereits die Diskussion zum bisherigem Standpunkt des BVerwG, seiner Argumentation und Begründung (insbesondere in seinen Grundsatzurteilen März 2016) zu Europarecht und Beihilfe begonnen wurde, erhält dieser Thread wieder Aktualität.
(Siehe auch:
Möglichkeiten des BVerwG auf die EUGH-Vorlage zu reagieren
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,24384.0.html
[...]
Auch wenn dies wider Erwarten in den Verfahren des BVerwG zu den Hotel-, Gästezimmern und Ferienwohnungen (Urteil 6 C 32.16 vom 27.09.2017) sowie zu den gemeinnützigen Einrichtungen der Altenhilfe (Urteil 6 C 34.16 vom 27.09.2017) offensichtlich weder Gegenstand war noch das BVerwG zu einer Äusserung veranlasste, hatte es sich dann doch in einem Beschluss mit zuvorliegenden Datum zur EuGH-Vorlage geäussert.
Obwohl er es -vermeintlich- aus Unbeachtlichkeitsgründen nicht musste, lässt es sich der 6. Senat des BVerwG dabei nicht nehmen, sich auch inhaltlich zur Vorlage und den Fragen (EuGH C-492/17) auszulassen und zu positionieren:
10 3. Die vom Kläger mit Schriftsatz vom 18. September 2017 neu vorgetragenen Zulassungsgründe verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Senat hat gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nur über die fristgemäß und ordnungsgemäß dargelegten Zulassungsgründe zu entscheiden. Nach Ablauf der im vorliegenden Fall am 17. Juli 2017 endenden Beschwerdebegründungsfrist hat der Senat neu vorgetragene Gründe, die nach Auffassung des Klägers die Zulassung der Revision rechtfertigen sollen, nicht zu prüfen. So verhält es sich hier. Der Kläger macht sich mit Schriftsatz vom 18. September 2017 die Vorlagefragen des Landgerichts Tübingen und deren Begründung zu eigen. Damit rügt er erstmals nach Ablauf der Begründungsfrist die Unvereinbarkeit der Beitragspflicht mit europarechtlichen Bestimmungen. Deshalb kommt auch die beantragte Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren unter dem dortigen Az. EuGH C-492/17 nicht in Betracht. Der Ausgang des hiesigen Beschwerdeverfahrens hängt nicht von der Entscheidung des Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Tübingen mit Beschluss vom 3. August 2017 (- 5 T 121/17 u.a. -) ab.
11 Ungeachtet dessen weist der Senat darauf hin, dass die vom Landgericht Tübingen im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens gestellten Vorlagefragen auf der dortigen Rechtsauffassung beruhen, dass die Einführung des Rundfunkbeitrags für den privaten Bereich nach Art. 108 Abs. 3 AEUV der Zustimmung der Kommission der Europäischen Union bedürfe und es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine typische Zwecksteuer handele, für die eine individuelle Gegenleistung nicht vorliege. Beides ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht der Fall.
12 Weder handelt es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine Steuer (s.o. unter 1.) noch bedurfte die Einführung des Rundfunkbeitrags für den privaten Bereich nach §§ 2 ff. RBStV der Zustimmung der Kommission der Europäischen Union. Eine genehmigungsbedürftige Umgestaltung im Sinne von Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV liegt vor, wenn die ursprüngliche Finanzierungsregelung durch spätere Änderungen in ihrem Kern, d.h. hinsichtlich der Art des Vorteils, der Finanzierungsquelle, des Ziels der Beihilfe, des Kreises oder der Tätigkeitsbereiche der Begünstigten betroffen ist. Diese maßgebenden Faktoren hat der Übergang von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag nicht verändert. Ebenso wie die Rundfunkgebühr wird der Rundfunkbeitrag als Gegenleistung für das Rundfunkprogrammangebot erhoben, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Begünstigte sind nach wie vor die Rundfunkanstalten. Zur Finanzierung werden auch weiterhin diejenigen herangezogen, die die Möglichkeit des Rundfunkempfangs haben. Insoweit hat sich lediglich die tatbestandliche Anknüpfung der Erfassung der Pflichtigen geändert. Bei der Einbeziehung der sehr kleinen Gruppe, die nicht im Besitz eines herkömmlichen oder neuartigen Empfangsgeräts, aber ebenfalls beitragspflichtig ist, handelt es sich nicht um eine Änderung der ursprünglichen Finanzierungsregelung in ihrem Kern (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 51 f., vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 - juris Rn. 53 f. und vom 25. Januar 2017 - 6 C 18.16 - juris Rn. 53 f. jeweils m.w.N.). Weder das Landgericht Tübingen in seinem Beschluss vom 3. August 2017 noch der Kläger im hiesigen Verfahren setzen sich mit dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelnen auseinander.
Beschluss vom 20.09.2017 - BVerwG 6 B 50.17, http://www.bverwg.de/200917B6B50.17.0
Nun, was springt ins Auge?
Das BVerwG nimmt die Möglichkeit wahr, sich (offensichtlich zum ersten Mal) - jedenfalls nicht prominent (etwa in einem der beiden vorgenannten Urteilen, zu denen Pressemitteilung herausgegeben wurde und die erwartungsgemäß auch öffentlich diskutiert wurden) - zur Vorlage C-492/17 und insbesondere den darin an den EuGH gerichteten Fragen "höchstrichterlich" zu äussern. Dabei reduziert das BVerwG seine Auslassungen zu eben dieser Vorlage und den Vorlagefragen jedoch auf einzig zwei Rechtsfragen:
1) Handelt es sich beim Rundfunkbeitrag um eine typische Zwecksteuer, für die eine individuelle Gegenleistung nicht vorliegt?
2) Bedarf die Einführung des Rundfunkbeitrags für den privaten Bereich nach Art. 108 Abs. 3 AEUV der Zustimmung der Kommission der Europäischen Union?
Mit dem Hinweis - "Beides ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht der Fall" - suggeriert das BVerwG, damit wäre bezüglich der EuGH Vorlage alles gegessen :) - und erteilt wegbereitend den folg- und gehorsamen unterinstanzlichen Verwaltungsgerichten die Absolution bzgl. Nichtbeachtlichkeit der EuGH Vorlage(fragen).
Zu 1)
Tatsächlich findet sich diese Rechtsfrage in keiner der Vorlagefragen EuGH C-492/17 wieder bzw. wurde dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.
Allenfalls befinden sich diesbezügliche Argumentationen in der begleitenden Begründung zur Vorlage des LG Tübingen im Beschluss - 5 T 121/17 vom 3. August 2017.
Zu 2)
Von den zehn (10!) Vorlagefragen befasst sich eine mit genau dieser Rechtsfrage. Drei weitere Vorlagefragen betreffen abweichende Rechtsfragen zu (verbotenen) priviligierten/ bevorzugten Beihilfen.
Zu allen 9 (6) weiteren Vorlagefragen - hier insbesondere zur Vereinbarkeit Rundfunkbeitrag mit europäischem/r Gleichbehandlungsgebot, Informationsfreiheit, Diskriminierungsverbot, Niederlassungsfreiheit - verliert das BVerwG kein Wort.
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=197111&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=1007961
Nihil fit sine causa.